Saturntempel | Das aerarium Saturni

  • Münzen über Münzen, edle Repliken, pures Gold und die schönsten und buntesten Edelsteine verden hier verwahrt. Der Saturntempel beherbergt den Staatsschatz des römischen Volkes, das aerarium populi Romani, nach seinem Aufbewahrungsort auch aerarium Saturni genannt.


    Neben allerlei kostbaren Wertgegenständen haben zudem die verschiedensten Urkunden und die Feldzeichen der römischen Einheiten hier ihren Platz. Der niemals abreißende Strom von Bußgeldern, Steuern, Kriegsbeute und Pachtgeldern sorgt dafür, dass die Kassen des Staates stets gut gefüllt sind. Auch Schuldverschreibungen werden hier aufbewahrt, ebenso wie die Bücher, in denen sämtliche Einnahmen und Ausgaben penibelst vermerkt sind.


    Unter der Aufsicht des Senats verwalten zwei Quästoren den Staatsschatz.

  • Heute war ich wieder einmal mit Livius Pyrrus unterwegs. Der Peregrine hatte sich eine neue Strategie ausgedacht, um mich nicht ständig mit seiner miesepetrigen Laune zu triezen - er schwieg und gab zumeist einsilbige Kommentare ab.


    Am Eingang wurden wir von einem Priester des Saturn begrüßt, der uns zunächst für Opferwillige hielt, sich nach einer kleinen Erklärung meines Anliegens jedoch entschuldigte und uns in die Eingeweide des Tempels geleitete. Dorthin, wo man den Staatsschatz aufbewahrte. Bewacht von treuen Soldaten, lagerten hier unschätzbare Werte. Nicht nur Pyrrus, sondern auch mir verschlug es für einen Moment die Sprache bei diesem Anblick.


    Als ich mich losgerissen hatte, wandte ich mich an den Schreiber, die derzeit die Oberaufsicht führte. "Ich würde gern Einsicht in die Bücher nehmen und die Einnahmen und Ausgaben kontrollieren. Wäre das möglich?" "Gewiss. Folge mir doch bitte", war die Antwort. Und nachdem ich Pyrrus durch eine kurze Berührung am Arm aus seiner staunenden Lethargie gerissen hatte, folgte er mir und dem Schreiber in dessen officium.

  • Fein säuberlich aufgereiht in einem hohen Regal mit vielerlei beschrifteten Fächern direkt hinter dem Schreibtisch befanden sich zahlreiche Schriftrollen. Die Einnahmen und Augaben wurden auch rückwirkend noch mehrere Jahre lang aufbewahrt, gesetzt den Fall, dass Unstimmigkeiten auftraten oder einfach zum besseren Nachvollzug der Geldflüsse. Der Saturnpriester bot mir seinen Stuhl dar und erklärte kurz das System hinter der Ordnung des Regals.


    "In diesem Fach befinden sich sämtliche Finanzaufzeichnungen diesen Jahres. Jede Schriftrolle ist mit einer Nummer versehen, sodass der Fortlauf die Reihenfolge ergibt. Weiter links findest du die vorangegangenen Jahre, und in diesem Fach hier rechts sind die Dinge verzeichnet, die monatlich, jährlich, vierteljährlich und so weiter ausgegeben werden müssen, Vormerkungen und dergleichen, donativa, kaiserliche Zuwendungen, Geldmittel für bauliche Maßnahmen und so weiter. Wenn du dich nicht zurecht findest oder noch eine Frage hast, findest du mich bei den Altären, quaestor." "Vielen Dank, sacerdos. Ich denke, ich werde mich zurechtfinden", erwiderte ich und nickte. Daraufhin verließ der Priester das officium und ließ mich allein mit Pyrrus und vielen hundert Papyri zurück.


    "Du hast es gehört, Pyrrus. Fangen wir also an", sagte ich zu meinem scriba personalis, welcher daraufhin etwas murmelte und mir die Schriftrolle mit der Nummer 1697 reichte, die erste des neuen Amtsjahres. Ich rollte sie aus und begann, sie eingehend zu betrachten und nach Fehlern und Unstimmigkeiten zu suchen.

  • Pyrrus war nicht der einzige Begleiter von Corvinus. Sein Neffe Avianus war auch an seiner Seite und hochmotiviert, denn es war heute sein erster Arbeitstag, den er zur Zufriedenheit seines Onkels meistern wollte. Natürlich musste er zunächst alles kennen lernen und hielt sich eher still in der Nähe der beiden erfahrenen Kontrolleure auf. Gut prägte sich Avianus ein, wie Pyrrus und Corvinus vorgingen, warum sie es taten und vor allem was sie da taten.
    Der Sacerdos erklärte gründlich, welche Beduetung dieser Berg aus Schriftrollen hatte, der nicht mehr auf ein simples Regal schließen ließ. Es dauert schließlich nicht lange, schon konnte er sich vergnügt trollen und die Kontrollierenden ihrem Schicksal überlassen. Der hatte ja gut reden, dachte Avianus. Wenn Corvinus sich diese ganzen Schriftrollen jetzt durchlesen musste, tat er Avianus leid. Und noch mehr tat er ihm leid, wenn dies eine alltägliche Aufgabe war. Aber gut, das war ein Beruf. Und wer seine Brötchen verdienen wollte, musste eben auch was im Beruf tun. So dachte zumindest Avianus, der zwar im Detail grün hinter den Ohren war, aber gut verstand, wie die Welt funktionierte.


    Weiterhin lernte Avianus die Tätigkeit seines Onkels kennen, und da es ja sein erster Arbeitstag war, hoffte er irgendwie helfen zu können. Man konnte ja etwas produktiveres tun, als still herumzustehen. "Das muss echt ein Knochenjob sein, Onkel.", dachte Avianus laut nach. Einfach war es sicherlich nicht...
    "Wenn du Hilfe brauchst, sag mir, was ich tun soll.".

  • "Nun, Tiberius, was wir nun tun, ist im grunde recht simpel, aber zeitaufwendig. Siehst du die aufgeführten Positionen hier?" fragte ich und fuhr mit dem Zeigefinger ganz links über das Pergament. Dort fanden sich Begriffe wie Das Dach des Mars Ultor Tempels ausgebessert oder Donativum zum Geburtstag des Kaisers oder auch Bußgeld: Unrechtmäßige Lieferung von Waren am Tage. "Das sind die Einnahmen und Ausgaben eines Monats. Wir überprüfen nun zuerst, ob die jeweiligen Ausgaben rechtmäßig der Staatskasse entnommen wurden. Beispielsweise eine Rechnung zu einer privaten cena darf nicht aus dem aerarium beglichen werden. Der nächste Schritt ist dann, die jeweiligen Posten mit dem Betrag zu vergleichen, um zu prüfen, ob mehr Geld als nötig der Kasse entnommen wurde. Hier zum Beispiel", erklärte ich und deutete auf die Mitte des Pergaments. "An den Iden des November DCCCLVII A.U.C. (13.11.2007/104 n.Chr.) wurden der Kasse im Auftrag des magister septemvirorum eintausendachthundertvierundfünfzig Sesterzen entnommen für die Ausrichtung des epulum Iovis. Wenn man nun in etwa weiß, was die drei Rinderopfer und die sonstigen Ausgaben gekostet haben, reicht das aus, um diesen Eintrag zu verifizieren. In diesem Fall erstaunt es mich, dass nur so wenig der Staatskasse entnommen wurde, es muss einen privaten Spender gegeben haben. Weniger zu entnehmen als eigentlich nötig ist natürlich löblich. Ich habe an diesem Eintrag nichts zu beanstanden, also vermerke ich nichts. Andersherum würde ich einen Vermerk hinter die Zeile setzen, um der Sache später nachgehen zu können. Im Idealfall werde ich das nicht müssen. Wenn ein Monat beanstandungslos ist, setze ich mein Amtssiegel und unterzeichne für die Richtigkeit." Ich blickte auf und musterte Avianus kurz. "Wie ist es, möchtest du einen Monat durchsehen? Falls du etwas findest, dass dir seltsam erscheint, sagst du mir einfach Bescheid", schlug ich vor und lächelte. Schließlich war Übung das beste Verfahren, wenn man etwas lernen wollte.

  • "Gerne, Chef.", nahm Avianus das Angebot wahr und grinste verhalten, "Ich knöpf mir mal den letzten Dezember vor.". Da wartete zwar Einiges an Arbeit auf die Aurelier, aber irgendjemand musste das ja tun. So nahm sich Avianus einen der nächstbesten Stühle hier im Raum und holte eine Schriftrolle nach der anderen hervor, um sie zu kontrollieren. Bei jedem Mal musste der junge Aurelier hoffen, dass das Regal nicht unter seiner Last zusammenbrach.


    Relativ konzentriert arbeitete Avianus mit und sah sich eine Schriftrolle nach der anderen durch. Bis jetzt hatte er sich an die Schilderung seines Onkels gehalten und konnte keine ungewöhnlichen Entdeckungen verbuchen. Er war sehr vertieft in die Arbeit die er ausführte und fand vielleicht genau deswegen etwas (für ihn) durchaus Verdächtiges. "Onkel...", sprach Avianus indirekt und etwas vertieft in die Schriftrolle, "Ich habe da in den Iden des Dezember DCCCLVIII A.U.C. (27.12.2007/104 n.Chr.) etwas Komisches gefunden. Vielleicht stimmt da was nicht...". Avianus zeigte während er erklärte auf besagte Stelle der Schriftrolle. Er klang ein wenig unsicher, aber er hatte das Gefühl, dass diese Abrechnung nicht ganz stimmte. Aber er war sich nicht sicher. Hoffentlich würde Corvinus Verständnis zeigen, wenn es doch richtig war. Auch Avianus musste seine Erfahrungen sammeln.

  • Schmunzelnd reichte ich meinem Neffen also die entsprechende Schriftrolle und widmete mich dann wieder meiner eigenen. Es sprach schon einmal für Avianus, dass er keine weiteren Fragen hatte. Pyrrus stand ein wenig abseits und beobachtete abwechselnd meinen Neffen und mich, sortierte dann irgendwelche Papyri und legte die nachfolgenden Schriftrollen parat.


    Im November war sonst nichts weiter Auffälliges zu entdecken, folglich zückte ich das Amtssiegel, siegelte und unterschrieb das Pergament und reichte es Pyrrus, der die Rolle verstaute, als das Wachs getrocknet war. Ich hatte mir bereits die nächste Rolle zur Hand genommen, als Avianus Bedenken bei einer Eintragung äußerte. Er schob mir sein Pergament her und deutete auf besagten Eintrag. "Hm?" Mit gerunzelter Stirn sah ich mir die Stelle einmal genauer an. Und tatsächlich, Summe und angegebener Verwendungszweck wollten nicht so recht übereinstimmen. "Das ist seltsam..." murmelte ich. "Ein Opfer anlässlich der Floralia? Im Dezember? Die Floralia werden im Mai gefeiert. Das kann nicht sein. Und auch die Summe ist viel zu hoch. Wer hat das eingetragen?" murmelte ich vor mich hin und ließ den Finger nach links wandern. Dort stand der Name des rex sacrorum, Fabius Antistes. Erstaunt lehnte ich mich zurück. "Da muss ein Irrtum vorliegen." Er hatte es selbst unterzeichnet, zumindest in diesem Punkt schien alles einwandfrei zu sein. Dennoch erforderte der Eintrag, dass man genauer nachforschte. "Ich denke, Tiberius, wir werden dem rex sacrorum einen Besuch abstatten müssen", sagte ich und schüttelte, immer noch verwundert, den Kopf.

  • Erleichtert aufatmend beobachtete Avianus, wie Corvinus auch an den Inhalt der Schriftrolle zweifelte. Er war nicht erleichtert, weil da etwas nicht stimmte, sondern weil er wohl nicht ganz unrecht hatte. Ein wenig stolz war der junge Aurelier auf seinen Fund schon - es war doch ein guter Anfang. Ein ausgesprochen Guter. Pyrrus hingegen, der kein allzu gesprächiger Kerl war, vergaß Avianus einen Moment lang.


    Ein Opfer anlässlich der Floralia im Dezember. Die Floralia feiert man im Mai, meinte Corvinus. Corvinus schien nicht ganz unbeeindruckt von der Sache zu sein, aber Avianus konnte das immerhin verstehen. Es ging hier schließlich um Geld, noch Wichtiger jedoch um Geld aus der Staatskasse. Entweder es war ein schrecklich großer Irrtum oder ein schändlicher Versuch, sich zu bereichern. Was auch immer es war, Avianus pflichtete Corvinus einfach nur bei, der da mehr Ahnung hatte als er. "Nun, an mir soll es nicht scheitern, Marcus. Wir kriegen das sicher in den Griff.", versuchte der junge Aurelier, schmunzelnd Optimismus auszustrahlen.

  • Ich wandte den Kopf und sah Avianus seitlich an, zuerst skeptisch, dann grinsend. "Das dachte ich mir. Für dich ist das ja nun sozusagen eine lohnende Entdeckung. Auf diese Weise lernst du deutlich mehr als beim schnöden Durchsuchen von unendlich langen Listen", foppte ich meinen Neffen. Hernach wandte räusperte ich mich und wandte mich zu Pyrrus um. "Am besten vermerkst du, wo wir waren. Wir gehen der Sache jetzt gleich auf den Grund", sagte ich und stand auf. "Komm. Wir machen später hier weiter. Ein wenig Frischluft tut uns zudem ganz gewiss nicht schlecht." Gemeinsam mit Avianus verließ ich also den Saturntempel und begab mich auf den Weg in die Basilika.



    SEPTEMVIR - COLLEGIUM SEPTEMVIRORUM
    AUCTOR - ACTA DIURNA
    TUTOR - AURELIA PRISCA
    TUTOR - AURELIA HELENA
    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

  • Avianus´ Brust war wohl einige gute Zentimeter gewachsen, als sein Onkel anmerkte, dass es für ihn eine lohnende Entdeckung war. Den skeptischen Blick von Corvinus nahm Avianus dabei nicht ganz wahr. Er hatte jetzt zumindest mehr gelernt, als wenn er stur und durchroutiniert lange Listen untersucht hätte, wo man als Laie schnell den Überblick verlor.
    Frischluft! Was Besseres konnte sich der junge Aurelier wirklich nicht vorstellen, weshalb er nickend und unauffällig aufstand, allein schon, um seinen Kopf ein wenig klarer zu machen. Hier drinnen wurde es mit der Zeit ein wenig stickig, wie er feststellte. "Nun gut, lass uns gehen!", bestätigte Avianus voller Tatendrang und folgte seinem Onkel auf dem Weg in die Basilika.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!