Der Fall Matho: Wie alles begann...

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    Knappe zwei Wochen waren sie nun schon unterwegs. Zwei Wochen, in denen Matho sich bis aufs Blut gereizt fühlte. Diejenigen, die mit ihm von Mogontiacum zurück nach Rom reisten, gingen ihm zunehmend mehr auf die Nerven. Jetzt, da Siv kaum mehr Scherereien machte, begannen die anderen, aufmüpfig zu werden. Sie stellten nach Mathos Empfinden naive Fragen, trödelten des Morgens unnötig herum oder versuchten, mit Siv zu reden oder ihr mehr Essen zu geben, als er befohlen hatte. Besonders die Ägypterin und die Britin gingen ihm auf die Nerven. Merit-Amun hatte er am vergangenen Tag hinter den anderen drein laufen lassen, bis es dunkel geworden war. Und als sie am Abend das Lager aufgeschlagen hatten, hatte Matho sich Fhionn gegriffen und ihr unmissverständlich klar gemacht, dass er ihr zeigen würde, wo der Hammer hing, wenn sie nicht spurte. Und er hatte da von einem ganz besonderen Hammer gesprochen, auch wenn er dann doch nicht so skrupellos war, sich wahllos an irgendwem zu vergehen. Zumindest dies blieb den Mitreisenden erspart, auch wenn Matho damit drohte, dass durchaus einmal das Gegenteil der Fall sein konnte.


    Gerade eben war die Sonne untergegangen. Sivs Kette war gelöst worden, damit sie wie jeden Abend die Latrinengrube ausheben konnte. Fhionn und Hektor waren damit beauftragt worden, das große Zelt aufzubauen, und Merit-Amun war zusammen mit Alexandros zum Holzsammeln eingeteilt. Matho selbst machte nicht einen Finger krumm, sondern diktierte den anderen, was sie zu tun hatten. Ihm selbst war es nicht so bewusst, doch die anderen merkten immer stärker, dass Matho zu einem Tyrann geworden war, der seinesgleichen suchte. Die Stimmung in der kleinen Reisegruppe war gedrückt und schien nur dann etwas losgelöster, wenn der maiordomus schlief oder anderweitig beschäftigt war, sodass er sie nicht schikanieren konnte. Merit-Amun vermisste Caelyn und Sertorio, und manchmal sogar Ursus, denn sie glaubte nicht, dass der Römer ein solches Verhalten zugelassen hätte, wenn er nur davon gewusst hätte. Und von Alexandros wusste sie, dass die anderen nie etwas sagten, aus Angst, dass Matho ihnen einen Strick daraus drehen würde.


    Merit-Amun und Alexandros unterhielten sich gerade über die Tage, die ihnen noch bevorstanden, ehe sie in Rom ankommen würden - die Gespräche mit Alexandros und Hektor waren wohltuend für Merit, da sie hier nicht auf ihre spärlichen Lateinkenntnisse angewiesen war - als ein zorniges Brüllen ihre Unterhaltung störte: Matho. "...du sie nicht mehr alle oder wie? Kannst du nicht einmal etwas richtig machen? Hä? Wie sollen wir denn die Heringe wiederverwenden, wenn du die so krumm reinschlägst, dummes Huhn? Meine Herrn, wie dumm muss man eigentlich sein, Fhionn!" Merit-Amun seufzte, als die verhasste Stimme durchs Unterholz drang. "Irgendwann wird es jemandem auffallen, wie er uns behandelt. Und dann wird er seine Lehre bekommen", mutmaßte sie und schüttelte den Kopf. "Zu wünschen wär's ihm. Ich mein, keiner kann ihn leiden, aber ihn scheint das nicht zu stören. Also, wenn du mich fragst, mich würd es tierisch stören, wenn ich keine Freunde hätte", entgegnete Alexandros ebenfalls auf Griechisch und machte eine wegwerfende Handbewegung. Merit grinste flüchtig, dann hob sie einen letzten Ast auf und deutete mit dem Kopf zurück zum Lager. "Komm, das ist genug. Lass uns gehen." Was die beiden noch nicht wussten, war dass der geheime Wunsch nur allzu bald in Erfüllung gehen würde...

  • Die letzten zwei Wochen waren Siv wie eine Ewigkeit erschienen. Für keinen war es eine Überraschung gewesen, als Matho, kaum dass sie Mogontiacum verlassen hatten, die kleine Gruppe anhalten ließ und Siv befahl, sich in den Karren zu setzen, eingequetscht zwischen der hölzernen Wand auf der einen und Kisten und Säcken auf der anderen Seite. Der Platz, der für sie bemessen war, war minimal, kaum groß genug für sie. Überraschend waren nur zwei Dinge: dass der Maiordomus sie wenigstens in der Stadt noch hatte reiten lassen – und die Fesseln, die er für sie vorbereitet hatte. Sivs Brauen hatten sich verständnislos gerunzelt, als sie den Ring gesehen hatte, der in der Karrenwand eingeschlagen war, und waren groß geworden in ungläubigem Erschrecken, als Matho aus einem Sack die Kette hervorgezogen hatte. Sie hatte sich zur Wehr gesetzt, hatte ihn angefaucht, aber letztlich hatte sie den Kürzeren gezogen, und so war sie angekettet worden, während Idolum dazu verdonnert wurde, angebunden hinter dem Wagen herzutrotten. Wann immer sie befreit wurde und aufstehen konnte, waren ihre Glieder und Muskeln so steif, dass ihr ganzer Körper schmerzte, kaum dass sie sich bewegte. Aber befreit wurde sie ohnehin nur, wenn es unangenehme Arbeiten zu verrichten gab – so war sie, seit Beginn der Reise, diejenige, die die Latrinengrube abends ausheben und morgens wieder verscharren musste, genauso wie sie diejenige war, die, oft in eiskaltem Flusswasser, waschen musste, oder dafür zuständig war, frisch erlegtes Wild auszunehmen – was für sie an sich nicht wirklich unangenehm war, hatte sie das doch früher auch immer selbst erledigt, was aber vor allem bei größeren Tieren eine schwierige und langwierige Aufgabe war und mit nicht wirklich angenehmen Gerüchen einherging.


    Wie jeden Abend wurden auch diesen ihre Fesseln gelöst, und Siv machte sich an die inzwischen gewohnte Arbeit – sie hatte schon längst aufgegeben, zu murren oder auch sich auch nur innerlich aufzuregen. Dass Matho sie nicht für fluchtgefährdet hielt, sondern sie lediglich schikanieren wollte, zeigte sich daran, dass er sie frei ließ, um eben jene Arbeiten zu verrichten. Aber sie sagte nichts. Sie hatte schon kurz nach Beginn der Reise beschlossen, dass sie einfach die Zähne zusammenbeißen. Sie hoffte auf eine baldige Ankunft in Rom, und zugleich bangte sie davor, wechselten sich doch in ihrer Vorstellung die verschiedensten Szenerien ihrer Ankunft ab. Manchmal hatte sie den Eindruck, dass Matho sie beobachtete, mit einem verschlagenen Grinsen auf dem Gesicht, fast so als wisse er von etwas, wovon sie keine Ahnung hatte – sie redete sich ein, dass es Unsinn war, aber wenn er auf diese Art zu ihr sah, lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Während sie die Grube aushob, begann ihr Magen, der bereits seit einiger Zeit vor sich hin grummelte, so laut zu knurren, dass sie es hören könnte. Hunger war in den letzten Wochen zu einem ständigen Begleiter geworden. Matho achtete streng darauf, was und wie viel sie bekam, und im Gegensatz zu der Woche im Keller gab es auf der Reise nur wenig Möglichkeiten für die anderen, ihr gefahrlos Essen zu bringen. Die anderen schliefen alle gemeinsam in dem Zelt, während sie, selbstverständlich angekettet, in dem offenen Karren schlafen musste. Mit einem Seufzen beendete sie ihre Arbeit und verzog kurz das Gesicht, als sie an den nächsten Morgen denken musste, der immer den unangenehmeren Teil nach sich zog, dann ging sie das kurze Stück zurück zum Wagen, wo Matho gerade begann zu schimpfen. Sie rammte den Spaten dicht vor dem Maiordomus in den Boden und maß ihn mit einem verächtlichen Blick. Es hatte keinen Sinn, wenn sie aufbegehrte, was sie selbst betraf – aber in so einem Fall war sie ganz die Alte. Schlimmer konnte es für sie ohnehin nicht mehr werden. "Wie sein, wenn du machst eigen, das zeltbauen?" fauchte sie.

  • Schier endlos lang schien die Rückreise nach Rom zu sein. Zwei Wochen waren sie nun unterwegs. Zwei Wochen die von Strapazen und Entbehrungen geprägt waren. Zwei Wochen in denen auch Mathos Anwandlungen fast unerträglich wurden. Nicht nur, daß er Siv auf den Wagen hatte anketten lassen, er ließ auch die Anderen spüren, wer hier der Herr war. Seine Gemeinheiten, die er sich tagtäglich einfallen ließ, lasteten schwer, aber niemand traute sich wirklich die Hand gegen ihn zu erheben. Gemeinsam wären sie ihm zwar haushoch überlegen gewesen, doch was wäre mit ihnen geschehen, hätten sie ihm auch nur ein Haar gekrümmt? Hätten sie ihn verletzt, hätte er sie mit Sicherheit bei ihrem Herrn angeschwärzt. Hätten sie ihn getötet, wären sie allesamt ans Kreuz geschlagen worden. So wie die meisten, tröstete sich Fhionn damit, bald in Rom zu sein. Auch wenn dies kein wirklicher Trost sein konnte. Wäre ich doch nur damals auch getötet worden, dachte sie immer häufiger.


    Wie an jedem Abend, so auch an diesem, suchten sich die Reisenden einen geeigneten Platz, um ihr Lager aufzuschlagen. Alle waren schon reichlich müde und ausgehungert. Eile war geboten, denn die rote Sonne war gerade hinter den Bergen verschwunden und die Nacht kündigte sich bereits an. Wie immer hatte Matho die zu erledigenden Arbeiten verteilt, ließ sich dabei aber immer öfter außen vor. Wenn es ums Arbeiten ging, wurde Siv sogar von ihren Fesseln befreit und durfte vom Wagen steigen, um die schwersten und unangenehmsten Arbeiten zu verrichten.
    Hektor und Fhionn hatte er aufgetragen, das Zelt aufzuschlagen. Sie hatten sich dabei die größte Mühe gegeben, um mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, die Heringe in den harten Boden zu treiben. Der Hammer, um sich die Arbeit etwas zu erleichtern, war auf der Reise abhanden gekommen. So mussten sie sich mit Steinen behelfen.
    Durch ein zorniges Brüllen aufgeschreckt, blickte sie hinter sich und erkannte Matho, wie er über ihr stand und auf sie einschrie. Der Schrecken saß ihr immer noch in den Knochen, als sie sich langsam aufrappelte und ihm gegenüber stand. Was hatte sie dem Mann nur getan, daß er einen solchen Haß auf sie hatte? Eine Mischung aus Wut und Angst pochte in ihr. Wenn sie diese verdammte Sprache nur besser hätte sprechen können, dann hätte sie ihm contra gegeben! Doch das konnte sie nicht und sie wollte Matho nicht auch noch eine weitere Bühne geben, um sich über sie lustig zu machen. Aus ihrem Gesicht war für einen Atemzug jegliche Angst gewichen und hatte dem Zorn Platz gemacht. Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen und sie spürte den Stein in ihrer Hand, der ihr zum einschlagen der Heringe gedient hatte.
    Zögernd erhob sie ihre Hand und wollte ihm drohen. Ihr war so, als wäre die Zeit stehen geblieben. Nur sie und Matho waren da. Alles andere um sie herum war verschwunden.
    Bevor jedoch ein Unglück geschehen konnte, besann sie sich wieder und ließ ihre Hand mit samt dem Stein sinken. Nur ihre Augen waren noch gebannt auf Matho gerichtet. Erst eine Bemerkung, die Siv gemacht hatte, ließ die Situation für den Augenblick zumindest, entspannen.Einerseits ärgerte sie sich über sich selbst, weil sie nicht den Mut aufbringen konnte, sich zu wehren, andererseits war sie aber auch froh, nicht Mathos Herausforderung erlegen zu sein.

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    Matho hörte das dumpfe Wumpfen des Spatens und sah sich flüchtig um. Doch als er Siv erkannte, zog er nur geringschätzig die Augenbrauen hoch und wandte sich wieder Fhionn zu, die...nun ja, nichts weiter tat außer aufzustehen und mehr oder weniger intelligent aus der Wäsche zu gucken. Den Stein in ihrer Hand sah Matho nicht einmal entfernt als Bedrohung an, und überhaupt wäre Fhionn doch kein Hindernis für ihn gewesen. Dennoch holte Matho erneut tief Luft - schließlich war es schon schlimm genug gewesen, dass die dumme Gans den Hammer verbaselt hatte - als Siv dazwischen trat und ihn anblökte. Mathos Augen verengten sich zu Schlitzen, als er die Hände in die Hüften stemmte und Siv hasserfüllt und arrogant von oben bis unten musterte. "Wie sein wenn du machst eigen", äffte er sie nach und wiegte dabei den Kopf hin und her. Anschließend rollte er mit den Augen. "Wie lange muss man dich eigentlich noch durchfüttern, bis du mal ansatzweise gescheit sprechen kannst, hm? Und jetzt verzieh dich, sonst setzt's was. Kannst froh sein, wenn du heute Reste bekommst", grollte er in Sivs Richtung, griff sie am Oberarm und schob sie unsaft zur Seite. "Und nimm deinen Spaten mit, Germanenbraut! Soo... und du siehst jetzt gefälligst zu, dass du die Heringe wieder gerade bekommst, sonst kannst du heute Nacht draußen schlafen, ist das klar?" schnauzte er Fhionn an. Dann stapfte er davon, um den nächsten anzublaffen.

  • Fhionn fühlte sich so schwach und hilflos. Es schmerzte sie zusehends, wie der tyrannische maiordomus mit jedem einzelnen von ihnen umging. Seine Geringschätzung, Siv gegenüber, wurde immer stärker. Er sah in ihr keinen Menschen mehr. Sie war für ihn nichts weiter mehr, als ein lästiges Insekt, das er jetzt noch nicht zertreten durfte. Er musste es wohlbehütet nach Rom schaffen und genau darin lag wohl auch sein ganzer Hass begründet, den er gegen Siv empfand. Fhionn stand in seiner Beliebtheitsskala ebenfalls nicht sehr hoch. Was auch immer sie getan hatte, um ihn dermaßen zu reizen, sie konnte es sich selbst nicht erklären. Längst hatte sie den Stein in ihrer Hand wieder sinken lassen. Der Mut, der kurz aufgeblitzt war, hatte sich längst wieder verflüchtigt.
    "Nicht gehen gut mit Stein," versuchte sie sich noch mit zittriger Stimme zu verteidigen. Angesichts Mathos Reaktion, Siv gegenüber, konnte sie sich aber schon ausrechnen, welchen Spott ihre Worte bei Matho verursachen mußten. So widmete sie sich wohl oder übel wieder dem bereits krummen Hering und versuchte ihn erneut in die Erde zu treiben. Diesmal war aber das Unglück perfekt. Der Schlag des Steines hatte ihn nun ganz aus der Form gebracht und schlimmer noch, die Öse des Herings war nun auch noch abgebochen. Somit war er nun unbrauchbar geworden. Fhionn geriet bei dessen Anblick ins Schwitzen. Es war kalter Angstschweis, der sie nun auch noch erzittern ließ. Was sollte sie jetzt nur machen? Ersatz gab es keinen mehr. Den Tränen nahe blickte sie zu Matho auf, dem es Freude bereiten mußte, sie so zu sehen.

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