Timos hatte mal wieder einen anstrengenden Tag gehabt. Gleich drei Hinrichtungen und etliche Verhaftungen auf dem Schwarzmarkt hatten ihn heute beinahe die Nerven gekostet. Jetzt war er froh endlich zuhause zu sein und sich gemütlich im Garten ausruhen zu können. Doch was sah er, als er durch den Säulengang ins Freie hinaustrat? Da war sein Bruder mit einer Frau. Einer verdammt gut aussehenden Frau!
Timos richtete sich augenblicklich auf, zupfte seine dunkelblaue Chlamys zurecht und räusperte sich leicht.
"Chairete", begrüßte er die beiden, während sein Blick den Wein und das Gebäck streifte und dann fragend an Ánthimos hängen blieb.
Hortus - Der Garten
-
- Kipos
- Penelope Bantotakis
-
-
Der Neuzugang im Garten blieb für die junge Bantotakis nicht unbemerkt und sie drehte sich halb zu ihm um ihn zu mustern. Sie grinste breit und versuchte den nervigen Schluckauf zu unterdrücken, während er sie kurz ansah und dann zu Ánthi blickte. Das war doch sicher Timos! Ilías war schließlich nicht da und ein Sklave wäre nicht so selbstsicher aufgetreten. Sie stellte ihren, sowieso schon wieder leeren, Becher auf und stand mit einem großen Grinsen auf, was aber schon gar nicht mehr so einfach war. Während des sitzens auf der Cline hatte sie es kaum bemerkt, aber der Wein war ihr tatsächlich bereits zu Kopf gestiegen und sie schwankte sie für einen klitzekleinen Augenblick, bis sie aufrecht stand. Sie musterte denn jungen Strategos unverhohlen und lächelte ihn an, dann ging sie die wenigen Schritte auf ihn zu.
"Chaire *hicks* Thimótheus!" sagte sie fröhlich und umarmte ihn stürmisch. "Ich hatte schon *hicks* befürchtet, dass du *hicks* gar nicht *hicks* mehr auftauchst." meinte sie noch, wie immer vergessend, sich erst vorzustellen. Als ihr das auffiel, kicherte sie und machte ein gespielt ernstes Gesicht. "Ich bin, die kleine *hicks* nervige Emilía aus Syria."
-
Was zum? Sekunden später hatte Timos eine lallende Cousine am Hals hängen, die ihn aufs herzlichste begrüßte. Als er verstand, wen er da vor sich hatte, begann er zu strahlen und erwiderte die Umarmung fröhlich.
"Emilía? DIE Emilía, Tochter des Mikates und der Dyonysia? Ich glaub's nicht! Wie schön dich zu sehen!" Er küsste sie auf beide Wangen und trat dann einen Schritt nach hinten, während er ihre Schultern festhielt.
"Schau dich an, wie bezaubernd bist du geworden in all den Jahren!" Ein breites Grinsen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er dann zum Tisch schaute und Emilías Wanken bemerkte.
"Sag, habt ihr mir noch etwas Wein übrig gelassen, oder alles allein gesoffen?"
Lachend nahm er die Cousine in den Arm und führte sie zurück zur Cline, wo er sich neben sie setzte und die syrische Weinflasche in Augenschein nahm. -
Ha! Das hatte sie gleich gewußt, Timos war immer noch so ein fröhlicher Mensch wie früher. Sie grinste ihn an und wurde sogar eine Spur rot, als er sie musterte und ein Kompliment machte. Sie erwiderte seine Küsschen und ließ sich dann bereitwillig wieder auf die Cline setzen. Stehen war eh viel zu anstrengend. Er beäugte die Weinflasche interessiert und Emi fing an zu lachen.
"Wir haben dir etwas von Mamas gutem Wein übrig *hicks* gelassen und trinken stattdessen dieses Traubenwasser. Sie hat mir eine Flasche für deinen Bruder mitgegeben, als Gastgeschenk.*hicks*Du kommst also grade zur richtigen Zeit."
Dann fiel ihr siedend heiß ein, dass sie ja auch noch ein Geschenk für ihn hatte und machte ein erschrockenes Gesicht. Sie stand auf, diesmal ohne zu schwanken und grinste die beiden an. "Ich *hicks* bin gleich wieder da, nicht *hicks* weglaufen." Sprachs und verschwand mit hlab rennendem Gang, um das Geschenk aus ihrem Zimmer zu holen.
-
'Mamas guter Wein'. Ja wunderbar, so sollte jeder Feierabend ablaufen. Er schenkte sich vom Wein ein, während er verdutzt der Cousine hinterherschaute, die plötzlich davonlief. Einen Schluck später genoß er sichtlich den guten Tropfen und lehnte sich erstmal gemütlich zurück...
-
Kurz nachdem sie nochmal angestoßen hatten, war Timos endlich von der Arbeit gekommen. Ehe Ànthimos etwas sagen konnte, hatte sich Emilia den Strategos auch schon geschnappt und ihm auf jede Backe einen Schmatzer geklatscht. Thimos schaute ganz verdattert, musste dann aber auch grinsen. Emi war definitiv mit ihnen verwandt.
Dann schwankte sie schnell zu ihrem Zimmer, man sah schon deutlich, dass sie mindestens einen Schluck zu viel getrunken hatte. Sein Bruder ließ sich neben ihm nieder und trank auch einen Schluck vom guten Wein.
Nun setzte sich Anthi auf und auch er merkte, dass er ein wenig zu viel getrunken hatte. Aber bei ihm war es nicht ganz so schlimm, ihm war nur ein wenig schwummerig.
"Ich hab vorhin fast genauso doof geschaut wie du, als sie plötzlich vor mir stand. Aber was für ein Wein! Tante Dyonysia versteht wirklich was davon. Wir dachten wir heben dir und Pelo auch einen Schluck auf."
-
Auf dem Weg zu ihrem Zimmer legte Emi einen Zwischenstopp auf der Latrine ein und in ihrem Zimmer trank sie mehrere Gläser kaltes Wasser, bevor sie das Geschenk für Timos an sich nahm und den Rückweg antrat. Das Wasser machte ihren Kopf wieder klarer und auch der Schluckauf verschwand. Wäre ienfach zu peinlich, am ersten Abend betrunken zu werden. Obwohl es eigentlich eine lustige Idee wäre, wie Emi grinsend feststellen musste. Timos war sicher auch nicht abgeneigt. Wie die beiden Brüder dort so saßen, konnte man ihre Unterschiede und Gemeinsamkeiten gut vergleichen und Emi ließ sich Zeit mit dem laufen, so dass sie den Anblick noch etwas genießen konnte. Sie freute sich ja so unheimlich hier zu sein!
Dann setzte sie sich wieder auf die Cline und reichte Timos das lederne Armband.Es war aus breitem Leder und wurde mit einem Lederbändchen geschnürt. In das dunkle Leder hatte ihr Vater die Darstellung eine Hoplon und einige Weinranken eingebrannt, es war extra für Timos angefertigt worden, kein reiches oder protziges Geschenk, aber gute Handwerksarbeit. Sie wußte nicht ob er solchen Schmuck mochte, er trug jedenfalls keinen und blickte ihn daher etwas gespannt an.
"Bitteschön, ein kleines, handgefertigtes Stück von Hikates, der dir die besten Grüße entsendet. Natürlich schicken dir auch alle anderen ihre Grüße. Ich hoffe es gefällt dir."
-
Wegen den Vorbereitungen zu den Spielen, die Nikolaos und Cleonymus ausrichten wollten, war die halbe Fachschaft der Musik am Museion in heller Aufregung. Natürlich tauschte man sich unter den Kollegen rege aus, wenngleich auch jeder möglichst wenig von seinen eigenen Plänen und Entdeckungen preisgeben mochte. Immerhin wollte jeder auch gewinnen. Nichts desto trotz waren gerade im Bereich der Theorie dieser Tage die Diskussionen sehr interessant. Und so hatte Penelope auch völlig die Zeit vergessen, während sie einem Kollegen gelauscht hatte, der die Ansicht einer harmonischen Tonabfolge ohne die Regeln der Mathematik vertrat. Es war eine Interessante Vorstellung, die Töne nicht zu berechnen, sondern einfach im Kontext zueinander zu improvisieren. Verrückte Theorie, aber auch interessant. Wer würde sich schon völlig frei improvisierte Musik antun wollen? Und nach welchen Regeln sollte man sie bei mehreren Personen spielen, wenn jeder tat, wonach ihm war?
Aber irgendwann hatte Penelope doch den stand der Sonne bemerkt, und auch war sie sehr müde mit einem Mal geworden. So langsam wuchs ihr Bauch, und ihr schien, je mehr dieser sich ausbreitete, umso mehr Kraft kostete die Schwangerschaft. Sie wurde immer häufiger müde, konnte sich manchmal mittags hinlegen und wenn sie niemand weckte, würde sie Stunden schlafen. Dazu kam auch noch die Schwere, die sich in den Füßen manchmal ausbreitete, und die Rückenverspannungen, die langsam einsetzten. Alles in allem ungewohnt und beinahe schon schrecklich. Wäre da nicht dieses Gefühl der Glücks, das sie neuerdings durchströmte, wenn das Kind sich bewegte. Noch sah man es nicht, es war noch zu klein, aber doch fühlte Penelope es manchmal wie ein sanftes Kribbeln in ihrem Bauch und wusste, dass es das Kind war. Das war nicht ihr Körper, der sich da meldete, sondern ein neues Leben in ihr, das sie beschützte und beherbergte, bis es groß genug gewachsen war, um selbst zu leben. Es war einfach ein wundervolles Gefühl und jede Müdigkeit, Übelkeit und auch seltsame Gefühlsumschwünge wert.
So kam sie also müde wieder zuhause an und wurde an der Türe von Isokrates davon unterrichtet, dass sie wohl Gäste hätten. Penelope dankte dem Sklaven, den Timos für die Türe gekauft hatte, und machte sich auf in den garten, wo der Besuch wohl sein sollte. Am Eingang des Gartens blieb sie im Schatten des Säulenumganges stehen und blickte auf das Bild, das sich ihr bot. Aus irgendeinem Grund hatten sie Klinen in den Garten gestellt. Und das bei der Regenzeit! Da war man einmal nicht zuhause, und schon kamen die Männer auf die merkwürdigsten Ideen. Als ob die Steinbänke nicht genug wären, um sich hinzusetzen. Nungut, Besuch war da, aber dennoch. Penelope würde ein ernstes Wörtchen mit den Herren zu reden haben. Während Peret, die Regenzeit, und Schemut, die Zeit der einsetzenden Überschwemmung, war, konnte es jederzeit einen plötzlichen Regenguss geben. Und das Haus war teuer gewesen. Zu teuer, um die Klinen durch Regen kaputtmachen zu lassen. Sie hatten noch Schulden. Männer aber auch!
Doch dessen nicht genug, hatten sie auch getrunken. Penelopes Blick fiel auf die Amphore, die da im Garten stand, und ein Blick zu ihrem Mann zeigte ihr, dass ein Großteil des Weines in seinem Körper gelandet war. Penelope mochte es nicht, wenn er getrunken hatte, es erinnerte sie zu sehr an ihren Großvater. Zwar war Anthi dann nicht gewalttätig, wie ihr Großvater es häufig dann wurde, aber dennoch mochte sie es nicht. Die dionysischen Freuden erschlossen sich ihr ganz und gar nicht, da hielt sie es lieber mit dem klaren und ziemlich nüchternen Apoll.
“Chaire“ gab sie sich schließlich zu erkennen, blieb aber weiterhin im Schatten stehen. -
Endlich war auch Penelope nach Hause gekommen. Ànthimos erhob sich schnell. Er merkte zwar ein wenig den Wein, war allerdings noch trittsicher und schwankte eigentlich nicht.
"Schatz, sehr schön dass du da bist. Wie haben schon auf dich gewartet." Er ging freudig zu seiner Frau und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Er wusste dass sie es nicht mochte, wenn er trank und daher wollte er sie nicht mit einem Kuss auf den Mund quälen, wo der Weingeruch im Moment noch so stark war. Er strich ihr auch kurz über den Bauch, eine Geste die er sich angewöhnt hatte und sicher auch nach der Schwangerschaft nicht so schnell ablegen würde. Normal fragte sie immer gleich nach ihrem Tag und wie es ihr gehe, aber sie waren ja nicht alleine und so kam er gleich zum Thema. "Heute gibt es etwas zu feiern! Unsere Cousine Emilia aus Syria ist zu Besuch gekommen."Er legte ihr seine Hand auf den Rücken und drehte sich nn wieder zu seinen Blutsverwandten um.
"Emilia, das ist meine Frau Penelope."
-
Noch bevor Emi die Gelegenheit hatte Timos Gesichtsausdruck zu studieren - ob ihm das Geschenk auch gefiel - trat eine junge hübsche Frau in den Garten und begrüßte sie. Noch immer etwas angeheitert grinste Emi sie freundlich an und beobachtete dann wie Ánthi sie begrüßte. Spätestens jetzt war ihre Vermutung bestätigt, es war Penelope, seine Frau. Die beiden sahen großartig zusammen aus und auch wenn der anderen Bantotakis die Skepsis ins Gesicht geschrieben stand, machte sie einen netten Eindruck. Außerdem war sie unglaublich hübsch und innerlich gratulierte Emi ihrem Cousin noch einmal. Dann stand sie auf und ging auf die zwei zu.
"Chaire Penelope, freut mich dich kennenzulernen." Sagte Emi sanft und gab ihr eine kurze Umarmung, da sie sich nicht sicher war, ob Penelope davon allzu begeistert war. Dann grinste sie aber schelmisch. "Da werd ich wohl direkt noch mal in mein Zimmer huschen müssen." Gesagt, getan. Sie nickte ihnen kurz zu und ging dann los um ein weiteres Geschenk zu holen, dass sie dabei hatte.
-
Emilía kam zurück und reichte Timos ihr Geschenk und sprach gleichzeitig die Grüße ihrer Familie aus. Völlig erstaunt schaute er seine Cousine erst einmal nur an und besah sich dann das Armband.
"Dankesehr..." nuschelte er und schnürte sich das Armband um den linken Arm. Er streckte den Arm von sich und betrachtete sein Geschenk um es für gut zu befinden. Doch noch bevor er sich richtig bedanken konnte, trat Penelope schon zu ihnen und wurde vorgestellt und Emi huschte schon wieder von dannen.
"Komm Penelope, setz dich zu uns. Kann ich dir etwas zu trinken holen? Wasser, Saft?"
Er lächelte sie freundlich an und deutete auf die Clinen. Dann hob er grinsend seinen Arm und meinte fröhlich:
"Sieh mal, das hat Emilía mir geschenkt. Schau mal was da eingebrannt ist."
Stolz präsentierte er das Geschenk und entschied, dass er es von nun an immer tragen würde. (:D)
Dann lehnte er sich zurück und trank etwas von dem wirklich ausgezeichneten Wein, den seine Cousine mitgebracht hatte. Wo war dieses Energiebündel jetzt nur wieder hingerannt? Hatte sie etwa auch ein Geschenk für Ánthis Frau dabei? -
Ja, das hatte sie tatsächlich und mit flinken Füßen sprang sie wieder in das Obergeschoss, in ihr Zimmer und griff sich die zwei Haarspangen. Dann huschte sie, etwas langsamer diesmal, wieder herunter und raus in den Garten. Ihr breites Grinsen war ein Spiegel für ihre gute Laune und der Alkohol, der immer noch in ihrem Körper steckte, sich aber nicht mehr durch Wanken oder Schluckauf bemerkbar machte, vertiefte dieses Grinsen noch. Sie reichte Penelope feierlich die beiden Haarspangen, kunstvoll auf dunklem Kirschholz gefertigt und das Ende, welches man sehen konnte wenn sie im Haar waren, in verschlungenen Weinranken mit einigen Trauben verziert. Emi war sich nicht sicher, damit den Geschmack der Griechin zu treffen, aber sie hoffte auf das Beste.
"Die sind für dich Penelope, ich wollt sie dir eigentlich schon zur Hochzeit reichen, aber leider hat die Anreise länger als erwartet gedauert. Hoffentlich gefallen sie dir." Sie setzte sich wieder und trank noch etwas Wein, dabei ihre alte, neue Familie beobachtend.
-
Offenbar hatten sie mir dem Feiern schon gut angefangen. Zwar war ihr Mann den Göttern sei dank nicht so beschwippst, wie sie schon befürchtet hatte, dennoch war sie froh, dass er sie nur auf die Wange geküsst hatte. Sie ließ sich von ihm in die Richtung des Gastes leicht schieben, bedachte ihn aber dafür mit einem ihrer gefährlicheren Blicke. Sie war zwar schüchtern, aber sie war verdammtnocheins die Herrin des Hauses! Wie sah das denn aus, wenn er sie in der Gegend herumschob, als müsse er sie selbst vor Gästen beschützen, weil sie sich sonst gar nicht vortraute?
Auch wenn Emilia sie recht überschwänglich – und wohl auch ein wenig weinselig – begrüßte, blieb Penelope ruhig und etwas ernst. Für eine richtige Begrüßung blieb nicht einmal Zeit, denn ihr Gast flitzte auch schon los. Der feine unterschied zwischen „mein Zimmer“ und „das Gästezimmer“ ließ Penelope noch einmal kurz fragend und noch immer schweigend zu ihrem Mann blicken. Normalerweise meldeten Gäste sich an, auch wenn man bei der Familien immer mal Überraschungen erwarten durfte, vor allem bei dieser. Aber längerfristige Gäste, die ein Zimmer haben, das man mit „mein“ betitelte, machten das ganz gewiss. Aber er hatte ihr nichts gesagt.
Auch Timos kam auf sie freudestrahlend zu, zeigte ihr sein Armband und bot ihr Platz und etwas zu trinken an. Sie musste wohl wirklich etwas angespannt und erschöpft wirken. Aber so fühlte sie sich ja auch. Sie nahm Platz – allerdings auf einer der eigens für den Garten gedachten Steinbänke im Schatten, nicht auf den Clinen. Auch wenn sowas auf Gäste sicher einen wohlhabenden und schon dekadenten Eindruck machte, sie hatte nicht vor, die Brüder darin noch zu bestärken. Von der Sonne blassten die Stoffbezüge schneller aus, und ein Regen wäre ganz katastrophal für die Polsterung. Sowas sollten sich die beiden gar nicht erst angewöhnen. Die Steinbänke hier im Garten waren nicht unbequem und auch für Gäste sehr gut geeignet. Auch wenn sie beide nun noble Pyrtanen dieser Stadt waren, mussten sie auf dem Boden bleiben. Penelope wusste nur zu gut, was es bedeutete, wenn ein Mann in Gedanken abhob und wie Ikarus der Sonne zu nahe kam. Ihr Großvater war damit auch sehr tief abgestürzt, und diesen Weg wollte sie nicht ein zweites Mal gehen. Diese Jahre in Rhakotis hatten sie da Bescheidenheit und Vorsicht gelehrt.
“Nein, danke, ich möchte nichts trinken. Ich muss wohl vergessen haben, dass eure Cousine uns besuchen kommt. Sonst hätte ich das Gästezimmer besser hergerichtet.“
Sie warf einen Blick auf das Armband. Es war hübsch, nicht zu protzig. Ein nettes Geschenk. Auch wenn zu Timos Gold fast besser gepasst hätte, war er doch sonst eine Person, die auch viel auf die äußere Erscheinung gab und auch gern mal protzte. Wobei man das von fast jedem Griechen dieser Stadt sagen konnte. Selbst ihr Mann bildete da keine Ausnahme, auch wenn es sich bei ihm weniger in schillernder Kleidung und teurer Kosmetik und Schmuck, als vielmehr durch seine Aufenthalte im Gymnasion zeigte.
“Wirklich sehr hübsch. Ein Hoplon. Und Weinranken? Ist eure Cousine Anhängerin der Mänaden?“
Wenn sie eine Anhängerin des Götterkultes um Dionysos war, wüsste Penelope nämlich wirklich gerne darüber bescheid. Sie selbst fühlte sich dem Gott nicht verbunden, und mit diesen Frauen konnte es viel Ärger geben. Zwar war auch die Mutter des göttlichen Alexanders, die große Olympias Anhängerin dieses Kultes, aber das hieß ja nicht, dass Penelope die Lärmenden und Zerreisserinnen auch mögen musste.
Doch noch ehe sie eine Antwort von den Brüdern erhalten konnte, war Emilia auch schon wieder zurück und schenkte ihr Haarspangen aus Holz. Auch diese hatten wieder die Weinrankenblätter auf sich. Penelope war sich jetzt schon sicher, dass sie diese Spangen niemals tragen würde.
“Danke, sie sind wunderschön“, log sie eiskalt und freundlich lächelnd. Ein Gastgeschenk abzuweisen wäre mehr als nur unhöflich, noch dazu wenn es jemand aus der Familie war. Die Familienehre ging schließlich über persönliches Pietätsempfinden und Sympathien. Auch wenn sie hoffte, in vertraulichem Kreis mit ihrem Mann noch ein paar Worte diesbezüglich dann wechseln zu können.
“Du musst mir verzeihen, wenn ich dich als Gast nicht begrüßen konnte, wie es sich gehört.“ Immerhin fielen Hausgäste und deren Bewirtung in das Refugium der Frauen des Hauses. “Mir muss wohl entfallen sein, dass du uns besuchen wolltest. Die Schwangerschaft scheint wohl nicht nur meinen Magen in ein Durcheinander zu stürzen.“ Und ihren Rücken zu verspannen und ihre Füße sich wie zwei große Bleiklumpen fühlen zu lassen. Penelope war froh, wenn sie sich hinlegen konnte. Und dabei war ihr Bauch bislang nur eine sanfte Wölbung, so wirklich wachsen würde das Kind erst in den kommenden beiden Monaten vor der Geburt. -
Es war schwer für Emi zu wissen, ob sie bei Penelope richtig gelegen hatte mit ihrem Geschenk. Da es aber so aussah, als würden sie ihr Gefallen freundete sich Emi nun endgültig damit ab, ihre Lieblingshaarspangen hergegeben zu haben. Auch zu peinlich, dass sie nicht an die Braut gedacht hatte, wo sie abgereist war und etwas passenderes besorgt hatte. Und das, wo sie doch aufgebrochen war, um bei der Hochzeit dabeizusein!! Das war ja mal wieder typisch Emilía. Welch ein Glück sie doch hatte, dass die Herrin des Hauses so eine freundliche und höfliche Natur war.
"Das macht überhaupt nichts, dein Mann hat sich ganz wunderbar um mich gekümmert. Du hättest sein Gesicht sehen sollen, als ich an der Tür stand. Eigentlich wollte ich ja schon zur Hochzeit dagewesen sein und es tut mir sehr leid, dass ich sie verpasst hab. Nur leider hat die Reise viel länger gedauert, als geplant war und deswegen bin ich so spät." gab Emi dann doch etwas kleinlaut zu verstehen. Sie zog ihre Beine an und massierte sich kurz über ihren Fußrücken. Die beiden Männern saßen zufrieden und eher etwas stiller im Garten und Emi wollte keine - peinliche - Stille entstehen lassen. "Anthi hat erzählt, du wärst Musikerin? Das finde ich toll. Mir selbst geht leider jegliches Talent ab, wenn es um Musik geht." Wobei sie jetzt lieber nicht sagte, wo ihre wirkliche Begabung lag - in der Küche. Wenn Penelope schon annahm, ihr Cousin kaufte eine Sklavin nur wegen ihrer Kochkünste, dann war die Hausherrin vielleicht nicht begeistert, wenn eine weitere Köchin hinzukam.
-
Ànthimos war ein wenig irritiert von Penelopes Reaktion. Gerade die Frage mit den Mänaden fand er ein wenig ...unpassend. Allerdings war sie fremden Menschen ja immer ein wenig reserviert und sie war halt einfach schwanger. Aber er war sicher, dass sich ihr Verhalten gegenüber Emilia noch ändern würde.
"Ja, Schatz ich habe meinem Onkel Hikates einen Brief geschickt, dass wir heiraten, aber da ich keine Antwort erhalten habe, dachte ich es würde niemand kommen, oder mein Brief wäre verloren gegangen. Aber offenbar scheint der Antwortbrief verloren gegangen zu sein. Dein Kopf ist also völlig in Ordnung mein Schatz."
Er strich Penelope sanft, und damit hoffentlich auch besänftigend, über den Rücken.
-
Penelope folgte sowohl ihren Worten als auch denen ihres Mannes mit unbewegter Miene. Ihr leichtes Lächeln blieb höflich, wenn auch nicht unbedingt herzlich, und Anthis kleine, beschwichtigende Geste wirkte auf sie alles andere als beschwichtigend. Ein klein wenig spannten sich ihre Muskeln in der Rückengegend an, was der ohnehin schon dort befindlichen Verspannung alles andere als gut tat. Penelope fühlte sich, als würde sie demnächst in der Mitte auseinanderbrechen wie ein Zweig, aber dennoch war sie ruhig und gefasst und verriet mit keiner Miene, dass sie müde oder auch nur annähernd angeschlagen war. Wobei sie sich sicher war, dass alle drei mit ihrem leichten Schwips wohl unauffällige Anzeichen ohnehin übersehen hätten.
“Ja, ich lehre am Museion die Musik.“
Musikerin war jede kleine Flötenspielerin auf der Straße. Musikerin waren auch die Dirnen in den Gasthäusern, die für Zerstreuung auf einer Lyra herumklampften und das göttliche Instrument damit folterten. Musikerin war jedes Sklavenmädchen mit schöner Stimme und nicht allzu unbegabten Fingern. Penelope war von einem Meister unterrichtet worden und konnte mehr als nur Melodien nachspielen und Leute ablenken.
“Im Gefolge des großen Apoll zu dienen ist für mich eine große Ehre.“ Da die Brüder ihr die Frage nicht beantworten konnten, sollte dieser Hinweis für Emilia wahrscheinlich offensichtlich genug sein, sollte sie wirklich Anhängerin des Dionysos sein. Dass dieser und Apoll nicht gegensätzlicher hätten sein können war wohl weithin bekannt, und damit wäre dann auch klar, dass Penelope hier im Haus keine dionysischen Orgien dulden würde. Selbst wenn sie nicht Dienerin des Apoll wäre, würde sie das nicht.Allerdings wollte Penelope nicht ganz kaltherzig erscheinen. Immerhin war es die Cousine ihres Mannes und Timos könnte auch böse auf sie sein, wenn sie zu reserviert wäre. Irgendwie war das ja auch sein Haus als Familienoberhaupt, auch wenn es sich für Penelope noch wie das Haus von Philolaos, dem größten Kitharisten dieser Zeit, anfühlte. Aber sie wollte es sich nicht mit ihrer ganzen Familie verderben, nur weil sie ein wenig Schmerzen im Rücken und geschwollene Fußknöchel und alles in allem einen einfach sehr langen Tag hatte. Also lächelte sie etwas mehr und forcierte das weitere Gespräch.
“Dann bist du den weiten Weg aus Griechenland ganz allein gereist? Mit dem Schiff im Winter, da war die Überfahrt sicher sehr unangenehm. Ich habe mir sagen lassen, dass das Meer im Norden im Winter gerne von Poseidon aufgewühlt wird. Wir sollten ihm danken, dass er dich an einem Stück zu uns geführt hat, wo diese Familie dem großen Gott doch schon auf so vielfältige Art und Weise zu Dank verpflichtet ist.“ -
"Ja, du hast recht. Die Überfahrt war nicht so sanft wie ich es mir gewünscht hatte, aber das Schaukeln macht mir nichts aus. Das Schiff und die Mannschaft machten einen fähigen und soliden Eindruck, daher habe ich mir keine großen Sorgen gemacht. Schade war es nur, dass es viel länger gedauert hatte und ich eure Hochzeit verpasst hab."
Emi blickte die Brünette offenherzig an und fühlte sich dennoch etwas zu streng beobachtet. Sie merkte sehr wohl, dass Penelope nicht wirklich warm mit ihr zu werden schien und ihre Bemerkung über Apoll war auch deutlich. Dennoch hoffte sie, dass es einfach nur eine Mischung aus ihrer Schüchternheit und der Schwangerschaft war. Schließlich hatte Anthi ihr ja gesagt, dass seine Frau schüchtern war. Jedenfalls machten sie und ihr Cousin einen tollen Eindruck zusammen und das war wohl das Wichtigste.
"Ja, das sollten wir. Gibt es einen kleinen Altar im Haus oder geht ihr zu den großen Templen zum beten? Ich habe heute noch nicht viel von Alexandria gesehen und werde erstmal eine genaue Stadtführung brauchen, bis ich weiß, wo alles ist."
-
Penelope deutete mit ihrer Hand stumm in den hintersten Teil des Gartens unter die überdachte Balustrade. Im Halbdunkel verborgen stand der kleine Hausalter aus Stein einfach da, geschützt vor der brennenden ägyptischen Sonne und derm Regen der nassen Jahreszeit, aber dennoch so frei, dass die göttlichen Zeichen an ihm erkennbar sein würden. Er stand sozusagen an der Schwelle zwischen dem „Drinnen“ und dem „Draußen“, so wie er ja auch als Kommunikationsmittel zwischen den Sterblichen und den Göttern diente, indem man die höheren Mächte mit Opfern beschwichtigte und sich bestenfalls gewogen machte.
“Der Altar ist aber keiner bestimmten Hausgottheit geweiht, vielmehr der Vielzahl an Geistern und Mächten, die diese Stadt und dieses Haus beschützen.
Am Hafen direkt ist allerdings das Poseidoneion. Ein schöner, großer Tempel für den Herrn der Rösser und Wellen, dort wirst du ihm sicher angemessen opfern können. Die Tempel und Kulte in dieser Stadt sind ein wenig verstreut, wenn du einen bestimmten Tempel suchst, bin ich mir aber sicher, dass deine Cousins dich sehr gerne herumführen werden. Ich selber werde dir da leider nicht so hilfreich derzeit sein können. Wenn ich zuviel herumlaufe, bekomme ich Wasser in den Füßen.“
Jetzt im letzten Drittel der Schwangerschaft fingen die körperlichen Veränderungen an, anstrengend zu werden. Penelope war froh, wenn sie sich nachher einfach ausruhen konnte. Doch in diesem Moment wurde ihr bewußt, dass das wohl noch ein wenig länger dauern könnte, immerhin hatten sie einen Gast, der ja schließlich auch noch bewirtet werden musste.
“Aber sag, hast du schon etwas gegessen? So eine lange Fahrt macht sicherlich hungrig.“ -
Emi nickte, auch wenn sie vom schwanger sein keine eigenen Erfahrungen hatte. Aber sie hatte bisher immer genug mit anderen Fraun zu tun gehabt um wenigstens gehört zu haben, wie man sich fühlte. Nicht jede Frau kam gleich gut - oder schlecht - mit der Schwangerschaft zurecht und wo manche über Übelkeit klagten, hatten andere Heißhunger auf seltsame Sachen, Rückenschmerzen, Schmerzen in den Füßen oder waren voller Tatendrang und man mußte sie zum ausruhen zwingen. Sie hoffte einfach nur, dass Penelope da gut auf ihren Körper achten würde und seine Zeichen zu deuten wußte. Sorgen dahingehend machte sie sich allerdings absolut keine. Anthi würde so oder so gut auf seine Frau aufpassen.
"Ja, danke, ich habe schon gegessen. Das ist sehr nett aber Anthi hat mich schon längst versorgt." Sie grinste in die Runde und wußte nicht so recht was noch sagen. Und, gegen ihre sonstige Art, schaffte sie es sogar mal den Mund zu halten, bevor sie sich in sinnfreiem Geplapper ergab.
Jetzt mitmachen!
Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!