• Ein kleiner Laden war es zwar, aber mit bester Aussicht. Jeder Gast konnte die Dienste des Meisters in guter Gesellschaft verbringen, erfuhr dabei immer den neusten Klatsch und Tratsch ohne dabei Gossengewäsch aufzuschnappen und fühlte sich einfach wohl zwischen Schaum und scharfer Klinge.


    Manchmal zog Brutus die Läden hoch, ließ damit viel Sonnenlicht auf die hölzernen Schemel fallen, deren Unbequemlichkeit durch kleine Kissen abgepolstert wurde. Er hatte noch zwei Burschen in seinem Geschäft. Aber die ganz besonderen Kunden nahm er sich immer selbst vor. Zuviel seines perfekt schneidigen Rufes stand auf dem Spiel.


    "IN FUGA FOEDA MORS EST: IN VICTORIA GLORIOSA."

  • Den ganzen Weg von der Anlegestelle ihres Schiffes bis zum Geschäft des Barbiers musste Livianus über die Worte von Subdolus nachdenken. Natürlich war es absurd zu denken, das er bei seiner Ankunft von irgendjemand Mitleid erwartete und er war sich bewusst, das sein Begleiter diese Aussage bestimmt nicht so gemeint hatte, wie sie im ersten Moment klang. Doch es brachte den Senator dazu, über seine Rückkehr nach Rom noch einmal intensiver nachzudenken. Wie würde es wohl sein? Wie würden die Menschen auf seine Rückkehr reagieren – allen voran seine Familie, der Senat und der neue Kaiser. Er war lange fort gewesen und hatte sich noch dazu die ganze Zeit über in Feindeshand befunden. Mitleid erwartete er gewiss nicht – schließlich gehörte es zu den Gefahren eines Soldaten auf dem Schlachtfeld zu sterben oder, was vermutlich schlimmer war, in Gefangenschaft zu geraten.


    Würde man es vielleicht als unehrenhaft betrachten, dass Livianus zweiteres zum Schicksal wurde? Es würde gewiss Stimmen geben die versuchten diesen Umstand zu nutzen um seinen Namen durch den Dreck zu ziehen oder für ihre politischen Schachzüge zu verwenden, schließlich hatte er nicht nur Freunde in Rom. Doch wusste der Senator bereits jetzt, dass es sich dabei vorrangig um Männer handeln würde, die selbst nie ein Schlechtfeld gesehen oder ihren Dienst in der Legion geleistet hatten. Auf solche Meinungen hatte er noch nie besonders viel Wert gelegt. Wesentlich unangenehmer war jedoch die Vorstellung, dass jemand an seiner Loyalität zweifeln konnte. Er hatte die Qualen, die Folter und die Verhöre über sich ergehen lassen ohne je sein Wissen zu verraten. Im Nachhinein musste er erkennen, dass es ohnehin unwesentlich gewesen war, da sich Rom aus Parthien zurückgezogen und den Krieg aufgegeben hatte. Doch das war ihm einerlei – er hatte Rom zu keinem Zeitpunkt seiner Gefangenschaft verraten und das war das Wesentliche. Nur war er der einzige der dies mit solcher Sicherheit wusste und das bereitete ihm etwas Unbehagen. Iulianus hätte nie an seiner Integrität gezweifelt, doch Iulianus war tot.


    Seine Gedankengänge wurden von der Ankunft im Geschäft des Barbiers unterbrochen. Livianus wandte sich an Subdolus und wartete, dass sich dieser, wie er es schon die ganze Flucht über getan hatte, um die finanziellen Angelegenheiten kümmerte.

  • Sie waren recht still, alle drei. Doch zum Glück war der Weg bis zum Bartschneider nicht zu weit. Er sog die für aegyptische Verhältnisse kühle Luft ein und wußte doch, das der Sommer auch hier wieder erbarmungslos zuschlagen würde. An der Schwelle zum Laden blieb der Decimus Livianus stehen. Wahrscheinlich hatte dieser sich an die Börse gewöhnt, die Herius für gewöhnlich aufhielt, um den Geretteten und sich selbst zu versorgen. Doch das Säckchen war schon lange leer. Er erinnerte sich an den Kuhhandel mit dem Cursus Publicus in Aegypten. Er hatte einen seiner wertvollsten Ringe dort gelassen und er wußte nichtmal ob sie den Brief nicht verbrannt hatten und mit der Auslöse aus dem Verkauf des Schmuckstückes ihre Köpfe zugeschüttet hatten oder ob der Brief wahrlich und tatsächlich Rom erreicht hatte. Er wäre wohl nach der ersteren Möglichkeit verfahren. Aber gut es gab auch störisch korrekte Beamte bei diesem Dienst.


    Brutus hingegen hatte er nicht ohne Grund gewählt. Er kannte den Herren des Ladens genau und dieser ihn ebenfalls. Da tat es auch keinen Abbruch mal paar Monate fort zu sein. Ohne viel Mühe konnte Herius die Sesterzen anschreiben lassen und verlor nicht sein Gesicht, weil er die Zeche prellte. So ging er auch als Erster rein und begrüßte Brutus lautstark. Jener war fast verdutzt, nachdem sich der Hadrianus hier hatte über ein Jahr nicht blicken lassen. Wilde Gerüchte wurden lautstark darüber geschmiedet, wo der Eques seinen Bart und die Haare hatte stutzen lassen, denn nach einem Jahr waren diese sonst lang wie Zoten. Doch viel Zeit hatten sie nun auch wieder nicht. Subdolus versprach in ein paar Wochen wiederzukommen und dem Mann die Geschichte zu erzählen, dann bat er um das Übliche und stellte den 'Freund', die 'Freunde' für ebenso eine Behandlung vor.


    Als er als erster geschoren ward, nahm ihn der Barbier zur Seite und entlockte zumindest schonmal kleinere Brocken. Wo er gewesen war und vorallem, wer ihm diesen unsäglich schiefen Bartschnitt beigebracht hatte. Dann drückte der Hadrianus des Barbieres Hand und flüsterte ihm zu er solle es wie immer anschreiben und ein gutes Handgeld drauflegen. Herius würde einen seiner Männer schicken, der das Geld überbrachte. Und er war hier wirklich ein gern gesehener Gast, der immer viel rumkam und daher auch einiges an Neuigkeiten in das fast provinzielle Kaff Ostia brachte. Dann verabschiedeten sie sich und traten zurück auf die Straße. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel.


    "Wir sollten uns Pferde besorgen. Ich habe einen kleinen Laden drüben am Mercatus. Wenn ihr euch mit mittelmäßigen Pferden zufrieden gebt, könnten wir drei aus meinem Stall nehmen."


    Es würde ihn auch erlauben wieder 'flüssig' zu werden. Das sagte er allerdings nicht. Wenn sie sich eilten, schafften sie es noch bis zum Abend nach Rom. Herius war sich aber nicht sicher, ob der Senator unbedingt kurz vor der Dunkelheit dort ankommen wollte. Daher bot er noch an:


    "Wenn das euch zu stressig ist oder ihr befürchtet die nötigen Beamten -wegen dem Betreten des Marsfelds zum Beispiel- am Abend treffen zu können, würde ich euch auch ein spärliches, aber trockenes und sauberes Lager für die Nacht anbieten können. Ein kleines Abendbrot ist inkludiert."


    Fragend blickte er die Beiden an und setzte sich schonmal langsam in Richtung Taberna H Hadriani Subdoli in Bewegung. So oder so sie brauchten Pferde und mit Mittelmäßig hatte der alte Kommandant einer Legionsreiterei natürlich maßlos untertrieben.

  • Eine Entscheidung die Livianus nicht einfach viel. Einerseits freute er sich bereits sehr auf die Rückkehr in den Schoß und in das Haus seiner Familie, andererseits war es nicht seine Art sie alle mitten in der Nacht aus dem Bett zu holen. Er entschloss sich daher das Angebot seines Begleiters anzunehmen.


    "Dann lass uns diese Nacht noch hier verbringen und morgen Früh nach Rom aufbrechen."

  • Und sie verbrachten die Nacht. Eine römische Nacht dazu. Es war viel guter Wein, der erst stark verdünnt und dann immer trächtiger ihre Köpfe zum Sinkpunkt brachte. Sie dinierten bis weit in die Nacht, um dann nach äußerst kurzem Schlaf sehr früh wieder auf Pferden zu sitzen.


    Zu Dritt ging es auf die letzte Etappe nach Rom.


    "IN FUGA FOEDA MORS EST: IN VICTORIA GLORIOSA."

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