Der zweite Tag der ludi Florales, der Spiele zu Ehren der Flora, der Göttin des Frühlings, der Jugend und der so mannigfaltigen Pflanzen auf Erden, begann mit einem nahezu strahlenden blauen Himmel. Bereits am gestrigen Tag waren viele Römer und Römerinnen zu den Tempeln der Flora gepilgert oder hinaus in die Natur. Allerorts gaben Schauspieler kleine Stücke zum Besten, erzählten Narratoren ihre Geschichten und vollführten Mimen koplizierte, gefährliche oder unterhaltsame Narrenpossen. Überall boten sich lupae an, sich selbst Florae nennend, und ihre Angebote wurden nur zu gern wahrgenommen - nicht nur von männlichen Interessenten. Blüten über Blüten wurden hoch über die Köpfen geworfen, Bohnen und Erbsen ergossen sich in Kaskaden über Verheiratete und solche, die erst noch ihren Gegenpart finden mussten. Die floralia waren ausgelassenes Fest. In vielen Haushalten und Tavernen musste bereits am ersten Abend Nachschub an Wein und Bier geordert werden, nicht ein einziges Zimmer stand mehr zur freien Miete in Rom, und in manchen Gassen tummelten sich Paare, die voneinander nicht mehr wussten als ihre Namen - wenn überhaupt.
Eigentlich hätten die plebejischen Aedile die Organisation dieser Festivitäten übernehmen sollen, doch war einer der beiden eher müßiger Natur und der andere unerwartet so schwer erkrankt, dass seine Familie zurecht um sein Leben bangen musste. Als quaestor urbanus hatte ich mich erboten, iseinen Teil dieser Aufgabe zu übernehmen, zumal mir die Planung leichter fallen sollte, da ich im Amte eines septemvir ohnehin oft mit Feierlichkeiten zu Ehren der Göttern konfrontiert war. Viel Zeit hatte ich nicht gehabt, mich einzuarbeiten, dennoch hatte das Volk Roms natürlich eine gewisse Erwartungshaltung, die es auch ohne tatkräftige Unterstützung des verbliebenen Aedils zu erfüllen galt.
Heute, am zweiten Tag der Narretei, stand am Vormittag die traditionelle venatio an, eine Tierhatz im circus maximus. Bereits im Vorfeld waren Ziegen, Rehe und Hasen herangeschafft wurden - ausnahmslos kräftige Tiere, damit sie den Zuschauern später auch etwas bieten würden. Entlang der Eingänge befanden sich Stände, deren Besitzer kleine Naschereien oder sonstigen Tand feilboten, und die Ränge des circus waren bereits jetzt recht gut gefüllt. An einem Platz, an dem ich alles gut überschauen konnte, hatte ich mich in Begleitung niedergelassen, auf den Beginn wartend, der sich allmählich durch die unruhigen Geräusche der Tiere ankündigte. Und tatsächlich, nach den obligatorischen Eingangsreden, in denen zum ersten Mal auch mein Name in Verbingung mit dem Wort Ausrichter fiel - ich hatte mich angeregt unterhalten und so nicht einmal wahrgenommen, dass ich namentlich erwähnt wurde - stoben in einer Wolke aus Staub und Sand die Tiere herein. Rehe griffen weit aus, um sich in Sicherheit zu bringen und sie doch nicht zu erreichen. Große und kleine Hasen, bunte und einfarbige Tiere, schossen vorüber und blieben an den Wänden des circus ratlos ob des nicht vorhandenen Auswegs sitzen. Ziegen trotteten in einem Pulk vorüber, orientierungslos. Und dann ließ man die Hunde hinein, ausnahmslos große, wendige Tiere mit dünnen Läufen und langen, roten Zungen. Und das Spektakel begann.