Im kühlen Schatten

  • Fröhlich lachend und munter redent, traten zwei junge Damen in die Taverne und suchten sich einen schattigen und ruhigen Platz mitten drin. Die Abkühlung würde ihnen gut tun, denn es war einer dieser heißen sonnigen und staubigen Sommertage. Die junge Germanicerin und die junge Iunierin waren zwar über den Markt spaziert, aber nun wollten sie sich etwas verdünnten Wein gönnen.


    "Willkommen in der Taverne Appica, Serrana!" lächelte sie und suchte sich zielstrebig einen Platz aus. Die Tische waren dunkel und sauber, die Sklaven freundlich und der Wirt immer gut gelaunt.


    Kurz winkte sie einen Sklaven zu sich her und trug diesem auf, ihnen Wein und eine Kleinigkeit zu essen zu bringen.


    "Gefällt es dir hier? Es ist der bekannteste Treffpukt in ganz Rom!" erklärte sie.

  • Serrana trat hinter Calvena an den Tisch, den diese für sie ausgewählt hatte und sah sich dabei unauffällig nach allen Seiten um. Die Taverne Apicia machte einen einladenden und gemütlichen Eindruck auf sie, und Serrana fühlte sich sofort wohl an diesem Ort. Vor allem hatte er nun gar nichts mit dem abschreckenden Sündenpfuhl gemein, vor dem ihre Großmutter sie immer gewarnt hatte. Unwilllkürlich drehte sie sich nach allen Seiten um, als könne Lavinia jeden Moment aus dem Dunkel hervorspringen, um sie für ihr unfassbares Benehmen zu bestrafen.


    "Oja, es ist sehr schön hier, und ganz anders als ich es mir vorgestellt hatte." antwortete sie lächelnd und ließ ihren Blick nun entspannt und ein wenig neugierig in alle Richtungen schweifen.

  • Calvena ließ sich einfach nur auf einen der Stühle sinken. In diesem Augenblick brachte ihnen der Sklave bei dem sie bestellt hatte eine Kanne Wein, eine Kanne Wasser, zwei Becher und eine Platte mit Käse, Trauben, Oliven und kleinen würzigen Würsten. Erst jetzt merkte sie, wie Durstig und auch Hungrig sie war, sie waren eine ganze Weile unterwegs gewesen.


    "Freut mich sehr, dass es dir gefällt! Setz dich doch!" lächelte sie und schenkte ihnen etwas verdünnten Wein ein. "Nicht immer ist es so wie wir es uns vorstellen!" meinte sie mit einem freundlcihen Blick.


    "Deine Großmutter muss die ja echt Angst gemacht haben!" riet sie und zwinkerte ihr zu.

  • Mit einem erfreuten Blick auf die leckeren Knabbereien auf dem Tisch setzte sich auch Serrana hin und trank dankbar einen Schluck von dem verdünnten Wein. Auf Calvenas Bemerkung hin seufzte sie auf, ergriff eine der Oliven und rollte diese gedankenverloren auf dem Tisch hin und her.


    "Da hast du wohl recht. Sei froh, dass du meine Großmutter nicht kennst. Daheim in Nola haben alle Angst vor ihr, nicht nur unsere Sklaven sondern auch die Nachbarn und sogar die Duumviri. Sie ist wirklich furchtbar streng und kann sehr einschüchternd sein, wenn sie will. Ich habe wirklich nie verstanden, warum ein so freundlicher und gütiger Mann wie mein Großvater so eine Frau heiraten konnte. Aber zumindest ist mir mittlerweile klar, warum er sich immer so gern in seinem Officium aufgehalten hat und fast nur zu den Mahlzeiten rausgekommen ist...."
    Serrana kicherte. Aus der Ferne betrachtet war die ganze Geschichte fast schon lustig, und mit etwas Glück würde sie nie wieder nach Hause zurückkehren müssen.
    Dann fiel ihr auf, dass Calvena bislang nur sehr wenig über ihre eigene Familie erzählt hatte. Ob es dafür wohl einen besonderen Grund gab? Serrana sah ihre Freundin an und fragte dann behutsam:


    "Wie ist es denn bei dir? Gibt es irgendjemanden in deiner Familie, den du besonders gern magst oder mit dem du dich nicht verstehst?"

  • Freudig lehnte sie sich leicht zurück und genoß den kalten Wein. Es tat gut im Schatten zu sitzen und einfach Rom vorbeiziehen zu sehen. Es hieß wenn man den Tag über in der Taverne Apicia verbrachte, so sah man alle Bewohner Roms einmal vorbei kommen. Das verwunderte sie nicht, denn auf dem Markt spielte sich vieles ab. Von einfachen Dieben, über Soldaten, Sentoren, Händler und Sklaven, traf sich jeder einmal hier.


    Amüsiert lachte sie auf, als Serrana von ihrer Großmutter erzählte. "Nun, dann bin ich wirklich froh, sie nicht zu kennen, wer weiß ob wir uns dann so unbeschwert zusammen setzen könnten!" kicherte sie munter.


    "Nun, aus so vielen Mitgliedern besteht meine Familie derzeit nicht..." antwortete sie gelassen. "Ich mag meinen Onkel Sedulus sehr gern.... aber auch Avarus kann nett sein, nur ist er ... reserviert..." sagte sie nachdenklich. "Aber ich muss zugeben, ich fürchte mich auch ein wenig vor ihm.... er ist so was wie die graue Eminenz der Gens!" schmunzelte sie.


    "Ansonsten gibt es nur wenige Verwandte die ich noch hab!"

  • Serrana lächelte als Calvena von ihren Onkeln erzählte. Sie genoss die neugewonnene und unbeaufsichtigte Freiheit in der Casa Iunia sehr, aber es wäre auch nett gewesen, einen älteren Verwandten zu haben, den man ab und zu mal um Rat fragen konnte.
    Sie sah Calvena an, die ein wenig nachdenklich das Treiben um sie herum betrachtete. Bislang hatte sie noch mit keinem Wort ihre Eltern erwähnt, und das wunderte Serrana ein wenig. Ob sie einfach fragen sollte? Serrana entschloss sich, den Versuch zu wagen. Wenn Calvena über dieses Thema nicht sprechen wollte, würde sie es ihr schon zu verstehen geben.


    "Du hast mir noch gar nichts von deiner Mutter erzählt." sagte sie dann vorsichtig und hoffte inständig, auf diese Weise nicht ihre neugewonnene Freundschaft aufs Spiel zu setzen. "Wie war sie denn so?"

  • Nachdenklich sah sie Serrana an, sie wollte sie nicht anlügen, aber auch die komplette Wahrheit konnte sie nicht erzählen. Also musste sie mal wieder einen Mittelweg finden, welcher ungefährlich war und den sie schon anderen erzählt hatte.


    "Nun meine Mutter war ein besonderer Mensch, hatte ein Talent für Musik und Poesie!" begann sie zu erzählen. "Ich hab viel von ihr!" gab sie leise lächelnd zu. "Sie war aufbrausend, leidenschaftlich und hatt ihre Freiheit als Händlerstochter ebenso genossen wie ich es tat!" berichtete sie. "Als sie meinen Vater kennen lernte, war sie wohl etwas naiv, denn eine richtige Beziehung hatten die Beiden nicht.... " vielsagend verstummte sie. Hoffentlich war Serrana nun nicht schockiert, dass sie eben nicht aus einer gefestigten Beziehung einer Ehe entstanden war. Sie schämte sich nicht dafür, dass sie war, was sie war, aber nicht alle konnten dies verstehen. Auch wenn sie von der Familie aufgenommen und akzeptiert worden war.

  • Serrana brauchte einen kleinen Moment, bis sie Calvenas Anspielung verstanden hatte und merkte dann, dass sie rote Ohren bekam. Ihre eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet waren bislang gleich null und bis zum heutigen Tag waren viele andere Dinge auch wesentlich interessanter für sie gewesen.
    So war sie zwar nach wie vor ziemlich naiv, was Beziehungen zwischen Männern und Frauen betraf, aber von Natur aus auch tolerant und offenherzig und deshalb in keinster Weise von Calvenas Enthüllung schockiert.


    "Ich kann mir gut vorstellen, dass dein Vater sich in deine Mutter verliebt hat, wenn sie so war, wie du sie beschreibst." sagte sie und lächelte Calvena an. "Es klingt wirklich so, als wäre sie dir sehr ähnlich gewesen."

  • Serranas Ohren liefen vor Verlegenheit rot an. Calvena kicherte kurz und zwinkerte ihrer Freundin zu.
    „Ob sie sich ineinander verliebt haben, da bin ich mir nicht ganz so sicher….“ deutete sie vorsichtig an. „Es war eher eine kurze Affäre und dann haben sich deren Wege wieder getrennt!“ gab sie zu. Ehe sie wieder die Stimme senkte: „Behalt das aber lieber für dich….“ sagte sie lächelnd.
    Auch dies gab es, zu genüge. Nur wurde darüber nicht sehr oft gesprochen, im Gegenteil, meist wurde das alles unter den Teppich gekehrt.

  • "Oooh" war der einzige Kommentar, der Serrana zu Calvenas Kommentar über die Affäre ihrer Eltern einfiel. Aber dann erinnerte sie sich an eine fast vergessene Geschichte, die ihr Großvater Lento einmal im geheimen anvertraut hatte. Sie beugte sich über den Tisch vor, ergriff Calvenas Hand und wisperte leise:


    "Mach dir keine Sorgen, das werde ich ganz sicher niemandem verraten. Und weißt du...." damit wurde ihre Stimme noch ein bisschen leiser und ihre Ohren noch ein wenig röter....."meine Eltern durften nur heiraten, weil sie heimlich eine Nacht zusammen in unserer Scheune verbracht haben, und irgendein Nachbar das mitbekommen hat. Meine Großmutter hat damals fast der Schlag getroffen, weil sie meinen Vater für absolut unpassend hielt. Aber um den guten Ruf der Familie zu retten, ist ihr nichts anderes übrig geblieben, als die Hochzeit zu erlauben!" Serrana seufzte auf.


    "Das ist vermutlich auch der Grund, warum sie auf mich immer aufgepasst hat wie ein Zerberus..."

  • Zuerst dachte sie, dass sie Serrana nun völlig überfordert hatte, mit der Geschichte ihrer Eltern. Aber es war nun einmal eine Tatsache und sie war eigentlich nicht der Typ Frau, der log, nur um den Ruf zu retten. Dabei hatte sie ihre Geschichte schon stark geschönt. Wenn die Wahrheit jemals heraus kommen sollte, dürfte dies wirklich einen Skandall geben.


    Verblüfft sah sie Serrana an, als diese ihr die Geschichte ihrer eigenen Eltern erzählte. Sie zeigte ein breites Grinsen. "So viel zu den moralischen Vorhaltungen unserer Eltern... meist waren die nicht Besser, aber wollen usn dann einsperren um uns zu schützen!" kicherte sie verschwörerisch. Aber sie dachte eigentlich nicht daran es ihrer Mutter gleich zu tun. Trotz ihrer ungewöhnlichen Erziehung träumte sie von einer normalen Familie. Und selbst wenn sie, das Bedürfnis versprüen sollte, sich mit einem Mann zu vergnügen, so gab es zum Glück ja Mittel und Wege um zumindest nicht schwanger zu werden. Aber dies behielt sie lieber für sich.


    "Ich glaube deine Großmutter will für dich einen reichen und einflussreichen Mann und für diesen sollst du dich dann auch aufheben.... aber ich Wette mit dir, sie war in ihrer Jugend auch ziemlich wild!" kicherte sie.

  • Serrana hatte sich immer eingebildet, dank ihrer strengen Erziehung eine relativ gute Selbstbeherrschung zu besitzen, aber die Vorstellung von einer verzückten Lavinia, die sich in wilder Leidenschaft die Kleider vom Leibe riss, war einfach zu viel für sie. Es begann mit einem leisen Glucksen aber schon bald musste sie so lachen, dass ihr die Tränen kamen und ihr die Wangen herunterliefen. Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, dass sich an den umstehenden Tischen einige Gesichter nach ihr umdrehten, aber es gelang ihr einfach nicht aufzuhören.


    "Entschuldige bitte" sagte sie mit erstickter Stimme und hochrotem Kopf zu Calvena. "Es hört sicher gleich wieder auf" sie prustete noch einmal los.

  • Etwas verblüfft sah sie zu, wie sie zunächst ein lautes Lachen zu unterdrücken suchte, ehe sie plötzlich lachend schon fast zusammenbrach. Im ersten Augenblick war Calvena völlig perplex, dann stimmte sie in das ehrliche und erfrischende Lachen ein. Das die übrigen Gäste sie dabei etwas schief ansahen, spielte keine Rolle. Während sich Serrana über die Vorstellung ihrer Großmutter in wilder Leidenschaft amüsierte, lachte Calvena mehr mit.


    Kichernd winkte sie ab. "Schon gut!" zwinkerte sie. "Lass dich nicht aufhalten......"

  • Ganz allmählich wurde es wieder besser. Immer noch leise kichernd wischte sich Serrana die Tränen vom Gesicht und atmete tief ein.


    "Tut mir wirklich leid", sagte sie immer noch ein bisschen ausser Atem. "aber die Vorstellung war einfach zu schön..... "Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sich meine Großmutter jemals dafür interessiert hat"


    Sie fixierte Calvena mit bemüht strengem Blick und zog, wie sie es so oft daheim gesehen hatte die linke Augenbraue mit einem verächtlichen Audruck nach oben.


    "Heisse Laken werden schnell wieder kalt, aber Land bleibt Land und Gold bleibt Gold!" lieferte sie dann in Lavinias kaltem und schnarrendem Tonfall eine fast perfekte Parodie ihrer Großmutter ab.

  • Erst nach einer geraumen Weile war Serranas Lachkrampf verklungen, bis auf ein leises Kichern immer wieder zwischen durch. Calvena konnte nur mitlachen und war ihrer Freundnin nicht bös, dass diese sich so hatte gehen lassen. Es war erfrischend gewesen. „Du glaubst ja nicht zu was Großmütter, alles bereit sind… bloß verheimlichen sie es meist unserer Generation, schließlich sollen wir wohlerzogenen junge Frauen werden!“ lachte sie. „Oder wie sonst sollen wir einen Ehemann abbekommen!“ scherzte sie.


    Gerade als sie einen Schluck Wein nippte, machte die Iunierin ihre Großmutter gekonnt nach. Nur Mühsam konnte sie den Wein bei sich halten. Prustend und mühsam gelang es ihr sich nicht zu verschlucken, ehe sie lachend am Tisch zusammen brach.


    „Pass auf! Du wist später genauso sein wie sie!“ prophezeite sie kichernd.

  • Was für eine entsetzliche Vorstellung! Das meinte Calvena doch wohl hoffentlich nicht ernst? Serrana wünschte sich von ganzem Herzen etwas mehr Selbstvertrauen, aber so wie ihre Großmutter wollte sie nun wirklich nicht sein. Bevor sie mit ihrem Auftauchen überall Angst und Schrecken verbreitete, lief sie lieber bis zu ihrem Lebensende als graue Maus durch die Gegend.


    "Hiermit schwöre ich dir eins..." sagte sie zu Calvena und schüttelte sich bei der gruseligen Vorstellung "Sollte ich jemals so werden wie sie, dann hast du meine Erlaubnis, mich vom Tarpeischen Felsen herunter zu stürzen!"

  • Calvena meinte es natürlich nicht ernst. Sie fand dafür war Serrana einfach zu zurückhaltend und auch viel zu lieb. Sie hatte die junge Frau ins Herz geschlossen und wohl eine Freundin auf Lebenszeit gefunden. Sie verstanden sich ohne viele Worte.


    "Na das nenn ich ein Angebot!" kicherte sie und hob ihren Becher. "Auf uns, unsere Jugend und das wir uns auch als alte Schachteln später einmal so gut verstehen!" prostete sie Serrana zu.

  • Serrana sah mit Erleichterung, dass Calvena offenbar wirklich nur einen Scherz gemacht hatte und hoffte inständig, dass nicht doch ganz tief in ihr drin etwas von Lavinias Bösartigkeit schlummerte. Als sie den Trinkspruch ihrer Freundin hörte, hellte sich ihr Gesicht jedoch schnell wieder auf.


    "Oja, darauf trinke ich gern, und darauf, dass wir noch viele Jahre so beeinander sitzen werden!" sie hob auch ihren Becher in die Höhe und lächelte Calvena glücklich an. Wer wusste schon, was Fortuna noch für sie beide bereithalten würde, noch war alles möglich und der Weg vor den beiden jungen Frauen lang und verheissungsvoll.

  • Schließlich neigte sich der wunderbare Nachmittag dem Ende und die strahlen der Sonne veränderten sich von einem gleißenden Weiß zu einem Gold und dann zu einem tefen Rot. Der Markt leerte sich und auch die Händler packten zusammen. Nun, wo die Hitze des Tages nachließ wurde es voller in den Tavernen und die leute genossen die angenehmeren Stunden.


    Nach einigen Bechern Wein und noch vielen Geschichten über Großmutter Lavinia, Valerian und anderen Dingen verabschiedeten sich die beiden Frauen von einander. In der Gewissheit, dass sie nun eine Freundin fürs Leben gfeunden hatten und nicht mehr ganz so allein in der großen Stadt waren.


    Schon bald würden sich ihre Wege treffen, schon bald ......

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