Finster war's der Mond schien helle

  • 'Non mortem timemus, sed cogitationem mortis.'
    Oft schon hatte ich darüber nachgedacht, was Seneca uns damit hatte sagen wollen. Fürchteten wir uns wirklich nur vor der Vorstellung Tod zu sein? Fürchteten wir uns, weil wir dann diese Welt verlassen würden und unseren Geliebten Menschen nie wieder so nah sein konnten, wie wir es nur als lebende, atmende Wesen sein konnten? Oder fürchteten wir uns nicht doch vor dem Akt des Sterbens? Vor dem Schmerz, den ein gewaltsamer Tod brachte? Vor der Hilflosigkeit, die eine langsam dahinschleichende Krankheit in uns hervorrief? Was war es, dass wir wirklich fürchteten? Und wie kam Seneca darauf eine solche Behauptung in den Raum zu werfen? Vor vierzig Jahren hätte ich ihn noch fragen können.. Aber andererseits, war ich damals noch zu jung um über den Tod nachzudenken..
    Aber jetzt, so kurz davor das Leben zu verlieren, ging mir eben jener Satz durch den Kopf. Nicht den Tod sondern die Vorstellung des Todes? Ich war mir nicht sicher, was ich wirklich fürchtete, ich wusste nur, dass ich mich in diesem Moment fürchtete. Aber hatte ich Angst vor dem Tod? Eigentlich nicht. Mein Leben war lang und erfüllt mit Freude und Leid, ich hatte vieles gesehen und vieles erlebt. Vielleicht hatte ich sogar ein erfüllteres Leben als viele meiner Mitmenschen. Hatte ich also überhaupt einen Grund den Tod zu fürchten? Nein, definitiv nicht. In diesem Moment fürchtete ich ihn nicht, sondern sehnte ihn mir eigentlich sogar herbei.
    Aber dennoch, die Furcht blieb. Fucht vor dem, was mit meinem Tod kam. War es richtig, was ich tat? War es mein Schicksal oder war es wider dessen, was der Webstuhl für mich bereithielt? Wäre es nicht mein Schicksal, wäre ich aber nicht in der Lage es zu tun, oder doch? War das Schicksal wirklich unabwendbar, oder konnte man es überwinden und sich aus der Hand der Götter befreien um sein Schicksal dem eigenen Willen zu unterwerfen? Ich wusste, ich wollte es tun und ich wusste, ich würde es tun. Aber was würde passieren? Würde es nach sich ziehen, was ich erhoffte, oder würden die Götter mir einen üblen Streich spielen und meine Familie dafür ins Verderben stürzen? Ich hoffte so sehr, dass es kommen würde, wie ich es mir wünschte, doch viel Einfluss hatte ich darauf ja nicht mehr. Ich hatte alles so vorbereitet, wie es sein musste und konnte nur hoffen. Und bald würde ich selbst das nicht mehr in der Form tun können, in der ich es nun noch tat.
    Doch abwenden konnte ich es nun nicht mehr. Es würde geschehen, so oder so, ob es gut enden würde, würde ich in dieser Welt nicht mehr erleben. Es würde geschehen, es musste geschehen. Fürchtete ich mich? Ja, das tat ich. Aber nicht vor dem Tod, sondern vor den Konsequenzen, die ich nicht beeinflussen konnte.
    Doch es musste sein.
    Ich würde es tun.
    Ich musste es tun.


    Ich hatte den Abend im Tempel der Tyche verbracht. Zuerst in Gesellschaft anderer Menschen, die hier waren Tyche zu verehren und zum Schluss allein, als alle anderen bereits den Heimweg angetreten hatten. Nun war es draussen dunkel, denn die Nacht war eingebrochen über Alexandria. Es war eine jener Nächte, in denen man die Sterne besonders klar sehen konnte und in denen der Geruch des Meeres noch intensiver durch die Strassen strich. Ich trat hinaus aus dem Tempel und blickte ein letztes Mal hinein. Ich stockte kurz, bevor ich mich dann vom Tempel entfernte um den Weg nach Hause zu beschreiten. Ich hatte es nicht sonderlich eilig und bewegte mich daher nicht sonderlich schnell.
    Langsam ging ich über die offenbar menschenleere Agora, als ich hinter mir Schritte vernahm, wie sie für Caligae typisch waren. Ich blickte mich um und sah mehrere Männer, die offenbar gerade aus dem Schatten des Tychaions getreten waren und mir nun, in einiger Entfernung folgten. Ich blickte wieder nach vorne und ging im gleichem Tempo weiter und hörte weiterhin die Schritte, die mir folgten.
    Dann jedoch hörte ich, wie sie schneller wurden und sich näherten. Ich blickte mich erneut um und erkannte nun, dass es sich bei den Männern tatsächlich um römische Männer handelte, deren Füsse in Caligae steckten und um deren Häften je ein Cingulum militare geschnallt war.
    Da es sich um Römer handelte lief ich auch weiterhin im gleichen Tempo weiter, denn es war in diesen doch ein wenig unruhigen Zeiten ja durchaus möglich, dass römische Soldaten eine einsame römische Dame eskortieren wollten.
    Doch diese Gedanken schwanden, als sie mich erreichten, denn die schwere Hand eines der Männer legte sich auf meine Schulter und zwang mich stehenzubleiben. Ich versuchte mich zu befreien, war der körperlichen Stärke jedoch unterlegen. Ich schlug um mich und versuchte jenen, der mich festhielt zu treten, doch der einzige Erfolg, der mir vergönnt war, war es ihm den Soldatengürtel abzureissen, der klirrend zu Boden fiel.
    Dieser kurze Moment des Triumphs wurde jedoch sofort unterbrochen, als ich spürte wie die kalte Klinge eines Pugios in meinem Rücken bohrte. Ich schrie auf und stöhnte bei dem Schmerz. Ohne es groß zu beabsichtigen formte mein Mund die Worte:

    Warum?
    Ich sollte sogar eine Antwort erhalten, denn einer der Angreifer sagte laut und deutlich Weil unser Praefect es so will. Du hättest dich nicht mit ihm anlegen sollen.
    Viel spürte ich nicht mehr, denn der Stoß mit dem Pugio war offensichtlich von einem geübten Kämpfer ausgeführt worden, jedoch merkte ich noch, wie einer der Männer meine Kleider zerriss, während das Leben aus meinem Rücken herauslief. Es war nun vorbei und ich hatte tatsächlich keine Angst vor dem Tod gehabt, doch dies würde niemand erfahren.


    Genauso wenig würde jemand erfahren, was hier in dieser Nacht tatsächlich passiert war. Zumindest nicht allzubald.
    Was man finden würde, war eine ermordete Römerin, noch dazu eine Würdenträgerin der Stadt, die mitten auf der Agora in ihrem eigenen Blut lag. Ihre Arme waren weit ausgestreckt, so dass die Position stark an jene erinnerte, in der ein Gekreuzigter sein Ende fand. Ihre zerfetzten Kleider gaben den Blick auf ihren Körper frei und in ihren Bauch waren die Worte 'HURE ALEXANDRIAS' eingeritzt. Das Fehlen größerer Blutmengen an ihrem Bauch deutete darauf hin, dass zumindest dies erst nach ihrem Tod getan wurde.
    Neben ihr auf dem Boden würde man einen römischen Militärgürtel finden und von der Blutlache fort führten die blutigen Abdrücke römischer Militärstiefel, die jedoch nach wenigen Schritten bereits verblassten.
    Die Wahrheit hinter all dem, nämlich, dass es sich bei jenen Römischen Angreifern nicht um Soldaten der hiesigen Legion handelte, die im Auftrag ihres Praefecten jemanden beseitigten, sondern lediglich um, vom Opfer selbst, angeheuerte Auftragsmörder in entsprechender Verkleidung, dass würden erst genauere Ermittlungen ans Tageslicht bringen.


    Sim-Off:

    Cyprianus: es war nett mit dir zu spielen. Ich hoffe dieser kleine Abschiedsgruß gefällt dir wenigstens ein Bisschen. :D

  • Der Optio hatte sich vorgenommen, von der Ports Solis im Osten der Stadt erst einmal die Hauptstraßen entlang Richtung Agora zu marschieren und dort Richtung Hafen abzubiegen, wo das Haupteinsatzgebiet der heutigen Patrouille liegen sollte.
    Weit waren sie jedoch noch nicht gekommen und obwohl seit Sonnenaufgang erst wenige Stunden vergangen sein durften, erreichten auf ihrem Weg den Meson Pedion, den zentralen Platz der Stadt, entlang bereits die ersten Gerüchte über das Ereignis der letzten Nacht ihre Ohren.
    Am südöstlichen Ende der Agora schließlich, dort wo sich Gymnasion und Theater gegenüberliegen, sorgte ein kundiger Hauptmann der Stadtwache dafür, dass aus den unheilvollen Gerüchten für die Römer Gewissheit wurde. Eine tote Römerin! Dazu wohl noch die einzige, die über die Grenzen der römischen Gemeinde hinaus in Alexandria Bekanntheit erlangt hatte. Und auch noch Hinweise, die auf eine Beteiligung römischer Soldaten hindeuteten? Palaemon mochte es kaum glauben.
    Jedenfalls genug Gründe dafür, dass alles Weitere unverzüglich in die Hände der römischen Garnisonstruppen überzugehen hatte. Palaemon überlegte einen Moment - er und seine Männer schienen die ersten Soldaten zu sein, die den Ort des Geschehens betraten - dann gab er seinen Leuten Anweisung: Ein Bote wurde zur Residenz des Statthalters geschickt, ein weiterer verließ die Agora umgehend in Richtung Nikopolis, um den Praefekten von dem Vorfall zu unterrichten.
    "Graeceius und Rufo! Findet heraus, wo man das Opfer hingebracht hat!" Die Stadtwächter würden sie wohl kaum am Fundort herumliegen lassen haben. „Dann sehen wir zu, dass wir einen Verteter der Stadt ausfindig machen.“ Der Septimier blickte sich schon einmal nach einem solchen um.

  • Thimótheos konnte und wollte es nicht glauben. Ein Mann von der Stadtwache hatte noch vor Sonnenaufgang beinah die Pforte seines Hauses eingetreten, um ihm die Schreckensnachricht zu überbringen. Eine weitere rhomäische Leiche in Alexandreia! Im ersten Moment hatte der Strategos bereits weitere Aufstände vor Augen gehabt. Ja, er sah sein schönes Alexandreia bereits in Flammen aufgehen! Hastig warf er sich seine Gewandung über und trieb dann den Stadtwächter grässlich fluchend vor sich her. Auf dem Weg zur Agora hatte er allerlei Ängste durchgestanden. Zunächst hatte er die Befürchtung gehabt, dass seine einstige Liebschaft Axilla umgekommen sein könnte. Dann glaubte er einen Anschlag auf die Gattin des Eparchos ermitteln zu müssen. Doch letztendlich verschlug ihm der Anblick der Toten Rhomäerin gänzlich den Atem. Es war Urgulania, die dort in ihrem eigenen Blut lag! Die Frau, die dem rhomäischen Praefektus Legionis die Stirn geboten hatte, die der hellenischen Oberschicht eines Amtes in der Polis würdig erschienen war, ja die allen Vorurteilen gegen die rhomäischen Besatzer entgegengewirkt hatte. Thimótheos war erschüttert bis in sein tiefstes Inneres. Wie konnte diese ehrbarste aller Frauen Alexandreias nur einem so feigen Mord zum Opfer fallen?


    Doch viel Zeit blieb ihm nicht. Nicht zum Trauern, nicht zum Nachdenken. Die Offiziere der Stadtwache wuselten bereits mit etlichen Helfern am Tatort herum und standen plötzlich allesamt mit fragendem Gesichtsausdruck vor dem Strategos, der sich einen Moment lang völlig überfordert fühlte. "Tyche steh uns bei..." murmelte er, bevor er sich straffte und in gewohntem Befehlston Anweisungen gab. "Männer, besorgt eine Bahre und bringt den Leichnam fort. Am besten..." Er hielt inne und blickte sich hilfesuchend um. "Dort hinein!" Sein Finger wies geradewegs auf das Heiligtum der Tyche. Ja, dort konnte man die weiteren Untersuchungen vorerst vor der Öffentlichkeit abschirmen und musste den Leichnam auch nicht zuerst hektisch durch die sich langsam füllenden Straßen transportieren. "Ich will ab sofort Wachen an sämtlichen Eingängen des Tempels! Es kommen nur Priester und Männer mit meiner Erlaubnis durch, bis ich andere Anweisungen gebe! Und sperrt die Agora vorerst für jegliches Gesindel! Keine Händler, keine Beamten, nichts!" Die Befehle unterstrich er mit hektischen Gesten und Zähnefletschen. Als er die Hälfte der Hauptleute weggescheucht hatte, griff er sich einen der übrigen und gab ihm weitere Anweisungen. "Lauf zum Museion und hol mir jegliche Ärzte und Chirugen her, die du auftreiben kannst. Sag, es geht um eine Obduktion. Los jetzt!" Er versetzte dem Mann einen Tritt in den Hintern, woraufhin dieser eilends davonrannte. Einen weiteren hetzte er auf ebenso eindringliche Art. "Bringt mir den Gymnasiarchos Kerykes her, aber zackig! Sonst reiße ich euch allesamt eigenhändig den Kopf vom Rumpf!" Dann erst gönnte Thimótheos sich einen eingehenderen Blick auf das Bild des Grauens.


    Die stolzte Iunierin lag am Boden wie gekreuzigt. Ihr anmutiger Körper war unbedeckt, das Kleid in Fetzen gerissen. Als sei dieser Anblick nicht genug, prangte eine ekelerregende Botschaft auf ihrem Bauch. 'HURE ALEXANDRIAS' stand dort in blutroten Lettern. Der Bantotake schnappte nach Luft, als Übelkeit in ihm aufstieg. Wer konnte so etwas nur tun? Welcher Unmensch konnte eine Frau wie Urgulania nur auf eine solche Art und Weise aus dem Leben reißen? Für einen unendlichen Augenblick verharrte Thimótheos in Trauer und Entsetzen und betrachtete das Opfer dieser Schandtat. Urgulania war eine schöne Frau. Trotz ihres Alters und ihrer vielfältigen Tätigkeiten sowohl in der Politik, als auch in der Wirtschaft, hatte sie eine Anmut und Eleganz besessen, von der viele andere Frauen nur träumen konnten. Hass und Zorn wollten den Strategos übermannen. Hass auf die Rhomäer, die solche Schandtaten begingen. Hass auf die Menschen, die hilflose Frauen grausam niederstachen und ihren Leichnam besudelten. Und Zorn ob seiner Hilflosigkeit, die er in diesem Moment empfand. Ruckartig wandte er sich zu den Männern der Stadtwache um und befahl schneidend: "Na los, holt ein Laken oder irgendetwas! Macht diesem Anblick ein Ende!" Die Soldaten hatten ebenfalls Tatenlos herumgestanden und ziemlich betroffen dreingeschaut. Nun rannten sie allesamt quer durcheinander. Bald war ein großes Leinentuch gefunden, das man schlichtweg einem frühen Händler abgekauft hatte. Die Bahre wurde herbeigeholt, der Leichnam darauf gebettet und Thimótheos geleitete die Tote mit seinen Männern ins Heiligtum der Tyche.



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    Während der Leichnam im Tychaion untergebracht wurde, sammelten Männer der Stadtwache bereits die Beweisstücke auf und inspizierten den Tatort genauer. Ebenfalls kamen Legionäre an den Ort des Geschehens, die Auskünfte verlangten. Einer der Hauptleute vor Ort ging auf den ranghöchsten anwesenden Offizier der Rhomäer zu, den er als Optio erkannte, und klärte ihn auf: "Chairre, Optio. Deine Männerr frragen nach den Leichnam von getöteten Rrhomäerrin." Der Hauptmann deutete auf den Tempel der Tyche. "Strrategos Thimótheos Bantotakis berreits gebrracht in Heiligtum von grroßarrtige Agathe Tyche. Du findest dorrt. Warrte, ich brringe dich hin. Befehl vom Strrategos ist: Nurr mit Errlaubnis betrreten, ja?" Ja, sein Latein war nicht das beste. Aber er konnte sich verständigen. Und so erwartete der Hauptmann, dass der Rhomäer soweit alles verstanden hatte. Er bedeutete, ihm zu folgen, und schritt dann eilig die Stufen des Tempels hinauf, wo er die Soldaten kurz aufforderte zu warten. "Ich hole Strrategos herraus, ja?" erklärte er knapp und verschwand im Tempelinnern.
    Wenige Augenblicke später kam er wieder heraus, gefolgt vom Strategos. Der wandte sich in bestem Latein an den Offizier. "Chaire Optio. Ich bin der Strategos. Gut, dass du hier bist. Hast du deinem Vorgesetzten bereits Nachricht geschickt? Und was ist mit dem Statthalter?" Thimótheos wirkte klar und rational, nachdem er wenige Minuten zuvor tief durchgeatmet hatte und sich im Gebet zu Tyche Mut zugesprochen hatte.

  • Noch ehe sich die Römer auf die Suche hatten machen können, waren sie ihrerseits bereits von den Männern der Stadtwache entdeckt worden. Offenbar hatten die Wächter umsichtig reagiert und sofort Maßnahmen ergriffen, um Ordnung und Sicherheit in der Metropole zu gewährleisten.
    Palaemon und seine Männer folgten dem Hauptmann mit der knarrenden Aussprache zum Kuppelbau des Tychaions und der Optio verbrachte die wenigen Augenblicke, die er auf das Erscheinen des Strategen warten musste, damit, über mögliche Auswirkungen dieses neuerlichen Unheils nachzudenken. In seiner Kindheit, als er noch nicht den Namen Septimius Palaemon geführt hatte, sondern als Tiridates durch die Straßen Alexandreias gezogen war, hatte er sich nur wenig um die sozialen und kulturellen Spannungen gekümmert, die seine Heimatstadt plagten. Und nun als römischer Soldat und sozusagen Mittelsmann zweier Welten konnte er immer noch wenig Verständnis für so manche Ereignisse aufbringen.
    "Unser Praefectus und der Statthalter werden unterrichtet, keine Sorge", antwortete der Optio dem Strategos, als dieser schließlich zu ihm trat. Zugern hätte sich Palaemon seiner Muttersprache bedient, doch wusste er, dass seine Kameraden in der Legion dies nicht gutheißen würden und so benutzte auch er die Sprache seiner zweiten Heimat.
    "Sag, stimmt es, dass die Iunia die Tote ist? Dann wirst du vielleicht verstehen, dass wir uns, was die weitere Vorgehensweise angeht, mehr als nur einmischen müssen." Dabei musterte Palaemon den Strategos und versuchte einzuschätzen, ob mit dem jungen Mann eine gute Zusammenarbeit möglich sein würde.

  • Appius hatte die Nachricht erreicht und er schickte sofort einen Boten los, der die Botschaft an den Optio weitergab:


    Salve Optio,
    Ein sehr unschöne Nachricht. Du bist mir persöhnlich für die ruhige Abwicklung der ganzen Sache verantwortlich! Arbeite wenn es sein muß mit der Stadtwache zusammen aber versuche die Ermittlungen in deiner Hand zu behalten. Sie war letztlich römische Bürgerin und keine Griechin. Halte mich auf dem laufenden und denke dran: Sei trotz allem nett zu den Einheimischen so möglich. Ein weiterer Aufstand muß momentan nicht sein.
    Ich erwarte von dir laufend bericht von der Sache Optio!


    Appius Terentius Cyprianus

  • Mit einem Nicken kommentierte der Strategos die Bestätigungen des Soldaten. Hoffentlich würde der Gymnasiarchos ebenso schnell hier aufkreuzen wie die hohen Tiere der rhomäischen Verwaltung. Mit tiefstem Bedauern bejahte Thimótheos daraufhin die Frage des Optios."Es ist wahr, die hochgeschätzte Eutheniarche Iunia Urgulania ist von Hades in seine Schattenwelt berufen worden." Und nach kurzem Räuspern setzte er mit beinah vorwurfsvollem Ton hinzu: "Sie wurde von rhomäischen Legionairen gemeuchelt, scheint's. Zumindest lassen die Umstände und die am Tatort gefundenen Cingula darauf schließen." Die nächsten Worte klangen jedoch versöhnlich und wohlüberlegt. "Ich kann es gerade deshalb auch nur befürworten, wenn Legion und Stadtwache in dieser Sache eng zusammenarbeiten."
    Ein Bote unterbrach sie, der dem Offizier ein Schreiben übergab. Thimótheos wartete geduldig und sah den Mann dann erwartungsvoll an. "Anweisungen?" fragte er knapp und blickte dem Boten nach, der sich wieder aus dem Staub machte.

  • "Wir sollten keine Mutmaßungen über Hintergründe der Tat anstellen, ehe wir zumindes etwas mehr Gewissheit haben. Und kein Wort nach draußen über eine mögliche Beteiligung römische Soldaten. Ich denke, wir haben grundsätzlich dasselbe Hauptinteresse: Die Ordnung in der Stadt aufrechtzuerhalten." An dieser Stelle hätte Palaemon nun noch hinzufügen können, dass er seine Hand für die Integrität seiner Kameraden ins Feuer legen würde; doch er beließ es dabei, wusste er doch selbst, dass die Legionen nunmal aus Soldaten bestanden, die so ziemlich jeden Befehl ausführen würden. Sich selbst wollte der Septimier dabei ausdrücklich nicht ausnehmen.


    Die Ankunft des Boten unterbrach ihre Unterhaltung. Der Optio überflog die Zeilen seines Praefecten und rekapitulierte dann kurz für sich selbst in Gedanken, welche Aufgaben es nun zu bewältigen galt: Den Mord an einer populären Prytanin und zudem römischen Bürgerin aufzuklären. Dabei kompromisslos vorzugehen, ohne allerdings Stadtwache und alexandrinische Bürgerschaft vor den Kopf zu stoßen. Und seinen Vorgesetzten stets auf dem Laufenden zu halten; einen Mann, der vielleicht mehr von der ganzen Angelegenheit wusste, als er vorgab. Na wunderbar! Tiridates hätte es einfacher haben können und sich nach seiner Zeit bei der Flotte eine zivile Beschäftigung suchen können. Aber daran durfte er jetzt nicht denken. Stattdessen antwortete er dem Strategen, ohne aber auf den Inhalt der Nachricht genauer einzugehen:
    "Ich möchte die Tote sehen. Aber zuerst würde mich noch etwas interessieren. Hast du eine Ahnung, was sie zu dem Zeitpunkt hier zu suchen hatte? Oder werden die Amtsstuben der Prytanen oft bis spät in die Nacht genutzt?" Unter künstlichem Licht von Kerzen und Öllampen war längeres Lesen und Schreiben nun einmal recht beschwerlich.

  • Vor den Absperrungen der Stadtwache:


    Unter denen, die sich in der Nähe des Schauplatzes eingefunden hatten, war auch Merula und drängelte sich zu den Wachen vor. Doch anders als die meisten anderen hier hatte er zumindest ein nachvollziehbares Interesse an dem Fall, das nichts mit Sensationslust oder purer Neugierde zu tun hatte.
    Abgesehen von ihrer entfernten Verwandtschaft verband ihn zwar nicht viel mit Urgulania. Er kannte sie ja auch kaum. Doch als einziger momentan in Alexandria ansässiger Iunier war es wohl seine Pflicht, den Gerüchten auf den Grund zu gehen.
    "Gibt es eine Möglichkeit, zum Tempel vorgelassen zu werden?" fragte er einen der Stadtwächter, die den Zugang versperrten. "Ich bin Lucius Iunius Merula, ein Verwandter der Urgulania."
    Er holte einen dunklen Siegelring hervor, der das Wappen der Iunier zeigte und hielt ihn dem Mann hin. Das dieser sich davon beeindrucken ließ, war zwar unwahrscheinlich, aber vielleicht hatte Merula ja Glück.

  • Gaius war dem Optio als Führer der Patrouille immer zielstrebig gefolgt. Für ihn war die gesamte Situation Neuland, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass es sein erster regulärer Einsatz in Alexandria war und dieser direkt von Mord und Totschlag geprägt war. Immer wieder waren in den letzten Tagen und Wochen seiner Ausbildung Nachrichten des Aufruhrs in das Castellum vorgedrungen, doch konnte er die tatsächlichen Spannungen nur erahnen. Natürlich wurde er im Laufe seiner Grundausbildung auch über das Verhältnis der römischen Soldaten zu den zum Großteil griechischen Einwohnern der ägyptischen Provinzhauptstadt aufgeklärt. Man könnte es milde ausgedrückt als angespannt, wenn nicht sogar als unterkühlt bezeichnen, was sich beim Hafenvorfall vor einigen Wochen ja recht gut gezeigt hatte. Während der Optio mit einem Beamten der Stadtverwaltung sprach, hielt sich Graeceius im Hintergrund, war jedoch unweit des Optios positioniert und konnte somit dem entstehenden Gespräch lauschen. Auf Diskretion wurde anscheinend von beiden Seiten großen Wert gelegt, da beide versuchten einen erneuten Konflikt zwischen den römischen und griechischen Gruppierungen zu vermeiden. Wenn er das Gespräch bis zu dem Zeitpunkt richtig verfolgen konnten, sollten nun auch noch weitere Persönlichkeiten der Stadt, wenn nicht sogar der Provinzverwaltung hinzustoßen, um die Lage unter Kontrolle zu halten. Abwartend stand er in aufrechter Haltung beim Optio und wartete auf weitere Instruktionen.

  • Zitat

    Original von Lucius Septimius Palaemon
    "Wir sollten keine Mutmaßungen über Hintergründe der Tat anstellen, ehe wir zumindes etwas mehr Gewissheit haben. Und kein Wort nach draußen über eine mögliche Beteiligung römische Soldaten. Ich denke, wir haben grundsätzlich dasselbe Hauptinteresse: Die Ordnung in der Stadt aufrechtzuerhalten."
    [...]
    "Ich möchte die Tote sehen. Aber zuerst würde mich noch etwas interessieren. Hast du eine Ahnung, was sie zu dem Zeitpunkt hier zu suchen hatte? Oder werden die Amtsstuben der Prytanen oft bis spät in die Nacht genutzt?"


    "Wohl wahr, wir wollen keinen neuerlichen Aufstand provozieren. Meine Männer haben bereits Anweisung erhalten, keine Informationen nach Außen dringen zu lassen." Die nächsten Worte des Offiziers überraschten Thimótheos nicht. Er bedeutete dem Mann sogar, ihm zu folgen. So antwortete er, während sie das Heiligtum betraten. "Du kannst sie sehen, selbstverständlich. Aber die restlichen Soldaten müssen draußen bleiben." Je mehr Leute den scheußlichen Anblick der Toten zu Gesicht bekamen, desto mehr Leute konnten davon berichten. Und das wollte der Strategos nicht. "Die Priester berichteten mir, dass die Iunia noch zu später Stunde im stillen Gebet verharrte. Das ist durchaus üblich. Viele Beamte suchen nach getaner Arbeit die Tempel auf. Doch die Eutheniarche war offenbar sogar die Letzte, die das Tychaion verließ. Es muss schon zu sehr später Stunde gewesen sein."


    Zitat

    Original von Lucius Iunius Merula
    Vor den Absperrungen der Stadtwache:
    "Gibt es eine Möglichkeit, zum Tempel vorgelassen zu werden?" fragte er einen der Stadtwächter, die den Zugang versperrten. "Ich bin Lucius Iunius Merula, ein Verwandter der Urgulania."


    Der Stadtwächter musterte den Mann stirnrunzelnd, der ihn angesprochen hatte. "Ich habe Anweisung, niemanden hier durchzulassen," gab er stumpf zurück und warf einen Blick auf seinen Offizier, der nicht weit entfernt stand. Der hatte den Fragenden bereits erblickt und trat nun hinzu. Der Soldat erläuterte ihm knapp das Anliegen und die Herkunft des Mannes, was den Offizier jedoch genauso wenig beeindruckte wie den einfachen Stadtwächter. "Tut mir leid, wir haben Anweisungen zu befolgen. Du kannst vorerst nicht durch."

  • Merula sah ein, dass seinem Gesuch vorerst keine Aussicht auf Erfolg beschieden war. Er konnte es den Wächtern nicht verübeln, hätte er es an ihrer Stelle doch nicht anders gehandhabt. Er entschied sich also dazu, erst einmal abzuwarten und machte sich wieder auf den Heimweg.

  • Zitat

    Original von Thimótheos Bantotakis
    "Wohl wahr, wir wollen keinen neuerlichen Aufstand provozieren. Meine Männer haben bereits Anweisung erhalten, keine Informationen nach Außen dringen zu lassen." Die nächsten Worte des Offiziers überraschten Thimótheos nicht. Er bedeutete dem Mann sogar, ihm zu folgen. So antwortete er, während sie das Heiligtum betraten. "Du kannst sie sehen, selbstverständlich. Aber die restlichen Soldaten müssen draußen bleiben." Je mehr Leute den scheußlichen Anblick der Toten zu Gesicht bekamen, desto mehr Leute konnten davon berichten. Und das wollte der Strategos nicht. "Die Priester berichteten mir, dass die Iunia noch zu später Stunde im stillen Gebet verharrte. Das ist durchaus üblich. Viele Beamte suchen nach getaner Arbeit die Tempel auf. Doch die Eutheniarche war offenbar sogar die Letzte, die das Tychaion verließ. Es muss schon zu sehr später Stunde gewesen sein."


    Der Strategos schien an einer guten Zusammenarbeit mit den römischen Truppen interessiert, was dem Optio zumindest eine Sorge abnahm. Streitereien um Kompetenzen und Zuständigkeiten wollte Palaemon vermeiden - wenn auch nicht um jeden Preis.
    Bevor er zusammen mit dem Bantotakis das Tychaion betrat, raunte er dem Legionär Eprius Graeceius, den er als recht zuverlässig einstufte, noch einige Anweisungen ins Ohr: "Ich brauche eine Liste mit den Namen derjenigen Soldaten, die gestern im Einzugsbereich der Agora Patrouillendienst hatten. Und von denen, die sich aus anderen Gründen aus der Garnisonsstadt abgemeldet haben. Ein Schreiber des Lagerpräfekten wird sich sicher überreden lassen, mit den Informationen herauszurücken."
    Als ersten Schritt wollte der Septimier überprüfen, ob aktive Legionäre der XXII., die mit dem Dienst in der Stadt betraut waren, ihre Finger im Spiel hatten. Schwer genug; vor allem, solange die Rolle seines Legionspräfekten in der Angelegenheit nicht geklärt war.
    Schließlich wandte er sich wieder dem Prytanen zu und begleitete ihn in das Heiligtum.

  • Aufmerksam lauschte Gaius seinem Vorgesetzten bezüglich seines besonderen Auftrages. Dies traf sich gut, denn der Zutritt war den Soldaten nach den Worten des Strategos sowieso verwehrt. Wie anmaßend als einfacher Peregrinus römischen Legionären den Zutritt zu öffentlichen Einrichtungen zu verweigern, noch dazu im Mordfall einer römischen Bürgerin. Doch Graeceius wusste sich unterzuordnen und zeigte sich in dem Fall willig, vor allem aufgrund der Tatsache, dass Optio Palaemon sich nicht gegen den Vorschlag des Strategos sträubte. Mit einem leichten Nicken bestätigte Graeceius die Auftragsannahme.


    "Natürlich, Optio. Ich werde mich umgehend um die Beschaffung der Informationen kümmern."


    Eine gute Möglichkeit sich in Einzelarbeit zu beweisen, dachte Graeceius, als er sich in Bewegung setzte um zum Legionslager zurückzukehren. Natürlich wurde ihm bei der städtischen Station der Legio dafür ein Pferd zur Verfügung gestellt, um seinem Auftrag alsbald erledigen zu können.

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