Änderung des § 56 Codex Iuridicalis zur Einteilung der strafbaren Handlungen

  • “Verehrtes Kollegium, vor einigen Tagen ist bei der Debatte zu einem anderen Thema die Unzufriedenheit einiger Senatoren mit dem § 56 Codex Iuridicalis angeklungen. Ich selbst kann mich dem nur anschließen. Die Einteilung der strafbaren Handlungen, die vom § 56 geregelt wird, ist von großer Bedeutung innerhalb unseres Strafrechts. Aber die gegenwärtige Bestimmung bezieht sich nach meinem Dafürhalten viel zu rigoros und einseitig auf eine einzige Form der Strafe, nämlich die Freiheitsstrafe. Außerdem ist sie starr und unflexibel, was zur Folge hat, dass die Einordnung einer strafbaren Handlung einzig über das Strafmaß erfolgt, obwohl das in erster Linie der schwere der Schuld entsprechen soll. Die wünschenswerte Einteilung und die damit verbundene Gerichtszuständigkeit gemäß § 19 Codex Iuridicalis muss aber nicht immer, zwangsläufig und alleine durch die schwere einer strafbaren Handlung bestimmt sein. Abweichungen davon können durchaus sinnvoll und nützlich sein.


    Ich darf noch einmal den momentan gültigen Gesetzestext zitieren:


    § 56 Einteilung der strafbaren Handlungen
    (1) Schwerverbrechen sind Handlungen, die mit lebenslanger oder mit mehr als 6monatiger Freiheitsstrafe bedroht sind.
    (2) Verbrechen sind Handlungen, die mit 3 bis 6monatiger Freiheitsstrafe bedroht werden.
    (3) Alle anderen strafbaren Handlungen sind Vergehen.


    Im Sinne einer schnellen Lösung und weil wir bereits in einer offenen Diskussion, zumindest kurz, über diesen Sachverhalt gesprochen haben, würde ich das Verfahren gerne abkürzen. Darum hoffe ich auf die Erlaubnis des Senats, an dieser Stelle bereits das Anhörungsverfahren einzuleiten. Zu diesem Zweck stelle ich folgende Novellierung zur Diskussion:


    § 56 Einteilung der strafbaren Handlungen
    (1) Schwerverbrechen sind strafbare Handlungen, die mit dem Tod, einer lebenslangen, oder einer zeitigen Strafe von mehr als 6 Monaten bedroht sind.
    (2) Verbrechen sind strafbare Handlungen, die mit einer zeitigen Strafe von 3 bis 6 Monaten bedroht sind.
    (3) Alle anderen strafbaren Handlungen sind Vergehen.
    (4) Die Einteilung nach den Absätzen (1) bis (3) ist gegenüber anderen gesetzlich festgeschriebenen Zuordnungen nachrangig.


    Der von mir vorgeschlagene Gesetzestext würde die grundsätzliche, bisher gültige Einteilung beibehalten. Das Gesetz würde aber nicht mehr einzig und alleine auf die Freiheitsstrafe abzielen, sondern auch auf alle andere Strafen, die lebenslang oder zeitig verhängt werden können. Mit Aufnahme des Absatzes (4) gäbe es künftig eine Öffnungsklausel. Damit könnten im allgemeinen Strafgesetzteil auch andere, vom Strafmaß unabhängige Zuordnungen festgelegt werden.


    Das ist mein Vorschlag. Ich bitte euch nun um eure Meinung dazu.“

  • Zwar waren die Bänke im Senat alles andere als bequem, was gewiss Absicht war, damit den desinteressierteren patres das Wegdämmern erschwert wurde, doch beim heutigen Diskussionsthema war ich konzentriert mit von der Partie. Hatte ich mich bei der ersten Debatte sehr zurückgehalten, drängte sich mir heute ein Gedanke auf, den ich aussprechen wollte.


    "consul Aelius, ich habe eine Anmerkung zum ersten Absatz des seschsundfünfzigsten Paragraphen deiner Neufassung. Eine Zeitstrafe, die länger währt als sechs Monate... Diese Formulierung umfasst ein sehr breit gefächertes Sortiment an infrage kommenden Strafen. Ist es nicht weniger schwerwiegend, für ein Jahr ins Exil verbannt zu werden, denn zwölf Monate im carcer zu sitzen?"

  • “Mein lieber Senator Aurelius Corvinus. Mancher mag das so sehen. Aber als ich noch jünger war, ist mir und meiner Familie Unrecht widerfahren. Darum kenne ich es. Ich selbst habe viele Jahre meiner Jugend im Exil verbracht, fern von Rom. Ich sage dir; jedes dieser Jahre war zu lang und schmerzhaft, verbunden mit Pein und Entbehrung.“

  • Während andere darüber diskutierten, ob nun diese oder jene Strafe schwerer war, kratze sich Macer lange und nachdenklich am Kopf. "Wie genau würde die Anwendung des vierten Satzes der Neufassung in der Praxis aussehen?" fasste er seine Überlegungen dann in Worte. "Führen wir dann bei jedem Paragraphen, der ein spezielles Delikt behandelt, einen entsprechenden Satz ein, welcher Kategorie es zuzuordnen ist? Oder fügen wir einen weiteren Paragraphen ein, der in tabellarischer Auflistung Delikte und Kategorien einander zuordnet?"


    Je nachdem, welche Variante die vom Consul angedachte Version war, hatte Macer noch einige Anschlussfragen, aber es lohnte sich nicht, diese zu stellen, bevor er nicht wusste, ob sie wirklich relevant waren.

  • “Wenn der Senat meines Vorschlag zustimmt, dann wird keines von beidem nötig sein.
    Würden wir für jedes Delikt des Strafgesetzbuches eigens eine Einteilung in Schwerverbrechen, Verbrechen und Vergehen vornehmen, dann müssten wir etliche Paragraphen ergänzen. Das wäre ein Flut von Änderungsvorlagen, die den Senat auf Monate beschäftigen würde. Außerdem wäre dann der § 56 überflüssig. Eine separate Auflistung wäre meiner Meinung nach ebenfalls keine gute Lösung. Damit würde die Zuordnung vom eigentlichen Text getrennt und dies Liste müsste bei jeder Ergänzung des Strafrechts ebenfalls erweitert werden.


    Nein, nein. Mit diesem Entwurf zum § 56 bliebe es dabei, dass die Zuordnung in der Regel über das Strafmaß definiert wird. Aber der 4. Absatz erlaubt dem Gesetzgeber erstmals eine Abweichung von dieser Regel, dort wo er eine andere Zuordnung sinnvoll findet, die sich nicht am Strafmaß orientiert. In diesen Fällen könnte er dann direkt im Text zu einem Delikt eine andere Zuordnung festlegen.


    Also kurz gesagt: § 56 definiert in seinen Absätzen (1) bis (3) die Regel und das praktisch lückenlos. Der Absatz (4) ermöglicht Ausnahmen und nur diese Ausnahmen müssen konkret festgeschrieben werden.
    Ich denke, dass ist die eleganteste und praktikabelste Lösung.“

  • Endlich wurde der Paragraph einzeln behandelt und Durus hatte einen passenden Zeitpunkt, um seine Reform des gesamten Strafrechts anzudenken. Seit der letzten Debatte hatte er längere Zeit darüber nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass es besser war, alles komplett umzustellen, als einzeln an allen möglichen Gesetzen umherzuschustern, ohne letztendlich etwas Vernünftiges zu bekommen. Daher meldete er sich zu Wort


    "Das wäre möglicherweise eine gute Übergangslösung. Ich möchte allerdings die generelle Reform des Strafrechts noch einmal erwähnen. Mit dieser Regelung können wir vorübergehend die Weichen für eine Veränderung stellen, dennoch bin ich der Meinung, dass man dann fortfahren und alle Gesetze im Hinblick auf ihr Strafmaß prüfen muss. Ich denke, dass man im Anschluss die Einteilung der Straftaten noch einmal nachbessern muss.


    Insbesondere müsste dabei die Freiheitsstrafe in andere Möglichkeiten umgewandelt werden - ich habe dies ja bereits an anderer Stelle bemerkt."


    Er nahm Platz. Im Grunde trugen seine Worte nichts zu der eigentlichen Debatte bei, doch Durus fand, dass sie dennoch von großer Wichtigkeit waren: Das große Ganze durfte nicht vergessen werden!

  • Aelius Quarto nickte.
    “Ich teile deine Auffassung, Senator Tiberius Durus, vor allem hinsichtlich der Skepsis gegenüber der Freiheitsstrafe als Form der Buße, die auch mir nicht in jedem Fall als ideal erscheint.
    Darum öffnet der vorliegende Entwurf sich auch anderen Formen der Strafe. Während im bisherigen § 56 ausdrücklich von Freiheitsstrafe die Rede ist, spricht die Vorlage von 'zeitigen Strafen'. Damit erfasst sie alle Strafen, denen eine bestimmte, zeitlich befristete Dauer zu eigen ist.
    Insgesamt würde der § 56 in dieser neuen Form deutlich flexibler werden.
    Wieso, Senator, denkst du, dass später eine erneute Änderung nötig wird? In welcher weise? Könnten wir das nicht schon heute berücksichtigen? Schließlich muss es unser Ziel sein, Recht zu schaffen, dass nach Möglichkeit von Bestand ist.“

  • Sedulus fand die Idee von Senator Macer gar nicht mal so schlecht. So wußten die Beamten wenigstens gleich wie sie welches Verbrechen zu ahnden hatten ohne lange darüber nachdenken oder sich beraten zu müssen ob das Vergehen nicht doch eher eine andere Kategorie des Verbrechens sei.
    Und nicht nur die Beamten hätten es einfach, nein, auch das einfach Volk würde dann wissen wo es dran war. Für diese Straftat erhälst du die und die Strafe...

  • Durus war zuerst zufrieden, dass der Consul ihm zustimmte und hoffte schon, dass man seinem Einwurf vorbehaltslos zustimmte, als Quarto eine Detailfrage äußerte, die für den Tiberier völlig auf der Hand lag.


    "Es geht genau um die Dinge, die Aurelius bereits bemerkt hat. Man kann verschiedene zeitliche Strafen schwierig miteinander vergleichen - entspricht eine zeitliche Arbeitsstrafe beim Straßenbau der in einer Eisenmine? Wohl kaum! Ich denke, dass man diesen Paragraphen erst sinnvoll neu definieren kann, wenn man das übrige Strafrecht kritisch überarbeitet und die alten Strafen angepasst hat."

  • Zufrieden nickte ich. Durus hatte erfasst, was ich hatte ausdrücken wollen. Und eine zeitlich befristete Arbeitsstrafe war kaum gleichzusetzen mit der gleichen Zeit eines Exilaufenthaltes. Über den Hintergrund des Aeliers hatte ich nicht weiter nachgedacht, als ich die Stimme erhoben hatte, zudem war mir diese Vorgeschichte nur rudimentärst bekannt, da die Flavier befürchtet hatten, dass die ehemalige Verbannung der Aelier durch einen flavischen Kaiser nun auf sie gespiegelt werden würde. Doch Valerianus hatte bisher keinerlei Absichten dieser Art erkennen lassen. Ich schob die Gedanken beiseite und verfolgte die Diskussion weiterhin mit Interesse.

  • “Ich verstehe den Einwand. Bestimmt ist es richtig, dass die zeitliche Länge einer verhängten Strafe nur bedingt etwas darüber aussagt, wie einschneidend sie für den Verurteilten ist. Aber wir sollten uns davor hüten, eine zu komplizierte Vorschrift zu formulieren. Die Einteilung muss so einfach wie möglich sein, damit sie für jeden verständlich bleibt, auch für den juristischen Laien. Und ich sehe nicht, wie man es sonst regeln kann. Bei der Regelung der Zuständigkeit geht es letztlich gar nicht um die Strafe, sondern um die schwere der Schuld. Sie ist die Maßgabe, nach der sich das Gericht bestimmt, oder bestimmen sollte. Aber weil sich die Strafe im Sinne der Verhältnismäßigkeit nach der schwere der Schuld bemisst, ist sie eine Möglichkeit, diese in Kategorien einzuteilen. Die Strafe ist demnach lediglich das Bewertungskriterium, allerdings das einzig sinnvoll, wie ich finde. Doch vielleicht fehlt mir auch die nötige Fantasie, darum höre ich mir gerne andere Vorschläge an.“

  • "Und an dieser Stelle stelle ich mir die Frage, ob diese Regelung verhältnismäßig wäre: Ein dreimonatiges Versagen des Wahlrechts ist zweifellos für einen am Gemeinwesen interessierten Menschen eine schlimme Strafe - doch eine Arbeitsstrafe in einem Bergwerk, die die Hälfte der Menschen keine drei Monate überlebt, könnte doch schwerwiegender sein.


    Folglich denke ich, dass man zuerst über neue Bestrafungsmethoden reden müsste, ehe man über ihre Einteilung in Kategorien spricht. Möglicherweise wäre es auch weise, die Zuteilung zu verschiedenen Gerichtshöfen nach dem Typ des Deliktes zu bestimmen, wie es von den Maiores praktiziert wurde."

  • Macer hatte die Debatte erst wieder eine Weile schweigend verfolgt, bevor er sich zu Wort meldete. "Ich denke, einige dieser Bemühungen gehen in die falsche Richtung. Hat denn die Zuständigkeit eines Gerichtes, für die die Eineteilung in Kategorien von Belang ist, überhaupt etwas mit der Schwere der Strafe zu tun? Natürlich ist es so, dass die schwerste mögliche Strafe nur vom höchsten Gericht verhängt werden sollte, aber könnte es nicht trotzdem Taten geben, die Aufgrund ihrer Tragweite und Komplexität die Verhandlung vor einem höheren, erfahreneren Gericht verlangen, auch wenn die zu erwartende Strafe gering ist, während andere Taten von niedrigeren Gerichten verhandelt werden können, auch wenn die zu erwartenden Strafen höher sind?"

  • “Ja, da stimme ich dir zu, Senator Purgitius Macer. Und darum lässt der von mir vorgelegte Entwurf für eine Neufassung des § 56 auch zu, einen Straftatbestand explizit einer anderen Instanz zuzuordnen, unabhängig von der Strafe die dafür verhängt werden kann. Dieser Entwurf bietet die hier geforderte Flexibilität, ohne dafür eine allgemeingültige und einfache Regel aufzugeben, die in all den Fällen und lückenlos greift, wo nichts speziell festgelegt wurde.“

  • "Aber wofür benötigen wir dann die Kategorien? Ihr Hauptgrund liegt doch darin, dadurch zuzuteilen, welches Gericht dafür zuständig ist! Wenn wir das voraussichtlich in den einzelnen Gesetzen regulieren wollen, können wir meiner Meinung nach auf den Paragraphen 56 ganz verzichten."


    Schlanke Gesetzestexte war schon immer eine Sache gewesen, die Durus unterstützte. Immerhin sollte doch ein Richter auch Spielraum haben!

  • “Wenn das der Wille des Senats ist, dann wäre dieser Paragraph tatsächlich hinfällig. Aber dann müsste eben zwingend für jeden Straftatbestand diese Festlegung getroffen und im Gesetz fixiert werden und dort wo das nicht geschähe, bestünde in der Folge Unklarheit über den Gerichtsstand.
    Es würde bedeuten, dass in etlichen Paragraphen ein zusätzlicher Absatz aufgenommen werden müsste und zwar immer und nicht nur in den Ausnahmen.


    Sollte eine solche Lösung aber der mehrheitliche Wunsch des Senats sein, dann werde ich meinen Novellierungsvorschlag zurückziehen.“

  • "Ich für meinen Teil würde eine andere Zuteilung der Gerichte zu den verschiedenen Straftaten begrüßen."


    stellte Durus noch einmal klar - das wusste zwar vermutlich schon jeder, doch er wollte die anderen Senatoren zu Statements anregen.

  • Die Bedenken des Consuls waren in Macers Augen völlig zutreffend und trafen trotzdem nicht den Punkt, auf den Macer hinaus wollte. "Gut, aber wenn wir uns doch einig sind, dass die Zuständigkeit nichts mit dem Strafmaß zu tun hat und wir den Paragraphen 56 sowieso ändern, dann können wir ihn doch auch gleich so ändern, dass die Zuständigkeiten sinnvoll geklärt werden, ohne gleich jedes Gesetz einzeln ändern zu müssen. Der Codex teilt Gesetze doch ohnehin schon in Gruppen ein, zum Beispiel Delikte gegen den Staat oder Wahldelikte. Für diese Gruppen können doch Zuständigkeiten festgelegt werden."

  • “Ich finde, dass ist ein durchaus interessanter Vorschlag. Für eine rechtsverbindliche Umsetzung müssten wir dann wohl den § 56 streichen und den § 19 entsprechend ändern.


    Der lautet wie folgt:
    § 19 Sachliche Zuständigkeit
    (1) Bei Verhandlungen der Strafkategorie für Schwerverbrechen ist das Iudicium Imperialis sachlich zuständig.
    (2) Bei Verhandlungen der Strafkategorie für Verbrechen ist das Iudicium Maior sachlich zuständig.
    (3) Bei Verhandlungen der Strafkategorie für Vergehen ist das Iudicium Minor sachlich zuständig.


    Man könnte nun natürlich bestimmen, dass Delikte gegen den Staat vor dem Iudicium Imperialis verhandelt werden müssen, alle anderen Delikte des Allgemeinen Strafgesetzteils vor dem Iudicium Maior und das was übrig bleibt vor dem Iudicium Minor.“

  • "Das wäre eine gute Lösung."


    bemerkte Durus und musste danach doch noch überlegen, was für verschiedene Delikte es als Staatsverbrechen, welche Straftaten und welche sonstigen Vergehen es gab. Sämtliche Wirtschaftsdelikte würden also vor das Iudicium Minor kommen, das meiste vor das Iudicium Maior - ebenfalls eine gute Idee und nur die wichtigsten Verbrechen mussten dann vom Princeps persönlich abgeurteilt werden.


    "Damit würde auch das Iudicium Imperialis entlastet werden, was dem Princeps mit seinen zahlreichen Verpflichtungen sicher entgegen kommt."

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