Die Reste eines Lebens

  • An einer der wenigen etwas besseren Ecken des Viertels stand einst ein Haus. Eine große Hütte vielmehr, das die Wohnung und die Verkaufsräume der Familie des Herbal Gisco beherbergt hatte. Daneben Stand ein sehr heruntergekommenes Mietshaus. Bis das eines Tages nicht mehr stand. Es war eingestürzt und die Trümmer hatten Feuer gefangen. Zu den Wundern des Tages gehörte, dass ein Übergreifen der Flammen auf die umstehenden Häuser und Hütten verhindert werden konnte. Bis auf eine Hütte. Die Bewohner dieser Hütte hielten gerade Mittagsschlaf als das Feuer ausbrach und erwachten erst als es fast zu spät war. Doch der Versuch den gehbehinderten Großvater Herbals zu retten kamen auch Vater und Mutter um. Doch Herbal war glücklicherweise nicht da gewesen. Er hatte an diesem Tag seinen freien Tag bei den Pflichten im Laden seines Vater gehabt und ihn genutzt um mit einer hübschen Ägypterin seines Alters schwimmen zu gehen. Sie waren auf dem Weg zurück als er den Rauch sah und rannte, eine böse Vorahnung geisterte durch seinen Kopf, los ohne auf das Mädchen zu warten. Sie zuckte mit den Achseln, rollte mit den Augen und bog ab. Sie wohnte in einer der übelsten Ecken des üblen Viertels.


    Herbal rannte als wären die Furien hinter ihm her. Vergebens, was er vorfand waren mäßig mitleidige Anwohner, die um die Trümmer herumstanden, diese beglotzten und sich unterhielten.


    ... Eine Schande ist das ...


    ... das habe ich doch schon lange prophezeit ...


    ... der Punier hat's verdient ...


    ... Stimmt der hat und eh immer beschissen ...


    ... der sohn war nicht drin ...


    ... wer wird sich um ihn kümmern ...


    ... also ich hab zu tun ...


    ... mir doch egal ...


    Herbal kämpfte sich nach vor und stand dann vor den Trümmern. Tränen stiegen in seine Augen und er fiel auf die Knie. Er schloss die Augen für lange Minuten. Der Geräuschpegel nahm ab und als er die Augen wieder öffnete war keiner mehr da. Er brauchte sich nicht umzusehen, er wusste es. Seine Tränennassen Augen blickten auf die Trümmer seines Lebens.


    "Hast du Geld, hast du freunde, hast du keines, dann nicht."


    Er stand wieder auf und drehte sich um. Dann schrie er nach Leibeskräften:


    "Zusammenhalt im Viertel, dass ich nicht lache, wenn ihr Rabatt brauchtet, dann habt ihr Wert auf Zusammenhalt gelegt und daran appelliert. Wo seit Ihr jetzt? Keiner lässt sich blicken oder denkt sonstwie daran mir zu helfen."
    "Aber im Gegensatz zu euch bin ich nun frei, frei, frei. Frei ein besseres Leben zu führen als ihr je eines hattet oder es euch ausmalen könnt. Ich brauche euch nicht, keinen von euch. Bleibt hier und vermodert in diesem stinkenden, dreckigen Viertel."


    Ein letztes mal ging er zurück zu dem Haus, das ihm seit seiner Geburt eine Heimat gewesen war. Er suchte ein Wenig, doch die Kasse War geplündert worden und auch das Geheimversteck. Etwas fand er noch, dos das würde nicht lange reichen. Nur Das Amulett seiner Mutter und den Ring seines Vaters fand er und nahm beides neben einigen Kleinigkeiten an sich. Als er damit fertig war wandte er seinen Blick gen Himmel und sprach leise zu seinen Göttern:


    "Oh ihr Drei. Ihr habt mir in eurem weisen Ratschluss Alles genommen und ich bitte nur um eines: Eine Chance. Eine Chance für mich und ein glücklicheres Leben für meine Eltern."


    Dann ging er um diesen Ort für immer zu verlassen, allerdings nicht ohne noch eine Verwünschung von sich zu geben:


    "Ach übrigens: Wer auch immer unser Geld, Mein geld gestohlen hat: Möge es ihm schlimmeres Unglück bringen als mir und Meiner Familie. Mögen seine Götter und alle Götter aller Völker ihn mit allen nur erdenklichen Strafen bedenken. Möge er in diesem Leben verfaulen und genau an diesem Geld ersticken. Möge es ihm in einem anderen Leben niemals besser gehen. Er gehe zu Grunde. Hier, heute und für alle Zeiten und Welten."

  • Wochen später in der unglaublich heruntergekommenen Hütte des kleinen, erfolglosen Diebes Pinythes:


    Pinythes, ein Dieb
    [Blockierte Grafik: http://img379.imageshack.us/img379/1508/diebqs7.jpg]


    Seit Tagen hatte er die Hütte nicht mehr verlassen. Er wusste schon gar nicht mehr wie lange. Er hatte jedes Zeit- und Hungergefühl verloren. Das viele Geld, das er in der abgebrannten Hütte "gefunden" hatte, war schnell durchgebracht. Erst in den besseren Spelunken und Bordellen der Stadt, dann in immer mieseren. Er hatte viele Becher geleert und viele Ausgegeben. Und er hatte Frauen genossen, so viele wie das Geld hergab. Doch eine eine hatte es ihm angetan. Seit der Nacht mit ihr war er ein anderer Mensch. Es war schon in einem der nicht so tollen Bordellen gewesen, mit ranzigen Betten und gepanschtem Wein, den er, als der Säufer, der er war lieber pur genoss. Sie war nicht mehr die jüngste gewesen, hatte wohl ihre besten Tage als Freudendame schon hinter sich gehabt. Doch gestöhnt hatte sie erstklassig und ihr Körper hatte genau die Rundungen gehabt, die er so mochte.
    Doch seit dieser Nacht ging es Bergab. Mit einem Jucken in er Leistengegend hatte es begonnen und eine Menge Beschwerden waren dazugekommen. Seine Haut war erst ausgetrocknet und nun schwitzte er regelrecht ölig und seine Haut begann sich in der Flüssigkeit aufzulösen. Mit dem letzten größeren Batzen Geld war er zu einem Heiler gegangen doch er wusste keinen Rat und einen Besseren konnte er sich nicht mehr leisten. Das starke Betäubungsmittel war das einzige was er ihm geben konnte, gegen die Schmerzen die seinen Körper durchfuhren. Doch die Phiole lag mittlerweile leer neben seinem Lager. Er hatte gester den letzten Tropfen herausgesaugt, oder war es vorgestern gewesen? Er schlief auch nicht mehr. Tag und Nacht waren nur Minuten, die entweder dunkel oder etwas heller durch den Vorhang vor seinen fast geschlossenen Augen drangen. Wenn er doch etwas gegen das Schwitzen hätte unternehmen können. doch er hatte jeden Zipfel Tuch in seiner Hütte vollgeschwitzt und die wurden langsamer trocken als er schwitzte. Wasser aus dem Fass das er sich gekauft hatte war das einzige, das er seit Tagen zu sich nahm, doch Besserung schien nicht in Sicht. Nein Im Gegenteil. Die Schmerzen begannen zurückzukehren, stärker denn je. Stoßartig durchfuhren sie ihn. Er schrie auf und der Vorhang riss auf wie er seine Augen. Sein Oberkörper richtete sich schlagartig auf und er starrte zu den Brettern, die die Tür bildeten. Dort erschien ihm der Anblick eines Mannes, eines jungen Mannes. Und der klagte ihn an. Pinythes wusste warum und er erkannte das Gesicht und er erinnerte sich an den Fluch. War es das? Nicht eine unsaubere Hure, sondern ein Fluch? Ein weiterer Schmerzschock durchfuhr seinen Körper. Die Augen traten ihm aus den Höhlen und sein Oberkörper knalle auf das Lager zurück. Weitere Krämpfe schüttelten Ihn. Er knalle verdammt unsanft mit dem Kopf gegen die Wand. Er stöhnte auf. Mal was anderes als zu schreien. Doch in einen geöffneten Mund fiel eine Münze, einer der allerletzten, die gerade auf ihn herabregneten. Die Erschütterung durch seinen Kopfstoß hatte den Beutel auf dem Brett über seinem Kopfe umkippen lassen und nun fielen die Münzen hinab. Die Münze geriet an seiner Zunge vorbei und er begann zu röcheln. Unbeholfen fingerte er in seinem Mund herum. Doch erwischte diese kleine Scheißding einfach nicht. Ein weiterer Krampf durchfuhr ihn und lähmte ihn. Seine Arme waren schwer wie Blei und er bekam seine Hände nicht mal in die Nähe seines Mundes. Grauenhaft röchelnd hauchte er sein Leben aus. Mit schrecklichen Bildern vor den Augen, die sein Gesicht zu einer Grimasse das Schreckens werden ließen. Bei dem Leben, das er geführt hatte, würde er bei keinem Gott gnädige aufnahmen finden. Dies war sein letzter Gedanke, seine letzte Gewissheit.

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