Ursus blickte Corvinus an und schüttelte den Kopf. Er hatte also die Götter vernachlässigt, weil er länger kein größeres Opfer gebracht hatte? An sie zu denken, zu ihnen zu beten, Weihrauch, Kekse und Wein, das übliche eben, daß man in den eigenen vier Wänden täglich tat, genügte also nicht? Er nahm das Schicksal aller auf die leichte Schulter? So einen Unsinn hatte Ursus wahrhaftig schon lange nicht mehr gehört! Wahrscheinlich wurde nun ihm die Schuld angelastet für die Dinge, die zuletzt geschehen waren in der Familie. Aber das würde er sich nicht ans Bein binden lassen. Er hatte damit wahrhaftig am wenigsten zu tun gehabt!
Eine Augenbraue hob sich, doch er sprach weiterhin ruhig und überlegt. Doch sein Tonfall war deutlich abgekühlt."Ich stelle Dich vor vollendete Tatsachen? Bis zur Wahl ist es noch über ein halbes Jahr. Und hier bin ich und spreche mit Dir darüber. Das ist wohl kaum als vor vollendete Tatsachen stellen zu bezeichnen. Oder bist Du der Meinung, daß ich Deine Erlaubnis brauche? Ich bin nicht Dein Sohn, Corvinus. Ich respektiere Dich als Familienoberhaupt, ich erbat daher Deinen Rat und Deine Unterstützung, weil es mein Bestreben ist, die Familie zu stärken und einig mit der Familie zu handeln. Was ich höre, sind Vorwürfe, weil ich keine großen Opfer brachte im letzten Jahr. Etwas, was nun wirklich kein tägliches Geschehen ist und auch nicht sein sollte. Versuche nicht, mir die Schuld für das Unglück in die Schuhe zu schieben, das die Familie getroffen hat. Ich gedachte der Götter täglich, ich betete täglich und habe Wein, Kekse und Weihrauch geopfert. Und Du meinst also, daß die Götter mir deswegen so sehr zürnten, daß sie Tod und Verderben über die Familie brachten? Denke, was Du willst, aber ich weiß, daß es daran ganz sicher nicht lag. Nun, Du willst, daß ich gehe, dann gehe ich eben, auch wenn es noch ein paar durchaus wichtige Punkte gibt, die ich gerne mit Dir besprochen hätte."
Ursus erhob sich. Er war maßlos enttäuscht, denn es hörte sich fast so an, als hätte Corvinus vor, ihm seine Unterstützung zu versagen. Soviel zu familiärem Zusammenhalt. Nun, er würde seinen Weg wie geplant weitergehen. Und sehen, wie weit es tatsächlich her war mit dem Familiengefühl des Onkels. An der Tür drehte er sich noch einmal um. Er klang einfach nur noch traurig, als er sprach. "Wie schade, daß Du mit mir nicht so sprechen kannst, wie Du mir geschrieben hast. Und wie schade, daß Du mich nicht ansiehst." Die Tür schloß sich hinter ihm. Und wie schon einmal, trieb es ihn hinaus. In die Stadt. Hier konnte er keinen klaren Kopf bekommen. Dabei war er nicht einmal wütend, wie damals. Sondern nur traurig...