Etwa einen halben Tagesritt westlich von Alexandria steht der Landsitz der Familie Castor. Das im ptolemaischen Stil gehaltene, mittelgroße Anwesen, das etwas abseits von der großen Straße hinter einem kleinen Zypressenwald gelegen ist, befindet sich nun seit zwei Generationen in ihrem Besitz. Es war Nikander, ein wohlhabender Kaufmann aus Pontus, der das Anwesen in baufälligem Zustand erwarb und zum Familiensitz ausbaute. Der Eigentümer und damit gleichzeitig aktuelles Familienoberhaupt Mithridates Castor ist momentan aber aus Zeitmangel nur selten hier anzutreffen.
Der Landsitz der Familie Castor
-
-
An der Tür angekommen zögerte Tiridates. In der Hand hielt er den Brief, der vor zwei Tagen über einen Boten das Anwesen erreicht und der den jungen Mann so jäh aus seinem bisherigen Leben gerissen hatte.
Einem zugegebenermaßen sehr schönen Leben. Nun gut, der von seinem Vormund engagierte Paedagogus hatte viel von ihm verlangt, hatte ihn oft bis spät in die Nacht hinein Vokabeln oder die Werke Platons oder Euklids auswendig lernen lassen; und sich auch nicht davor gescheut, den Stock einzusetzen, wie diesem von Tiridates Vormund angewiesen. Außerdem hatte er all die Jahre seine Eltern vermisst, die ihn schon so früh hatten verlassen müssen. Aber dennoch wusste der Sechzehnjährige, wie gut er es doch gehabt hatte, hier in diesem Haus abseits der großen Stadt gelegen.
Und nun dieser Brief seines Onkels, zwar, wie es dessen Art war, in beschönigender, verklausulierter Form geschrieben.
Doch die Bedeutung der Worte blieben unmissverständlich: Tiridates hatte sich in Alexandria einzufinden, je früher desto besser.
Zum vorerst letzten Male glitt also sein Blick die Hausfassade enlang, vor der sich die Bediensteten des Haushaltes zu seiner Verabschiedung versammelt hatten, vorüber an dem kleinen Zypressenhain, ehe er sich abrupt abwandte und seine Füße den Weg Richtung Alexandria einschlugen.
Jetzt mitmachen!
Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!