[Sardinia] Was bleibt, ist Asche

  • Ohne weiter darüber nachzudenken ergriff Cimon das andere Ende des Lakens. Denn alleine würde es sicher ungleich schwerer sein. Und dabei dachte er sehr genau über Caelyns Worte nach. Sie hatte Ursus erwartet? Cimon verstand nicht wieso ein Herr zu einem Sklaven gehen sollte. Aber vieleicht verstand er es auch noch nicht richtig. Vieleicht war sie eigendlich etwas besonderes für den herren. Dann würde dies alles erklären und Cimon erkannte das im Brief wohl nicht der Grund für die wahrscheinliche Abwesenheit des Dominus stand.


    "Du musst dich doch nicht entschuldigen. Ist halt so. Vergessen wir das einfach und...ich weiß nicht wieso ein herr zu seinem Sklaven gehen sollte...aber ... du bist dann wohl jemand besonderes und...unser Herr trauert um seine Schwester. Vieleicht ist er deswegen nicht hier sondern bald auf dem Weg nach Rom."


    Durfte er es sagen? Warum nicht? Der Sklave musste doch verstehen warum der Herr was tat... ja, Cimon glaubte richtig entschieden zu haben. Er glättete eine letzte Falte und sah sie dann fragend und eher hilflos an.


    "Caelyn? Darf ich dich fragen ... wieso du hier bist?"


    Cimon schluckte schwer, denn er ahnte einiges. Doch klare Worte hatte er von seinem Herren nicht gehört nur Mosaiksteine die er selbst zusammensetzen musste. Und er bezweifelte es wirklich richtig verstanden zu haben. Dabei wollte er es verstehen, wollte alles um Ursus herum nachvollziehen können. Es war an ihm der Güte seines Herren etwas zurückzugeben und dem Vertrauen gerecht zu werden. Auch wenn es etwas gab was ihm noch immer sehr schmerzte. Nie würde er es gänzlich vergessen. Doch er schob das Zeichen beiseite um Caelyn die volle Aufmerksamkeit entgegenzubringen, die sie verdient hatte.

  • Cimon half mir. Das erleichterte die Sache mit dem Laken und ich war kurze Zeit abgelenkt. Allmählich glaubte ich zu erkennen, der Nubier könnte doch ein netter Kerl sein, der eben einfach so war, wie er war und dafür genauso wenig dafür etwas konnte, wie ich etwas für mein Gehabe konnte. Meine Wut wich. Zum ersten Mal seit langer Zeit war ich richtig froh, nicht mehr allein zu sein, bis, tja bis Cimon wieder zu reden anfing. Anfangs war ich ja noch erleichtert darüber, dass er mir meinen Ausraster nicht krumm nahm, aber was dann kam, raffte ich absolut nicht. Für mich war es, als spräche er in einer Fremdsprache zu mir. Wieso Ursus zu mir kommen sollte? Warum sollte er das nicht? Ich sah ihn nur ganz verwirrt an, konnte ihm nicht folgen und schüttelte verständnislos den Kopf. Und als er dann noch ganz beiläufig verlauten ließ, Ursus Schwester sei gestorben, kam allles wieder hoch, was ich im Laufe des Jahres versucht hatte zu verdrängen, als habe mich soeben die Vergangenheit wieder eingeholt. Fassungslos war ich, mein Kiefer sackte nach unten. "Was?"Ich drehte mich von dem Nubier weg, damit er mich nicht heulen sah. Innerhalb kürzester Zeit fiel meine Fassade endgültig in sich zusammen. Das war echt zuviel! Nicht dass ich um Ursus Schwester trauerte. Ich kannte sie ja kaum. Aber dass es ihm genauso erging wie mir, machte mich fertig. Ich musste wieder an Louan denken, wie er so da gelegen hatte in seinem Blut. Ich erinnerte mich wieder daran, wie ich seinen Leichnam wusch und ihn für seine letzte Reise vorbereitete. Er war so kalt gewesen.


    "Ich bin hier, weil ich meinen Bruder getötet habe!" Ich wischte mir die Tränen weg und drehte mich wieder zu Cimon, den ich herausfordernd, richtig trotzig ansah. Was mochte er nur von mir denken? In dem Augenblick war mir das völlig egal, denn ich hatte Schuld an Louans Tod!

  • Die Entrüstung Caelyns verwirrte Cimon ein wenig. Wollte er doch nur gut zu ihr sein. Mit leicht schräg gelegten Kopf betrachtete er sie mit fragenden Augen. Doch zunächst blieben seine Worte unausgesprochen. Er war es nicht gewohnt auf diese Art mit Menschen umzugehen. Meist endeten solche Gespräche doch mit Peitschenhiebe... zumindest war dies früher so gewesen. Aber so einiges war anders geworden, seitdem er Ursus seinen Herren nennen durfte.
    Sie sollte einen Mann, ihren Bruder getötet haben? Wie nur? Mit Gift? Sie sah weitaus weniger hinterhältig aus als sie dies für solch ein Vorhaben sein musste. Und wieder fiel ihm eine nicht ganz perfekte Kante auf, die er sogleich richtete. Langsam sah er dann auf, wobei sein Gesicht gewohnt neutral wirkte.


    "Du... du hast...deinen Bruder? War er ein so übler Mensch? Denn du wirkst nicht so.... schlecht....das du... Verzeih, ich will dir nicht zu nahe treten."


    Leicht senkte sich sein Kopf, bis er merkte das sie dadurch das Zeichen sehen mochte. Es war ihm unangenehm es so offen tragen zu müssen und sah somit schnell wieder auf. Er konnte mit solchen Dingen nur schwer umgehen. Und dieses mal sah man es deutlich in seinen Augen sowie im Gesicht.

  • Ursus hatte ihm also nichts erzählt! Kein Wort! Warum eigentlich nicht? Irgendwie wollte mir das nicht in den Kopf gehen. Wie stellte sich das Ursus nur vor? Naja, ihm war´s vielleicht egal. In einem Jahr konnten sich Menschen komplett ändern. Deshalb hatte er sich auch einen neuen Sklaven besorgt. Natürlich, so musste es sein! Da konnte ich mich ja warm anziehen, wenn Cimon mich wieder nach Rom zurück brachte!
    "Ja, das hab ich!" Ich schaute betroffen zu Boden und ließ das erst mal im Raum stehen. Mir war zum heulen zumute.
    "Mein Bruder war der liebenswürdigste Mensch, den du dir nur vorstellen kannst. Ich habe immer darauf geachtet, damit ihm nichts passiert. Aber dann hab ich versagt. Deshalb ist er jetzt tot. Hat dir Ursus nicht darüber erzählt? Wirklich gar nichts?" Wieder schaute ich in das Gesicht des Nubiers, um nachzuforschen. Ich konnte es echt noch nicht glauben. Irgendeine Bemerkung musste er doch gemacht haben. Aber Cimon schien wirklich keine Ahnung zu haben.


    "Hat man dir auch so eine blöde Tätowierung verpasst?" fragte ich Cimon plötzlich. Ich hatte da eine Verfärbung in seinem Nacken gesehen, was wie das Zeichen der Aurelier aussah. "Als ich damals meine gekriegt hab, da hab ich dem Kerl, der mich tätowieren wollte erst mal eine gescheuert, als er mich angefasst hat.“ Ein wenig schmunzelte ich, als ich mich daran erinnerte. Ursus war deswegen ganz schön sauer gewesen!

  • Nun da Cimon nicht mehr weg schauen und es erst recht nicht mehr übersehen konnte, stellte der Nubier sich vor Caelyn. Ihre Trauer erschütterte ihn, da er nichts dagegen zu unternehmen wusste. Ihre Worte erschienen ihm noch immer ein wenig seltsam, doch sicher verstand er sie nur nicht, da er nicht um die Vergangenheit der Sklavin wusste. Zumindest glaubte er nun zu wissen das sie sich nur die Schuld gab, obwohl sie ganz sicher nichts dafür konnte... dafür war sie doch ein viel zu lieber Mensch. Er beschloß es dabei zu belassen und nicht weiter darauf einzugehen...sicher war das besser so.
    Bei ihrer Frage zuckte Cimon leicht mit den Schultern und musste ganz stark nachdenken. Hatte Ursus etwas gesagt?...


    "Es waren nur Bruchstücke. Ich habe es nicht gewagt nach zu fragen. Ich wusste das du dich hier erholen solltest. Und er klang sehr besorgt um dich."


    Cimon glaubte fest daran das diese Worte gut gewählt waren und... dann fragte sie nach dem Zeichen...und er sackte ein wenig in sich zusammen. Bitter schluckte er alle Flüche und Verwünschungen hinunter. Sein Körper kämpfte gegen die tränen und gewann...vorerst. Sie hatte den Mann geschlagen der dies getan hatte? Etwas worüber er selber nicht nachgedacht hatte... aber immer wieder verfluchte er sich selbst, das er es hat machen lassen. Doch sein Herr hatte es gewünscht und es gab keinen anderen Weg. Seine Muskeln zuckten und er ballte die Hände zu Fäusten. Sein Blick ging zu Boden, wobei der Nubier ganz leicht nickte.


    "Ja.... das hat man... sie...sie schmerzt noch immer... im Herzen."


    Anders konnte er es nicht ausdrücken. Dabei war es das erste mal das er es so deutlich sagte. Die ganze Zeit hatte er es versucht zu ignorieren und seine Abscheu zu verbergen. Aber jetzt, wo Caelyn so offen fragte konnte er nicht mehr anders. Langsam sah er auf und blickte sie mit offener Bewunderung an. Wie stark musste diese Frau sein? Was sie alles erlebt hatte und wie tapfer sie selbst dieses Zeichen hinnahm. Doch Worte dafür konnte er nicht finden.

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    CUSTOS CORPORIS - TITUS AURELIUS URSUS

    Einmal editiert, zuletzt von Cimon ()

  • Bruchstücke also nur! Mehr nicht? Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Vielleicht hatte Ursus ja seine Gründe dafür gehabt, weil er dachte, ich würde Cimon schon alles erzählen. Je länger ich darüber nachdachte, umso mehr steigerte ich mich hinein. Ich musste damit aufhören, sonst machte es mich noch richtig krank.
    "Er klang sehr um mich besorgt?" wiederholte ich. Schnell schaute ich ihn wieder hoch. "Wirklich? Echt besorgt?" Das konnte bedeuten, dass ich noch immer wichtig für ihn war. Genauso gut konnte es aber auch sein, dass ich für ihr einfach nur ein Klotz am Bein war, den man abschütteln musste. Diese blöden Selbstzweifel machten mich noch schier verrückt!
    Aber den Nubier plagte auch etwas, was mir bisher gar nicht aufgefallen war. Er hatte es echt prima unter seinem sklavischen, unterwürfigen Verhalten versteckt gehalten. Aber dadurch, dass ich sein Zeichen im Nacken entdeckt hatte, war es ans Tageslicht gekommen. Er hatte sich, verständlicherweise wie wahrscheinlich jeder normale Mensch, dagegen gewehrt, dass man ihn wie ein Stück Vieh zeichnen wollte. Und er hatte es hinnehmen müssen. Welche Alternativen hätte er denn sonst gehabt? Ich fragte erst gar nicht, ob er sich dagegen zur Wehr gesetzt hatte. Obwohl ich Cimon nicht länger als eine Stunde kannte, konnte ich es mir überhaupt nicht vorstellen, dass er es jemals wagen würde, aufmüpfig zu sein.
    "Ja, kann ich mir gut vorstellen! Mich hat das am Anfang auch total genervt! Meines sieht man wenigstens nicht, wegen meiner Haare. Aber ich hab mit der Zeit auch einfach angefangen, nicht mehr daran zu denken. Dann war es für mich einfach nicht mehr da. Verstehst du?" Naja, ein echter Trost war das ja nun nicht für den Nubier, denn ihm fehlte da einfach etwas essentielles. Die Haare! Er konnte sein Zeichen nicht einfach hinter seiner Haarpracht vor allen verstecken. Aber mir fiel einfach nichts Besseres ein. Ich wollte ihm doch einfach etwas Nettes sagen, was ihn wieder aufbauen sollte. Dabei fiel mir ein, selbst mein Bruder hatte nichts von dem Zeichen gewusst. Jung, Junge, hätte er davon Wind gekriegt, dann wäre wahrscheinlich die Bude zu klein gewesen! Bei solchen Sachen war Louan ganz schon empfindlich gewesen. Es hatte ihn auch ganz schon fertig gemacht, als er erfahren hatte, dass seine Schwester jetzt ´ne Sklavin war. Vielleicht war es auch gut so, dass er jetzt nichts mehr davon erfuhr.

  • Cimon sah recht verwirrt aus, als Caelyn derartig wehement nachfragte und nickte nur als Bestätigung. Denn viel mehr konnte er nicht sagen bevor das bestimmte Thema angeschnitten wurde. Der Nubier senkte den Kopf und atmete tief durch um sich zu beruhigen.
    Als sie dann noch seine fehlenden Haare erwähnte sackte er leicht zusammen und setzte sich kurzerhand auf das frisch bezogene Bett. Dabei ertasteten seine Hände eine Falte die er von da an versuchte glatt zu bekommen.
    Bitter schluckte er seinen Hass herunter, von dem er nicht wusste gegen wen dieser gerichtet war.


    "Man wird es immer sehen. Und ich werde es niemals...niemals vergessen oder verzeihen. Niemals."


    Noch einmal atmete er durch und straffte dann seine Gestalt um seine Stärke wiederzufinden. Es gehörte sich doch nicht so zu denken oder gar zu reden...


    "Verzeih, Caely. Ich wollte nicht schlecht reden."


    Betroffen richtete er seine Kleidung. Vorallem die Ärmel. Wieso nur würde es ihn jetzt so sehr stören sich zu zeigen, wo er es doch sonst nicht anders gekannt hatte? Nun sah er sie an und wusste nicht was er sagen oder denken sollte, wusste nicht mehr was nun richtig oder falsch war.

  • Na Klasse! Das mit den Haaren war eindeutig die falsche Antwort gewesen. Wie immer war ich mal wieder gekonnt ins Fettnäpfchen getreten. Am besten ich sagte gar nichts mehr dazu. Vielleicht musste ich den Nubier erst besser kennenlernen, um zu verstehen.
    Er hatte sich aufs Bett gesetzt und sah ziemlich geladen aus. Auch wenn er sich jetzt entschuldigte für seine scharfe Bemerkung, in ihm brodelte es gewaltig, auch wenn er das gekonnt zu unterdrücken versuchte.
    "Mir tut´s mir leid. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich wollte nicht… ich, ach Mist. Ich halte besser meine Klappe!" meinte ich zu ihm.
    Cimons Bett war eigentlich so weit fertig. Ich hätte mich jetzt aus dem Staub machen können, was sicher das Beste gewesen wäre. Aber irgendetwas hielt mich noch hier. Ich konnte nicht sagen, was.
    "Öhm, wann verduften wir von hier? Äh, ich meine, wann reisen wir ab?" Vielleicht brachte ihn das auf andere Gedanken.

  • Ein wenig verwirrt von Caelyns Ausdrucksweise war Cimon schon. Aber es sorgte am Ende eher für ein Schmunzeln, denn Argwohn. Ihre Frage ließ auch Cimon überlegen. Kurz biss er an seiner Unterlippe herum bis er einmal stärker durchatmete und sie fest anschaute.


    "Nein, bitte. Es ist nicht schlimm... wäre schade, wenn du nicht mehr reden würdest.
    Wann wir abreisen werden? Nun, ich würde schon gerne einen oder maximal zwei Tage meine Knochen ausruhen, bevor wir aufbrechen können."


    Nun war sein Lächeln eher unsicher. Wieso wusste er nicht genau. Bis jetzt konnte er seine guten Gespräche, die nicht mit Peitschenhieben endeten, an einer Hand abzählen. Allein dies sorgte dafür das er sich unsicherer fühlte als er es zugeben wollte. Cimon sah sich um, doch es gab nichts zu tun, außer diese Kante im Laken zu glätten. Was recht schnell erledigt war.
    ganz allmählich straffte sich sein Körper und er richtete ihn so stolz es ihm in dieser Situation nur möglich war auf. Sein Gesicht erschien zwar nicht unfreundlich aber dennoch bemühte er sich, wie gewohnt seine Emotionen zu verbergen. Nach kurzer Zeit bemerkte er wie seine ineinandergelegten Hände anfingen nervös einander zu massieren. Dennoch waren seine Augen auf Caelyn gerichtet. Sie war so voller Stärke und strahlte es mehr aus als er es von Sklaven gewöhnt war. Aber er kannte auch nicht viele. Bashir und Phraates waren ebenso... besonders. Aber Cimon verstand einfach nicht warum. Waren sie alle frei geboren? Der Nubier würde es wohl nie wirklich verstehen können.

  • Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, was so lustig gewesen war, wieso er jetzt zu schmunzeln an fing. Aber wenigstens entspannte das die Situation. Und mir ging´s davon auch wieder besser.
    "Das wär mir auch ganz schön schwer gefallen, die ganze Zeit die Klappe zu halten!" gab ich schmunzelnd zurück. Mir war aufgefallen, dass ich nicht mehr so sehr über Louans Tod nachgrübelte, wenn ich mit Cimon redete. Jedenfalls dann, wenn Louan nicht das Thema unseres Gesprächs war. Vielmehr wollte ich noch etwas mehr über den Nubier herausfinden. Naja, er musste ja nicht mit allem auf einmal herausrücken. Allein schon die Rückreise nach Rom dauerte ja einige Tage. Da hatte ich noch genug Zeit um ihn besser kennen und verstehen zu können.
    "In zwei Tagen schon? Naja, schön. Umso besser. Wird Zeit, dass ich hier wegkomme." Ich dachte mit gemischten Gefühlen an die Rückreise. Nicht nur wegen Ursus. Auch wegen dem Schiff, das wir nehmen mussten. Bei hohem Seegang, war ich nämlich die erste, der es schlecht wurde. Bereits bei der Herfahrt hatte ich feststellen müssen, dass ich den Hang zur Seekrankheit hatte. Tja, ich war eben ´ne Landratte. Was konnte ich da schon ausrichten?

  • Die Antwort von Caelyn erheiterte den Nubier und auch er glaubte nicht das es ihr leicht fallen würde lange richtig still zu bleiben. Und Cimon würde es ebenso wenig gefallen, denn sie erheiterte ihn auf angenehme weise. Erkannte er da etwa soetwas wie Zweifel? Nein, sicher nicht. Dafür war diese Frau doch viel zu stark. Offen zeigte Cimon ihr nun ein Lächln, das er nur selten zur Schau trug. Doch in letzter Zeit wurde er immer öffter locker und gelöst.


    "Ja, eigendlich wollte ich morgen schon. Aber das wäre sicher sehr unglücklich. Auch wegen meinen müden Knochen. Wenn es dir nichts ausmacht."


    Was redete er da eigendlich? Er wollte doch so schnell wie möglich weiter nach Rom. Und jetzt redete er davon sich ausruhen zu wollen? Cimon verstand sich selbst immer weniger. Doch wirklich schlecht fühlte er sich dabei nicht. Der Nubier glaubte, durch diese Reise, nicht nur die Region sondern auch sich selber besser kennen zu lernen. Dafür war er Ursus trotz des Schmerzes mehr als nur dankbar. Sobald die Zeit dafür kommen würde, musste er seinem Herren von alle dem erzählen.
    Jetzt aber saß er erstmal auf einem Bett und sah Caelyn sehr nachdenklich an.


    "Caelyn? Sag mal... wo kommst du eigendlich her. Warst du schon immer im Haushalt der Aurelier?"


    Er wusste nicht ob es klug war dies jetzt zu fragen, doch er war viel zu neugierig um noch länger zu warten. Gespannt beobachtete er die Frau und hoffte nichts falsches angesprochen zu haben.

  • "Morgen schon?" platze es aus mir heraus. Aber ich sah es Cimon schon an, er war nicht so begeistert davon. So Hals über Kopf von hier verschwinden zu müssen, damit hatte ich auch nicht gerechnet. Aber andererseits hielt mich nicht mehr, also konnten wir auch morgen oder übermorgen oder auch erst in einigen Tagen von hier verschwinden. "Ich richte mich da ganz nach dir. Wenn du sagst, es geht los, dann geht´s los!" Das war einfach die beste Lösung, womit der Nubier und ich zufrieden sein konnten.
    Nach und nach fand ich den Nubier nun doch ganz nett. Naja, er hatte halt seine Macken, aber die hatte ich auch uns sogar Ursus hatte welche. Vielleicht konnten wir ja tatsächlich so was wie Freunde werden… Aber das hätte ich jetzt noch nicht mit Bestimmtheit sagen können. Dafür hatte ich schon zu viel erlebt in meinem Leben. Die, die meine Freunde werden wollten, mussten sich erst einmal bewähren.
    "Ich bin Gallierin," sagte ich schlicht. "Nein, ich bin erst vor ungefähr drei Jahren nach Rom gekommen. Vorher war ich frei. Ich hab in Augustodunum gelebt. Das ist ´ne Stadt nördlich von Lugdunum. Mein Bruder und ich lebten auf der Straße. Nachdem unsere Mutter vor einigen Jahren gestorben war, wollte keiner unserer Verwandten uns aufnehmen. Wir waren damals noch Kinder. Wir haben von dem gelebt, was wir geklaut haben. Es gab nur ganz wenige Leute, die uns geholfen haben. Naja, irgendwann bin ich erwischt worden und statt mich ans nächste Kreuz zu nageln, haben sie mich verkauft. Im Nachhinein war das vielleicht nicht das schlechteste. So gut, wie´s mir danach gegangen ist, ist es mir bis dahin nur in meiner Kindheit gegangen, als unsere Mutter und mein Großvater noch gelebt hatten. Vor fast zwei Jahren hat Ursus dann meinen Bruder zu mir geholt. Dafür werde ich ihm ewig dankbar sein, auch wenn mein Bruder jetzt tot ist." Betroffen schwieg ich. nicht nur wegen meinem Bruder, auch weil ich nicht wusste, wie´s jetzt mit mir weitergehen sollte.

  • Hin und her gerissen war Cimon kurz gefangen von verwirrenden Gedanken. Er wollte nicht zu viel Zeit vergäuden, die doch die Zeit seines Herren war und doch wollte er sich ein wenig ausgibig ausruhen. Dann hörte er der Geschichte von Caelyn mit wachsender Begeisterung zu. Dabei sprudelte es einfach so ungläubig aus ihm heraus.


    "Du bist frei geboren? ... Verzeih. Ich... weiß nicht einmal wie es sich anfühlen muss... Ja, sicher hast du bei Dominus Ursus ein gutes Leben."


    Und wieder lag es ihm auf der Zunge...es ging auch ihm gut, bis auf das eine, was sich immer wieder in seine Gedanken stahl. Meist nachts wenn seine Hand über die Haut im Nacken strich und er über sein Leben nachdachte. Viel zu spät merkte er das er den Kopf gesenkt hatte und nun die Hand im Nacken lag und die Finger über das Zeichen strichen. Seine Augen brannten und doch wusste er das es ihm nun viel besser ging als zuvor. Wenn dieses eine... wenn es doch nie geschehen wäre.
    Cimon wich nun ihrem Blick aus und hoffte recht bald alleine sein zu können und sich in einem unruhigen Schlaf zu welzen. Er durfte es ihr nicht zeigen. Seine Schwäche gefiel ihm nicht besonders. Vorallem wo sie selber so stark wirkte. Und ihre Geschichte zeugte von so viel...Herz und Mut. Etwas von dem er glaubte das er es niemals besitzen konnte.

  • Cimons Frage riss mich aus meiner Trübsal heraus. Ich verstand erst nicht, weil es für mich ja das normalste auf der Welt gewesen war. Für mich, nicht für ihn!
    "Was? Na, klar war ich frei. Öhm, ich meine ja." Ich zügelte mich wieder. Der Nubier war demnach nie frei gewesen. Was konnte ich im dann sagen, wie es war, frei zu sein? Dass es ein tolles Gefühl war, keinen erst um Erlaubnis zu fragen zu müssen, wenn man was machen wollte. Oder dass man auf sich selbst angewiesen war, damit man immer ein Heim und genug zu essen hatte. Früher war ich immer stolz auf meine Freiheit gewesen, auch wenn ich stehlen und auf der Straße leben musste. Aber ich war frei gewesen! Allmählich hatte ich mich aber auch daran gewöhnt, immer gut gekleidet, ein Dach über dem Kopf und satt zu sein. Also, wie fühlte es sich an, frei zu sein? Es gab keinen Grund, etwas zu beschönigen.
    "Die Freiheit ist dann gut, wenn du nicht arm bist." sagte ich trocken.
    Den Nubier beschäftigte sein Zeichen im Nacken immer noch, denn er hatte seine Hand darüber geschoben, als wolle er es so verstecken.
    "Ich lass dich jetzt besser allein. Du bist sicher müde. Wir sehen uns dann später, beim Essen."

  • Ihre Überraschung tat schon ein wenig weh und Cimon wusste nicht wieso. Die Freiheit sollte gut sein? Cimon dachte früher mal so... irgendwann hatte er damit aufgehört und wusste nun nicht mehr was er tun sollte ohne einen Herren, der ihm sagte was er zu tun hatte. Aber wie hatte Ursus es noch gesagt? Er beschützte ihn auch und hatte seinen Teil zu leisten. Noch immer lag die Hand auf dem Zeichen..sein Teil...aber vor dieser Sache hatte sein Herr ihn nicht beschützt...nein er hatte ihn gezwungen.
    Der Nubier würde sich später dafür rügen nicht auf sie eingegangen zu sein. Denn er glaubte erkannt zu haben, das diese Freiheit in ihr auch schlechte Erinnerungen aufrief. Aber er konnte einfach keine guten Worte finden. Nur Blicke und ein Gesicht das offen Betroffenheit zeigte.


    Dann sah er verwirrt und mit Tränen in den Augen zu Caelyn auf. Stumm nickte er und wusste sich nicht weiter zu bewegen. Sie wollte ihn allein lassen? Hatte er zuviel geredet? Sicher hatte er etwas falsches gesagt. Aber jetzt...jetzt konnte er nicht mehr reden. Alles erschien ihm in diesem Augenblick so wahnsinnig schwer und dabei wollte er doch gar nicht das sie ging. Nein, er wollte nicht allein sein. Niemals würde er jetzt gut schlafen können. Aber würde er es ehrlich sagen, würde sie ihn sicher auslachen. Schließlich zeugte dies nicht unbedingt von männlicher Stärke.


    Schwer schluckte Cimon alles herunter um dann den Blick zu senken. Wie lächerlich musste er nun wirken. Wo war nur der Boden der sich unter ihm auftun konnte? Eine schwarze Leere machte sich in seinem Inneren breit und entzog ihm jeglichen Gedanken.

  • Cimons Bett war jetzt bezogen, er sah ganz schön müde aus und ich fühlte mich ein bisschen fehl am Platz. Dass was ich ihm über die Freiheit gesagt hatte, war wohl nicht die Antwort, die er gerne gehört hätte. Er sagte nichts dazu. Er sagte eigentlich gar nix mehr, was mir anfangs gar nicht aufgefallen war, doch als ich gehen wollte und ihn nochmal zulächeln wollte, da sah ich, dass er weinte.
    Ich dachte schon, Taranis trifft mich. Ein Typ der heult, das gibt’s doch gar nicht! Mist, verdammter! Hatte ich schon wieder was Böses zu ihm gesagt? Oder etwas falsch gemacht? Konnte ja sein, dass ich was verpasst hatte! Manchmal hatte ich echt Talent, es mir mit den Leuten zu verscherzen, die es gut mit mir meinten.
    Logisch, dass ich jetzt erst mal nicht ging, sondern stehen blieb und grübelte, was ich sagen sollte.
    "Is was? Warum öhm.. sag mal, hab ich dir was getan, weil du… auf einmal.. öhm weinst?" Ich versuchte krampfhaft rauszukriegen, was die Ursache dafür war. Aber mir fiel nichts Genaues ein. Dass ihn die Traurigkeit überkam, weil ich jetzt gehen wollte und er nicht allein sein mochte, darauf wär ich nie im Leben gekommen! Der kannte mich doch noch gar nicht, erst höchstens eine Stunde.

  • Sie bemerkte seine Tränen und blieb. Was Caelyn fragte ließ Cimon überrascht den Kopf heben. Zwar waren seine Augen leicht gerötet doch ersteinmal versiegten die Tränen. Der Nubier atmete ein paar mal tief durch. Die Hände kneteten einander um die Nervösität zu bewältigen. Aber er konnte nicht wirklich antworten. Er selbst wusste es doch kaum in Worte zu fassen. Allein das sie sich um ihn sorgte war neu für ihn.


    "Ich...ich kann es nicht sagen...nein, nein..du bist nicht schuld. Es ist mein Fehler...es...ich war noch nie... du musst mich für ziemlich dumm halten, was? Es ist, weil Dominus Ursus. Er vertraut mir. Noch nie hat ein Herr mir vertraut. Noch nie war ich alleine auf die Reise geschickt worden. ... Vieleicht brauche ich einfach Zeit, um das alles zu verarbeiten."


    Ja, sicher brauchte es nur Zeit. Das hatte sein Herr doch auch gesagt. Leicht zitternt rieb er sich die Augen und hasste sich nun für seine Schwäche. Ein Klos verhinderte das er weitersprach also bemühte er sich recht abwinkende Handbewegungen zu machen. Damit sie sich keine weiteren Sorgen machen würde. Sein Leben lang war er der Sklave, der gepeitschte, der folgsame gewesen. Jetzt wurde er zu einem Sklaven der viel mehr sein sollte und seinen Herren nicht enttäuschen wollte. Seine eigenen Gefühle verwirrten ihn zunehmend.

  • Der Nubier gefiel mir nicht. Etwas, was wahrscheinlich gar nichts mit mir zu tun hatte, bedrückte ihn dermaßen, dass er so verzweifelt aussah. Cimon konnte ich jetzt auf gar keinen Fall alleine lassen. Ich setzte mich neben ihn aufs Bett und legte meine Hand auf seine. Meine Vermutung, die ich ganz am Anfang hatte, traf irgendwie voll zu. Cimon war tatsächlich das absolute Gegenteil von mir. Ich hatte es mir nie vorstellen können, wie es war von Anfang an als Sklave leben zu müssen.
    "Nein, ich halte dich überhaupt nicht für dumm! Na klar vertraut dir Ursus, warum sollte er auch nicht." Er hatte mir ja auch vertraut, obwohl er wusste wie mein früheres Leben ausgesehen hatte und es dafür eigentlich gar keinen Grund gegeben hatte.
    "Hör mal, ich weiß nicht, was du alles vorher erlebt oder gemacht hast, aber er hat dich ausgesucht, um mich abzuholen, weil du ihm bewiesen hast, dass er dir vertrauen kann und darauf kannst du stolz sein. Naja, und außerdem haben wir Glück gehabt, denn die Aurelier behandeln ihre Sklaven recht gut." Und trotzdem hatte ich gemischte Gefühle, wenn ich an die Rückkehr dachte.

  • Sein Handzeichen interpretierte Caelyn wohl falsch und kam zu Cimon, setzte sich direkt neben ihn. Als sie ihre Hand auf die seine legte erschrak er kurz, blieb aber ansonsten ruhig sitzen. Er sah ihr tief in die Augen und hörte sehr aufmerksam ihren aufmunternden Worten zu. Nun zeigte sich sogar ein kleines Lächeln auf seinen Lippen.
    Ja, zumindest Ursus hatte ihn sehr gut behandelt. Mit Schmerzen dachte der Nubier an seine diversen Herren. Ein unangenehmer Schauer des Grauens ergriff seinen Rücken und ließ ihn zucken.


    "Er sagte ich solle ...stolzer sein... soetwas in der Art hatte er gesagt. Er behandelt mich wirklich sehr gut. Es ist wie eine Erlösung, wenn ich an die Zeit davor denke. .. Sind wirklich alle Aurelier so?"


    Cimon konnte das kaum glauben aber die Hoffnung war deutlich aus seiner Stimme zu hören. Es tat ihm so gut, einfach über dies zu reden. Einfach nur reden. Etwas was seine Mutter manchmal gemacht hatte. Bis...bis es sehr hart bestraft wurde. Und da eine Lupa nicht beschedigt werden konnte war es nur natürlich das es ihn traf.


    So viele Bilder gingen durch seinen Kopf. Er war unglaublich dankbar, wusste es aber nicht in gute Worte zu fassen. Er sah sie an und wusste nicht ob sie es sich denken konnte, ob es sie interessierte. Doch er schluckte bitter seine Bedenken hinunter bevor er sich dazu durchring, ihr zu offenbaren, was ihm so schmerzte. Seit Ursus ihm erlaubte, nein sogar in seiner übermenschlichen Güte befohlen hatte, gute Kleidung zu tragen, die seinen Körper bedekte, hasste er es mehr denn je sich zu zeigen. Doch er nahm langsam mit der freien Hand den Ärmel des anderen Armes und zog diesen herauf.


    Schlimme Vernarbungen waren zu sehen, die wie Vorboten für grausameres wirkten. Cimon zog den Stoff bis zum Ellenbogen hoch und sah Caelyn nur stumm an. War es zu viel? Würde sie ihn auslachen, weil sie schlimmeres erlebt hatte? Cimon wusste es nicht einzuschätzen, vermutete aber das sie niemals derartig bestraft worden war. Sogar mit Messer und Feuer hatte man ihm so einiges angetan. Dinge die er nicht in Worte fassen konnte. Aber es kam nun alles an die Oberfläche. Warum jetzt? Warum zu einem Zeitpunkt da es ihm doch gut ging? Er wollte Caelyn nicht mit seinen Problemen behelligen, doch sie war ein so lieber Mensch. Sie war hier. Und er fühlte sich so unglaublich leer.

  • Mir schwante, nicht das richtige gemacht zu haben. Es wäre doch vielleicht besser gewesen, ihn erst einmal allein zu lassen. Die Reise und dasalleswaren doch ganz schön anstrengend gewesen.
    Cimon konnte irgendwie nicht gut mit Körperkontakt umgehen. Aber mal ganz ehrlich, hätte ich das damals gewollt, als ich neu war? So wie mich mein damaliges Leben geformt hatte, so hatte auch Cimons Leben in geformt und ihn zu dem gemacht, was er jetzt war.
    "Also die Aurelier, die ich kenne, schon." Aber ich hatte ja keine Ahnung, was in der Zwischenzeit alles passiert war. Es wäre jetzt nicht besonders geschickt gewesen, ihm das zu sagen. Was ich mich aber die ganze Zeit fragte, war, welche schlimmen Erlebnisse er gehabt hatte, um so zu werden. Sklaven wie ihn hatte ich nur ganz selten getroffen, die so demütig und ergeben waren, wie er. Die alles was sie taten und sagten, nur auf ihren Herrn projizierten und niemals an sich selbst dachten. Das konnte ich alles nicht richtig erfassen und verstehen.
    Plötzlich schob er einen seiner Ärmel nach oben bis zum Ellenbogen. Die schwarze Haut seines Unterarms kam zum Vorschein. Bei genauem Hinsehen erkannte ich Narben. Nicht nur eine Narbe, es waren ganz viele. Wenn sein ganzer Körper so aussah, dann musste er die schrecklichsten Grausamkeiten erlebt haben, die ein Mensch einem anderen antun konnte. Ich schluckte erst ein paar Mal, bevor ich etwas sagen konnte. "Was.. von was ist das? Die Narben? Wer… wer hat das gemacht?" So was hatte ich noch nie gesehen. Jedenfalls nicht so viele Narben auf einmal. Ich begann Cimon mit anderen Augen zu sehen und verstand langsam, wieso manches war, wie es war. "Willst du mir´s erzählen? Ich hör dir gern zu!" Ich hatte die ganze Zeit meine Hand auf seiner gelassen, weil ich glaubte, ein bisschen Wärme könnte helfen.

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