cubiculum | Manius Aurelius Orestes

  • Orestes saß wiedereinmal auf einer Kline in seinem Zimmer und studierte. Er hatte sich die Opfervorschriften nun schon hunderte Male durchgelesen und wartete nun sehnlichst auf eine Nachricht von den Septemviri. An diesem Tag kam - gerade als er über die Opfer, die man der kapitolinischen Trias darbrachte las - einer der vielen Sklaven herein und brachte ihm einen Brief, den Orestes sofort las.




    Ad
    Manius Aurelius Orestes
    villa Aurelia in Roma



    M. Aurelius Corvinus M' Aurelio Orestes s.d.


    Aurelius, du wirst hiermit zu deiner Opferprüfung zum Kapitol bestellt. Finde dich ANTE DIEM III NON IUN DCCCLVIII A.U.C. (3.6.2008/105 n.Chr.) zur vierten Stunde dort ein. Die gebräuchlichen Opferutensilien werden dir gestellt werden. Du solltest jedoch für ein entsprechendes Voropfer, das Opfertier und ein angemessenes Gebet Sorge tragen. Der Prüfung werden der sacerdos Messius Iuvenalis und der pontifex Tiberius Durus beiwohnen.


    Vale.



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    ROMA, PRIDIE KAL IUN DCCCLVIII A.U.C. (31.5.2008/105 n.Chr.)


    "Jetzt ist es also soweit. Die Prüfung ist angesetzt.",


    sagte er. Das Gefühl, das sich jetzt bei ihm einstellte nannte man wohl Nervosität.

  • Dass sie "beim Spiel der Kithara den ausbleibenden Schlaf herlocken" sollte, hatte Orest ganz nach Horaz Nuala in sein Cubiculum bestellt. Ja es war dekadent und ja Horaz hatte es nicht als Kompliment gemeint. Aber das war einer der Hauptgründe, dass er sie gekauft hatte. Trotz der guten Lage in ihrer Villa gabe es Abends immer wieder Lärm von draußen. Und das Saitenspiel sollte es doch ermöglichen, dass er schneller einschlafen konnte.


    Es würde sicherlich noch etwas dauern, so nahm er sich noch einmal seine Notizen schaute noch einmal alles für den morgigen Unterricht durch.

  • Bevor sie sich auf den Weg zu ihrem neuen Herrn machen konnte, fragte Nuala einen Sklaven nach einer Kithara. Nach langem Suchen fand sich doch noch ein solches Instrument. Es war etwas angestaubt, was darauf hinwies, dass es lange her sein musste, seit es das letzte Mal in Gebrauch war. Mit der flachen Hand wischte sie den Staub ab, dann ließ sie noch einmal ihre Finger über das Instrument gleiten. Wie schön und aufwändig es hergestellt war. Dann strichen ihre Finger über die Saiten. Der Klang hörte sich schrecklich an. Bevor sie darauf spielen konnte, musste sie das Instrument erst stimmen. Das tat sie dann auch.


    Das war vor einigen Stunden gewesen, nun war sie mit allem bereit, damit sie sich auf den Weg machen konnte. Den Weg zum cubiculum ihres neuen Herrn ließ Nuala sich weisen. Ihre Sandalen bewegten sich leise aber zielsicher durch den Gang. Die Kithara hielt sie in der rechten Hand. Sie war in eine einfache, aber saubere Tunika gehüllt. Ihr Haar hatte sie sich geflochten und dann hochgesteckt. Der Staub der letzten Tage war fortgewaschen. Sie fühlte sich fast, wie neugeboren. Jetzt war sie bereit für ihr neues Leben.
    Schließlich hatte Nuala ihr Ziel erreicht. Sie klopfte und trat ein.
    "Hier bin ich ,dominus! Ich habe eine Kithara mitgebracht, so wie du es wolltest."

  • Wenn er auf der Kline liegend und lesend eingenickt wäre, hätte er wahrscheinlich über die Ironie lachen müssen. An dem Abend an dem seine "Einschlafhilfe" das erste Mal eingesetzt werden konnte, wäre er dann so eingeschlafen. Dies dachte er, als Nuala vor der Tür stand. Als sie eintrat war er erstaunt und sprach es auch aus.Entschuldige, ich weiß nicht wer Du bist. Ich erwarte Nuala, meine neue Sklavin, die ein wenig abgerissen aussieht. :D


    Er wartete ein paar Sekunden auf ihre Reaktion.Nein. Scherz, komm rein Nuala. Hast Du Dich schon ein wenig zu recht finden können? Ich hoffe Siv und die anderen haben Dich gut aufgenommen. Du kannst Dich dort auf den Sessel setzen. Bei diesen Worten setzte er sich auf die Kline. Sein Cubiculum war insgesamt nicht besonders groß. Außer dem Bett, der Kline, den zwei Sesseln an einem kleinen Tisch und dem Beistelltisch auf der anderen Seite und einem Schrank gab es nichts im Zimmer - schließlich sollte man die schönen rotgrundierten Bilder noch sehen können.


    "Ich möchte, dass Du spielst, während ich einschlafe. Brauchst Du viel Licht zum Spielen? Wenn ja, dann wissen wir schon, was Du die nächsten Tage üben kannst."

  • Nualas Ankunft löste so einiges an Verwirrung bei Orestes, aber auch bei ihr aus. Sie wusste nicht, wie sie diese Äußerung aufnehmen sollte. Sie war Nuala! Das stand fest. Aber dann, als er sie zu "erkennen" schien, verstand sie. Es sollte eine Art von Kompliment sein, das er als Scherz getarnt hatte, weil sie sich nach dem Bad so verändert hatte. Sie begann, sanft zu lächeln und näherte sich dem Sessel. Dort nahm sie Platz. "Ja, das haben sie,dominus." Siv hatte sie zuerst in die Küche geführt, wo sie sich erst einmal satt essen konnte, danach zeigte sie ihr den Rest, von dem, was zumindest am Anfang wichtig war.
    Nuala sah sich um. Der Raum war sehr ansprechend eingerichtet und die Wände waren kunstvoll bemalt.
    Orestes hatte auf der Kline Platz genommen und erklärte ihr, was sie zu tun hatte. Sie hatte nicht geahnt, nur als Einschlafhilfe eingesetzt zu werden. Aber sie ließ sich nichts anmerken.
    "Ich denke nicht, dominus. Es müsste auch so gehen. Nur, ich habe schon lange nicht mehr gespielt. Mir hat jahrelang die Übung gefehlt." Sie fand, es wäre besser, ihn vorzuwarnen, damit er sich hinterher nicht beschweren musste. :D

  • Sie schaute ihn zunächst verwirrt an, was er - so langsam lernte er die Frauen einzuschätzen - auf sein scherzhaftes Kompliment zurückführen konnte. Dann setze sie sich. "Bevor ich mich zur Ruhe zu legen gedenke, musst Du mir zuerst noch mehr von Dir erzählen. Bist Du schon als Sklavin geboren worden? Wer waren Deine letzten Herren? Und natürlich welcher Autor, sei es ein griechischer oder römischer, ist Dir am liebsten."


    Dabei legte er sich wieder auf die Kline, weil es sich so doch am besten unterhalten ließ. Während sie sprach musterte er sie. Und befand, dass er - wie es schien - wirklich einen guten Kauf gemacht hatte.

  • Es war nur verständlich, zu erfahren, wer Nuala war und es freute sie, dass er ihr so viel Beachtung schenkte. Orestes hatte sich wieder auf die Kline gelegt und betrachtete sie. Nuala ihrerseits, legte die Kithakra neben dem Sessel ab, damit sie die Hände frei hatte.
    "Ich bin in Germanien aufgewachsen, aber dort wurde ich nicht geboren. Woher ich genau komme, kann ich nicht sagen. Damals war ich noch zu klein. Ich erinnere mich an ein Schiff, das übers Meer fuhr und an Männer. Ich weiß aber nicht mehr, wer diese Männer waren. An meine Eltern kann ich mich auch kaum erinnern. In Mogontiacum kam ich zu einer Familie, die eine Tochter in meinem Alter hatte. Ihr Name war Flora. Das waren wohlhabende Leute, die neben ihrem Stadthaus auch eine villa rustica außerhalb der Stadt hatten. Dort waren wir immer im Sommer. Ich war die Spielkameradin der jungen domina. Wir waren Freundinnen. Es war eine schöne Zeit. Aber eines Tages geschah etwas Furchtbares. Flora und ich hatten uns unerlaubterweise zwei Pferde genommen. Wir wollten ausreiten. Dabei ist sie von Pferd gestorben und einige Tage später starb sie an ihren Verletzungen. Man gab mir die Schuld, obwohl es gar nicht meine Idee war. Der dominus hat mich dann verkauft. Damals war ich zwölf." Nuala unterbrach ihre Geschichte. Es ging ihr immer noch nah, wenn sie an Flora denken musste. Dieses Ereignis hatte einen tiefen Einschnitt für ihr Leben bedeutet. Von da an, war das schöne Leben für sie vorbei gewesen.
    "Ich kam dann zu einem alten Mann. Der war Färber und lebte in Cambodunum und hatte dort seinen Betrieb. Dort musste ich in seinem Betrieb arbeiten. Ich arbeitete in den Färberbecken, den ganzen Tag. Ich war öfters krank. Irgendwann hat er mich wieder verkauft und dann kam ich Italia und schließlich auch nach Rom. Mein letzter Herr war ein Händler, der mit Gewürzen handelte. Er hatte einige schlechte Geschäfte gemacht, bei denen er sehr viel Geld verloren hatte. Da verkaufte er mich und jetzt bin ich hier.“ Nun lächelte sie ein wenig. Um ihm ihren Lieblingsautor zu nennen, musste Nuala nicht lange nachdenken! "Am liebsten habe ich bisher die Schriften von Homer gelesen. Seine Odyssee habe ich verschlungen.“

  • Er hörte sich die Erzählung ihrer Vergangenheit aufmerksam an. Seine Gedanken schweiften nicht ab, er musste nur manchmal den Göttern danken, dass ihm und den seinen ein solches Schicksal erspart geblieben ist. "Und Deinen Namen hast Du von einem Deiner Herren bekommen, oder hießt Du schon immer Nuala?" Es war echte Anteilnahme, die ihn weiterfragen ließ. Sicherlich war es fast unsinnig solches gegenüber einer Sklavin zu empfinden. Schließlich war es in der Welt so, dass es Sklaven und Herren gab (und Roma könnte auch gar nicht existieren ohne dieses Faktum), daher war Mitleid eigentlich fehl am Platze, aber nicht zu sehen, dass das Schicksal Nuala - bis zu diesem Tag - übel mitgespielt hatte, ließ ihn nicht kalt.


    "Andra moi ennepe, Mousa, politropon os mala polla.", sprach er fast etwas verträumt und mit einem griechischen Akzent, wie er im südlichen Mittelmeer gesprochen wurde, als sie die Odyssee erwähnte."Weil Dein Leben selbst eine Odyssee ist. Weit ab, von Deiner Ithaka, bist Du jetzt hier in Roma gestrandet...", sagte er und brach ab zu sprechen, ohne die Stimme am Satzende zu senken, weil ihm wieder bewusst wurde, wie beschenkt er doch von den Göttern leben durfte.

  • Ihr Name? Oft schon hatte sie sich gefragt, woher er denn stammte und vor allem, was er bedeutete. Ihren Namen hatte sie schon, seit sie denken konnte. Er war immer schon da gewesen. Ein Relikt aus der Zeit, als sie noch bei ihrer Familie lebte, im Irgendwo. Sie erinnerte sich noch, als man sie als kleines Mädchen nach Mogontiacum gebracht hatte. Nuala war das Einzige, was sie sagen konnte. Das Einzige, was die Fremden, die dann zu ihrer neuen Familie wurden, verstanden hatten. Sie hatten ihr dann den Namen gelassen, wahrscheinlich weil er so exotisch klang. Vielleicht hätte damals der Händler Auskunft geben können, woher Nuala eigentlich kam. Er hatte es aber nicht getan und wenn er es getan hatte, so hatte man es ihr niemals verraten. Vielleicht aus Unachtsamkeit, vielleicht aber auch, um sie vor ihrer eigenen Vergangenheit zu „schützen“, damit sie nicht mehr weiter grübeln musste. Gegrübelt hatte sie aber immer.
    "Nuala ist der Name, den mir meine Eltern gegeben haben."


    Er rezitierte den Anfang des ersten Gesanges von Homers Odyssee in griechischer Sprache und Nuala fühlte sich wieder zurückversetzt, in die Zeit, als sie diesen Text lernte und aufsagen musste.
    "Welcher so weit geirrt, nach der heiligen Troja Zerstörung,
    Vieler Menschen Städte gesehn und Sitte gelernt hat,
    Und auf dem Meere so viel unnennbare Leiden erduldet,
    Seine Seele zu retten und seiner Freunde Zurückkunft."

    Einen Moment herrschte Stille. Ja, sie hatte auch eine Irrfahrt hinter sich und war hier nun gestrandet. Doch dies war nicht ihre Heimat. Also war ihre Irrfahrt auch lange noch nicht zu Ende.
    "Ja hier bin ich nun gestrandet!" erwiderte sie nachdenklich.

  • Das wäre doch schon mal ein Anfang, wenn es wirklich ihr eigentlicher Name war. In Rom lebten schließlich Menschen aus allen Ländern der Erde, da würde man doch jemand ihres Volkes finden können. Zumal man nicht überall würde suchen müssen. Im Norden auf der anderen Seite des Meeres. Aber: würde es ihr helfen? Würde sie glücklicher sein, wenn sie es wüsste? Würde nicht auf einmal Sehnsucht nach der unbekannten Heimat ihr Herz erfüllen und ihr Schicksal als Sklavin schwieriger machen?


    Eigentlich müsste dies alles Orestes ja nichts angehen, solange sie als Sklavin funktionierte jedenfalls- und doch konnte er nicht ganz daran vorbei gehen. Er verfiel bei diesen Gedanken in eine melancholische Stimmung. So wendete er seinen von ihr ab und schaute ins Leere und im Innern den Versen des homerschen Epos folgend kam er zu den Versen, die des Orests Geschichte betrafen, mehr murmelnd als rezitierend, sprach er:


    Unter ihnen begann der Vater der Menschen und Götter;
    So nahm jetzo Ägisthos, dem Schicksal entgegen, die Gattin
    Agamemnons zum Weib', und erschlug den kehrenden Sieger,
    Kundig des schweren Gerichts! Wir hatten ihn lange gewarnet,
    Da wir ihm Hermes sandten, den wachsamen Argosbesieger,
    Weder jenen zu töten, noch um die Gattin zu werben.
    Denn von Orestes wird einst das Blut Agamemnons gerochen,
    Wann er, ein Jüngling nun, des Vaters Erbe verlanget.

  • Sie sah wieder auf und fand ihn in einer nachdenklichen Pose. Hatte sie das augelöst? Bisher hatte sich niemand Gedanken um ihr eigenes Schicksal gemacht. Im Gegenteil, man hatte ihr versichert, ihr würde es viel besser gehen, als den meisten anderen, die ihr Schicksal teilten. Selbst in der Färberei, war ihr damaliger Herr der Meinung, ihr ginge es viel zu gut.
    Da Nuala nicht wusste, was sie als kleines Kind verloren hatte, sehnte sie sich auch nicht danach. Es gab keinen Grund für sie, sich an ein fernes fremdes Land zu hängen und sich danach zu sehnen, so wie das andere Sklaven taten, die erst wenige Jahre zuvor zu Sklaven geworden waren. Doch hätte sie schon gerne gewusst, wer ihre Eltern waren. Dieser Wunsch würde aber sicher unerfüllt bleiben. Nuala vermied es, sich längere Zeit mit solchen Gedanken zu beschäftigen. Sie machten sie nur traurig!


    Orestes hatte sich von Nuala abgewandt, war in sich gekehrt. Er wirkte mit einem mal melancholisch. Sie konnte die Verse hören, die er vor sich her murmelte. Vielleicht hatten sie eine Bedeutung für ihn.
    Sie verstand nicht und suchte, wie gewohnt, die Schuld für diesen Stimmungswandel bei sich selbst. Was hatte sie nur wieder gesagt oder getan? Es war ausgeschlossen, sie konnte nicht nachfragen! Sie konnte sich nicht erkundigen, was ihn bewog, so zu reagieren, so gerne sie es auch getan hätte. Dafür fehlte ihr einfach der Mut. Noch vor wenigen Stunden hatte sie diesen Mann noch gar nicht gekannt und auch jetzt war ihr Wissen um ihn nur spärlich. Sie kannte nur seinen Namen und wusste, dass sich ihre Vorlieben für Literatur überschnitten. Mehr nicht!
    Nein, sie sagte nichts. Eine beklemmende Stille entstand.

  • Eine beklemmende Stimmung entstand. Er überließ sich seinen Gedanken, Nualas Schicksal war es auf fremder Erde zu leben, er lebte auf eigenem Grund. Seine Geschichte war nicht die des Orests der Mythologie und doch sein Vater war tot und das bestimmte sein Handeln. Nicht dass er um ihn trauerte, nein, er musste ihn überflügeln, besser sein als er. Das Ansehen des Astes der Familie aus der er kam wiederherstellen. Einen Moment durchfloss ihn Zorn, aber die tiefen Wasser der Melancholie überfluteten ihn wieder. Gab es ein Schicksal? War es nicht doch so, dass er seinem Vater ähnlich war? War es nicht so, dass er im letzten doch eine Orestie spielte, in der er den Tod des Vaters durch seinen eigenen Ehrgeiz zu rächen versuchte....


    Dann fiel ihm wieder ein, wo er war. Nuala wusste von alledem nichts und musste es auch nicht wissen. Seine melancholische Stimmung hatte nichts mit ihr zu tun. Und nichts mit diesem Moment. So sagte er zu ihr, die Stille für einen Moment durchbrechend: ""Spiel etwas für mich..., bitte"


    Durch die vorherige Stille klang seine Aufforderung zuerst etwas scharf, aber das "bitte", das er hinterherschob, konnte deutlich machen, dass es wirklich mehr eine Bitte, denn ein Befehl war.

  • Nichts wollte diese Stille durchbrechen. Nicht das kleinste Geräusch. Es war fast schon gespenstig. Nuala wurde es bange. Sollte sie nicht zu seiner Zerstreuung hier sein? Ihm die Zeit versüßen und dafür Sorge tragen, dass von ihm die Lasten des Alltags abfielen? Dann hatte sie bereits jetzt schon versagt!
    Orestes wirkte abwesend, gefangen in seiner Welt, aus der er nicht so einfach ausbrechen konnte. Nuala begann sich Sorgen zu machen, weniger um ihn, als um ihre eigene Zukunft, die sie bereits jetzt schon wieder schwinden sah. Nach so kurzer Zeit bereits den Unmut ihres neuen Herrn erregt zu haben, war tatsächlich rekordverdächtig. Sie wartete eigentlich nur noch darauf, fortgeschickt zu werden. Vorbei der Traum! Zerplatzt wie eine Seifenblase.
    Dann durchbrach er die Stille. Spiel etwas für mich..., bitte. Sie sah überrascht auf. Sie hatte mit etwas anderem gerechnet, nicht mit der Aufforderung, zu spielen. Seine Worte klangen herrisch, doch durch das bitte am Ende wurden sie entschärft. So war es schon fast wieder eine Bitte, kein Befehl.
    Sie nickte eingeschüchtert und nahm die Kithara zur Hand. Etwas zögernd begann sie darauf eine besänftigende Melodie zu spielen. Sie hoffte, mit ihrer Auswahl seinen Geschmack getroffen zu haben. Möglicherweise konnte sie so wieder gut machen, was sie vermeintlich falsch gemacht hatte.

  • Sie spielte etwas ruhiges, das war gut so. Die Musik brachte den zuvor in tiefe und trübsinnige Gedanken gefangenen Aurelier wieder auf eine ruhigere Bahn. Er hatte viel gearbeitet in den letzten Tagen und sich viele Sorgen gemacht. Was ihm fehlte war Entspannung, er sollte in den nächsten Tagen einmal einfach so durch Rom gehen, das würde ihm gut tun.


    Was ihm aber jetzt in diesem Moment gut tat, war Nualas Saitenspiel. Wie um die alten Gedanken loszuwerden reckte er sich und veränderte sein Lage auf der Kline. Und langsam, ganz langsam entspannten sich auch seine Gesichtszüge, so dass sich schon fast ein Lächeln andeutete. Und selbst wenn sich mal ein falscher Ton in Nualas Spiel verirren sollte, störte ihn das jetzt nicht, nur ein kleines Heben der Augenbraue konnte er nicht vermeiden. Aber er sagte nichts und es nahm ihm auch nicht das Vergnügen. Immer mal wieder fiel ihm ein Auge zu, mal auch das andere. Und er schlief auf der Kline, die nicht weit von seinem Bett entfernt war ein.

  • Nualas Spiel erreichte das, was es sollte. Es besänftigte den Aurelier wieder und dies half auch ihr, die Anspannung, die in ihr entstanden war, zu lösen. Sie gab sich viel Mühe, möglichst jeden Ton richtig zu treffen, was ihr leider nicht immer gelang. Aber sie hatte ihn ja vorgewarnt und ihn störte es offenbar nicht weiter, denn er sagte nichts dazu. Bald hatte sie wieder jene Leichtigkeit inne, mit der sie auch schon früher die Kithara spielte. Nuala war glücklich. Sie war zufrieden, mit dem was sie nun hatte. Wie lange hatte sie sich danach gesehnt? Hatten all die langen beschwerlichen Jahre doch einen Sinn gehabt? Nämlich den, dass sie nun hier angekommen war?
    Nach einer Weile sah sie zu der Kline hinüber, auf der es sich Orestes bequem gemacht hatte. Er war eingeschlafen. Sie dachte noch nach, was sie jetzt tun sollte. Sie kam zum Schluss, dass es doch besser wäre, noch eine Weile zu spielen. Je mehr sie spielte, desto mehr Übung bekam sie. Allerdings wurden auch ihre Augen mit der Zeit schwer und so nickte auch sie ein. Ein langer aufreibender Tag lag hinter ihr.

  • Mitten in der Nacht - oder graute da nicht schon der Morgen - erwachte Orestes aus seinem erholsamen Schlaf. Nur sein Nacken war etwas steif. Die Kline war nun doch einfach nicht zum Schlafen gemacht. Mit einem kurzen Blick ins Dunkel seines Zimmers, sah er Nuala in sich zusammengesunken auf dem Korbsessel sitzen, wahrscheinlich schlafend. Er hätte sie gerne genauer betrachtet, doch die Dunkelheit und seine eigene Müdigkeit verhinderten dies.


    Er überlegte sie zu wecken, aber wenn es wirklich schon fast morgens war, würde es ihr eh nicht mehr helfen. Und wenn sie vom 'Weckdienst' im Sessel schlafend gefunden würde, wäre wenigstens nicht ein sich leicht vorzustellendes Gerücht im Umlauf. Auf der anderen Seite, dachte er, sich seinen 'verlegenen' nacken massierend, dass auch Sklaven - erst recht in der ersten Nacht recht auf einen erholsamen Schlaf hatten. Naja Recht war nun auch wieder zuviel gesagt. Aber wie es sich nun auch genau verhielt, sagte er den Satz, den er vor kurzem erst zu Tilla gesagt hatte. Er berührte sie sanft an der Schulter: "Nuala, wach auf, es schläft sich besser im Bett!"

  • Nuala war bereits in einen tiefen traumlosen Schlaf gefallen. Sie war einfach nur schrecklich müde gewesen. Der Korbsessel lud aber auch gerade dazu ein. Er war sehr bequem. Viel bequemer, als das. was sie bisher gewohnt war. Gleichmäßig ging ihr Atem. Sie hätte gewiss die ganze Nacht darin schlafen können, wäre es nach ihr gegangen.
    Es dauerte eine Zeit lang, bis Orestes´ Worte an ihr Ohr drang und sie seine sanfte Berührung an ihrer Schulter spürte.
    Doch mit einem Mal wurde ihr wieder bewusst, wo sie war und was sie war.
    Sie wachte auf und sah ihn erschrocken an. Erst konnte sie gar nichts sagen. Dann sah sie sich um. Sie war noch immer im cubiculum ihres neuen Herrn. Was hatte er gesagt? Jetzt musste sie noch entsetzter wirken. Was sollte sie dazu sagen? Etwas sagen musste sie. Erinnerungen kamen wieder in ihr hoch. Sehr unschöne Erinnerungen waren das.
    "Bitte nicht!"antwortete sie leise und eingeschüchtert. Die Angst, die sie in dieser Sekunde empfand, war unübersehbar. Sie musste sich eingestehen, dass sie es vielleicht doch nicht so gut getroffen hatte, wie sie geglaubt hatte.

  • Orestes wich erschrocken zurück. Seine neue Sklavin erwachte und schien völlig geschockt. Es dämmerte Orestes, daran hätte er denken sollen. Es war bei einer solchen Schönheit wie Nuala nicht schwer vorzustellen, was ihr alter Herr wohl mit ihr angestellt hatte. Diese Angst musste er ihr jetzt nehmen. So ging er zwei Schritte zurück und versuchte mit einer ruhigen und warmen Stimme zu reden, was ihm trotz der unterirdischen Uhrzeit einigermaßen gelang. "Keine Angst, Nuala. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich will Dir nichts tun." Wie um es gültige zu machen, und dass sie es wirklich glauben könnte, wiederholte er es (und sich)."Keine Angst, ich tue Dir nichts."


    Er ärgerte sich ein wenig über sich. Er hätte daran denken müssen, er hätte es mit ihr abklären müssen, das sie nichts von ihm zu befürchten hat - nichts von ihm und von niemandem sonst im Haushalt. Aber jetzt war es dazu zwar nicht zu spät, aber wahrscheinlich hatte er jetzt viele Erinnerungen in ihr aufgewühlt, die sie lieber vergessen hätte. Und das tat ihm ehrlich leid. Ich wollte Dich nicht erschrecken, ich... ich dachte nur, dass Du vielleicht besser in die Sklavenunterkunft gehen solltest zum schlafen. Ist vielleicht erholsamer, als hier .. im Sessel.. Hoffentlich hatte er jetzt nichts gesagt, dass sie falsch verstehen könnte. Es hätte ihm zwar egal sein können, schließlich war sie eine Sklavin, aber irgendwie hatte man als Herr doch auch eine Verantwortung und Nuala wirkte so zerbrechlich - das löst in ihm auch Beschützerinstinkte aus.

  • Wahrscheinlich musste sich Orestes gleichermaßen erschrocken haben, wie Nuala selbst. Er wich einige Schritte zurück und begann auf sie einzureden. Sie musste vollkommen verängstigt auf ihn gewirkt haben, was sie letztlich ja auch war. In den wenigen Stunden, seitdem sie hier war, hatte sie schwerlich zu niemandem eine Art Vertrauen fassen können. Seine beruhigenden Worte jedoch, ließen sie wieder entspannen und sie sah nicht mehr ganz so, als hätte sie gerade einen Geist gesehen.
    "Oh, Entschuldigung! Es .. ich wollte nicht einschlafen. Aber der Sessel war so bequem und ich ähm … es tut mir leid!" Sie stand auf und blickte ihn immer noch mit ihren großen Augen an. Der Schreck war bereits verflogen, doch ein wenig Furcht spiegelte sich noch in ihren Augen. Aber sie hatte gehört, was er gesagt hatte. Auf keinen Fall wollte sie noch einmal unangenehm auffallen. Zu tief saßen ihre Erinnerungen an ihr früheres Leben.
    "Ja, das ist vielleicht besser!" Dabei war sie sich gar nicht so sicher, ob sie den Weg dorthin überhaupt wieder finden würde. Die Villa war so groß. Wenn schon! Sie fand schon ein Plätzchen, wo sie schlafen konnte!
    Sie näherte sich der Tür, drehte sich dann aber noch einmal fragend um. "Soll ich dich wecken,... Morgen früh, dominus?"

  • Wenn es nicht so spät oder besser gesagt früh in der Nacht gewesen wäre, wäre Orest jetzt wahrscheinlich in den Gedanken verfallen, dass man manchen Menschen verbieten sollte Skalven zu halten, wenn man sah wie scheu und zerbrechlich Nuala war. "Nuala, Du hast vorhin sehr schön gespielt.", lobte er sie, einfach weil er meinte, dass sie ein Lob gut gebrauchen könnte. "Und jetzt geh. Und ja - wecke mich bitte morgen früh" Nicht, dass er sonst nicht geweckt werden würde - Caelyn weckte im Zweifel alle. Aber diese schnodderige Art von Caelyn noch vor dem ersten Sonnenstrahl, das würde er nicht vermissen, wenn Nuala ihn ab jetzt weckte.

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