Ich hörte den Worten des Nikolaos aufmerksam zu. Dass Alexandria zumindest im Großen harmonisch aufgebaut war, war mir zwar nicht ganz entgangen, doch durch die Beschreibung meines Gastes wurde es mir erst vollkommen bewusst. Ich nickte also zustimmend.
"In Ch'in, wo ich ja recht lange war, ist die Idee, dass nur die Fähigkeit über die Position entscheidet, die man im Staat einnimmt, schon etwas weiter fortgeschritten als hier. Das trifft vor allem für das Militär zu. Bei den zivilen Beamten ist es problematisch, weil der einfache Bauer oder Landarbeiter schlichtweg keine Zeit hat, sich die nötige Bildung anzueignen, die seine Fähigkeiten voll entfalten würde. Jedenfalls nicht, wenn er keinen Hunger leiden will," erwiderte ich auf seine Ausführungen zur Politik.
Dann kam es zu den Büchern. "Meinst du dein Haus außerhalb der Stadtmauern, wo das Treffen war? Oder dein Haus im Königsviertel?"
Wir gingen langsam die Stufen zur Meditationshalle, als ich ih die Frage nach dem Tempel beantwortete. "Der Begriff tempel ist vielleicht etwas irreführend. Ich habe ihn mir wohl in der Fremde so angewöhnt. Ein Altar, der Hauptaltar, ist Athene geweiht. Sie hat mich immer beschützt und sie soll auch die Akademie schützen und den Kindern Wissen und Weisheit bringen. Die Nebenaltäre sind zwei Kaisern aus Ch'in gewidmet, nämlich Shi Huangdi, der das Land einte, und Gaodi, der dem Land Wohlstand brachte. Beide sind Himmelssöhne und damit - wie die Kaiser dr Rhomäer - vergöttlicht. Dann abe ich noch einen Gelehrten-Altar, an dem die Meister Lao, Kong, Meng, Xun und Han Fei als Ahnen und Vertreter von Athenes Wirken in Ch'in verehrt werden und den Philosophen-Altar, an dem Sokrates, Platon, Aristoteles, Pythagoras und Euklid als Ahnen und Vertreter von Athenes Wirken in der Wiege der Kultur verehrt werden. Und dann ist da noch mein Ahnenaltar. Es ist also so eine Art Ahnentempel. Allerdings ist Athene nur vorübergehend dort untergebracht. Sobald ich den inneren Hof zu einem Garten ausgebaut habe, soll in dessen Mitte ein Athene-Schrein stehen."
In der Meditationshalle angekommen, war die Schlichtheit des Ortes klar zu erkennen. Außer der chinesischen Kalligraphie an der gegenüberliegenden Wand und den Sitzkissen am Boden befand sich dort nichts.