Aelius Quarto bei Valerianus

  • Gesichtsausdruck und Gestik Valerianus' machten deutlich, dass es ihm nicht besser als an den anderen tagen ging, noch bevor er den Mund öffnete und eben jenes selber verkündete.


    "Die Ärzte sagen, dass ein solcher Anfall wie vor dem Conventus jederzeit wieder kommen kann."


    Er deutet auf einen Brief auf seinem Tisch.


    "Ich habe meiner Frau geschrieben. Sie will sich auf den Weg hierher machen. Ich soll dir Grüße ausrichten, warum auch immer. Aber gut, du bist wegen anderer Dinge hier. Sprich."

  • Aelius Quarto nickte, sagte “Danke!“ und “Wie schön.“ und dachte an seine noch recht junge Schwägerin Livilla Ulpia Lucilla, die er schon lange nicht mehr gesehen, aber als überaus freundlich und sehr hübsch in Erinnerung hatte.


    Dann kam er aber doch gleich zur Sache:
    “In wenigen Wochen stehen wieder Wahlen zum Cursus Honorum an. Das weißt du natürlich. Ich habe mir überlegt, dass es sinnvoll wäre, wenn ich nach langer Zeit wieder einmal kandidieren würde. Als Consul, natürlich. Das Amt würde es mir erlauben, deine Sache im Senat in diesem kommenden Amtsjahr noch besser zu vertreten. Ich halte es für eine gute Idee. Unter Flavius Vespasianus“ – er spie den Namen fast aus – “haben seine verderbten Söhne etliche Konsulate inne gehabt. Warum sollten wir es anders halten und nicht der Bruder Consul sein und sein eigen Fleisch und Blut auf dem Kaiserthron unterstützen?“

  • Schweigend und regungslos wie immer, hörte Valerianus auch diesem Vorschlag zu. Er brauchte nicht lange, um sich über Vorteile und Nachteile der Idee Gedanken zu machen.


    "Diesem deinen Wunsch werde ich selbstverständlich nicht im Wege stehen. Im Gegenteil, ich unterstütze dies. Du weisst, dass ich gehofft hatte, dass du mir politischen helfen würdest. Genau dort kannst du es tun."

  • Aber schon wenige Tage später suchte er den Kaiser erneut auf. Wie üblich ließen ihn die Wachen anstandslos passieren und wie erhofft war Valerianus in seinen Amtsräumen.
    Aelius Quarto begrüßte seinen Bruder, wobei er wie immer seine Besorgnis über dessen körperliche Schwäche nicht ganz verbergen konnte. Er wollte ihn aber nicht schon wieder mit Fragen nach seinem Gesundheitszustand quälen und darum kam er ohne weitere Umstände gleich zur Sache. Quarto wusste doch, dass Valerianus die direkte Art bevorzugte. Das war etwas, was er mit seinem Vorgänger Iulianus gemein hatte.


    “Ich komme wegen zwei Octaviern. Es sind Vater und Sohn. Beide waren bei mir, getrennt voneinander und mit verschiedenen Anliegen.
    Der Vater heißt Marcus Octavius Augustinus Maior. Er ist ein Angehöriger des Ordo Equester und hatte bereits verschiedene Verwaltungsämter in den Provinzen Germania und Hispania inne. Zuletzt war er Procurator in Hispania. Nun möchte er in der Kaiserlichen Kanzlei arbeiten und hat sich für das Amt des Procurator ab epistulis beworben. Diese Stelle ist tatsächlich momentan vakant und ich denke, Octavius Augustinus Maior wäre ein durchaus geeigneter Kandidat.
    Der Sohn heißt Caius Octavius Cato. Zuletzt war er Praefectus Castrorum bei der Legio XXII in Aegyptus. Er möchte Rom künftig im Cursus Honorum dienen und ersucht um seine Erhebung in den Ordo Senatorius, um schon bei den kommenden Wahlen kandidieren zu können.“

  • Valerianus nahm es dankbar zur Kenntnis, dass das Gespräch nicht schon wieder mit seinem Gesundheitszustand begann. Er hätte ohnehin nichts neues zu berichten gehabt.


    "Vater und Sohn erschienen unabhängig voneinander? Das sind erstaunliche Familienverhältnisse, gerade wenn es um solche Wünsche geht. Hat der Sohn die Zustimmung seines Vaters für seinen Wunsch nach politischer Betätigung?"

  • “Das habe ich so direkt nicht gefragt. Aber ich erwähnte Octavius Augustinus Maior gegenüber, dass sein Sohn bei mir gewesen ist. Er schien mir nicht überrascht zu sein und hat es wohl gewusst. Ich nehme deshalb an, Octavius Catos Ambitionen finden seine Zustimmung und welcher Vater wäre nicht stolz, wenn der Sohn diesen ehrenvollen Weg beschreiten will?“





    /edit: Ups! Bin über die octavischen Familienverhältnisse gestolpert, obwohl ich es hätte besser wissen sollen. Es ist aber jetzt editiert.

  • Eine Weile grübelte Valerianus vor sich hin, wann er zuletzt gemeinsam mit seinem Vater einen Wünsch geäußert hatte und wohin ihn sein Vater zuletzt begleitet hatte. Aber egal ob er an seinen leiblichen Vater oder seinen Adoptivvater dachte, erschien ihm kein konkretes Ereignis vor seinem geistigen Auge.


    Erst später schien ihm wieder bewusst zu werden, dass sein Bruder im Raum stand. Immernoch grübeln blickte er ihn an.


    "Der Vater kommt also aus Hispania? Wenn er gute Kritiken und Empfehlungen hat, dann stelle ihn ein. Seinem Sohn soll der gewünschte Weg auch gestattet sein."


    Mit letzterem hatte er ohnehin nicht viel zu tun, denn für die Arbeit im Senat hatte er ja insbesondere seinen Bruder.

  • Wieder einmal wollte Aelius Quarto mit seinem Bruder, dem Kaiser sprechen. Zwar versuchte er ihn möglichst selten zu behelligen, weil er wusste, wie schlecht es Valerianus ging und wie sehr die hartnäckige Krankheit an seinen Kräften zehrte, aber es ließ sich nicht immer vermeiden.


    So erschien er vor dem Officium Imperatoris, wo er wie immer auf die dort wachenden Prätorianer traf.


    “Salve! Ich bin der Consul Lucius Aelius Quarto. und möchte mit dem Imperator Caesar Augustus sprechen.“


    Vermutlich war es eher Höflichkeit, als Notwendigkeit, dass er sich vorstellte, denn es durfte im Palast mittlerweile kaum noch einen Gardisten geben der ihn nicht kannte.

  • Der Praetorianer an der Tür von des Kaisers Officium wußte natürlich sehr gut, mit wem er es zu tun hatte. An dieser Stelle wurde ja auch nicht jeder eingesetzt. Es war eine besondere Ehre, hier Wache halten zu dürfen, die nur Männern zuteil wurde, die sich auskannten und die sich bewährt hatten.


    Und natürlich hielt der Praetorianer den Consul nicht weiter auf. Hatte doch der Kaiser den ganz klaren Befehl gegeben, seinen Bruder jederzeit vorzulassen. "Selbstverständlich, Consul Aelius. Tritt nur ein." Der Mann gab den Weg frei.






  • Aelius Quarto bedankte sich bei dem Prätorianer, denn er war von Natur aus ein höflicher Mann.


    Dann ging er hinein, fand seinen Bruder vor und begrüßte ihn.


    “Salve Valerianus, ich wünsche dir einen guten Tag.
    Ich bin gekommen, weil ich dich bitten möchte... also... ich möchte dir eine Gesetzesänderung vorschlagen, die du per kaiserlichem Dekret verfügen müsstest. Es ist nur eine Kleinigkeit, aber sie würde die Arbeit des Senats erleichtern und die Rechtspflege, die ich mir für mein Konsulat zur Aufgabe gemacht habe.“

  • In den letzten Tagen war es ruhig im Officium gewesen, was Valerianus sehr begrüßt hatte.


    "Ich wünsche dir ebenfalls einen guten Tage, der sicher besser sein wird als meiner. Was möchtest du verfügen lassen?"

  • “Es geht um den Prologus des Codex Iuridicalis. Dort ist in Absatz (1) folgendes festgeschrieben:
    Neue Bestandteile in den Codex Iuridicialis aufnehmen kann nur der Imperator Caesar Augustus, jedoch kann der Senat ihm dies bei Beschluss durch Decretum Senatus empfehlen.“
    , begann Quarto seine Erläuterung.
    “Der Prologus untersagt dem Senat nicht ausdrücklich Änderungen am Codex vorzunehmen. Aber dieser Vorbehalt, dass er keine 'neuen Bestandteile' hinzufügen, sondern nur empfehlen darf, erschwert es ungemein, richtige und notwendige Novellierungen vorzunehmen.
    Denn was soll man darunter verstehen und was sind nur Änderungen, und was bereits neue Inhalte? Selbstverständlich könnte man da kluge Definitionen formulieren, doch bleibt es in gewissen Einzelfällen sicherlich eine Interpretationsfrage. Will sich der Senat auf der sicheren Seite wissen, dann müsste er alle Änderungen immer als Empfehlung an dich formulieren. Es läge dann weiterhin an dir, sie umzusetzen oder nicht. Das halte ich für wenig praktikabel.


    Deshalb bitte ich dich, diesen Absatz per Dekret zu ändern.


    Er könnte dann lauten:
    Der Codex Iuridicialis kann nur durch ein Decretum Imperatoris des Imperators Caesar Augustus oder durch ein Decretum Senatus des Senats geändert oder mit neuen Bestandteilen ergänzt werden.


    § 18 (9) Codex Universalis erlaubt es dir, jegliche Beschlussfassung des Senats zu verhindern oder aufzuheben, so dass ich kaum die Gefahr sehe, dass der Senat den Codex Iuridicialis zu deinem Nachteil oder zum Nachteil des Staates verändert oder aushöhlt. Aktuell sehe ich die Gefahr ohnehin nicht, aber ich denke, wir können sie auch für die Zukunft ausschließen.“

  • Für die Spitzfindigkeiten der verschiedenen Formulierung und der Anwendung dieses und jenes Paragraphen zur Verhinderung negativer Auswirkungen eines anderen konnte Valerianus keine Freude abgewinnen.


    "Wir wissen beide, dass mein Vater sich gerne und mit Geschick solchen Dingen gewidmet hat und du weißt, dass dies nicht meine Sache ist. Ist nicht ohnehin jedes Gesetz Bestandteil eines Codex? Ist damit nicht bereits hinreichend festgelegt, wer Änderungen vornehmen und neue Gesetze erlassen kann?"

  • “Ja, dass stimmt.“


    Aelius Quarto merkte, dass sein Bruder doch ein wenig mehr vom römischen Gesetzgebungsverfahren verstand, als er zu verstehen vorgab. Die vielen Stunden, die sie in ihrer Jugend gemeinsam mit Lysias, ihrem alten griechischen Lehrer verbracht hatten, waren also doch nicht ganz so spurlos an ihm vorbei gegangen.


    “Im Codex Universalis gibt es noch einen entsprechenden Passus. Es ist der erste Absatz in § 5. Er besagt, dass nur der Imperator Caesar Augustus Bestandteile eines Codex ändern kann und der Senat lediglich Empfehlungen aussprechen darf. Allerdings hat der Senat sich bereits in den letzten Jahren und mit stillschweigender Billigung deines Vaters darüber hinweg gesetzt und selbsttätig Änderungen beschlossen.
    Ich denke, auch deinem Vater war bewusst, dass der Senat ihm und Rom weitaus mehr nützen kann, wenn er selbsttätig Recht festsetzen kann. Meine Meinung ist, dass es richtig wäre, wenn du auch eine Änderung dieses § 5 veranlassen würdest.“


    Natürlich wusste Quarto, dass er eine sehr weitreichende Änderung verlangte, für die Valerianus nicht nur ihm, sondern vor allem auch dem Senat als Ganzem recht viel Vertrauen entgegenbringen musste.

  • Der Verweis auf das Verhalten seines Vaters war für Valerianus immer ein guter Hinweis, wie er seine Entscheidung zu treffen hatte. Insbesondere dann, wenn es um Gebiete ging, in denen er sich nur leidlich gut auskannte.


    "Wenn mein Vater dies gebilligt hat, dann wird es so gut sein und wir brauchen nicht zu regeln, was auch anders funktioniert. Aber trotzdem habe ich noch nicht verstanden, was deine Änderung nun noch sagt, was nicht ohnehin klar ist. Kann man diese ganzen Sätze nicht einfach entfernen?"


    Falls sein Bruder die Fragen bisher für rhetorische Fragen gehalten hatte, so war dieser nun doch deutlich anzumerken, dass es tatsächliche Fragen waren.

  • “Ja, beides könnte man auch streichen. Allerdings wären rechtsgültige Änderungen an den Codices dann nicht nur durch dich oder den Senat möglich, sondern auch per Plebiszit. Damit würde die Volksversammlung wieder mehr Einfluss bekommen und mit ihr die Volkstribune. Das muss kein grundsätzlicher Fehler sein. Aber das gilt es zu bedenken.“

  • Valerianus war froh, die komplexe Materie der Gesetzgebung bisher gemieden zu haben. Strich man an einer Stelle etwas weg, kam an anderer also etwas dazu. Dass missfiel ihm und bereitete ihm kein Vergnügen, was er mit einer wegwerfenden Handbewegung zum Ausdruck brachte.


    "Dann formulieren wir es so, wie eingangs von dir vorgeschlagen. Gib es der Kanzlei zur Veröffentlichung."

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