atrium | Besser spät, als nie

  • Die Liege hatte schon vorhin seine Aufmerksamkeit erregt - vorhin, als er angekommen war, als noch die Schwärze der Nacht über dem Quirinal lag. Jetzt wirkte sie noch viel einladender. Die weichen, fein bestickten Kissen fielen ihm sofort ins Auge. Vorsichtig strich er mit seiner Hand über den weichen Überzug.
    Obwohl es ihm keiner übel nehmen würde, wenn er es sich jetzt so richtig schön gemütlich machen würde, bewahrte ihn doch sein eigener Anstand und Respekt vor dem Hausherrn im Stehen zu verweilen.


    Doch Corvinus ließ auf sich warten und so blieb ihm nichts anderes übrig als es bei begierigen Blicken zu belassen. So ließ er seinen Blick noch über das zur Zeit unruhige Wasser bis zur Tür schweifen, wo er vermutete, dass Corvinus daraus kommen würde.
    Die Nachricht, die er ihm zu überbringen hatte war durchaus erfreulich, auch wenn sie noch erfreulicher gewesen wäre, hätte er sie bereits früher überbringen können. Der Sitz der Familie in Mantua war endlich verkauft worden. Letzte Woche hatte Lucullus selber im Auftrag seines Patrons das Siegel unter den Kaufvertrag gesetzt. Neben der frohen Botschaft vom Verkauf und einer Zweitanfertigung des Vertrags, hatte er auch noch die vereinbarte Summe bei sich. Da wurde es auch schon wieder kritisch. Denn er hatte leider im Preis um einiges nachgeben müssen, denn sonst wäre er das durchaus annehmbare Anwesen nie losgeworden. Käufer waren so rar wie noch nie. Man könnte fast sagen es gäbe eine Immobilienkrise zur Zeit. :P

  • Caecus hatte mich im Bad gefunden. Zunächst war ich weder sonderlich begeistert von seiner Störung noch vom Zeitpunkt selbiger gewesen, doch als er mir erzählt hatte, dass Lucullus mit einer beträchtlichen Summe Geld im atrium wartete, besserte sich meine Laune. Dennoch dauerte es noch ein Weilchen, bis ich das warme Wasser verlassen und mich wieder angekleidet hatte. Caecus sollte inzwischen dem ehemaligen Sklaven eine Kleinigkeit zu essen und etwas zu trinekn anbieten. Es war noch früh am Tage, später stand noch der übliche Klientenempfang an. Hunger hatte ich selbst keinen.


    In eine frische, dunkelgrüne tunica mit silberner Fadenzier an den Säumen betrat ich das atrium. Kohlebecken beheizten den halboffenen Raum. Lucullus stand bei der Liegengruppe und wartete. Ich kam zwar nicht aus der Tür, die er ansah, aber aus dem angrenzenden Flur. "Lucullus, das ist ja eine Überraschung", grüßte ich und reichte ihm die Hand. "Bitte, setz dich. Ich nehme an, deine Anwesenheit bedeutet, dass wir nun kein Haus mehr in Mantua haben?" fragte ich ihn, was Caecus bereits angerissen hatte. Ich setzte mich selbst ebenfalls. "Hattest du eine gute Reise?"

  • Etwas überrascht, dass Corvinus aus der Tür trat, die man nahm wenn man aus seinem officium kam, wandte er sich und schaute kurz seinen Patron an. Wie immer gut gekleidet, auch wenn er persönlich nie etwas dunkelgrünes anziehen würde. Durch die drehende Bewegung und die leichte Verbeugung hörte man bereits die Münzen klirren. Die befanden sich in einem mehr oder minder großen, schweren Beutel, den er geschultert hatte.


    "Corvinus! Es ist ja eine Ewigkeit her, seit wir uns das letzte mal begegnet sind ..." Erneut musterte er ihn kurz, nur um festzustellen, dass er doch nicht gewachsen war. Mit einem freundlichen Grinsen nahm er den Beutel in die Hand und schüttelte ihn ein bisschen, sodass man sich gut vorstellen konnte, woraus der Inhalt bestand. "Ja, das Anwesen befindet sich nun nicht mehr im Besitz der gens Aurelia." Er reichte seinem Patron das Geld und fühlte sich aufeinmal leichter, frei von einer großen Verantwortung. Schließlich befanden sich dort drinne mehrere dutzend aurei. "Danke, die Reise war zwar nicht angenehm dank des kalten Winters, der dieses Land zur Zeit heimsucht, aber dafür schnell und ohne größere Zwischenfälle."

  • Das war die Musik, aus der man Träume machte! Lucullus' Bewegungen wurden von leisem Klirren begleitet. Die Art, wie der libertinus mich musterte, gleich seinen Blicken aus früheren Jahren, doch seit einem Jahrzehnt erspähte er nicht mehr, wonach er suchte. Ich war tatsächlich ausgewachsen, und sein Du bist aber groß geworden blieb mir daher erspart. Nicht, dass ich es nicht trotzdem erwartet hätte. Ich schmunzelte und bemerkte, dass mein alter Freund keinen Becher hielt, noch einer auf dem Tisch stand. Ein wenig ärgerlich über Caecus' Fehlen winkte ich einen anderen Sklaven heran und trug auf, zwei Becher Falerner zu organisieren. "Das muss schließlich gefeiert werden", bemerkte ich im Anschluss zu Lucullus gewandt. Ich nahm den schweren Beutel entgegen, stellte ihn jedoch auf dem Boden ab. Jemand anderer würde ihn in mein officium tragen, dessen war ich mir ganz sicher. Und wenn ich den armen Sklaven dazu auffordern würde, der Lucullus gerade den Becher des guten Weines in die Hand drückte und mir den meinen reichte.


    "Wie du das sagst, klingt es so...endgültig", seufzte ich - ob meiner Kindheitserinnerungen an die villa rustica in Mantua beinahe theatralisch - und hob dann den Weinbecher. "Aber es ist gut, dass es endlich verkauft werden konnte. Wir konzentrieren uns auf Rom, und das ist auch gut so. Zum Wohl", sagte ich und ließ einige Tropfen als Trankopfer auf den Boden plätschern, ehe ich selbst einen kräftigen Schluck nahm. "Ich bin froh, dass du dich darum gekümmert hast, Lucullus. Ich selbst hätte nicht fort gekonnt, du weißt ja, der Kandidatur wegen. Danke." Es war ein aufrichtiger Dank, begleitet von einem ehrlichen Lächeln. "Das freut mich. Du hast dein Pferd schon in den Stall gebracht?" fragte ich. "Welche Pläne hast du nun?" Immerhin hatte es damals mit seiner kleinen Familie schon nicht geklappt. Vielleicht wollte er erneut sein Glück versuchen? "Und hast du schon eine Bleibe?"

  • Zuerst wurde ihm etwas schummrig, als Corvinus zwei Becher Falerner orderte. Zuoft schon hatte er miterleben müssen, dass normaler Wein als selbiger Edelwein verkauft wurde und mehr als nur miserabel schmeckte. Doch er beruhigte sich damit, dass man hier - in der villa der Aurelier - bestimmt keinen Billigwein zu trinken bekam.
    Gefeiert werden musste es aufjedenfall - dementsprechend nickte Lucullus bekräftigend. Es bedeutete für die Familie den Abschluss einer längeren Ära in Mantua. Auch er hob also seinen Becher - betrachtete das Opfer aber eher missbilligend. Er hielt nichts solchen Opfern, geschweige denn von Göttern. Doch das wusste niemand. Er hielt es einfach für die Verschwendung von Köstlichkeiten.
    Seine gute Laune ließ sich aber nicht trüben, sodass er den Wein voll und ganz genießen konnte. "Auf Rom und die gens", stieß er mit Corvinus an.
    Ja, die Kandidatur. Für ihn bedeutete das wohl mehr Arbeit in nächster Zeit, aber das würde er schon schaffen. Er war schon fast stolz auf seinen Patron, so einen hatte nicht jeder libertinus. "Das Pferd ist schon versorgt. Das arme Tier war ganz erschöpft." Er grinste, schließlich hatte er - im Gegensatz zu seinen Begleitern - das Pferd etwas öfter austauschen müssen.


    Eine gute Frage. Hatte er schon Pläne? Lucullus plante nicht gerne, also machte er sich auch nur reichlich wenig Gedanken über die Zukunft. Wieso nicht alles kommen lassen? "Nein, genauere Pläne gibt es noch keine ... Mal davon abgesehen, dass ich natürlich in Rom bleiben werde und zu deinen Diensten stehen werde", beantwortete er die Frage und setzte nun eine etwas nachdenklichere Miene auf. "Ähm ... jaaaa ... Also so direkt gesehen habe ich noch keine Unterkunft...", er zögerte etwas,"Eigentlich wollte ich dich, meinen patronus, um ein schmales Bett in diesem erhabenen Haus bitten." Er hoffte innig, dass noch ein Bett frei war, denn sonst wusste er nicht ob er die nächste Nacht im dunklen Rom überleben würde. Nachts sollten sich immerhin viele düstere Gestalten auf den Straßen tummeln.

  • Ein vages Schmunzeln schlich sich bei seinem Toast auf meine Züge, doch verborgen vom Becher wich die Grimasse von meinem Gesicht. Ein Nicken folgte auf seine Erwiderung hin, das Tier bereits in den Stall und damit in die Obhut eines der Stallburschen gegeben zu haben. Nicht, dass mir ausgerechnet ein Pferd besonders wichtig war, doch für Lucullus mochte es, ebenso wie für andere, eben anders sein.
    Dass er kurz darauf sagte, seine Zukunft noch nicht weiter geplant zu haben, bestätigte nur wieder das Bild, das ich seinerzeit schon von ihm gezeichnet hatte: Er lebte mehr in den Tag hinein, was allerdings weniger mit Faul- oder Gleichgültigkeit gleichzusetzen war, sondern vielmehr mit einem schier unerschütterlichen Vertrauen in die Götter. Zumindest anders konnte ich es mir nicht erklären. Und wieder einmal sagte ich leicht lächelnd einen Satz, der ihm sicher schon zu den Ohren heraus hing, da er ihn bereits sehr oft von mir gehört hatte: "Du hättest Priester werden sollen, Lucullus." Und nur für den Fall, dass er mit auch diesmal keinen Glauben schenken würde, fügte ich hinzu: "Das meine ich ernst." Ein Nicken und einen leisen Seufzer später fuhr ich fort - immerhin wusste ich, dass ihm nicht unbedingt der Sinn danach stand, Teil des cultus zu werden, vermutlich, weil ihm öffentliche Opfer nicht so lagen. So zumindest glaubte ich. "Hmm. Ein Zimmer kannst du haben, das ist gar kein Problem. Sag Brix einfach, dass er dir eines geben soll. Und was deine Dienste angeht: Sollte ich gewählt werden, könnte ich einen weiteren Schreiber brauchen. Hättest du Interesse? Du würdest wöchentlich...sagen wir, dreißig Sesterzen bekommen." Immerhin war er ein libertinus, und als solcher stand ihm eine angemessene Bezahlung zu. "Eventuell hätte ich sogar schon den ersten Auftrag für dich, unabhängig davon, ob ich gewählt werde oder nicht...." überlegte ich laut. "Es geht um Nachforschungen in der subura. Ah! Und es wäre mir ein persönliches Anliegen, dass du ein Auge auf die Vorbereitungen für die Hochzeit hast."

  • Hatte er sich gerade verhört? Priester hätte er werden sollen? Vielleicht war sich Corvinus dessen nicht bewusst, aber er war als Sklave geboren und immer noch ein halber Sklave und hatte kaum die Wahl gehabt sich zwischen verschiedenen Laufbahnen zu entscheiden.
    Als Erwiederung zuckte er nur mit den Schultern, hatte er es doch sowieso nicht mit den Göttern.


    Dieser Herr war ein Geschenk der ... nein, nicht der Götter - schließlich glaubte er nicht an diese. Er ersparte ihm die anstrengende oder zumindest zeitaufwendige Suche nach einer geeigneten Anstellung. Zwar begeisterte ihn die Arbeit als Schreiber nicht sonderlich, aber als Freigelassener musste man nehmen, was man kriegen konnte - und wo es schon nichts mit körperlicher Arbeit zu tun hatte. "Oh ... das klingt hervorragend! Ich denke, dass ich dein Angebot dankend annehmen werde, patronus!" Den Gehaltsvorschlag nickte er ab, allzu hohe Ansprüche hatte er nie gehabt. Nachforschungen in der Subura. Das klang einerseits spannend, andererseits ziemlich gefährlich. Schließlich war jene ein sehr heikles Pflaster. "Ich stehe immer zur Verfügung..." Über den genauen Inhalt dieses Auftrags würde Corvinus ihn sicherlich noch aufklären.


    Über die Hochzeit hatte er auch schon etwas gehört. Auf einem Schiff, sehr originell. "Wer ist denn die Glückliche, Corvinus?" fragte er grinsend.

  • Sim-Off:

    Sorry, bin etwas im Stress gerade


    Ich schmunzelte vor mich hin und winkte Alexandros heran, der jeden Morgen mit einer kleinen Kanne die Öllampen im Haus neu befüllte. Er hatte gerade das Pech, damit durchs atrium zu laufen. "He Alexandros, sei so gut und gib jemandem bescheid, ein Zimmer für Lucullus herzurichten", trug ich dem Griechen auf, als Alexandros herschaute. Er ließ die Kanne sinken und grinste Lucullus an. "Ach, auch mal wieder im Lande?" sagte er, dem Freien zugewandt. Ich erhielt ein Nicken. "Mach ich." Dann wandte er sich wieder an Lucullus, den er noch von damals kannte. "Tschüsschen, wir sehen uns dann später, ich hab noch zu tun!" Er winkte mit der freien Hand und pilgerte von dannen.


    "Sehr gut, das wäre geklärt. Ich würde sagen, du ruhst dich erstmal ein, zwei Tage aus und lebst dich wieder ein. Und dann reden wir über den Auftrag. In Ordnung?" schlug ich gut gelaunt vor. "Die Organisation der Hochzeit ist auch erst einmal wichtiger. Ich werde Brix anweisen, dir die Einkaufs- und Gästelisten zu geben und sonstige organisatorische Dinge auf dich zu übertragen, wenn es dir recht ist. Meine Zukünftige ist eine Flavia. Celerina." Ich schmunzelte erneut und hob eine Braue. "Für dich wird es auch Zeit", bemerkte ich. Behutsam, angesichts der wenig glückerfüllten Vergangenheit Lucullus'.

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