Einkehr nach der Rückkehr

  • Gleich nachdem Geminus erwacht war, lange bevor der Rest seines kleinen Haushaltes dies getan hatte, war er direkt und ohne Umweg zur Taverna Apicia gestiefelt. Naja, einen kurzen Umweg hatte er doch gemacht und sich nach alter Manier eine Abschrift der Acta Diurna besorgt. Diesen Teil seiner ehemaligen Routine hatte er tatsächlich vermisst.


    Seinen Stammplatz in der Taberna gab es tatsächlich noch und frei war er noch dazu. Als hätte er auf ihn gewartet.


    Die Kellnerin war neu .... sah aber nicht sonderlich neu aus.


    Der Senator, was er dem statusrechtlchen Sinne nach wohl noch war, bestellte einen guten Sabiner und Lucaner Wüste. Und begann kurz darauf das Studium seiner erworbenen Lektüre ...


    ... Acta Diurna - NON MAR DCCCLIX A.U.C. ....


    Ein wohliges Schauern überlief ihn, was sich wohl alles getan hatte seit seinem selbstgewählten Exil in der Fremde.


    ... Neue Magistrate für Rom - wieder einmal wurde gewählt, die neuen Magistrate Roms stehen unmittelbar vor ihrer Vereidigung und werden im kommenden Jahr die Geschicke unseres Volkes lenken. Auffällig ist bei dieser Wahl der hohe Anteil an patrizischen Magistraten. ...


    Schau einer an, holt sich die alte Oberschicht tatsächlich die Macht zurück?


    ... Besonders hervorstechend ist dabei das gute Wahlergebnis von 83,33% des zum Praetor gewählten Manius Flavius Gracchus. ...


    Manius Flavius Gracchus. Geminus grübelte. Er konnte in einem Kopf kein passendes Gesicht ausmachen.


    ... Ergebnis von 75% ... Vigintivir ... Manius Aurelius Orestes ...


    Den Namen kannte er auch nicht.


    ... Marcus Flavius Aristides aus mit 71,88% ebenfalls für das Amt des Vigintivir. ...


    Marcus Flavius Aristides


    Den Namen hatte jedenfalls noch im Gedächtnis, was ihn etwas aufmunterte.


    ... Marcus Aurelius Corvinus ... Amt des Aedilis Curulis von 64,52% vorweisen ...


    Corvinus, da klingelte auch irgendetwas.


    ... Von all den vielen Kandidaten und auch gewählten Magistraten fällt das schlechte Ergebnis des Maximus Decimus Meridius mit nur 33,33% besonders ins Auge. ...


    Dieser Name und die Person dahinter waren ihm nun sogar bestens bekannt. Er kannte ihn als äußerst integer, selbstbewusst und kompetent. Ein solch schlechtes Ergebnis erwunderte ihn. Er hatte allerdings auch schon immer einen kleinen aber vorhandenen Hang zur Rechthaberei. Ob ihm das zum Verhängnis wurde? Er hätte ihm zumindest zugetraut bei einer Podiumsdiskussion auf der Rostra auch gegen sämtliche Anwesenden zu argumentieren. Wohl wissend und wohl wissend ignorierend, dass diese ihn ja zum Gutteil zu wählen haben.


    ... Wie ist das zu erklären bei einem Mann, der eine glänzende militärische Karriere hinter sich hat, einem Thriumphator, dem Mann, der mehrere Jahre die Geschicke Germaniens zuverlässig lenkte? ....


    Ein neuer Gedanke kam ihm in den Sinn. War er vielleicht zu erfolgreich geworden? Hatte man gar Angst vor ihm? Steckten vielleicht sogar allerhöchste Kreis dahinter? Eine Schmutzkampagne? Einem Ulpier traute er soetwas nicht zu. Aber er musste zugeben, er hatte Valerian nie sonderlich gut kennengelernt. Wer weiß ...


    ... Sicherlich vor allem durch die Tatsache, daß er sich zur Zeit gar nicht in Rom befindet und auch seine Kandidatur nur schriftlich erklärt hat. ...


    Hier musste Geminus nun laut losprusten und hatte es äußerst schwer den im Mund befindlichen Schluck Wein nicht über sich und seinen Vordermann zu verteilen. Dieser guckte auch entsprechend mürrisch.
    DAS klang nun wieder vollkommen nach Meridius. Wie, ich soll zu den Wählern kommen? Solln die doch zu mir kommen, verdammt. Sie wollen ja schließlich mich haben! Ein echtes Original.


    ... Da er sich noch immer nicht wieder in Rom befindet, können wir wohl davon ausgehen, daß er, auch wenn er gewählt worden wäre, sein Amt nicht hätte antreten können. Wünschen wir ihm also bei den nächsten Wahlen, zu denen er gewiß wieder in Rom sein wird, mehr Glück. ...


    Wünschen wir, ja.


    .... Was im Senat so geschieht - oder auch nicht ....


    Ein offensiver Titel, die staatliche Kontrolle über die Acta musste wohl noch mehr gelockert worden sein.


    ... Völlig ins Stocken geraten ist die Diskussion um die Anerkennung der Kurse des Museions. Was ist da los, fragen wir uns? ...


    Nein, WAS ist das überhaupt, fragte sich der Senator. Nächster Absatz.


    ... Erfreulich schnell dagegen konnte sich der Senat zur Ablösung des bisherigen Proconsuls von Hispania, Marcus Vinicius Hungaricus, entschließen. ...


    Hungaricus. Proconsul von Hispania. Er hatte seinen Weg nach oben fortgesetzt. Wobei ein Praetorianerpraefect in Rom besser war, als ein Statthalter in Iberien. War seine Meinung dazu. Aber Hungaricus hatte sicher seine Gründe dafür, er hatte schon immer Gründe und Argumente gehabt. Ablösung. Das Wort suggerierte unehrenhafte Entlassung aus dieser Position, war dem so?


    ... Die Abstimmung läuft zur Zeit noch, es sieht bisher nach einem deutlichen Sieg für Titus Sextius Magius Lateranus aus. ...


    Noch ein Unbekannter.


    ... Noch in vollem Gange ist eine von Consul Aelius Quarto angeregte Diskussion über die Delikte gegen Leib und Leben (Codex Iuridicialis - Pars Tertia). ...


    Consul Quarto. War er mittlerweile Consul. Der gute und treue Quarto. Eine Säule des Staates, Geminus hatte ihn immer für eigentlich alles berufen gesehen. Codex Iuridicialis. Es gab ihn also noch. Wie hatte mal einer an seine Hausmauer gekritzelt. Codex Iuridicialis - von Geminus erdacht, von Hungaricus verlacht. Wieder musste er ginsen. Der gute schwarze Mann Roms war ihm oft ein arger Gegenspieler gewesen. Hart aber fair. Zumeist. Und immer sachlich.


    ... Ziel ist es, die Strafe nach der Schwere der Schuld zu differenzieren. So sei zum Beispiel ein hinterrücks ausgeführter Meuchelmord oder Giftmord verwerflicher als ein offen ausgeführter Mord, Auge in Auge mit dem Opfer. Auch Elternmord soll als besonders verwerflich gelten. Die Diskussion nimmt einen spannenden Fortgang in der Frage, wie beispielsweise der Mord eines Römers durch die Hand eines Peregrinus zu bewerten ist. Und natürlich auch wie es im genau umgekehrten Fall aussieht, oder gar bei dem Mord an einem Amtsträger. Wir werden die Diskussion weiter beobachten und darüber berichten. ...


    Eine interessante Frage, die man sich da stellt.


    ... Nach einer Diskussion, ob § 26 des Codex Universalis zur Kaisertitulatur nun überflüssig ist oder der Änderung bedarf, kam der Senat dann doch recht schnell darin überein, sich dieses überflüssigen Gesetzes zu entledigen und beschloß in einer schnellen Abstimmung die ersatzlose Streichung des § 26 Codex Universalis zur Kaisertitulatur. ...


    Bemerkenswert. Genau dieser Paragraph hatte damals dem Kaiser Julian ganz besonders gefallen. Und er war zig Male bei ihm gewesen und musste ihn umschreiben. Dieser legte großen Wert darauf, wie seine Titulatur aussehen durfte und sollte. Und auf seine Siegel, dass diese auch bloß stets aktuell waren, mit jeder Wiederholungzahl. Er hatte sich im Stillen stets gegrämt, dass es keinen Senator gab, der von sich aus den Zusatztitel Pius für ihn vorgeschlagen hätte. Sein Stolz hatte ihn immer daran gehindert es unter der Hand zu forcieren. Er wollte unbedingt, dass die Anregung dazu ehrlich und aus freiem Gedanken käme.


    ... Ein Antrag des ehrenwerten Senators Tiberius Durus auf Änderung des Kauf- und Erbrechtes zog eine langwierige Diskussion nach sich, die ebenfalls zur Zeit völlig zum Erliegen gekommen ist. ...


    Durus, das sagte ihm auch noch etwas. War das nicht sein Nachfolger bei Gericht gewesen?


    ... Eine weitere noch laufende Diskussion des Senates, die außergewöhnlicherweise in der Curia Pompeia auf dem Campus Martius stattfindet, damit der Legat der Legio I Quintus Tiberius Vitamalacus daran teilnehmen kann, ...


    Vitamalacus war Legatus Legionis der Prima geworden, schau an schau an.


    ... befaßt sich mit der Problematik, die Verwaltung der Provinz Germania, bisher vom Militär sichergestellt, in zivile Hände zu legen. ...


    Wer kam denn auf solche Ideen? Die Acta darf alles schreiben und jeden angreifen, der Praetorianerpraefect scheint diese Position nicht mehr als machtvoll genug anzusehen, die Patrizier stürmen den Cursus Honorum und Germania soll zivil verwaltet werden. Paulus und Martialis würden jubeln, näher an der Res Publica Romana konnte man doch schwerlich sein. Die kaiserliche Macht schien zu schwinden.


    ... Nach Empfehlung des Collegium Pontificium erkannte der Senat in dem Blitzeinschlag in das Templum der Concordia ...


    Die Götter sahen das wohl ähnlich.

  • ... Klatsch und Tratsch ... Helden des Alltags ... Wie organisiert man einen Junggesellenabschied? ...


    Nächster Absatz.


    ... Flavier unter die Künstler gegangen – Brilliante Parodie verstört das Publikum ...


    Die Gens hat sich auch schonmal fruchtbarer betätigt.


    ... Ein veritabler Sängerwettstreit spielte sich vor kurzem zur Mittagsstunde auf dem Mercatus Urbi ab, als eine bunte Truppe fahrender Schausteller dort ein unterhaltsames Spektakel bot. Akrobaten und Musikanten erfreuten die Passanten, und besonders eine junge Sängerin, welche sich im freizügigen Kostüm einer Ägypterin als "die Muse Aoide" präsentierte, gewann mit ihrer bezaubernden Darbietung barbarischer Gesänge viel Beifall. ...


    Nicht meine Welt.


    ... Begegnung mit einem wahren Helden ...


    Hatten wir das nicht grade?


    ... Die Sagenwelt des Nicocrates Evax - Heute: Die Argonautensage (pars I) ...


    Prinzipiell begrüßte Geminus diesen lehrreichen Part der Acta außerordentlich, aber für diese frühe Stunde, war ihm das dann doch zu schwere Kost.


    ... Spenden ...


    Die Spenderliste wies normalerweise die aktuell wohlhabenden und gleichzeitig ambitionierten des Reiches aus. Eine immer wieder informative Aufzählung.


    ... In dieser Woche gilt unser besonderer Dank Dauerspender Marcus Decimus Mattiacus wird - ...


    Mattiacus, den Namen kannte er auch noch. Dauerspender, interessant.


    ... zusätzlich spricht die Auctrix PPA ihre Erleichterung aus. ...


    Und worüber?


    ... Kleinspenden
    ... Servius Artorius Reatinus ...


    Artorius Reatinus, Geminus meinte auch dieser Namen irgendwoher zu kennen.


    ... Manius Aurelius Orestes ...


    Der tauchte in dieser Ausgabe doch schon einmal auf.


    ... Aelia Adria ...


    Ahh, die Sonne geht auf, wahrlich eine sehr angenehme Zeitgenossin.


    ... Tiberius Caecilius Metellus
    Flavia Celerina
    Lucius Iunius Merula ...


    Keine Reaktion


    ... Gaius Octavius Victor ...


    Octavius Victor, was er wohl mittlerweile tat?


    ... Aelia Vespa ...


    Melodiöser Name, wirklich.


    ... Valeria Amatia
    Iunia Narcissa
    Mamercus Brigio
    Tiberius Octavius Dragonum
    Cleonymus
    Marcus Iulius Licinus
    Faustus Octavius Macer
    Numerius Duccius Marsus ...


    Die Großkopferten des Landes hatten größtenteils entweder rapide gewechselt oder hatten es größtenteils nicht nötig im Stadtanzeiger zu erscheinen.


    ... Aufbauarbeiten an der Villa Tiberia ...


    ... Wo ist Sheba? ...


    ... Nächtliches Verkehrschaos
    Roma: Ein Schwertransporter, beladen mit Marmorplatten für den Bau des Ulpianums, ...


    Den Bau des Ulpianums. Geminus war sich bereits sicher gewesen, dass kein derzeit Lebender den Bau dieses Werkes mehr erleben würde.


    ... stürzte vorgestern am späten Abend direkt an der Porta Caelimontana wegen eines gebrochenen Rades so unglücklich um, daß er das Stadttor und die Straße für Stunden blockierte. Es mußten erst Spezialkräne und andere Fuhrwerke von der Baustelle angefordert werden, um zuerst die schwere Ladung zu bergen, bevor das Fuhrwerk von der Straße geschafft werden konnte. Bei dem betroffenen Fuhrwerk entstand Totalschaden, einer der Zugochsen mußte notgeschlachtet werden. Menschen wurden bei dem Unfall nicht verletzt. Der Stau sorgte für vielerlei Verspätungen und einige Fuhrleute mußten gar bis zur nächsten Nacht warten, um ihre Lieferung ausführen zu können, da der Tag anbrach, bevor sie bis zum Tor vorgerückt waren. ...


    Und vielleicht trifft diese Einschätzung ja auch noch immer zu.
    Geminus zog die Augenbrauen hoch und genehmigte sich das letzte Stück Wurst, ehe er weiterlas.


    ... folgende Beförderungen sind in der Provinz Italia bekannt gegeben worden. ...


    Mal sehen, ob sich dort etwas findet.


    ... Cultus Deorum
    Manius Aurelius Orestes zum Augur des Collegium Augurum ...


    Das ist eindeutig seine Ausgabe.


    ...Cohortes Urbanae
    Galeo Redivivus Tychicus zum Princeps Prior der Cohortes Urbanae ...


    Rediviva, kam ihm auch bekannt vor.


    ... Legio I Traiana ... alles Probati ...


    Den Rest der Ausgabe überflog der Senator nur noch. Germanische Handelskonsortien und erregte Griechen in Aegyptus, die dort doch tatsächlich römische Soldaten gesehen haben wollen.


    Geminus lehnt sich zurück und genießt den restlichen Wein, mittlerweile ist es später Vormittag und er fühlt sich gut erholt. Zeit die Stadt ein wenig zu erkunden.

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