[Atrium] Iulia Helena et Mania | Freudige Erwartungen

  • Seltsam, wie viel es selbst in diesem auf einen grundlegenden Komfort beschränkten Haushalt zu tun gab. Vielleicht gerade deswegen, überlegte Iulia Helena still vor sich hin und schloss die kleine Tafel, in der die Erträge ihrer Landgüter gelistet worden waren. Dieses Jahr war nicht das beste Geschäftsjahr bisher gewesen und sie hatte die Auswüchse des parthischen Abenteuers mit einigem Missvergnügen in ihren Büchern feststellen müssen - ausgefallenere Waren waren deutlich billiger geworden und der Verkauf lohnte sich nicht mehr, weil aus dem Osten viel Neues nach Rom hereinschwappte. Sie würde bald einige neue Ideen ausprobieren müssen oder einige Angestellte entlassen.
    Der Gedanke an die zweite Möglichkeit schmeckte ihr nicht sonderlich - mit einem Mal krampfte sich ihr Magen zusammen und sie fühlte die widerkehrende Übelkeit. Schwäche glitt durch ihre Adern und sie musste einige Momente lang mit ihrer Fassung ringen, die Finger krampften sich um das Täfelchen und sie atmete schnell, leise keuchend durch, sank auf eine der gepolsterten Sitzbänke und kniff die Augen zusammen, damit die davor tanzenden Sternchen sie nicht in die Tiefe rissen. Wenigstens musste sie sich nicht übergeben, das war ein Schritt in die positve Richtung. Matt wischte sie sich mit der Hand über die Stirn, dann rief sie mit einem Händeklatschen einen der Sklaven des Hauses herbei.
    "Rufe Mania zu mir, ich muss sie sofort sprechen." War es denn möglich ...?

  • Der Sklave hatte sie da gefunden, wo er zu erst gesucht hatte und dort wo sie am meisten zu finden war : Auf ihren Stuhl in der Culina auf dem sie das Geschehen in der Culina überwachte und die Sklaven anwies, wie sie die Gerichte zuzubereiten hatte. Langsam hatte sie sich erhoben, hatte den Boten mit einem Lächeln zu verstehen gegeben, das sie kommen würde. Doch zuvor ging sie zu einem der dampfenden Töpfe, nahm mit einem Löffel einen kleinen Schluck und sagte zu der jungen Frau, die mit einem grossem Löffel darin rührte : "Noch ein paar Lorbeerblätter,.. und später ein wenig Thymian..."


    Dann war sie aus der Culina gegangen und hatte wenig später das Attrium erreicht in dem sie Helena sitzen sah. Gut schien es ihr wirklich nichts zu gehen und Mania wusste ziemlich Augenblicklich was sie quälte und sie wusste auch, wie diese Qualen zu lindern waren. Von ihrer Mutter war sie in die Geheimnisse der Kräuter ein geweiht worden, so wie diese schon von ihrer Mutter.


    Zielstrebig ging sie auf Helena zu, setzte sich neben sie und fühlte mit ihrer linken Hand die Stern der Iulierin. Und statt irgendwelche Worte der Begrüssung zu gebauchen, nahm sie ein paar gemahlene Kräuter aus dem Beutel den sie immer bei sich trug und drückte sie der Iulierin in die Hand.

    "Nimm sie, dann geht es dir gleich bessser, mein Kind."

  • Wenige Sklaven gab es, denen die Iulierin eine solche Vertraulichkeit hätte durchgehen lassen, und Mania hatte sich inzwischen durch ihre treue Arbeit und ihre Liebe zu Vitamalacus eine solche Position bei Helena verdient. Zudem, es ging ihr gerade so widerlich schlecht, dass sie sich wahrscheinlich von jedem hätte helfen lassen, der ihr geholfen hätte, und so nahm sie die gemahlenen Kräuter entgegen, legte die Fitzelchen auf ihre Zunge und ließ den bittersüßen Geschmack ihren Mundraum erfüllen, bevor sie schluckte. Es fiel ihr schwer, in diesem Moment überhaupt etwas herunterzubringen, denn eigentlich wollte alles, was sie am morgen zu sich genommen hatte, den umgekehrten Weg nehmen, doch eiserner Wille (und die Gewöhnung daran seit ihrer langen Schwächekrankheit) ließen sie einen kleinen Triumph über ihren unwilligen Körper erringen.
    Dennoch dauerte es einige lange, quälende Atemzüge, bis die beruhigende Wirkung der Kräuter einsetzte und sich die Iulierin nicht mehr unmittelbar so fühlte, als müsste sich in ihrem Inneren die Galle über alle anderen Organe stülpen. Erst, als sie wieder befreit atmen konnte, wischte sie sich mit der Hand den kalten Schweiß von der Stirn und blickte zu Mania, Dankbarkeit in ihrem Blick.
    "Du bist zur richtigen Zeit gekommen, ich danke Dir," sagte sie matt und richtete sich wieder auf. So schlecht wie in letzter Zeit war es ihr lange nicht gegangen. "Aber nicht die Not sagte mir, Dich zu rufen, ich wollte mit Dir über etwas anderes sprechen, Mania. Wenngleich ich befürchten muss, dass es mit der Not zusammenhängt." Eine kleine Pause entstand, dann atmete sie langsam ein. "Ich hege die Vermutung, dass ich schwanger bin."

  • Einen Moment schwieg Mania, sie beobachtete nur, wie die Iulierin ihre Kräuter zu sich nahm und wie sich ihre Atemzüge langsam entspannten. Sachte legte sie eine Hand auf ihre Schulter, die andere umschloss die Hände der jungen Frau neben ihr. Es mochte zunächst nur wie eine beruhigende Geste wirken, doch letzlich steckte noch viel mehr dahinter, konnte doch die Berührung Mania viel mehr über den Zustand der schwangeren Frau verraten. Ihre Finger erspürten Atmung und Blutfluss, musste man (frau) doch nur wissen, welche Stelle man berühren musste. Und auch die Körpertemperatur blieb ihr so kein Geheimnis.


    "Kindchen," sagte sie mit warmen Worten ohne die Spur eines Tadels,"ich habe mich schon gefragt, wann du zu mir kommst."


    Ihr war schon lange klar, in welchen Umständen die Iulierin war, vielleicht schon länger als dieser selbst es bewusst war. Jahre, nein Jahrzehnte lang, hatte sie sich um die schwangeren Frauen in ihrer Umgebung gesorgt, zahllose Kinder mit auf die welt verholfen, sie wusste zu gut, die kleinen Zeichen zu deuten, die es gab, wenn auch der Bauch noch lange nicht gewölbt war. Und sie wusste auch, welche Fragen zu stellen waren und was jetzt zu tun war.


    "Hab keine Angst, mein Kind," fuhr sie fort,"ich hab schon mehr als eine werdende Mutter auf ihrem Weg begleitet. Und es waren viele darunter, welche ihrem Mann nicht durch das halbe Imperium und darüber hinaus folgen würden. Ist es deine erste Schwangerschaft ?"

  • Es sprach für die alte Sklavin, dass sie anscheinend genug Beobachtungsgabe besass, um das Entstehende zu erkennen - und genug Takt, um nicht von selbst darauf zu sprechen zu kommen, bevor es nicht offensichtlich war. Einmal mehr beglückwünschte sie im Stillen Quintus dafür, dass er diese Frau mit nach Italia genommen hatte, und so einiges seines Charakters wurde ihr in Manias Ruhe und Gelassenheit klarer.
    "Ich wollte mir erst sicher sein, dass es nicht am Klima liegt oder an einer anderen Unpässlichkeit," erklärte sie sinnierend, bevor sie leicht zu lächeln begann.
    "Das ist nicht mein erstes Kind, es wäre das vierte - wenn mir die Götter gnädig sind und es gesund zur Welt kommen lassen. Deswegen war ich mir auch nach einer Weile klar darüber, was es sein könnte, aber die ersten Wochen sind oft nicht eindeutig in den Anzeichen. Ich war vor einiger Zeit lange krank und schwach, und ich hatte befürchtet, die Krankheit sei zurückgekehrt ... aber umso freudvoller ist es, dass es nicht am Fieber liegen kann, sondern an der Gunst der Götter, die uns einen besonderen Wunsch erfüllen."


    Ganz werdende Mutter, legte sie die rechte Hand auf ihrem noch nicht gewölbten Bauch ab, als müsste sie das ungeborene Leben darin besonders beschützen.
    "Dass ich Quintus begleite, war selbstverständlich. Er ist mein Mann, und was für eine Frau wäre ich, würde ich ihn dort alleine lassen, wo er ganz besonders Stütze und Hilfe braucht. Aber vielleicht ist es auch das iulische Erbe, das mich ebenso zu den Schlachtfeldern führte wie ihn." Dass sie keineswegs verheiratet waren, sondern erst verlobt, fiel für die Iulierin fast gänzlich unter den Tisch. Letztendlich kam es fast auf dasselbe heraus.

  • Die alte Frau schwieg einen Moment, es war eine kurze Gedankenpause in der sie die gehörten Informationen sortierte. Durch ihre lange Erfahrung musste sie natürlich nicht lange überlegen, was zu tun war und welche Massnahmen zu ergreifen waren und das die Iulierin noch vor einiger Zeit an einer schweren Krankheit gelitten hatte, war ihr nicht verborgen geblieben. Doch gerade das und die vergangenen Schwangerschaften machten ihre Aufgabe nicht leicht, allerdings liess die Haltung der jungen Mutter Mania doch hoffen, das ihr Zögling Quintus bald Vater eines gesunden Kindes werden würde.


    "Ich werde dir aufjedenfall immer einen Becher mit einem Kräutersud neben dein Bett stellen lassen, er hilft gegen das morgendliche Unwohlsein. Schliesslich musst du jetzt für Zwei essen und wenn du deine Mahlzeiten nicht bei dir behälst, ist das wenig Hilfreich. Und scheue dich nicht, ungewöhnliche Essenswünsche zu äussern."


    Das diese kommen würden, daran zweifelte Mania nicht und das Helena diese zu den ungewöhnlichsten Zeiten äussern würde, daran noch viel weniger. Mania hatte Sklavinnen erlebt, die sich mitten in der Nacht in die Vorratskammern geschlichen waren. "Ich werde auch Nia und Pia nach Mantua auf den Markt schicken, sie werden einige Kräuter kaufen müssen, welche dir die Kraft geben, die du benötigst. und lasse nach mir rufen, wenn dU das Gefühl hast, das etwas ungewöhnlich ist."


    Mania umschloss die Hände der Iulierin und lächelte sie warmherzig an. Es gab eine Frage, welche sie nicht stellte, wusste sie die Antwort doch schon. Damit Quintus etwas von der Schwangerschaft ahnte, das war einfach nicht zu glauben. Selbst wenn die Gerüchteküche im Praetorium hochkochen würde, weil die Iulierin mitten in der Nacht nach gesüsstem Sauerfleisch verlangte, dem Legatus würde dies entgehen.


    "Ich danke den Göttern, das sie dich und Quintus zusammen geführt haben. Du bist die richtige Frau für einen alten Soldaten wie ihn."

  • Es tat der Iulierin gut in der bevorstehenden langen Schlacht eine wissende und kundige Helferin an ihrer Seite zu haben - kaum eine Schwangerschaft verlief leicht, die wenigsten Frauen litten unter keinerlei Beeinträchtigung, und sie wusste, sie würde Quintus nicht in jeder Nacht an ihrer Seite haben können, ihn nicht jeden Tag bei sich wissen, weil er seine Pflicht zu erfüllen hatte. Mania, die während ihres Lebens sicher viele Erfahrungen gesammelt hatte, was den Umgang mit Schwangerschaften anbelangte, würde für sie eine wertvolle Stütze sein, bis das Kind ihrer Liebe zu Quintus das Licht der Welt erblicken konnte.
    "Ich danke Dir für dieses Angebot, Mania - und ich nehme es nur zu gerne an. Die ersten Monate sind immer schrecklich, ich weiss es noch von meinen anderen Kindern, mir war jedes Mal so fürchterlich übel, dass ich kaum mein Essen herunterbekam. Wenn Dein Trunk mir hilft, dann will ich ihn gerne jeden Tag zu mir nehmen." Sie würde einige Amphoren von diesem Zeug trinken, soviel stand fest - wenn es nur half! Nichts war schlimmer als diese ewige Übelkeit, und sie sehnte schon jene Monate herbei, in denen sie einfach immer nur runder wurde, aber auch endlich wieder in Ruhe etwas essen konnte.


    Manias Händen war anzufühlen, wie viel sie ihr Leben lang gearbeitet hatte, und dennoch, sie waren weich und warm, beruhigend wie die Hände einer Mutter, die einen zu trösten vermochten, wenn es sein musste. "Es wird mir vieles leichter fallen, wenn ich nicht alleine bin in dieser Situation, Mania, und ich hoffe, dass alles leicht und ohne Schwierigkeiten verlaufen wird. Dass Du hier bist, hat mich sehr erleichtert, glaube es mir." Ihre Worte über Quintus ließen die Iulierin unvermittelt offen und warmherzig lächeln. "Ich hoffe, ich kann die richtige Frau für ihn sein. Wir haben beide ein bewegtes Leben hinter uns, und vielleicht ist es uns deswegen leichter gefallen, zueinander zu finden, weil wir wissen, was wir wollen. Er macht mich sehr glücklich, durch das, was er ist und wie er ist, und wenn es ihm ebenso ergeht, dann kann man es sich nicht besser wünschen."

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