Audienz für den Gymnasiarchos Nikolaos Kerykes



  • Nachdem Scipio den Besuch des Gymnasiarchos gemeldet hatte und der Praefectus bereit war diesen zu empfangen führte Scipio ihn in die Aula Regia:


    "Praefectus Aegyptii Germanicus Corvus. Der hier neben mir stehende Gymnasiarchos Nikolaos Kerykes bittet um deine Aufmerksamkeit."


    Scipio spulte das üblich Zeremoniell ab und begab sich dann auf die Seite des Praefectus wo er etwas abseits stehen blieb nachdem ihm dieser zuvor befohlen hatte ebenfalls anwesend zu sein.

  • "Es ist mir eine Ehre, von dir empfangen zu werden, hochverehrter Präfekt, auch wenn der Anlaß meines Besuches kein freudiger ist.", begann Nikolaos höflich. "Es tut mir leid, deine Geduld mit diesem Problem strapazieren zu müssen und ich bitte dahingehend um deine Nachsicht. Wenn du erlaubst würde ich jedoch gerne beginnen, dir mein Anliegen vorzutragen. Leider ist es nicht nur unangenehm, sondern auch eilig."
    Er wartete auf ein Zeichen des Präfekten.

  • Der Praefectus Aegypti empfing seinen Gast wie üblich, auf seinem alten, leicht erhöhten Stuhl sitzend, so dass er ein bisschen wie ein orientalischer Monarch aussah.


    “Es freut mich, dich zu sehen, Gymnasiarchos Nikolaos Kerykes. Es ist schon ein bisschen länger her, dass wir uns trafen.
    Aber lassen wir das, kommen wir auf den Punkt.
    Du hast gesagt, dass du in Eile zu mir kommst und das aus keinem freudigen Grund. Was ist es?“

  • "Wie kein Zweiter weiß ich um die Bedeutung des Heeres des göttlichen Imperators für die Polis. Wie kein Zweiter bin ich dir und dem Heerführer dankbar für den Schutz, den ihr uns Polites angedeihen lasst.


    Umso betrüblicher stimmt es mich, im Namen der Polis eine Beschwerde gegen eine Centurie und den für sie zuständigen Centurie vorbringen zu müssen.


    Heute sollte besagte Centurie wohl in der Stadt patroullieren, und du darfst mir glauben, dass ich dies sehr begrüße, dient es doch der Sicherheit und Ordnung.


    Jedoch ließ der Centurio diese Einheit aus unerklärlichem Grund direkt vor dem Heiligtum der Tyche aufmarschieren, um von dort aus die Aufteilung in einzelne Einheiten zu übernehmen. Dies ist insofern sicher taktisch günstig, da die Agora ein Mittelpunkt der Stadt ist.


    Allerdings ist die Tatsache, direkt im Angesicht der Tyche aufzumarschieren, höchst ungewöhlich und stieß auf das Bedenken vieler Bürger. Schließlich hatten wir der Agathe Tyche erst kürzlich ein Fest gestiftet und ein Opfer gebracht, auf dass sie der Polis gütig sei. Viele Bürger fürchteten nun, dieses Verhalten seitens der Centurie könnte die Göttin verärgern.


    Ich, in der Furcht, dieses außergewöhnliche Ereignis könnte einen außergewöhnlichen Grund, wie zum Beispiel einen drohenden Aufstand, einen Überfall barbarischer Reitervölker der Wüste oder Ähnliches haben, fragte keinesfalls unhöflich nach dem Grund. Daraufhin sagte der Centurio grob, es ginge mich nichts an und fuhr fort mit der Prozedur, ohne mich überhaupt mehr zu beachten.


    Zu erwähnen ist dabei die Tatsache, dass ich nicht nur der Beauftragte der Polis für die Erziehung der Kinder der Stadt, sondern auch Priester des Hermes und des Herakles bin.


    Dies alles allein wäre sicher bedenklich, doch keinesfalls sehr bedenklich.


    Jedoch spielte sich im Angesicht der Tyche schon zu Anfang des Aufmarsches einiges ab, was mich als einen um den Frieden besorgten Beamten der Stadt besorgt, viele Bürger verärgert stimmte.


    Ein Legionär warf einen Mann, ich vermute sogar, einen Bürger der Polis, grob zu Boden. Daraufhin wies ihn ein Optio anscheinend zurecht. Dies zeugt, meiner Meinung nach, von jener Umsicht und Höflichkeit, die sonst dem römischen Heer im Umgang mit den Bürgern der Polis Alexandria zu eigen ist. Schließlich ist der Legionär vielleicht noch unerfahren und hat so nicht aus bösem Willen gehandelt, sondern aus einem Irrtum, den nun der umsichtige Optio beseitigte.


    Doch der Centurio fuhr den Optio laut an und behauptete, derartiges, das heißt vom Legionär an den Tag gelegtes Verhalten gegen die Bürgerschaft der Stadt sei Inhalt eines Befehls.


    Im übrigen blieb auch die zweite, wie ich finde freundliche Nachfrage meinerseits seitens des Centurios unbeantwort, ja wurde sogar wie die Erste mit einer groben Bemerkung abgetan.


    Werter Präfekt, verstehe mich bitte nicht falsch in dem Sinne, ich wäre ein Gegner der Patrouillen der Legion in der Stadt.


    Das Vorgehen dieses einen Centurios jedoch ist überaus gefährlich. Nicht jeder Bürger ist besonnen und vernünftig genug, um den Sinn der militärischen Präsens der Legion in der Stadt einzusehen. Das Verhalten dieses Centurios an diesem Tag stiftete somit Unruhe, die geschürrt wurde von der Angst, der Agathe Tyche könne ein Frevel getan werden. Auch die Tatsache, dass brutales Verhalten gegen Unschuldige von diesem Centurio als Teil eines Befehls dargestellt wurde, ließ die Bürger ängstlich und unruhig werden.


    Da die Patrouille noch immer in der Stadt ist, weiß ich nicht, was sich der Centurio noch zuschulden kommen lassen wird und welche Reaktionen darauf folgen werden. Ich fürchte, dem einfachen Volk kann der Verstand abhanden kommen und es kann sich zu gefährlichen und schlechten Dingen hinreißen lassen, ohne diese wirklich zu wollen, sondern im Gegenteil aus einer Gemütsregung heraus, die es überfiele.


    Daher bitte ich dich inständig, hochverehrter Präfekt, gebiete diesen Handlungen um der Ordnung und des Friedens Willen Einhalt. Ich will auch dem Centurio keine schlechten Absichten unterstellen, dies steht mir nicht zu, doch ich fürchte, er ereifert sich in einer Weise, die ungesund ist. Daher bitte ich dich, ihm Einhalt zu gebieten und dafür zu sorgen, dass er seinen Eifer in Zukunft bremst, um nicht unwillentlich Frevel an den unsterblichen Göttern zu begehen."


    Als Nikolaos seine Rede beendet hatte, blickte er erwartungsvoll zum Eparchos auf. Er hoffte, dieser würde ihn nicht hinauswerfen. Dann indes würde im schlimmsten Fall die Situation in der Stadt hochkochen in einem Maße, dass auch der oberste der Pyrtanen nicht mehr beschwichtigen könnte.

  • Geduldig hörte sich Germanicus Corvus den Bericht des Gymnasiarchos an.
    Ein paar mal runzelte er nachdenklich die Stirn.


    Dann atmete er tief durch, bevor er antwortete:


    “Gymnasiarchos Nikolaos Kerykes, ich bedaure sehr, dass man dich so behandelt hat. Dir gebührt Respekt und Höflichkeit, denn du bist nicht nur ein Freund meines Volkes, sondern auch und vor allem, ein hoher und sehr ehrenwerter Repräsentant des stolzen Alexandria. Auch ein Centurio der Legion muss dich zuvorkommend behandeln. Das er es nicht getan hat missbillige ich. Kennst du den Namen dieses Mannes, oder die genaue Bezeichnung seiner Einheit?“


    Er machte eine kurze Pause, während der er sich die Schläfen rieb.


    “Die Patrouillen in der Stadt sind nötig. Sie dienen der Sicherheit und sind unerlässlich. Das verstehst du sicher.
    Es lässt sich nicht immer vermeiden, dass es dabei auch gelegentlich zu kleineren Reibereien kommt. Die Ordnung durchzusetzen und aufrecht zu erhalten erfordert leider manchmal eine harte Hand und auch wenn es bedauerlich ist, trifft sie hin und wieder den Falschen, vielleicht einen Unschuldigen. Aber es ist unerlässlich, dass die Soldaten sichtbar in der Stadt sind. Sie müssen auffallen und sich zeigen, wenn ihr Tun erfolgreich sein soll.
    Sie haben das Heiligtum doch wohl nicht betreten, mit Waffen etwa?“

  • Gut, der Eparchos hatte ihn nicht hinausgeworfen. Auf die Provokation eines Aufstandes, um ihn dann um so grausamer niederschlagen zu können, war der hohe Herr aus Rom offenbar nicht aus.


    "Der Name des Centurios ist Quintus Fabius Vibulanus.", sagte Nikolaos. Auf welchem Wege er diesen Namen erfahren hatte und von wem, das wollte er nicht sagen. Immerhin könnten sich sonst gewisse Verschwörungstheorien bezüglich der Stadtwache im Geist des Eparchos entwickeln... .


    "Natürlich weiß ich um die Bedeutung auch von sichtbarer Repräsentanz für die Ordnung und Sicherheit, an der nicht nur das Wohl der Polis, die Freundschaft zum römischen Volk, sondern auch das Leben und Wohl jedes anständigen Bürgers hängt, der andernfalls die Verbrechen von Aufständischen und Räubern fürchten müsste.
    Zwar hat glücklicherweise kein Soldat das Heiligtum betreten. Tyche wurde nicht gefrevelt. Doch, so leid es mir tut, dies zugeben zu müssen, aus der Sicht eines um die Ehrerbietung gegenüber den Göttern besorgten Bürgers schien in der Zeit, als die Soldaten der ruhmreichen und tapferen Legion vor dem Heiligtum aufmarschierten, ein möglicherweise noch folgender Frevel keineswegs ausgeschlossen.
    Hätte es nicht diese von mir erwähnte eine Ausschreitung eines einzigen Soldatens gegen einen Unschuldigen gegeben, und hätte der Centurio daraufhin nicht den pflichtbewussten Optio zurechtgewiesen und jenen einzigen Soldaten in seinem Tun bestärkt, hätte der erwähnte Centurio mir geantwortet und mich nicht verhöhnt, so wäre die Sorge um das Wohl des Tyche-Heiligtums sicher kleiner gewesen.
    Gar nicht vorhanden gewesen wäre die Sorge, wenn der Aufmarsch nicht unweit des Tychaions oder eines anderen bedeutenden Tempels, sondern beispielsweise auf dem Alexander-Platz stattgefunden hätte.
    Ich weiß, dass es mir, ehrenwerter Präfekt, als jemand, der unter deinem großen Schutz steht, eigentlich nicht zusteht, dir Ratschläge zu erteilen. Dennoch hoffe ich, du erhörst meine bescheidene Bitte im Namen der Stadt.
    Vielleicht könnten in Zukunft Aufmärsche dieser Art, die zweifelsohne unerläßlich sind für die Sicherheit in der Stadt, auf Plätzen stattfinden, die die ängstlichen Bürger weniger beunruhigen.
    Jedenfalls danke ich dir vielmals dafür, dass du ein offenes Ohr für die Sorge eines Freundes des römischen Volk hattest."

  • Scipio hörte sich die Worte des Mannes ebenso genau an wie es auch der Praefectus tat. Ihn interessierte warum der Gymnasiarchos hier war und so unbedingt zum Praefecten wollte und das was er da hörte gefiel ihm gar nicht.


    Nervös tippelte Scipo auf seinen Füßen herum und fragte sich zugleich warum ihn der Praefectus dabeihaben wollte. Auf die ersten Worte des Alexandrines hatte Scipio etwas zum Praefecten sagen wollen, doch waren das Dinge die der Grieche nicht unbedingt mitbekommen sollte. Deshalb hörte Scipio weiter zu und stand gespielt unbeteiligt neben dem Praefectus.

  • Quintus Fabius Vibulanus – das war ein Name, den der Präfekt gut kannte. Denn er gehörte einem seiner Klienten, einem Mann also, dem er gegenüber eine gewisse Patronatspflicht hatte und der im dazu bisher auch immer treu ergeben war. Aber woher hätte der Gymnasiarchos das wissen können?


    “Wie ein Offizier der Legion seine Männer führt, Gymnasiarchos, darüber solltest du nicht urteilen, bei allem Respekt.“, sagte er, und es klang nicht so, als wenn er darüber diskutieren wollte.


    “Wenn die Soldaten das Heiligtum nicht betreten haben, dann kann ich keinen Frevel erkennen. Aber ich habe mich während meiner ganzen Statthalterschaft um Ausgleich bemüht und immer ein offenes Ohr für die Empfindungen und Wünsche des alexandrinischen Volkes gehabt. Ich achte eure Sitten und Gebräuche. Rom tut es! Darum werde ich es bei meiner nächsten Unterredung mit dem Kommandeur der Legion ansprechen. Ich werde ihm sagen, dass die Patrouillen auf der Agora in Zukunft zurückhaltender sein sollen und sich der besonderen Bedeutung des Ortes bewusst sein müssen.“

  • Nikolaos nickte. Er war froh, dass der Eparchos nicht ungehalten reagiert hatte. So würde er in einigen Tagen auf der Volksversammlung den Bürgern eine gute Nachricht bringen können, ohne viel lügen zu müssen.


    "Sei dir versichert, dass die Polis deine Freundlichkeit und Güte zu schätzen weiß.", sagte er höflich. "Auch ich als einzelner Bürger bin dir sehr dankbar dafür. Ich bin mir sicher, ich werde in der Volksversammlung, die bald kommen wird, die aufgebrachten Gemüter der Bürger beruhigen können. Habe Dank, oh ehrenwerter Präfekt!"

  • Scipio verfolgte die ganze Audienz recht genau und konnte noch immer nicht so recht nachvollziehen was er hier eigentlich zu suchen hatte. Er wartete bis der Gymansiarchos die Aula Regia verlassen hatte und sah dann zum Statthalter um eventuell zu erfahren was er hier sollte. Irgendwie war er sich fehl am Platze vorgekommen, so als ob man irgendeine staubige alte Büste in eine Ecke gestellt hatte.

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