• Blauer Himmel wölbt sich über geschäftigem Treiben, die Schreie der Möwen bilden einen leisen, aber vorhandenen Klangteppich für die Flüche der Träger und Seeleute, immer wieder schiebt sich ein Schiff in den Hafen der Metropole Alexandria, während ein anderes ihn verlässt. Am Kai finden sich abertausende Kisten und Bündel gestapelt, die Waren aus der ganzen bekannten Welt beinhalten, aber auch viele Tonamphoren, in denen Getreide in die wohl hungrigste Stadt von allen transportiert wird - nach Rom.
    Fast ein wenig verloren wirkt sie, die junge Frau im Kreise breitschultriger, schwarzhäutiger Hühnen, die wohl ihrem Schutz dienen sollen und durch grimmige Blicke immer wieder Neugierige abhalten. Kleiner als jene ist sie in jedem Fall, das schwarze Haar hochgesteckt, züchtig unter einer palla verborgen, die sie als Römerin verrät, ausweist, vielleicht gar brandmarkt im allfälligen Getuschel und Geschwätz der Menschen von so unterschiedlicher Herkunft. Sie hört die zotigen Worte, die Seeleute den umherwandernden Dockarbeitern zurufen, sie betrachtet die Frauen in ihren grellbunten Gewändern, die sich am Tage zeigen, damit die Männer wissen, wonach sie in der Nacht verlangen sollen und wo sie dies finden. Und doch, sie scheint wenig Anteil daran zu haben, beobachtet nur, ohne Hast, während ihr Gepäck eingeladen wird.


    Schweiß rinnt den Trägern über die Stirn, der Tag ist heiß, obwohl sich in langsamen Schritten der Winter nähert, doch sie scheint davon wenig berührt. Andere Reisende gehen an Bord des Handelsschiffes, in dessen Bauch Nahrung und Waren nach Rom geschafft werden, und an Deck ist sie nicht viel mehr als eine weitere Ware, die sich auf einem ganz anderen Markt irgendwann wiederfinden wird.
    Werde ich dies vermissen? fragt sie sich still, den Blick schweifen lassend, dann ist endlich die letzte Kiste an Bord getragen, einer der Schiffsoffiziere - falls man bei einem Kauffahrer überhaupt von so etwas sprechen darf - kommt auf einen ihrer Sklaven zu und bedeutet diesem, dass ihre winzige Kabine nun bereit wäre. Leichten Schritts setzt sie sich in Bewegung, den Blick auf die Stiege gerichtet, über welche ihre Füße schreiten, damit sie nicht fehltritt, dann ist sie an Bord, kann sogleich das leichte Wogen des Meeres fühlen, das sich unter ihnen ausbreitet, die immerwährende Bewegung, welche die Menschen noch ewig überleben wird, vielleicht alles andere auf der bekannten Welt sogar.
    "Domina, es ist alles bereit. In zwei Stunden wird das Schiff auslaufen," spricht sie ihr Leibsklave leise an, unglaublich, dass ein so kräftiger Mann eine so sanfte Stimme haben kann, ohne dabei lächerlich zu wirken. Caenis nickt, und wieder richtet sich der Blick in den Himmel. Werde ich dies vermissen?

  • Leise klatscht das Wasser im Hafenbecken an den Rumpf des Schiffes, welches sich stetig, wenngleich eher gemächlich, vom Anlegeplatz entfernt. Ein wenig Schaum scheint auf dem Wasser zu liegen, wohl durch die Hitze bedingt oder durch Seifenwasser, das in das Becken gegossen wurde, aber die Passagierin der 'Columba' verliert daran keinen Gedanken.
    Wie seltsam das Leben spielt, denkt sie sich und blickt zurück auf die vertrauten Umrisse Alexandrias, die sie hassen und lieben zugleich gelernt hat. Wie gerne wäre sie dorthin entflohen, hätte sich in die Menge gemischt, unter die Menschen, die in ihr nur eine Frau gesehen hätten, hätte sich stundenlang durch die Bibliotheken bewegt, um sich ganz ihren Betrachtungen zu überlassen, aber ihr goldener Käfig war zu eng gewesen, hatte sie so gut gefangen, dass eine Flucht nicht im Bereich des möglichen gelegen hatte. Und nun entfernt sich dieses Alexandria unerreichbar, und unaufhaltsam aus ihrer Nähe, während der Geruch des Meeres sie umfängt, sie hält wie eine verheißungsvolle Umarmung. Bald wird sie nur mehr das Meer sehen, sich zwischen Land und Wasser bewegen wie eine der ewig segelnden Möwen, wohl wissend, dass sie an das Land gebunden ist, zurückkehren wird, sich dennoch einige schöne Stunden auf dem Wasser stehlend.


    "Vale, Aegyptus," spricht sie in den aufkommenden Wind hinein und weiß noch nicht, ob es ein Abschied für immer sein wird. Sie wünscht diesem Land nichts schlechtes, und doch ist sie nicht traurig darüber, gehen zu können, neuen Herausforderungen entgegen, und sei es nur jene, sich selbst wieder zu finden. Ein Lächeln ziert ihre geschwungenen Lippen, der Wind beginnt an ihrem Haar zu zerren, als sich das Schiff auf die See hinaus schiebt, und sie kann es fühlen, dieses lange vermisste Gefühl der Freiheit, alle Bitterkeit, alle Unsicherheiten zurücklassend für ein kleines Stück Zukunft ... hinein in das Blau, hinein in die Ungewissheit, doch ohne Furcht, mit Zuversicht segelnd wie alle Entdecker, auch wenn sie weniger Weltbewegendes finden wird, so ist es doch ein ganz eigenes Abenteuer. "Rom, ich komme!" ruft sie in den Wind, während einige Seeleute zu ihr blicken und insgeheim den Kopf schütteln über diese überspannte Römerin in den feinen Gewändern. Frauen eben. Sie bemerkt die Blicke nicht, und selbst wenn sie diese bemerkt hätte, es wäre ihr gleich gewesen, den Blick voraus gerichtet, sieht sie nicht mehr zurück.

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