Gemächlich spazierte Lucius über den Marktplatz seiner neuen Heimatstadt, Rom. Die Hauptstadt des Imperium Romanum übertraf selbst Städte wie Athen oder Sparta an Größe. Zum ersten Mal verstand Seleucus, warum die Römer ihre Hauptstadt des öfteren als Urbs Aeterna bezeichneten. Die Römer...was war er nun eigentlich selbst? Nein, diese Frage stellte der Eprianer sich ganz bestimmt nicht. Auf dem Papier mochte er nun auch Römer sein, doch im Herzen war er weiterhin Grieche, genauso wie seine Familie. Sicherlich würde sich hier in Italia, in Rom, vieles ändern, doch hatte sich nicht auch schon in Griechenland vieles geändert? Sicherlich, es war vor seiner Zeit und vor der Zeit seiner Vorfahren, als die Römer in Griechenland einfielen und das Land zu ihrer Provinz machten. Seither hatte die griechische Welt allerdings an Bedeutung verloren und noch dazu an Anerkennung. Ja, Anerkennung. Seleucus kannte nicht viele Römer, die die griechische Lehre noch als den Ursprung der westlichen Welt anerkannten, umso mehr Römer kannte Lucius, die die griechische Lehre als ihre eigene betrachteten. Doch eigentlich sollte für jeden Römer unverkennbar sein, dass die achaiische Kultur die Wiege der Zivilisation darstellt. Was war Rom schon, als Alexander der Große gen Osten marschierte, um das Perserreich zu besiegen und zu unterwerfen. Was war Rom, als unsere Kultur Denker und Philosophen wie Aristoteles, Sokrates, Platon oder Pythagoras hervorbrachte, die die römische Lehre maßgeblich, wenn nicht sogar größtenteils prägten. Rom war ein Agrarstaat, ohne jegliche Anzeichen von Brauch und Sitte. Verblendete Etruskerkönige herrschten ohne jegliches Maß über die italischen Ländereien.
Umso mehr er darüber nachdachte, umso mehr ärgerte sich der Grieche über die vermeintliche Blindheit zahlreicher Römer. Eines war aber sicher, es würde sein Ziel sein etwas zu ändern, auch wenn es noch so klein und unwichtig sein mochte. Nichtsdestotrotz hatte sich auch in den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass die griechische Kultur auch neben der römischen bestehen kann. Während die westliche Welt ohne Zweifel romanisiert wurde, herrschen auf der Peloponnes, auf auf dem restlichen griechischen Festland und sogar in Macedonia noch immer unsergleichen vor. Es mag sein, dass ein römischer Statthalter äußerlich über eine römische Provinz verfügen mag, doch innerlich wurde das Leben noch immer vom Hellenismus bestimmt.
Völlig unbeobachtet ließ der Eprianer, dass er sich mittlerweile auf einer Bank niedergelassen hatte. Er war wohl zu sehr in Gedanken versunken, als das er dies hätte realisieren können. Abwartend sah er über die römischen Märkte, während der Trubel gar nicht weniger zu werden schien...
Wer will?