Es war ein heißer Tag. Die Regenzeit begann zu weichen und die Sonne brannte wie so oft auf die Köpfe der Alexandriner. In Rhakotis ging derweil alles seinen geregelten Gang. Kinderbanden lungerten in Häusereingängen, Tagelöhner machten ihren allmorgendlichen Gang zum Hafen, um dort Arbeit zu finden und die Alten spielten Gesellschaftsspiele auf der Straße.
In der Menge auf der staubigen Straße bewegte Mokhtar sich geschickt wie eh und je. Er verfolgte nun schon seit einigen Minuten einen Schuldner seines Herrn, der es offenbar eilig hatte. Ein Glück, dass der Kerl nicht viel später den Fehler machte, in eine weniger belebte Seitengasse einzubiegen. Zwischen heruntergekommenen Katen stellte Mokhtar den Mann, der offensichtlich genauso ägyptischer Abstammung war wie der Schläger selbst. Aber wen störte das hier schon?
"Mein - Herrr - will - sein - Geld - wiederr - SOFORRT!"
Mit jedem Wort ging ein Schlag auf den Schulder ein, den Mokhtar am Kragen seines zerfetzten Lumpens, der sich Hemd zu schimpfen wagte, gepackt hatte. Als der mitleiderregende Kerl wimmernd am Boden lag und beteuerte, dass er kein Geld mehr habe, seufzte Mokhtar auf.
"Bei Apophis (ägyptische Verkörperung von Auflösung, Finsternis und Chaos), dann gehe ich jetzt und nehme deine Frrau und deine drei Töchterr!"
Der Schuldner hatte offenbar wirklich kein Geld mehr, oder war einfach nicht mehr in der Lage zu protestieren. Tja, des einen Pech war des anderen Glück, und so fanden sich drei jungen Frauen wenig später auf dem Sklavenmarkt der Stadt wieder. Drei junge Frauen? Richtig, denn eines der Mädchen war Mokhtar als Belohnung überlassen worden.
Nicht weit von dieser dunklen Seitengasse entfernt befand sich das Haus von Shoshenq dem Geldwechsler. Er hatte eine Bande zwielichtiger Typen angeheuert, um seine Interessen in seiner Straße durchzusetzen und war damit bisher auch immer recht gut gefahren. Heute hatte er einen besonders angenehmen Tag gehabt. Man hatte ihn heute morgen geweckt mit der Nachricht, dass sein Widersacher, der Bandenchef Djeserkare, ihm seine zweite Tochter Titi zur Frau geben wollte, um den endlosen Zwist zwischen beiden Familien endlich beizulegen, nachdem die ältesten Söhne der beiden alten Männer sich kürzlich gegenseitig erschlagen hatten.
Frohlockend hatte Shoshenq den ewigen Kontrahenten in seinem Haus empfangen und die Verhandlungen begonnen. Wenig später war Djeserkare mit aufgeschlitzter Kehle in der Gosse gefunden worden, seine Leibwächter spurlos verschwunden und seine schäbige Bleibe niedergebrannt worden.
Widerlich sabbernd dachte Soshenq nun an den vergangenen Tag zurück, während er seine Zunge über die weiche Haut der jungen Titi gleiten ließ. Die kleine war mittlerweile so verschüchtert und zitterte am ganzen Leib, dass der Geldwechsler nichts zu befürchten hatte und sich ganz seinen Gelüsten hingeben konnte. Wie viel ein paar Schläge mit dem Rohrstock doch ausrichten konnten. Während er sich grunzend an dem jammernden Mädchen verging, hatten seine Männer ihren Spaß mit der Frau des getöteten Bandenchefs. Ein Glück, dass Shoshenq pädophil veranlagt war, so blieb die Frau wenigstens für sie übrig...
Mitten auf einer Parallelstraße der Via Serapis kam es an diesem Tag außerdem zu einer Schlägerei. Nichts Ungewöhnliches eigentlich in einem Viertel wie Rhakotis, doch eine durchaus lehrreiche Erfahrung im Leben eines jungen griechischen Strategos. Eine Jugendbande lynchte an diesem Mittag einen Punier, der den Eparchos als rechtmäßigen Herrscher Ägyptens und den Imperator als Re ebenbürtigen Gott bezeichnet hatte. Wie kam er auch auf die Idee, solche Äußerungen beim Senet-Spiel mitten auf der Hauptstraße auszusprechen?
"Ma'ht dem Rrhomäerrfrreund den garraus!" und "Rrrom soll brrennen!" rief die Menge, die hauptsächlich aus gelangweilten Jugendlichen und arbeitslosen Säufern bestand und den hilflosen Punier durch die Straßen jagte. Wenig später lag der Mann von Lehmziegeln und Stöcken zerschlagen ebenfalls in der Gosse, wo sich bald ein paar räudige Köter mit seinen Überresten vergnügten. Stadtwächter waren keine zur Stelle, denn die konnten auch nicht überall zugegen sein und als die ganze Schose über die Bühne war, konnte sich merkwürdigerweise auch niemand erinnern, je einen Aufruhr bemerkt zu haben. Die vermummte Gestalt jeodch hatte genug gesehen für heute und kehrte Rhakotis den Rücken, um in einer Opiumhöhle am Xenai Agorai zu verschwinden. Was für eine kranke Welt...