• Das Bad war wirklich nötig gewesen. Ursus hatte es genossen, den Luxus dieses Hauses nutzen zu können nach den Strapazen der Herreise. Inzwischen hatte er erfahren, daß der Leichnam seiner Schwester noch nicht eingetroffen war. Und er war sich nicht sicher, ob er das nun gut oder schlecht finden sollte. Einerseits wollte er sich richtig von ihr verabschieden. Andererseits konnte er sich so einreden, daß alles vielleicht nur ein schrecklicher Irrtum war.


    Nachdem er bequeme Kleidung angezogen hatte, machte er es sich im Tablinum bequem. Natürlich hoffte er, daß der eine oder andere der Familie zuhause war und kommen würde, um ihn zu begrüßen. Ein Sklave hatte ihm Wein und etwas Obst gebracht.



    Edit: Fehlerteufel


    Sim-Off:

    Wer mag?

  • Eigentlich hatte ich nichts Explizites im Sinn gehab. Um ehrlich zu sein, hatte ich sogar Langeweile. Draußen regnete es, man konnte also auch nicht Zerstreuung im Garten finden, so wie ich es im Sommer über gerne getan hatte. Zum lesen fehlte mir die Muse und für häusliche Tätigkeiten hatte ich noch nie viel übrig gehabt.
    Ich streunerte durch die Gänge der Villa, um gelangweilt den Sklaven bei ihrer Arbeit zu zusehen und sie gelegentlich zu ermahnen, dabei von Dingen zu sprechen, von denen ich eigentlich keine Ahnung hatte. Aber auch diese Art des Zeitvertreibs war auf Dauer sehr ermüdend.


    Es lag eine bedrückende Schwere in der Stimmung all derer, die die Villa Aurelia ihr Zuhause nannten. Der Tod Minervinas hatte wohl jeden sehr getroffen, gleich ob es sich um Herrschaften oder Sklaven handelte.
    Mir war sie eine gute Freundin gewesen und mein erster Kontakt zur aurelischen Familie, als ich damals nach Rom gekommen war. Wie schrecklich war doch da die Nachricht von ihrem Tod! So jung. In der Blüte ihres Lebens.


    Als ich am tablinum vorbei kam, bemerkte ich, daß die Tür einen Spalt weit offen stand. Vielleicht war Marcus schon zurück. Wir hatten uns schon eine Ewigkeit nicht mehr gesprochen. Ich vermisste die Nachmittage, an den wir uns einfach nur uns selbst Zeit nahmen. So wie vor der Hochzeit.
    Kurz entschlossen öffnete ich die Tür und trat ein.
    "Marcus, bist du schon da?" Nein, er war es nicht. Es war Titus, Minervinas Bruder und Neffe meines Gatten.
    "Oh, Titus! Entschuldige bitte. Darf ich eintreten? Ich wußte gar nicht, daß du da bist."

  • Ursus hatte einen Brief seines Gutsverwalters zur Hand genommen, um nicht ganz so unbeschäftigt auszusehen, wenn jemand hereinkam. Als jemand zur Tür hereinkam und nach Marcus fragte, schaute er auf. Seine Tante, wenn man es genau nahm. Sie als solche zu betrachten, fiel Ursus allerdings mehr als schwer. "Salve, Celerina. Das konntest Du auch gar nicht wissen, ich bin ja eben erst angekommen. Komm doch herein und erzähle mir, wie es Dir geht. Und allen anderen. Marcus ist noch unterwegs, hat Leone jedenfalls vorhin behauptet." Er machte eine einladende Geste. "Möchtest Du mir nicht helfen, diese Riesenmenge an Obst niederzumachen?" Ihre Gegenwart würde ihm bestimmt helfen, seine eigene gedrückte Stimmung zu verdrängen. Und wo steckte eigentlich der Rest der Familie? Die konnten doch bei dem Wetter nicht alle in der Stadt unterwegs sein?

  • Ich kam wahrscheinlich ungelegen. Ursus hatte sicher einiges zu tun. Jedenfalls beschäftigte er sich gerade mit einem Schriftstück. Doch ich folgte seiner Einladung und trat näher, nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen hatte.
    Ein gedrücktes Lächeln kam mir nur über die Lippen, als ich auf einem der Stühle Platz nahm. Mir viel gleich der große Obstkorb auf. Leckere pralle Trauben neben rotbäckigen Äpfeln und hinreißenden Pflaumen, die nur darauf zu warten schienen, bis man ihre Süße auf der Zunge genoß. Natürlich stürzte ich mich nicht gleich auf die süßen verführerischen Früchte. Obwohl es mir bei diesem herrlichen Anblick schwer fiel. War ich doch dem Obst, gleich welcher Sorte verfallen.
    "Oh, danke. Mir geht es gut. Wirklich! Ich habe mich gut eingelebt und die Ehe scheint mir auch gut zu bekommen." Ich deutete auf meinen Bauch, was er, wie mir im Nachhinein erst einfiel, hoffentlich nicht misßverstand und glaubte ich sei in guter Hoffnung. Nur hatte ich feststellen müssen, daß ich seit der Hochzeit einiges an Gewicht zugenommen hatte. Unweigerlich mußte ich an Antonia denken, die seinerzeit das gleiche Problem plagte, bevor sie schwanger wurde.
    "Ja, das habe ich mir schon gedacht," seufzte ich, als er Marcus erwähnte. Doch ich wollte darauf nicht näher eingehen. Titus hatte genug Probleme mit sich selbst. Der Tod seiner Schwester mußte ihm doch schwer zu schaffen machen, obwohl er nun sehr gefasst wirkte. Ich traute mich nicht, ihn direkt darauf anzusprechen. Wenn er darüber reden wollte, würde er schon von sich aus anfangen, dachte ich mir.
    Schließlich griff ich nach einigen Trauben, die mir vom Obstkorb aus so verführerisch zugelächelt hatten. "Dabei helfe ich dir natürlich gerne!", meinte ich nur und kostete dann die süße Frucht.

  • Den Brief legte Ursus beiseite, als Celerina sich tatsächlich dazu entschied, ihm ein wenig Gesellschaft zu leisten. Er freute sich darüber. Gewiß würde sie ihn ein wenig ablenken, indem sie ihm erzählte, wie es der Familie so ergangen war. Ihre Äußerung, daß es ihr nicht nur ausgesprochen gut ginge, sondern ihr die Ehe gut bekam, war ja noch nicht weiter verdächtig. Doch als sie auf ihren Bauch deutete, konnte dies tatsächlich nur eines bedeuten: Daß sie schwanger war! Und da ließ Marcus sie auch nur einen einzigen Augenblick allein?


    Ehrliche Freude ließ seine Miene erstrahlen, für einen Augenblick vergaß er tatsächlich seine Trauer. "Das ist ja wunderbar! Ich bin wirklich froh zu sehen, daß das Leben auf so schöne Weise weitergeht! Marcus muß ja ganz aus dem Häuschen sein vor Freude. Ein Wunder, daß er Dir keine ständige Begleitung aufgenötigt hat." Er vermutete jedenfalls, daß er selbst so handeln würde, wenn er eine Frau hätte, die sein Kind unter dem Herzen trug.


    Ein Leben entstand, ein anderes endete. Ein natürlicher Kreislauf. Wenn es nur nicht so furchtbar schmerzhaft wäre, jemanden zu verlieren. Und Minervina war doch wirklich noch nicht drangewesen, so jung, wie sie gewesen war. Gedanken, die ihn geradezu überfluteten. Ohne daß er die Möglichkeit auch nur ins Auge faßte, sie mißverstanden zu haben.

  • Ich war eben von einer Tempelbesichtigung gekommen und beim Hereinkommen wie immer Leone über den Weg gelaufen. Während der letzten paar Tage hatte ein fragender Blick genügt, doch Leone hatte stets den Kopf geschüttelt, wenn ich ihn stumm gefragt hatte, ob Minervinas Leichnam während meiner Abwesenheit eingetroffen war. Heute aber öffnete er mir die Tür und strahlte mich an. Ursus hatte den Weg nach Hause gefunden und befinde sich im tablinum, teilte er mir mit. Ich reichte ihm meinen Umhang und machte mich auf, um ihn zu begrüßen. Es war ein gefühlt langer Weg, auf dem ich dennoch nicht genug Zeit hatte, um mir die passenden Worte zurechtzulegen.


    Im Raum saß bereits meine Frau. Zwischen ihnen stand ein ansehnlicher Obstteller. Und wider Erwarten strahlte Ursus förmlich. Dieses Lächeln brachte mich vollends aus dem Konzept, so dass ich auch die spärlichen Worte vergaß, die mir auf dem Weg hierher eingefallen waren. Ich blieb in der Türöffnung stehen. "Titus. Wie schön, dass du zu Hause bist", sagte ich, und für meinen Geschmack klang es etwas zu aufgesetzt, obwohl es ganz bestimmt nicht so gemeint war. Mich irritierte nur das Lächeln auf seinen Zügen, wo doch eigentlich tiefe Trauer stehen sollte. Ich gab mir einen ruck, stieß mich ab und ging auf meinen Neffen zu, um ihn zu umarmen.

  • Diese Trauben waren einfach vorzüglich! Ich konnte mich gar nicht daran satt essen. Besonders die Trauben aus Kampanien vom flavischen Landgut mundeten mir am besten. Nicht nur der Wein, der daraus hergestellt wurde, war exquisit, auch die Früchte selbst eigneten sich vorzüglich zum Verzehr. Diese hier konnten sich damit durchaus messen lassen. Doch beinahe hätte ich mich an einer der Früchte verschluckt, als Titus das Leben erwähnte, welches auf diese Weise weiterginge. Nun steckte ich aber wahrhaftig in der Zwickmühle! Warum nur hatte ich auch diese unüberlegte Bemerkung gemacht. Doch nun das Gegenteil zu behaupten, fand ich auch äußerst unpassend, angesichts des Verlustes, den Titus hatte hinnehmen müssen. Zumal ihn diese Vorstellung für einen kurzen Moment seine Trauer vergessen ließ. Ach herrje! Wie kam ich den nur wieder aus der Nummer heraus?
    "Äh ja… Das Leben geht weiter!" meinte ich schließlich verlegen. Jetzt hätte eigentlich nur noch Marcus gefehlt, um das Missverständnis komplett zu machen.
    Die Götter schienen mir heute nicht hold zu sein! Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, hörte ich auch schon Schritte und wenig später die Stimme meines Mannes. Das war in der Tat ein wenig viel des Guten. Still seufzte ich in mich hinein und schloß kurz meine Augen. Dann wandte ich mich mit einem Lächeln zu Marcus hin um ihn zu begrüßen.
    "Salve Marcus! Titus ist eben erst angekommen." Eigentlich wäre dies nun die geeignetste Gelegenheit gewesen, den Rückzug anzutreten. Die beiden Männer hatten bestimmt einiges zu bereden, nicht zuletzt die Beisetzung Minervinas. Und diese Gelegenheit hätte ich so gerne ergriffen, hatte da nicht diese dumme Bemerkung im Raume gestanden. Allerdings hatte ich auch nicht das Bedürfnis, zugegen zu sein, wenn Titus auch nur ein Wort über meine vermeidliche Schwangerschaft verlor. Wohl oder übel blieb ich sitzen und mir wurde heiß und kalt zur gleichen Zeit.

  • Von dem Dilemma, in dem Celerina nun steckte, bemerkte Ursus eher nichts. Er interpretierte ihr Verhalten als Verlegenheit, vielleicht war ihr das Thema noch ein wenig sehr intim, da sie sich kaum kannten. Daß er vollkommen falsch lag, kam ihm nicht in den Sinn. Vielleicht auch, weil er sich so sehr wünschte, daß eine neue Generation von Aureliern heranwuchs, wo doch die Familie in den letzten Jahren so viele herbe Verluste hatte hinnehmen müssen.


    Schon setzte er dazu an, ihr ein paar beschwichtigende Worte zu sagen, um ihr zu verstehen zu geben, daß er ihr nicht hatte zu nahe treten wollen. Doch dazu kam er nicht mehr. Corvinus kam nach Hause und betrat das Tablinum. Ursus erhob sich und trat auf seinen Onkel zu. "Salve, Marcus." Auch Ursus breitete die Arme aus, um seinen Onkel zu umarmen. Immerhin hatten sie sich seit Monaten nicht gesehen. Trotz mancher Spannungen waren sie eine Familie und mochten sich grundsätzlich gern.


    "Ich freue mich so für Dich, Marcus. Das war die schönste Nachricht, die es geben konnte in dieser für uns so dunklen Zeit. Es kommt mir fast wie ein Wunder vor, fürchtete ich doch schon, die Götter hätten uns ihren Rücken zugewandt. Du bist sicher ganz aus dem Häuschen vor Freude? Bestimmt trägst Du Deine Frau auf Händen." Selbst für Ursus, der durchaus zu Redseligkeit neigte, war dies ein ziemlicher Wortschwall. Vielleicht gerade weil er in der letzten Zeit eher schweigsam und in sich gekehrt gewesen war.

  • Schultern wurden geklopft, Celerina erhielt einen Wangenkuss, dann nahm ich neben meiner Frau Platz, lehnte mich nach vorn und zupfte eine Hand voll Weintrauben von der Rebe in der Obstschale. Ich hielt sie in der hohlen Hand und ließ eine davon in meinen Mund rutschen. Schon wollte ich fragen, wie es Ursus ergangen war, ihm mein Beileid aussprechen, da strahlte er mich regelrecht an und...gratulierte mir? Skeptisch zogen sich meine Brauen zusammen. Warum sollte ich Celerina auf Händen tragen? Und wieso freute er sich für mich? Und warum, zum Henker, war er so fröhlich, wo doch seine Schwester gestorben war?


    Dann, als ich hinter das stieg, was er mir damit sagen wollte, zuckten meine Augenbrauen hinauf zum Scheitel. Gleichzeitig verschluckte ich mich an der Traube, die ich eben in den Mund gesteckt hatte. Entgeistert starrte ich meinen Neffen an, dann meine Frau. Ein recht unintelligentes "Ähm..." entwich mir, ehe dass ich es verhindern konnte. Dabei sah ich Celerina an. Die Frage stand in roten Leuchtlettern auf meiner Stirn, es bedurfte wohl keiner lauten Aussprache. Gleichzeitig fragte ich mich, wie es dazu hatte kommen können. Ich hatte seit der Hochzeitsnacht nicht bei ihr gelegen, und sie hatte schließlich verneint, als ich sie neulich auf eine eventuelle Schwangerschaft angesprochen hatte. Einen dementsprechend großen Kloß hatte ich plötzlich im Hals. Sollte das stimmen, war es nicht meines. Ich merkte, wie mir langsam, aber sicher der Kamm schwoll, während die Zeit langsam und zäh wie nordischer Bienenhonig dahintröpfelte, bis Celerina schließlich etwas sagen würde.

  • Na Bravo! Jetzt saß ich aber gehörig in der Klemme! Kaum hatte Titus seinen letzten Satz beendet, war es kaum vermeidbar gewesen, nicht zu Marcus zu schauen und zu erröten. Dieser reagierte lediglich mit fast sprachloser Irritation. Nur ein Ähm konnte er hervorbringen, was in seinem Fall wohl nicht verwunderlich war. Gerade erst kürzlich hatte ich doch das Gegenteil behauptet. Nun war es ausgerechnet sein trauernder Neffe, der ihm seine Glückwünsche entgegenbrachte. So fühlte ich mich gleich doppelt schuldig. Nicht nur, weil ich Anlaß zur falschen Spekulation gab, nun hatte ich auch noch den armen Titus in Verlegenheit gebracht, demjenigen, dem ich eigentlich hätte Trost spenden sollen.
    Es bedurfte keiner großen hellseherischen Fähigkeiten, um herauszufinden, was wohl genau in diesem Moment in Marcus´Kopf vorging. Selbst äußerlich war eine gewisse Veränderung festzustellen. Nur noch wenige Atemzüge und er würde explosionsartig in der Luft zerbersten. Alleine schon die bildliche Vorstellung dieses Gedankens versetzte mir ein noch schlechteres Gewissen.
    "Mein lieber Titus," begann ich schließlich lächelnd, um Aufklärungsarbeit zu leisten. "Ich glaube du hast mich da etwas falsch verstanden. Als ich sagte, mir bekommt die Ehe gut, da meinte ich, äh.." Tja, wie drückte ich es am besten aus?
    "Nun, ich habe leider etwas zugenommen, was ich aber bestimmt bald, mit gezielten Übungen versteht sich, wieder herunter bekomme!", meinte ich hoffnungsvoll, merkte aber schnell, daß dies auch sehr ungeschickt ausgedrückt gewesen war, da mein lieber Gatte und ich doch bestrebt waren eine überschaubare Anzahl an Nachkommenschaft in diese Welt zusetzten.

  • Schon die Reaktion des Onkels ließ Ursus stocken. Hier stimmte doch etwas nicht! Marcus' Miene, die weit hochgezogenen Augenbrauen, der Blick, der Celerina traf, das alles verhieß nichts Gutes. Und Ursus war dieses Mal doch sehr sicher, daß er Marcus weder beleidigt noch sonst wie verärgert haben konnte. Sein Blick schweifte zu Celerina, die merkwürdig verlegen, vielleicht sogar unsicher wirkte. Noch bevor sie zu sprechen begann, war das Strahlen auf seiner Miene erloschen. Das erste, das seit der furchtbaren Nachricht dorthin gefunden hatte. Dann hörte er die Worte, die er gar nicht hören wollte. "Oh", war das einzige, was er vorerst hervor brachte.


    Mit einem leichten Plumpsen ließ er sich auf seinen Platz zurückfallen. Verlegen griff er nach seinem Becher und füllte ihn mit verdünntem Wein. Dann fiel ihm auf, daß er unhöflich war. "Möchtet ihr auch etwas trinken?" Er griff nach weiteren Bechern, um sie den beiden anzubieten. Eine gute Möglichkeit, seine eigene Verlegenheit zu überspielen und nach Worten zu suchen, die ihn aus dieser Peinlichkeit herausbrachten.


    "Bitte entschuldige, Celerina. Du sahst so glücklich und zufrieden aus. Und als Du dann noch auf Deinen Bauch deutetest, habe ich das gründlich mißverstanden. Vermutlich war der Wunsch der Vater des Gedankens. Ich hoffe, ich habe damit nicht unbeabsichtigt in ein Wespennest gestochen?" Manche Frauen reagierten sehr empfindlich darauf, wenn man einige Zeit nach der Hochzeit auf die ausbleibende Schwangerschaft hinwies.

  • Avianus war den ganzen Tag unterwegs gewesen, Leute zu sprechen, mit denen er sprechen musste... er war gerade von den Thermen zurückgekehrt, wo er seinen Patronen gesprochen hatte, als Leone ihm mit glückseliger Mine erzählte, dass Ursus angekommen war. Avianus freute sich ehrlich über diese Tatsache und ließ die Freude ganz auf sich selbst abfärben, während er mit glückseligem Lächeln durch die Villa Aurelia striff und zielstrebig auf das Tablinum zuhielt. Er hatte sich nicht erst die Mühe gemacht, geeignete Worte zusammenzulegen, welche in der Wiedersehensfreude meistens untergingen und sich schon wieder so tief in das Gedächtnis verkeilten, dass sie nicht mehr herauszuholen waren. Nein, bevor in seinem Hirn auch nur irgendetwas nicht funktonierte, wie es soll und man ihm Irritation im Regelfall immer ansah, beschloss er, einfach alles auf sich zukommen zu lassen.
    Kurz vor dem Tablinum hörte er schon die Stimmen erschallen, geplaudert wurde rege und der junge Aurelier war wohl ein kleines Stück zu spät gekommen. Doch die Devise "besser spät als nie" konnte er in dieser Situation getrost anwenden.


    Vorsichtig spähte Avianus um die Ecke und verschaffte sich einen Überblick, wer schon da war. Corvinus, Celerina, der frisch angekommene Ursus und einen Teller voll mit frischem, lecker anmutendem Obst. Erst, als er im Bilde war, wer anwesend war, schoss er förmlich aus der Ecke hervor. "Salve, Marcus, Celerina", grüßte er rufend und hoffte, niemanden unterbrochen zu haben. Anschließend hielt er auf Ursus zu. "Titus! Es ist schön, dich wiederzusehen, nach so langer Zeit!"

  • Innerlich seufzte ich auf, als Celerina verneinte. Zugleich war ich etwas grantig - den armen Titus in einer solchen Situation, in der er sich befand, so vorzuführen! Ich schoss einen grollend-tadelnden Blick in Richtung meiner Frau ab, von dem ich hoffte, dass sie ihn wohl bemerken, er Titus aber nicht weiter auffallen würde. Auf seine Frage hin nickte ich nur und beobachtete ihn anschließend beim Einscheinken des verdünnten Weines. "Mach dir keine Gedanken, wir werden es einfach weiter versuchen, bis Iuno uns ihre Gunst gewährt", versicherte ich ihm dann freundlich. Ein peinlicher Moment des Schweigens entstand, in dem ich glaubte, Celerinas empörten - oder gar säuerlichen? - Blick auf mir ruhen zu spüren. Doch vergewisserte ich mich nicht der Tatsächlichkeit dessen, sondern sah weiterhin Ursus an.


    Glücklicherweise rettete dann Tiberius die Situation, indem er hinzu kam und höflich grüßte. "Na?" fragte ich, scheinbar gut gelaunt, den jungen Aurelius. "Setz dich doch zu uns. Titus wollte uns gerade erzählen, wie dröge und anstrengend der Dienst an der Waffe ist", scherzte ich halbherzig und zwinkerte Ursus dabei zu. Verstohlen sah ich danach zu Celerina. Es war mir gar nicht aufgefallen, dass sie etwas zugelegt hatte...

  • Titus war also zurück und musste tief betrübt getröstet werden. Vielleicht aber auch nicht, Orestes überlegte, ob sein Verwandter seine Trauer nicht eher im stillen Kämmerlein ausleben und in der Familie den starken Mann geben würde (auch um sich selbst und von sich selbst abzulenken). Dies hielt Orestes für viel wahrscheinlicher. Also betrat er das Tablinum und sah einen großen Teil der Familie (darunter auch Avianus, den er bisher nur kurz gesehen hatte) um eine Obstplatte versammelt. Die Stimmung war uneinschätzbar, die Mienen ebenso; nur: tiefe Trauer war es nicht.


    "Salvete, omnes, salve Titus!", sagte er deshalb ohne besondere Betonungen und ging auf den Rückkehrer zu um ihn zu begrüßen.

  • Dass Avianus gerade recht gekommen war, um davon abzulenken, dass jemand fast dabei gewesen wäre, in ein Fettnäpfchen zu treten, hätte er sich nicht denken können - wie denn auch, die freudigen Minen der hier Anwesenden verhießen doch eine lebhafte, freundliche Konversatione nach langer Phase der Abwesenheit von Ursus. Avianus, noch sichtlich die Wiedersehensfreude im Gesicht tragend, umarmte Ursus mit einem strammer Drücker, einem Rückenklopfen und ging anschließend mit dankendem Nicken dem Angebot von Corvinus nach, sich zu ihnen zu setzen.


    "So", sagte Avianus und nahm sich von dem Tisch eine schmackhafte Traube, "Dann tauschen wir uns doch darüber aus, was wir so bei den Soldaten erlebt oder auch angestellt haben." Sich die Traube in den Mund werfend, wartete er gespannt darauf, ob Ursus etwas zu erzählen hätte. Doch just in diesem Moment tauchte auch Orestes auf und füllte ihre kleine Runde, so, dass es von einer kleinen Runde zu einem ausgewachsenen Familientreffen auszuarten schien. "Salve, Orestes", grüßte Avianus freundlich einen seiner Verwandten, mit denen er seit der Wiederkehr aus Germanien weniger zu tun hatte. Vielleicht sollten sie dies ändern.

  • Zitat

    Original von Titus Aurelius Ursus
    Mit einem leichten Plumpsen ließ er sich auf seinen Platz zurückfallen. Verlegen griff er nach seinem Becher und füllte ihn mit verdünntem Wein. Dann fiel ihm auf, daß er unhöflich war. "Möchtet ihr auch etwas trinken?" Er griff nach weiteren Bechern, um sie den beiden anzubieten. Eine gute Möglichkeit, seine eigene Verlegenheit zu überspielen und nach Worten zu suchen, die ihn aus dieser Peinlichkeit herausbrachten.


    "Bitte entschuldige, Celerina. Du sahst so glücklich und zufrieden aus. Und als Du dann noch auf Deinen Bauch deutetest, habe ich das gründlich mißverstanden. Vermutlich war der Wunsch der Vater des Gedankens. Ich hoffe, ich habe damit nicht unbeabsichtigt in ein Wespennest gestochen?" Manche Frauen reagierten sehr empfindlich darauf, wenn man einige Zeit nach der Hochzeit auf die ausbleibende Schwangerschaft hinwies.


    "Oh a bitte!" Einen ordentlichen Schluck unverdünnten Wein war nun das Beste, was mir noch widerfahren konnte. Die Situation war so peinlich gewesen. Niemand konnte erahnen, wie gerne ich im Erdboden versunken wäre. Daß es nun ausgerechnet Titus war, der ohnedies mehr als gebeutelt war, erhöhte nur noch mehr mein schlechtes Gewissen. Dann bemerkte ich auch noch Marcus Blick, den er mir zuwarf. Ich war definitiv zur falschen Zeit am falschen Ort!
    "Ich muß mich entschuldigen, Titus doch…" Ich hielt plötzlich inne konnte meine Begründung nicht fortsetzen, als sich die Tür öffnete. Denn just in diesem Moment betrat ein weiterer Rückkehrer das tablinum. Der junge Tiberus Avianus! Wie lange war es her, seit unserer letzten Begegnung. An unserer Hochzeit hatte er noch in Germanien geweilt.
    "Salve Tiberus!" Eigentlich konnte mir sein Erscheinen nur recht sein. So stand wenigstens nicht mehr dieses dumme Missverständnis im Raum.
    Doch wo es ein Rückkehrer gab, da war ein zweiter nicht weit! Kurz darauf öffnete sich ein weiteres Mal die Tür und diesmal war es Manius Orestes, der eintrat.
    "Salve Manius!" So, nun gab es keinen Zweifel mehr daran. Der Fokus war nicht länger mehr auf mich und meine Bemerkung gerichtet. Wenn ich mich jetzt ganz ruhig verhielt, blieb das auch so.

  • Ursus füllte für Celerina den Becher, eine gute Möglichkeit, die peinliche Situation zu überspielen. Als Corvinus versicherte, daß sie fleißig 'übten', schaute er ihn an. "Ich wünsche euch, daß Iuno euch bald das Glück eines Kindes gewährt. Schade, daß es nur ein Mißverständnis war. Es wäre so schön gewesen. Gerade jetzt. Zu sehen, daß die Familie sich erneuert. Minervina hat so eine große Lücke hinterlassen. Niemand kann sie wirklich wieder füllen. Aber Kinder könnten dafür sorgen, daß man sie nicht mehr so spürt." Nun war die Traurigkeit, die Celerina, wenn auch eher aus Versehen, verscheucht hatte, wieder zurückgekehrt auf seine Miene.


    Die Tür öffnete sich gerade im richtigen Moment. Avianus schaute herein, ein Anblick, der Ursus gleich wieder aufmunterte. Er ging dem Vetter entgegen, um ihn herzlich zu umarmen. "Tiberius! Meinen Glückwunsch zur erfolgreichen Wahl! Ich hörte, Du hast ein enorm gutes Ergebnis erzielt! Wir können wirklich stolz auf Dich sein. Wie ist es Dir in Germanien ergangen?" Doch bevor irgendwer auf irgendeine Frage antworten konnte, immerhin hatte auch Marcus ihn aufgefordert, zu berichten, öffnete die Tür sich abermals. Die Überraschung stand Ursus ins Gesicht geschrieben. "Manius! Du bist auch wieder da!" Eine weitere Umarmung folgte. Alle waren sie hier. Fast alle. Wo waren eigentlich die Mädchen? Prisca und Laevina?


    "Bei mir war es kaum Dienst an der Waffe. Ich habe mein Gladius praktisch nur in der Hand gehabt, um es umzuschnallen. Da der Legat abwesend war, mußte ich ihn vertreten. Und hatte damit einen eng ausgefüllten Tag." Die Frage, die ihm eigentlich auf der Seele brannte, nämlich wann Minervina ankam, wagte er in dieser Runde nicht zu stellen. Gerade freuten sich alle über das Wiedersehen. Dies wollte er nicht verderben.

  • Völlig ungewahr dessen, dass manche Personen den Bevölkerungszuwachs im Tablinum auch aus ganz anderen Gründen als erfreulich abtun konnten, lauschte Avianus aufmerksam der Person, die eigentlich im Vordergrund stand. Es interessierte ihn sehr, wie Ursus seine Amtszeit als Tribun verbracht hatte, waren doch seine beiden Amtszeiten reich an Erfahrung gewesen, doch ebenso hart und unerbitterlich.
    Avianus war zufrieden mit seinem Ergebnis bei den Wahlen gewesen, auch wenn er genau wusste, dass mit dem Ruhm auch viel Arbeit und noch mehr Arbeitszeit verbunden sein würde. Doch es war für ihn ein Segen, die Quaestor ohne knappe Mehrheit erlangt zu haben, obwohl er erst kurz nach seiner Rückreise aus Germanien kandidiert hatte.


    "Die zwei Tribunate in Germanien waren gewöhnungsbedürftig. Der harte Soldatenalltag hinterlässt sogar einen Nachgeschmack... ich fühle mich stärker, seit ich zurück bin." Avianus konnte sich nicht erdreisten, sich selbst mit einem "gut" zu bewerten, sich aber auch nicht mit einem "schlecht" schlecht zu machen...
    "Es hat mir wohl gut getan. Die Erfahrung, welche ich mitgenommen habe, ist sehr wertvoll, mein Vetter!"

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