Es war eine einsame insula, mitten in dem lebendigen und pulsierenden Viertel, das auch noch viele Jahrhunderte später sehr berühmt war, ein Viertel, in dem sogar Iulius Caesar gelebt hatte, und obwohl es solch eine noble Person, einem vergöttlichten menschlichem Wesen mal als Wohnort gedient hatte, war es wirklich kein feines Viertel, noch verziert mit prunkvollen und vornehmen Villen; es war die subura, wie sie leibte und lebte. Handwerksbetriebe sorgten genauso für den täglichen Lärm, wie auch all die vielen tausend Menschen, die sich zwischen den Häusern, in den Garküchen, den tabernae und auf den Straßen tummelten, manche, um den Tag, an dem sie mal wieder keine Tagelohnarbeit erhalten hatten, tot zu schlagen, andere, um ihren Geschäften nachzugehen oder um die familia zu versorgen, zwischen all diesen mehr oder minder unbescholtenen Menschen tummelten sich auch das zahlreich unehrliche und verbrecherisch ambitionierte Gesindel; und eben inmitten all dem lag die insula, die genauso unauffällig wirkte wie die Meisten ihrer Art. Die Gemäuer waren vielleicht ein wenig schief, die Fassade hatte schon vor vielen Jahren das leuchtende Rot verloren, es wirkte jetzt mehr gräulich braun und an vielen Stellen war der Putz bereits abgebröckelt; die Risse wirkten schon wie ein eigenes Kunstwerk, als ob sich ein Baum über die Fassade zog, die Äste bildeten die weit verzweigten Riße. Das Dach hätte auch eine neue Abdeckung vertragen können, es hing reichlich durch an vielen Stellen, sehr zum Leidwesen der oberen Bewohner; die alte Camilla schimpfte immer wieder, wenn es regnete und die Sturzbäche vom Himmel an jeder Stelle durch das Gebälk der Dächer ran und sich in den zahllosen Eimern, Tontöpfen und Kannen versammelte.
Eben neben diesem Rohrspatz wohnte Jaref; auch in seiner kleinen Wohnung standen bemalte Tontöpfe, verbeulte Eimer und sogar sein Nachttopf unter den schrägen Balken, es tropfte in einem munterem Konzert von Wassertropfen in all die Behältnisse hinein, denn es regnete am heutigen Tage, graue Wolken hingen über der ewigen Stadt und entluden all die Wasserschlieren über den Dächern der Stadt. Das Trommeln des Wasser auf den stetig wachsenden Pfützen bemerkte Jaref jedoch nicht, der hagere und großgewachsene Mann mit der ausgeprägten Adlernase, den eingefallenen Wangen und den großen, grauen Augen hatte sich über eine trockene Schüssel gebeugt; seine Hände entzweiten geschickt ein großes Ei, das womöglich von einer Gans stammte, das Eigelb ran in die Schüssel hinein, er verührte es dort mit seinem Finger und murmelte leise etwas vor sich hin, in einer fremden Sprache.
„Jaref?“
„Nicht jetzt...!“
Eine junge Frau trat auf spitzen Zehen in den Raum und schloß die Tür hinter sich, neugierig spähte sich über die Schulter auf das, was Jaref dort tat; dieser griff nach einem Bastkäfig und öffnete die Tür, seine Finger griffen nach einer weißen Tauge, die aufgeregt mit dem Schnabel nach ihm piekte und versuchte, sich mit ihrem Flügelschlag zu befreien, doch Jarefs knochigen Finger umgriffen die Taube zu fest, als daß sie sich entwinden könnte. Er hielt die Taube über die Schüssel, griff nach einem scharfen und gebogenem Dolch, schnitt damit in einer schnellen Bewegung der Taube den Bauch auf; das Blut spritzte in die Schüssel und glitt über die gelbe Eimasse hinweg, den toten Taubenkörper legte Jaref achtlos zur Seite und rührte in der blutigen Masse herum, dabei drehte und wendete er die Schüssel im mageren Licht der Öllampe. Grübelnd biß er auf seiner Unterlippe herum, dann sah er zu der jungen, recht hübschen Orientalin hoch.
„Was ist, meine Schöne?“
„ Du hast Besuch, er wartet bereits unten. Und dann hat die alte Sophia eine Nachricht geschickt, sie möchte Dich noch heute sprechen, der Eunuch hat eine Versammlung einberufen. Des neuen Aedils wegen!“
Jaref nickte, es überraschte ihn alles nicht, er lächelte schmal als er in Gedanken schon das durchging, was er bereits wußte.
„Schicke ihn hoch!“
Die junge Frau lächelte, sie hatte nicht erwähnt, wer der Besuch war, doch sie war es gewöhnt, daß Jaref ihr immer etwas voraus war. Jaref lehnte sich auf dem dicken Kissen zurück, das ihm als Sitzgelegenheit diente, seine Augen wanderten zu dem halb geöffnetem Fensterladen, hinter dem der Regen wie graue Perlenschnüre nach unten floßen. Heute war kein guter Tag, aber es würde sich zeigen, was die Götter damit bezweckten, noch hatten sie sich Jaref gegenüber nicht offenbart.