Einige Wochen zuvor...
Entgeistert starrte ich ihn an, meinen Klienten. "Und du bist dir sicher?" fragte ich mehr rhetorisch, denn welchen Grund würde er haben, mich zu belügen? "Sicher, Herr. Viele haben es gesehen. Ich war nicht der einzige." Vipstana Cara rang mit den Händen, seine Kappe dazwischen knautschend. Ich lehnte mich im Stuhl zurück und blickte angestrengt auf meinen Senatorenring. Konnte denn das sein... Wusste sie denn nicht, mit wem sie es zu tun hatte? Oder wer sie war? "Berichte." Eine Geste nur, herrisch, unterstrich das Wort, den Blick hob ich nicht. "Meine Frau und ich hatten lange für den Eintritt gespart, Herr. Wir wollten einen schönen Tag haben, also haben wir die Kinder zu ihren Großeltern gebracht und sind dann ins Theater. Ich weiß ja, wer sie ist, die Frau von den Flaviern, mit der du dich verloben willst. Also habe ich öfter hingeschaut, denn es ist immer besser, wenn man gut informiert ist. Und da war dieser Platzanweiser, der sie zu einem Platz geleitet hat, der gar nicht ihrem Stand entsptricht. Eine Rose hat er ihr gegeben." Schweigen breitete sich aus, Vipstana Cara sah mich abwägend an. "Hmh!" machte ich nur und erwiderte flüchtig seinen Blick. Er deutete es richtig und fuhr fort, während ich mit dem Daumen meinen Siegelring drehte. "Da war dieser Sergier, von dem du sagtest, dass du bei der Wahl gegen ihn gestimmt hast, patronus. Er hat auf die edle Dame gewartet. Als das Stück dann begann, habe ich nicht mehr ganz so genau aufgepasst, aber immer wenn ich geschaut habe, saßen sie ein Stück näher beieinander.... Angefasst hat er sie auch. Und dann hat er sie auf die Arme genommen und ist mit ihr hinauf gegangen, zu den Säulen."
Forschend blickte ich meinen Klienten an. Es gab keinen Grund, aus dem er lügen mochte, nicht einmal aus Eigennutz, denn was hätte er schon davon, wenn er Celerina verfemte? Missbilligend schnaufte ich. Es war eine Sache, eine Liebelei unter verschluss zu haben. Damit konnte ich noch leben, aber sich öffentlich derart gehen zu lassen, als Patrizierin? Niemals hätte ich gedacht, dass eine Flavia sich so sehr unter Wert verkaufte. "Ehe der erste Akt vorüber war, sind sie wiedergekommen", sagte Vipstana Cara schließlich kleinlaut und blinzelte mich an. Ich winkte einem Sklaven, der dem Mann eine Münze gab. Ratlos starrte ich vor mich hin. Sollte ich ihr unter diesen Umständen überhaupt noch einen Antrag machen? Würde ich mir nicht ins eigene Fleisch schneiden, wenn ich sie nach diesem ungehörigen Gebaren ehelichte? Ich wusste es nicht. Andererseits würde ich mir nicht leisten können, von meinem Wort zurückzutreten. Die Flavia war nach allem immer noch eine ehrbare Familie, und es mochte vielleicht schwerer wiegen, sie gegen mich aufzubringen, als eine Frau zu heiraten, die sich öffentlich so gehen ließ. In jenem Moment jedenfalls hatte ich nicht die geringste Lust, sie zu sehen. Und was die Zukunft brachte, würde ich noch sehen müssen.
Ich erhob mich. Damit war die salutatio beendet, noch ehe ich alle meine Klienten gehört hatte. Sie wurden mit ihren sportulae nach Hause geschickt, und ich selbst zog mich grübelnd und nicht ohne Wut und Enttäuschung im Bauch in mein Arbeitszimmer zurück.