Allein in der Nacht auf den Strassen

  • Kein einziges Mal hatte sie sich mehr umgedreht, auch nicht als sie die Stimme von Paulinus gehört hatte. Sie wollte ihm jetzt nicht mehr begegnen, denn das was er nun getan hatte, hatte tiefe Spuren hinterlassen. Vielleicht wusste sie, dass es ja eigentlich das Beste für sie beide war aber dieses abrupte war einfach zu schmerzhaft um es auf Anhieb zu verkraften. Die Tränen liefen ihr einfach über die Wangen aber sie nahm sie nicht wirklich wahr. Ihre nackten Füße bewegten sich eiligst über den Boden der Casa und sie versteckte sich in einer kleinen Nische als sie Paulinus noch einmal hörte. Er ging vorüber, wohin er wollte wusste sie nicht aber es war egal. Als die Luft rein war lief sie in den kleinen Gang den die Bediensteten immer benutzten. Calena wusste von dem Eingang den es dort gab und der nach draußen führte. Er war für die Sklaven vorgesehen die das Essen und die anderen Dinge besorgten, denn es war nicht gerne gesehen wenn diese durch die Porta ein und ausspazierten.


    Calena dachte nicht weiter nach, wollte einfach nur raus hier um einen klaren Kopf zu bekommen der ein klein wenig benebelt von dem Wein war, aber nicht so viel, dass sie nicht hätte denken können, denn sie hatte nicht all zu viel getrunken. Das Reißen in ihrem Körper war immer noch extrem und das atmen fiel ihr schwer.
    Sie öffnete die Tür als sie angekommen war und spürte die kühlere Nachtluft wie sie ihr entgegen kam. Alles was sie anhatte war eine lange Tunika die sie zum schlafen immer trug und den leichten Morgenmantel, mehr nicht. Sie nahm es nicht wirklich wahr.


    Calena rannte los, die Tränen brannten in ihren Augen und ließen ihre Sicht verschwimmen. Der Mond war wieder zum Vorschein gekommen, hatte die Wolken vertrieben und spendete zwischen den Häusern Licht. Ihre Füße trugen sie einfach die Strasse entlang auch wenn es weh tat sie blieb nicht stehen und lief keuchend weiter. Ihr war es egal wohin. Es war Nacht, wer sollte sie hier draußen schon sehen. Irgendwann würde sie halten, irgendwann…… Es war die Verzweiflung die sie trieb, nichts anderes. Etwas in ihr war zerbrochen, so vieles war in dieser Nacht schief gelaufen, es war noch viel schlimmer als die andere Geschichte…..

  • Schon eine ganze eilte Paulinus durchs Haus. Er hatte sie bis jetzt noch nicht gefunden. Er schaute durch eines der Fenster und ein schrecklicher Verdachte kam ihn ihm auf. War sie etwa raus gerannt? „Dieses kleine dumme Mädchen...“ fluchte er und lief zurück zu seinem Zimmer. Er zog seine Sandalen an und lief zum Lieferanteneingang. Die Tür war offen. Ein Sklave musste vergessen haben sie abzuschließen. Er trat hinaus auf die Straße und sah sich um. Von Calena keine Spur. Er lief die Straße zu erst runter und traf an einer Ecke zwei Kameraden von der Vigiles. Er grüßte und fragte, ob jemand hier lang gekommen sei. Sie schüttelten den Kopf und boten ihre Hilfe bei der Suche an. Aber Paulinus lehnte ab. Um so weniger Leute hier von wussten, um so besser. Er hatte keine Lust später neugierige Fragen zu beantworten. Er behauptetet, er suche seinen betrunkenen Bruder, danach rannte er die Straße wieder hoch. Am Haus vorbei. Irgendwo musste sie stecken. Hatte sie denn keine Ahnung wie gefährlich es in der Nacht war? Überall lauerten Verbrecher, selbst in dieser etwas besseren Gegend. Man wartete nur auf einen betrunkenen Patrizier oder reichen Bürger der nach Hause wollte.


    Paulinus hatte großes Glück im Unglück. Calena hatte keine Schuhe an, sie war einfach so hinaus gerannt. Paulinus war schneller und rannte ihr hinterher. „CALENA! WARTE DOCH! BITTE!“ Er rief sich die Seele aus dem Leib und versuchte sie endlich einzuholen. „Macht keine Dummheiten und bleib stehen! BEI JUPPITERS STEIN!“ Er war zornig, mehr über sich als auf Calena, aber es könnte durchaus falsch ankommen. Er rannte weiter. Er atmete schwer und sein Herz schlug gegen seine Brust.

  • Man würde sie sicher für eine Verrückte halten wenn man sie so wie sie war auf der Strasse aufgreifen würde. Wahrscheinlich dazu noch einsperren und ihr nicht glauben wer sie wirklich war. Und Crassus, dieser würde sie sicher solange im Zimmer einsperren bis jemand kam um sie zu heiraten, ja genau das würde er sicher machen. Oder er würde sie weg schicken wieder zurück wo sie hergekommen war. Eine grausige Vorstellung über die sie sich im Moment gar keine so großen Gedanken machen konnte, denn ihr Kopf war leer und voll zugleich und alles was sie sah waren die Schatten die die anderen Häuser auf die Strasse warfen welche sie eben entlang rannte. Ihre Füße waren schmutzig was nicht verwunderlich war und sicher hatte sie sich mittlerweile auch schon den ein oder anderen Striemen auf der Fußsohle zugezogen, denn eben waren die Strassen ja nun wirklich nicht. Calena merkte davon im Moment noch nichts und es war ihr auch egal. Was jetzt zählte war einfach nur weg zu kommen auch wenn sie nicht wusste wohin sie sollte. Freunde hatte sie noch nicht wirklich viele und zu Crista konnte sie nicht, da sie nicht wusste wie es ihr mittlerweile ging, außerdem wäre es ein Unding gewesen jetzt mitten in der Nacht vor der Villa Tiberia aufzuschlagen. Man hätte sicher die Hunde auf sie gehetzt und das war keine velockende Vorstellung.


    Dann hörte sie ihn…..sie hätte es wissen müssen, dass er sie finden würde. Doch sie blieb nicht stehen und sah sich auch nicht um, stattdessen versuchte sie nun schneller zu rennen, was aber nicht möglich war. Calena bekam kaum noch Luft, denn sie war es nicht gewohnt zu rennen und so langsam aber sicher ging ihr die Kraft aus so, dass sie noch langsamer wurde. Wenn er so weiter schrie würde er sicher noch alle anderen aufwecken wenn er das nicht schon längst geschafft hätte. Sicher waren sie beide ein Fall für die Acta…..zwei Verrückte mitten in der Nacht auf den Gassen Roms schrien sich die Seele aus dem Leib, wirklich toll das ganze.


    Dann stolperte sie. Alles was sie sah war wie sich die Welt plötzlich drehte und die Schatten miteinander verschmolzen. Instinktiv hielt sie noch ihre Arme nach vorne um irgendwie den Fall abzubremsen doch sie fiel dennoch genau auf die Seite und blieb schluchzend liegen. Calena wollte nicht mehr aufstehen, wollte niemanden bei sich haben und wollte nicht das Stechen spüren welches nun ihre Seite erfasste, von ihrem Fuß mal ganz zu schweigen, denn sie war in einer Rille auf der Straße hängen geblieben und hatte ihn sich verknackst oder vielleicht sogar gebrochen, das konnte man nun noch nicht sagen. So wenigstens war der Ärger mit ihrem Großcousin gewiss. Das zu erklären könnte schwer werden.

  • Paulinus, der zum Glück in guter Körperlicher Verfassung war durch die CU, rannte Calena hinterher. Fast hätte er sie ergriffen, aber sie stürzte. Blieb weinend am Boden liegen und schien schmerzen zu haben. Als er sie endlich eingeholt hatte, war es bereits zu spät. Er atmete schwer, sein Gesicht war rot angelaufen und der Schweiß lief über seine Stirn. „Hast du dich verletzt?“ Die Laune seiner Stimme war kaum zu deuten, er war noch zu sehr vom rennen angeschlagen.


    Er legte seine Hände auf die Schenkel und lehnte sich etwas weiter herunter. Und obwohl Paulinus kein Arzt war, konnte er erahnen was passiert war. Ihr Fuß war leicht blau/lila geworden und womöglich war er gebrochen. „Verdammt...“ murmelte er kaum hörbar und sah sich um. Noch immer waren sie allein auf der Straße, keine neugierigen Blicke. Aber was würde Crassus sagen? Er würde Paulinus dafür verantwortlich machen, komme was wollen. Aber das konnte ihm auch egal sein. Erst einmal musste er seiner Cousine aufhelfen, wenn diese den wollte. „Calena...“ er versuchte ihre Aufmerksamkeit zu erringen und sah sie ernst an. „Ich muss dich jetzt nach Hause tragen. Du brauchst dringend einen Arzt. Womöglich hast du dir etwas ernstes getan. Ich werde dich auf die Arme nehmen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, kniete er sich neben sie und versuchte ganz vorsichtig, ihr angeschlagenes Bein auszustrecken. Er hoffte sie würden verstehen, wie ernst die Lage ist. Dieses kleine dumme Mädchen. Paulinus zürnte im inneren, stellte es aber nicht offen zur schau. Dies würde die gegenwärtige Lage nur noch verschlimmern.

  • Der Schmerz der von ihrem Fuß ging betäubte fast alles, aber die Betonung musste hier auf dem fast liegen, denn die Gefühle für Paulinus beziehungsweise das was geschehen war, betäubten sie leider nicht. Es zog und riss in ihrem Fuß genauso wie es in ihrem Herzen zog und riss und sie schaffte es nicht auch nur einen klaren Gedanken zu denken. Die Frage ob sie sich verletzt hatte ging vollkommen unter, ja sie nahm im ersten Moment nicht einmal wahr, dass Paulinus schon bei ihr angekommen war. Einzig was zählte waren die kleinen Sternchen die sie schon zählen konnte und die immer wieder vor ihren Augen aufblitzten.
    Am allerliebsten hätte sie sich einfach auf dem Boden zusammengerollt und niemanden weiter an sich rangelassen, doch Paulinus war da und das bemerkte sie als dieser mit ihr sprach und sich zu ihr kniete.


    Doch trotz dieser erbärmlichen Schmerzen konnte sie nicht vergessen, denn sie hörte immer noch seine kalte Stimme in ihrem Kopf, seine Worte es wäre nichts geschehen und seine ganze Art. Ihren Fuß konnte sie nicht sehen und somit auch nicht wie schlimm er eigentlich aussah. Alles was sie spürte waren die Schmerzen und das heiße Gefühl in diesem. Das so etwas ernst sein konnte, daran verschwendete sie im Moment ebenso wenig einen Gedanken wie auch daran, dass vielleicht bald noch andere Leute auf die Strasse kommen könnten. Bis jetzt war es ruhig.


    „Lass mich,“ schluchzte sie als sie seine Hände spürte „Lass mich einfach,……es ist egal,“ schluchzte sie unter Tränen weiter und gab einen kläglichen Schmerzenslaut von sich. Sicher hatte sie sich etwas Ernstes getan, sie hatte ihren eigenen Cousin geküsst, das war doch wohl ernst genug oder etwa nicht? „Lass mich gehen.“ Kraftlos stieß sie im Liegen mit ihrer einen Hand nach Paulinus verfehlte ihn aber vollkommen. Dann riss es wieder in ihrem Fuß und sie verzog vor Schmerzen ihr Gesicht. Vielleicht wäre es wirklich besser wenn Crassus sie zurückschickte. Was würde er denn machen wenn er hiervon erfuhr? Und es war sicher, dass er das tat schließlich konnte sie ihren Fuß nicht auf Dauer verstecken…..

  • Paulinus erhob sich wieder und schaute auf Calena hinab. Immer wieder hatte sie ihn sich fort gewünscht. Aber Paulinus konnte dieser bitte nicht nachkommen. Er wusste nur zu gut, welche Schmerzen und Leiden er über das zarte Wesen gebracht hatte. Aber dennoch, er musste sie schützen vor Crassus allzu harter Hand. „Schlagen, treten, verfluchen, ignoriere und hassen... alles das kannst Du mich später auch noch. Ich werde nicht einmal das Wort erheben oder mich wehren, aber jetzt musst Du mir vertrauen, ein aller letztes mal.“ Er kniete sich erneut zu ihr hinab und versuchte beruhigend auf sich einzuwirken. „Es wird jetzt schmerzen, aber ich habe keine andere Wahl. Versuch dich nicht zu bewegen und spare Dir deinen Zorn für später auf.“ Ohne ihr Einverständnis abzuwarten, hob er sie hoch und nahm sie auf seine Arme. Und obwohl sie sehr zart war, hatte Paulinus seine Probleme. Nachdem er sie richtig hielt, ging es schon etwas besser. Er trug sie zurück zum Haus.


    Während er sie auf dem Heimweg trug, machte er sich Gedanken, wie er Crassus dies erklären würden. Freilich, die Wahrheit konnte er ihm nicht sagen. Zu mindestens nicht die ganze. Vielleicht sollte er behaupten sie hätten sich gestritten. Calena wäre weg gerannt und hätte sich dabei verletzt. Als er intensiver darüber nachdachte, erkannte er, dass dies gar nicht so sehr die Unwahrheit war. Die Wahrheit war nur nicht ganz ausgesprochen. Er würde die Schuld auf sich nehmen, es war eh alles scheine Schuld. Immer hin hatte er seine Cousine als erstes geküsst. Er hatte sie völlig aus der Bahn geworfen und nun musste er dazu stehen.


    Den ganzen Weg lang hatte Paulinus nicht ein Wort mit Calena gewechselt, er wusste nicht was er sagen sollte. Er versuchte ihren Blick aufzufangen, als er ihn hatte, schaute er weg. Es schien, als wäre alles gesagt. Für heute Nacht war genug passiert. Sie erreichten den Eingang.

  • Es war klar, dass er sie nicht in Ruhe lassen würde, doch hatte sie es gehofft. Im Moment wusste sie einfach nicht wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Binnen Sekunden hatte er sich verändert, hatte ihr weh getan, sie verletzt und nun lag sie hier und er wollte sie einfach nicht in Ruhe lassen. Ja zu gerne hätte sie ihn beschimpft, ihn verflucht, geschlagen und gekratzt aber das war nicht ihre Art, so etwas tat sie einfach nicht egal wie tief man sie auch verletzte, sie konnte so etwas nicht machen.
    Wehren konnte sie sich nicht mehr, dazu blieb ihr keine Zeit, denn schon kurz nach seinen Worten hob er sie einfach auf seine Arme und Calena spürte den Schmerz in ihrem Fußknöchel und das Reißen welches von dort ausging. Ihre Arme legten sich wie von selber um seinen Hals und sie biss sich auf die Zähne um keinen Laut von sich zu geben auch wenn sich ein paar Tränen in ihren Augen weiter sammelten.


    Kein Wort, einfach nichts trat über ihre Lippen, doch alles was sie tat war sich an ihm fest halten und trotz ihres momentanen Hasses auf ihn, legte sie ihren Kopf an seine Schulter gleich neben seinem Hals und schloss ihre Augen. Sie wollte nicht an Crassus denken, der Ärger würde noch früh genug über sie beide hereinbrechen, denn auch wenn Paulinus wirklich die Schuld auf sich nehmen wollte, Crassus war sicher nicht dumm und würde etwas bemerken.


    Calena konnte diesen Abend immer noch nicht wirklich begreifen, das alles war so unwirklich und seltsam und vor allem schmerzvoll, dass es doch nur ein böser Traum sein konnte. Etwas fester, als sie den Eingang erreichten, hielt sie sich an ihm fest, drängte ihr Gesicht an seinen Hals und atmete tief ein. Was nun passieren würde lag wohl in keiner Hand mehr von den beiden.

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