Die Sonne sank, und niemandem fiel es auf als ein ziemlich ramponiert wirkendes mittelgroßes Fischerboot in einen der billigeren Docks des Hafens anlief. Die vier Gestalten, die bald darauf den Steg entlangliefen waren auch alles andere als auffällig: ganz normale Fischergesellen halt.
Gorgus führte seine Truppe die üblichen Irrwege durch das Hafenviertel und verbrachte keine Zeit mit den typischen Angeboten von Huren, Hehlern und anderem niederen Gesocks, er hielt gerade auf sein Ziel zu: eine alte Kaschemme, die unter ein auf Pfählen ruhendes Haus gebaut war. Die Definition von "heruntergekommen", aber was niemand wusste: in dieser Bruchbude steckte die Zentrale des reichsten Halsabschneiders der Stadt.
Lucius Procrestanus hieß der Mann, zumindest heute, und sein Gesicht wirkte so ungewaschen wie das von Gorgus' Meute an den erfolgreichsten Tagen, nur dass kein Blut an seinen Wangen klebte, sondern eine übelriechende Mischung aus Schweiß, Dreck und Dingen die man besser nicht näher beschrieb.
"Typhus!", rief der dicke Mann hinter dem weit ausladenen Tisch in der hinteren Hälfte des mit Kisten und Ballen vollgepackten Raumes. "Es ist lang her seitdem wir uns gesehen haben. Wie lange? Drei Monde? Vier?"
"Seine Zeit.", antwortete Gorgus, wie immer so wortkarg wie ein auf Grund gelegter Anker.
"Nun, was bringt ihr mir heute feines mit, von euren Handelsreisen?", die Stimme des Mannes überschlug sich fast vor Neugier. Handlungsreisen, das war irgendwie ein Witz unter den Seeleuten und Hafenhändlern, die alle nicht wussten woher die Ware kam. Und es auch nicht wissen wollten.
"Oel. Seide. Eisen. Gewürze."
"Viel?"
"Viel."
Der Mann rieb sich die Hände...
"Sobald ich die Ware gesehen habe, werde ich dir einen genauen Preis dafür geben. Aber ich kann dir versprechen, es werden über die zweitausend..."
"Ich will kein Geld.", knurrte Gorgus ohne den Mann anzusehen. Hinter dem fetten Mann war eine junge Frau aufgetaucht, ein Mädchen noch fast, welcher nun seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit galt.
Procrestanus würgte, warf einen Blick hinter sich und erstarrte.
"Das... das ist meine Tochter, Livia. Sie... sie ist schon verlobt. Ja. Ja.", stotterte er heraus, in der Hoffnung Gorgus Blick wieder auf sich zu lenken. Der Blick, den er sich allerdings einfing ließ ihn in Schweiß ausbrechen. Verzweifelt versuchte er das Gespräch auf die Ware zurück zu lenken...
"Achso, wie konnte ich vergessen. Kein Geld. Was dann? Was benötigt ihr?"
Weitere Sekunden verstrichen, in denen Gorgus nur die junge Livia ansah, mit einem Blick der in etwa dem eines Wolfes glich der gerade um eine Ecke gelaufen kam und über ein einbeiniges Kaninchen stolperte.
"Nun?", trippelte der Hehler nervös mit den Fingern auf der Tischplatte herum...
"Stoffe. Werkzeug. Seile. Pech. Eingelegtes Obst.", er stoppte, als sein Blick wieder auf den Hehler herunterwanderte, "Und drei Rüstungen von Nautae. Wenn du einen Optio hast, nehmen wir den auch."
Jetzt fiel Procrestanus die Kinnlade herunter.
"Drei WAS?", wobei er sofort wieder die Lautstärke seiner Stimme reduzierte, "Drei was? Rüstungen von Nautae? Bist du des... nein, natürlich nicht."
Gorgus Blick wanderte wieder zur jungen Livia, welche immernoch vor Schreck erstarrt hinter ihrem Vater stand. Auf einmal begann er zu lächeln..
"Ja, JA!!! JAAAAA!!! VERDAMMT! JA!!! Ihr werdet sie bekommen. Und jetzt geht. Ich werde mich um alles kümmern... ihr liegt dort wo ihr immer liegt, richtig? Meine Männer werden das erledigen. Jetzt... bitte, geht!", seine Stimme flehte schon fast um Abwesenheit der Bagage.
Gorgus sah den fetten Hehler noch einmal kurz an, musste dann unweigerlich schmunzeln und drehte sich auf dem Absatz herum.
Als er und die seinen die Bude in Richtung der nächstbesten Taverne verlassen hatten, sackte der Hehler in seinem Stuhl zusammen, sein Aufatmen konnte man wohl noch drei Häuser weiter vernehmen.
Seine Tochter jedoch kippte einfach um...