Ankunft aus Griechenland

  • Der Junge hatte höchstens 14 Winter gesehen. Dennoch war er nirgendwo in der Schule oder wenigstens am Arbeiten. Nein, er lungerte am Hafen rum, wie so viele andere. Natürlich würde er einen kleinen Auftrag für einige Sesterzen nicht ablehnen, doch im Grunde saß er hier nur rum und schaute, was der Tag so brachte. Seit Sonnenaufgang hielt er sich hier auf, also hatte er sich noch nicht viele Stunden gelangweilt. Und viele Schiffe waren auch noch nicht angekommen. Einige kleinere italische Lastkähne wohl und auch ein oder zwei ägyptische Getreideschiffe, bis zum Rand beladen hatten ihren Anker hier gelassen. Nun wurden sie von einer ganzen Horde staatlicher Sklaven entleert. Das Getreide wurde entweder in grosse Silos im Hafen gebracht und dort gestaut, oder aber man brachte es sogleich nach Rom, vor allem auf kleineren Booten aber auch mit Last-wagen.
    Da der Platz des Nichtsnutzes nahe der Hafenverwaltung lag, hatte er mitbekommen, dass heute noch ein Schiff aus Achaia erwartet wurde.
    Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als es endlich gesichtet wurde. Für einen Denar liess der Junge sich verpflichten, beim Löschen der Ladung zu helfen - eine Sklavenkohorte war kurzfristig ausgefallen. So kam es, dass er den Rest des Tages grosse Ballen und schwere Truhen vom Schiff in ein kleines Kontor schleppte. Doch er stöhnte nicht; von diesem Geld würde er eine Zeit lang leben können und vielleicht blieb auch noch etwas für seine Familie üblich. Bevor der heruntergekommene Junge jedoch an Bord konnte, verliessen die Fahrgäste das Schiff. In diesem Fall hatten nur einige wenige Menschen die wenig komfortablen Wochen an Bord verbracht. Unter den ersten, die das Boot verliessen, waren eine junge, hübsche Patrizierin in Begleitung eines älteren Mannes, vermutlich ihr Freigelassener oder Leibsklave.


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    Ich hatte mich so gut es auf dem ungemütlichen Schiff ging, an diesem Tag besonders gut angezogen. Angemessen eben. Heute würde ich meine Familie kennen lernen; das Haus und die Menschen, mit denen ich die nächsten Jahre verbringen würde. Die letzten Tage und Wochen hatten mir schwer zugesetzt. Nie zuvor hatte ich auf jeglichen Luxus verzichten müssen. Es gab an Bord kein frisches Wasser, keinen Garten, nicht genug Sklaven und immer nur diese ungehobelten Seeleute. In den ersten Tagen hatten sie versucht, sich an mich ran zu machen. Doch als ich sie mit Verachtung strafte und Blandus ihnen seine Waffe zeigte und deutlich machte, dass ich keine leichte Beute sein würde, liessen sie uns in Ruhe.
    Wie gerne hätte ich sie selbst mit einem Messer bedroht, doch erstens schickte sich das wohl kaum, ausserdem konnte ich absolut nicht mit scharfen Sachen umgehen. Ich hätte mich vermutlich selbst verletzt, statt irgendwelche Angreifer zu verscheuchen.
    Doch nun waren wir endlich in Italien, endlich in Ostia gelandet. Ab hier würde alles besser werden. Im Zentrum der Welt, in der Mutter des Reiches, hier in Rom bedeutete sicher auch der Halbmond noch etwas, konnte man als Patrizierin noch etwas Respekt erwarten. Der treue, alte Verwalter meines Vaters, der mich begleitete würde mich in Rom zur Villa Aurelia, zu meinem zukünftigen Vormund Aurelius Corvinus bringen und mich dann verlassen. Alle hatten mich verlassen... Kurz musste ich schlucken, als dieser Gedanke sich in mein Hirn nistete. Doch dann wischte ich ihn fort. Hier würde alles besser werden. Ich würde neue Sklaven kriegen, würde endlich gleichwertige Gesprächspartner finden. Die wenigen adeligen Exilanten in Griechenland waren zumeist steinalt und die griechischen Söhne der Vorväter konnte man allesamt vergessen. Ja, die Männer waren verweichlicht. Auch das würde in Rom besser werden.
    Der Blicke des Abschaums am Hafen sehr bewusst, setzte ich vorsichtig einen Fuss vor den anderen, bis ich endlich das Land erreichte.
    Blandus sprach kurz mit einem der Hafenmeister, während ich mich umschaute und zwar mit undurchdringlicher Miene, doch innerlich aufgeregt das Leben in der Hafenstadt der Hauptstadt beobachtete.
    Schliesslich kam Blandus zurück. Zwei Mietsklaven aus Ostia hatten mittlerweile unser nicht allzu umfangreiches Gepäck neben uns abgeladen und warteten auf Anweisungen.
    "Herrin!", sprach Blandus mich an. "Wir können mit einem der kleinen Boote in die Stadt fahren. Dann sind wir noch heute Abend in der Stadt."
    Ich strafte ihn mit einem vernichtenden Blick für diesen blöden Vorschlag und verlangte: "Wir nehmen einen Wagen! Nie mehr will ich einen Fuss auf so ein Schiff setzen. Und beeil Dich!"
    Natürlich gehorchte er und verbeugte sich knapp. Doch ich konnte auf seinem Mund einen unwilligen Ausdruck sehen. Nun, wir beide wussten, dass wir bald den anderen nicht mehr ständig um uns haben würden. Nur deswegen wagte er mich diesen Blick bemerken zu lassen und nur deswegen liess ich es ihm durchgehen.
    Noch einmal verliess er mich, bald aber hatte er, sicherlich durch eine grössere Bestechung einen recht schnellen Wagen aufgetrieben, auf dem wir und das Gepäck bis zu den Stadttoren fahren konnten. In der Stadt durfte man tagsüber nicht fahren... Ich musste Corvinus überreden, mir eine Sänfte zu kaufen. Natürlich inklusive der attraktiven nubischen Träger...
    Wir reisten ab und schon in wenigen Stunden würden wir in Rom sein und ich am Ziel unserer langen Reise.

  • Ich trat über den schmalen Steg auf nun entlich wieder festen Boden. Die Überfahrt von Griechenland hierher hatte lange gedauert und ich hatte mich einige Male übergeben müssen. Doch nun war es endlich geschafft. Ich war zurück in Italia, dem Geburtsort meiner Gens. Ich hatte gewusst das meine Brüder in Misenum waren und ich würde den Weg dorthin antreten. Schon zu lange hatte ich nichts mehr von ihnen gehört. Mein Bruder Marius hatte es geschafft das Bürgerrecht für unsere Gens zurückzugewinnen welche einst einen so ruhmreichen Namen besessen hatte. Doch in den Wirren der Zeit verloren wir diesen Gensnamen und waren nicht mehr als eine Haufen armseliger Peregrini. Doch dies war nun Vergangenheit und wir konnten endlich wieder in die Zukunft blicken.


    Ich atmete noch einmal tief durch um die Luft Italias in mir aufzunehmen und begab mich dann auf den Weg nach Misenum....

  • Die Überfahrt war ein Grauen. Das Wetter war wieder einmal nicht reisefreundlich und mit einem sturzbetrunkenen geriet ich an Board des Schiffes auch aneinander. Kurz gesagt, eine rundum geglückte Rückreise aus Griechenland, wo ich die letzten drei Jahre verbrachte, um mein Wissen in Mathematik, Rhetorik, Grammatik, Philosophie zu erweitern. Ich hatte viele neue Menschen kennengelernt, neue Erfahrungen gesammelt. Nun war ich bereit das erlernte anzuwenden.


    Endlich lief das Schiff in den Hafen ein und ich konnte endlich nach langen Jahren der Entbehrung wieder meine Füsse auf italischen Boden setzen.
    Ich schnappte meine sieben Sachen und machte mich gleich auf den Weg um eine Unterkunft zu finden. Eine Nacht, dann würde ich in die ewige Stadt aufbrechen. Was hat sich verändert in der Zwischenzeit? Wie geht es der Familie? Ist Rom noch größer und schöner während meiner langen Abwesenheit geworden?
    All diese Fragen beschäftigten mich im Moment. Würde man mich erwarten?


    Ich hatte von einem Freund vor meiner Abreise aus Athen eine Adresse zugesteckt bekommen, wo ich eventuell übernachten konnte. Die Tabernae waren mir einfach zu schäbig. Das wird sicher das sein, was sich nie ändern würde, dachte ich mir, während ich durch die Gassen von Ostia lief um die mir zugesteckte Anschrift ausfindig zu machen.

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