Wie oft in letzter Zeit, hatte Albina nicht gut schlafen können und war bereits beim ersten Morgenlicht aufgestanden. Die bevorstehende Hochzeit, so sehr sie deren Bedeutung zu verdrängen suchte, konnte sie nicht völlig ausblenden und jede Nacht aufs Neue träumte sie von Verres. So oder so, sie war wach und es gab ohnehin noch etwas, was sie zu tun hatte. Nämlich genau das, was sie in diesem Augenblick tat.
Sie betrat den Tempel der Iuno.
Unweigerlich musste sie an ihren letzten Besuch hier denken, allein schon weil er mit ihrem jetzigen in Verbindung stand. Sie erinnerte sich an das gute Gefühl, mit sie hinausgegangen war und an die Wendungen, die ihr Schicksal seit dem genommen hatte. Ja, Iuno hatte sie wahrlich erhört. Wie auch immer sie es vermocht hatte, die Verlobung zu Furianus war gelöst worden - wenn auch nur, um gleich darauf erneut verlobt zu werden. Ihr Vetter hatte nicht lange gefackelt, ihr ihren neuen Verlobten und baldigen Gatten, Purgitius Macer, vorzustellen.
Und dennoch war Albina Iuno zutiefst dankbar. Wenn auch nicht glücklich über diese Verbindung, beschlichen sie zumindest keine so schlimmen Vorahnungen wie bei der letzten und irgendwie hoffte sie, dass die Göttin auch hier ihre Hand im Spiel hatte und ihre Zukunft weniger unglücklich werden würde, als sie sich zur Zeit fühlte.
Bedächtig schritt sie durch die noch leeren und am frühen Morgen noch kühlen Hallen des Tempels. Ungestört und von der Außenwelt abgeschieden fühlte sie sich hier - auf eine angenehme Weise. Sie trat vor den Altar der Göttin. Sie fand die Einsamkeit hier so angenehm und sich so völlig von der Allmacht der Göttin umgeben, dass sie sich entschied ihr Gebet dieses Mal weniger förmlich zu halten und mehr eine Zwiesprache mit der Göttin zu halten.
Um das ehrbekundende Anrufen würde sie bei Juno allerdings dennoch nicht umher kommen. Immerhin war sie ein Frau und damit jedweder Schmeichelei zugänglich.
„Juno, Muttergöttin und Königin unter den Göttinnen, höre meine Worte."
Sie nahm etwas von dem britannischen Weihrauch (aus dem gelben Sackerl ^^) und schaute Augenblicke später zu, wie der Rauch in die Luft stieg. Sie selbst fand stärkeren Weihrauch angenehmer, aber das spielte ja keine Rolle, galt das Gebet ja Juno und nicht ihr selbst.
"Juno, erhabenste und schönste unserer Göttinnen, Gemahlin des Jupiters und Beschützerin unseres geliebten Roms, erhöre mein Gebet!“
Sie wandte ihre Handflächen nach oben und schloss dann ihre Augen.
"Juno, Gefährtin und Wegweiserin aller Frauen, Mütter und Bräute, ich bin nicht hier, um dich um etwas zu bitten. Dieses Mal bin ich gekommen, um dir zu danken für dein Eingreifen in mein Schicksal. Ich flehte dich an, oh erhabenste und schönste Göttin, und du bist meinem Ruf gefolgt. Was mehr kann eine Sterbliche wie ich erwarten. Wie unglaublich dankbar ich dir bin, kann ich kaum in Worte fassen."
Das war das Stichwort. Sie bückte sich und nahm einige mitgebrachte Dinge aus dem Korb. Zunächst förderte sie einen Bund wilder roter Tulpen und gelbe Narzissen hervor und legte anschließend verschiedene süße Gebäcke ab. Sie hatte kurzzeitig überlegt gehabt, der Göttin ein blutiges Opfer in Form eines Filetus Mignonus dazubringen, sich dann aber dagegen entschieden. Sie hätte sich sicher die Tunika ruiniert und dafür hätte Juno gewiss Verständnis.
"Mein Dank wird dir auf Ewig gelten, oh wundervollste aller Göttinnen. Und um diesem Versprechen nachzukommen, werde ich mich, sobald meine Hochzeit vorbei ist, zu deiner Priesterin ausbilden lassen. Damit ich dir so lange ich lebe dienen kann."
Sie überlegte einen Moment, wie sie fortfahren sollte. "Oh Juno, Göttin der Bräute, solltest du dies wollen und meine Gaben annehmen, so bitte ich dich als deine untertänigste Dienerin, über die Hochzeit zu wachen, die ich in wenigen Tagen schließen werde." Albina hoffte, dass dies als die übliche Bitte vor der Eheschließung reichen wollte. Sicherheitshalber entzündete sie noch ein wenig von dem Weihrauch, um dann das Gebet zu schließen.
"Nimm meinen Dienst an dir an und die bescheidenen Gaben, größte Göttin und Schützerin Roms und aller Frauen und wache weiter über mich und mein Schicksal. Do ut Des."
Dann wandte sie sich nach rechts, senkte die Hände und schloß das Gebet ab. Neugierig wandte sie sich dann zum Altar, wo noch immer der Weihrauch wehte, gespannt, ob die Göttin ihr irgendein Zeichen senden würde.