Zwei kräftige Sklaven bewegen vorsichtig einen Tragestuhl aus dunklem Holz durch die Menge, die sich am frühen Abend auf der agora eingefunden hat - die Hitze des Tages ist einigermaßen vergangen, und man muss nicht mehr befürchten, bei einem simplen Weg zum Markt, um Lebensmittel zu erstehen, das Hirn aus dem Kopf gebrannt zu bekommen. Wenngleich, das ddenkt Aelia Caenis still und ausgesprochen lästerlich bei sich, die Aegypter es mochten, Teile ihrer Körper nach dem Tode konservieren zu lassen, wieso also nicht auch das Gehirn während des Lebens. Zuzutrauen wäre es diesem in seinen uralten Mysterien verhafteten Volkes sicherlich auch.
Ihr Blick schweift über die wogende Menge, die kleinen Jungen, die ihren Müttern große Körbe mit Lebensmitteln und sonstigen Waren darin hinterher tragen, die feisten Römer, Veteranen, die ein wenig zu Geld gekommen sind und ihren Reichtum in der Stadt zu Schau zu tragen versuchen und an den alten wichtigen aegyptischen Familien kläglich scheitern, deren Gold noch einige Generationen älter ist als das der Veteranen, die gelangweilten Frauen der hierher versetzten römischen Beamten zu denen sie selbst ebenso wenig Zugang gefunden hat wie zu allen anderen - fast beschleicht sie der Gedanke, sie hätte in den letzten Jahren wie in einem Käfig existiert. Aber der Käfig hatte sich geöffnet, der Vogel war entwischt und kostete zum ersten Mal von seiner Freiheit.
Ein sanfter Wink ihrer Hand lässt die Sklaven ihre Richtung ändern und sie steuert am Sklavenmarkt vorbei. Kaufen will sie dort sicher nicht, dafür hat sie in der Residenz noch genug unnütze Mäuler herumlungern, mit denen sie noch nicht recht umzugehen weiß. Hier würden sie verkauft, sollte sie sich dazu entschließen, wirklich alles los zu werden, was ihr Gemahl in den letzten Jahren angehäuft hatte. Aber diese müßigen Gedanken verfolgt sie am heutigen Tag nicht weiter. Sie will auch gar nicht daran denken, welchen Zwecken die Sklaven einst dienten. Letztendlich waren auch sie nur Fleisch, Ware, die verkauft worden war.
Nur ihr eigener Preis war höher gewesen.
Einer ihrer begleitenden Leibwächtersklaven scheucht mit einem unwirschen Ruf die Meute an Straßenkindern weg, die versucht haben, sich ein Almosen zu erbetteln. Sie würden an diesem Tag eine andere mitleidige Seele finden müssen, heute hat Aelia Caenis anderes im Sinn.
Die Stände mit den Gewändern aus dem Osten kommen in ihren Blickpunkt, und jene hatten sie immer fasziniert. Vor allem, wegen der Geschichten, die sich mit den erlesenen Stoffen verbinden. Der Händler sieht seine Chance kommen, an diesem Tag ein gutes Geschäft zu machen und scheucht einige weniger betucht wirkende Kunden weg, damit sich ihr Tragstuhl nähern kann - noch immer hat sie keinen Fuß auf den Boden gesetzt, wie es die Reichen gern tun, um nicht vom Staub erfasst zu werden. Hände winken, und Stoffe werden vorgeführt, gezeigt, bis sie mit einem Wink gebietet, eine Stoffbahn genauer betrachten zu wollen.
Wundervolles Gespinst aus wechselndem Blau schmeichelt um ihre zarten Fesseln, darauf gemalt sind schlanke Vogelleiber, die sich mit elegant geformten Schwingen in den heller werdenden Himmel erheben. Wenn der Stoff im Wind wogt, scheinen sie wahrhaftig zu fliegen ... einer Freiheit entgegen, die sie jetzt erst zu erahnen beginnt.
Der erfragte Preis ist exorbitant, und sie zweifelt ... so viel Geld hat sie noch nie aus eigenem Antrieb ausgegeben, nur für sich, weil sie Schönes besitzen wollte - darf sie solch Makelloses überhaupt besitzen? Sinnierend betrachtet sie den Stoff, das Wogen, die freien Vögel ...
Wer mag, der darf