Gram und Enttäuschung schienen mein Lebensinhalt zu sein. Das Verderben Sinn und Zweck des Daseins. Ich fühlte mich verlassen, verraten gar. Verwundet zurückgelassen inmitten der Vertrautheit, wie ein waidwundes Tier, das es leid war, sich immer und immer wieder die Wunden zu lecken. Warum nicht einfach aufgeben? Schon Vater war vor der Wirklichkeit geflohen. Der Welt, die Schein und Trugbild zugleich war, wo dein Freund dein Feind, deine eigene Familie die Hundemeute war, die ohne zu zögern in den Rücken fiel.
Eine Amphore Wein. Alleinige Tristesse im trüben Dickicht der eigenen Gedanken. Lag es tatsächlich an mir? Warum waren es dann nur wenige, die beständig an meiner Autorität sägten? Wäre Prisca nur hier. Ich ließ den Kopf über die Schulter nach hinten rollen, lehnte ihn an die kühle Wand, deren farbenfrohe Leichtigkeit mich anödete. Graue Nebel flirrten durch den Raum. Rauch des Genusses, der doch keiner war. Blutige Laken, oder doch nur vergossener Wein? Mir war, als klebte der Saft des Lebens an meinen Händen. Er roch nach der Erde vergangener Jahre. Und der Brief...so zuversichtlich. Glücklich. Ich zwang die Augen auf, nahm einen weiteren Zug. Wattige Umnachtung machte das Leid erträglicher, doch alle Illusion nahm irgendwann ihren Anfang vom Ende. Und obgleich ich das wusste, gab ich mich der flüchtigen Geborgenheit hin, die mir vorgegaukelt wurde. Die ich mir selbst vormachte. Ein Senator, und wenn schon. Ein septemvir, na und? Auctor der Staatszeitung, ja was? Titel, Ämter, was waren die schon in der Suppe der Zeit, wenn der eigene Neffe einem den Rücken kehrte? Wenn der andere sich so offen dagegen wehrte, genau das zu nutzen und sein Heil lieber unter den Fittichen eines anderen suchte? Diese Lektion hatte ich gelernt. Irgendwann glaubte wohl jeder, es möge an einem selbst liegen. Vielleicht war ich tatsächlich nicht der rechte für diese Aufgabe. Sie war zu groß, und doch ruhte sie auf meinen Schultern. Zwang mich, gebeugt zu gehen. Und würde mich dereinst erdrücken, zermalmen unter der Last, die es mit sich brachte, stets doch nur das beste erreichen zu wollen.
Ein Wischen des Handrückens, salziges Glitzern. Süßer Rauch, angenehme Röte – eine hitzige Qual. Das schien mein Lebensinhalt. Warum sich weiterquälen? Ein Splittern auf dem Boden, durchtränktes Fell – der Krug war zerborsten. Ob Blut sich mit dem Rebensaft mischte? Eins wurde? Ein rötliches Rot. Ich langte hinab, griff nach einer Scherbe und wog sie in der zitternden Hand. Ich fürchtete mich. Vor ihnen. Vor dem Ungewissen. Vor mir selbst. Eiseskälte stahl sich in meine Knochen, lähmte die Glieder. Und doch war da etwas Vertrautes, das es erleichterte. Wie scharf simpler Ton sein konnte. Und doch war es nur Erde. Gehärtet durch Flammen... Ob es überhaupt jemand merken würde? Siv. Celerina. Prisca, wenn sie heim kehrte. Severa und Laevina, wenn sie Geld brauchten. Vielleicht auch Manius. Und sonst? Da war nichts weiter. Nur der Name, nur die Abstammung. Alles andere schien verpufft. Aufgelöst durch zahlreiche Diskussionen, zermürbt von wiederkehrenden Worten. Missverstehen, gepaart mit hitzigen Worten und gewürzt von passenden Gedanken, guter Miene zum bösen Spiel... Das alles marterte mich und quälte mich folternd, bis ich am Ende hilflos vor dem zerbrochenen Stundenglas stand, dessen Sand durch meine Finger rann. Jetzt war es genug. Ein letzter Schluck, ein letzter Zug. Benebelt. So musste sich Helena gefühlt haben, dachte ich bitter.
Klirrend schlug die tönerne Scherbe schließlich neben ihren Geschwistern zu Boden. Ich konnte es nicht. Vielleicht, weil da doch noch ein letzter, beinahe verglommener Funken Hoffnung war. Und der Glaube an die Einheit der Familie, trotz allem, was gewesen sein mochte.