[Vor der Casa Germanica] Herbstblätter und bunte Schneckenhäuser

  • Ein Schneckenhaus rollte über Straße, rollte und rollte und versank dann in einem kleinen Loch im Sand. Triumphgeheul ertönte, als ein schlaksiger junge Aufsprang und den anderen Kindern herausfordernd in die Augen sah. „Macht mir das mal nach! Das war der beste Wurf!“ grinste er und stemmte die Hände in die Hüften. „Ach sei still Lyso!“ erklang die Stimme von Primus, er war pummeliger und der erste Sohn von Caius Ludius Catus, einem reichen Händler. „Ich bin dran!“ meinte er dann und nahm ein rot gefärbtes Schneckenhaus aus einem kleinen Lederbeutel. Mit gerunzelter Stirn trat er an die Linie, welche sich etwa sieben Fuß von dem kleinen Sandloch entfernt lag. Für das Spiel brauchte man Geschick, ein gutes Auge und auch etwas Geduld. Ziel war es das Schneckenhaus in das Loch zu schnipsen. Vorsichtig legte der Junge das Haus auf die Startlinie, zielte und mit Geschick stupste er dann seine Schnecke an. Wie ein roter Wirbel rollte sie über den Sand und knapp vorbei an dem Sandloch. Enttäuscht sah er sich um, während Lyso hämisch lachte.
    „Mach dir nichts draus!“ meinte die kindliche Stimme Sabinas. Sie und ihre Freundin Alba hatten den Jungen angeschlossen und sahen ihnen bei ihrem Spiel zu. Die kleine Germanica drückte ihre Puppe an die Brust und lächelte dem Sohn des Händlers zu. Primus warf ihr einen finsteren Blick zu. Mädchen, dachte der bereits achtjährige Junge genervt. Aber er konnte Sabina nicht wirklich Böse sein, sie meinte es ja gut und hatte auch Recht. Kurz verbeugte er sich vor ihr linkisch.
    „Meine Dame, nun ist es an Dir uns armen Tölpeln zu zeigen wie es geht!“ lachte er. Sabina drückte ihre Puppe Alba in die Arme und nahm sie ein grünes Schneckenhaus. Wenig später gesellt sich ihr Haus zu dem von Lyso in das Sandloch. Sie klatschte übermütig in die Hände. Mit ihren fast sechs Jahren war Sabina schon recht geschickt und vorallem mit Spaß bei dem Spiel dabei.
    Das Spiel der Kinder auf der ruhigen Straße war natürlich nicht unbeaufsichtigt. Bia und die anderen Kindermädchen hatten einen aufmerksamen Blick auf ihre Schützlinge. Aber nebenbei tratschten sie natürlich eifrig.


    Sim-Off:

    Wer mag, darf den Kindern gern zusehen

  • "Hast du gehört, der alte Bock Caius hat es doch glatt geschafft seine Sklavin zu schwängern!“ „Ist nicht wahr, der ist doch bereits über siebzig Jahre alt. Bist du sicher? Es kann doch auch dieser Schmucke Leibwächter gewesen, Tatitus. Also mit dem würde ich mich ja auch vergnügen!“ kicherte Helena, sie war das Kindermädchen von Alba. „Aber der neue Leibwächter der Germanica ist auch nicht zu verachten!“ meinte sie süffisant und stupste Bia in die Seite. „Wie heißt der doch gleich?“ „Simplex!“ „Stimmt ja! Also den würde ich auch nicht von der Bettkante stoßen!“ meinte Helena und machte eine vulgäre Geste. „Du würdest für jeden gut gebauten Mann die Beine breit machen!“ erwiderte Mara trocken, sie war für Lyso verantwortlich. Eifrig steckten die Sklavinnen die Köpfe zusammen und stellten wilde Mutmaßung über die Größe bestimmter männlicher Körperteile. Immer wieder warfen sie aber kurze Blicke hinüber zu ihren Schützlingen, welche immer noch auf dem Boden hockten und in ihr Spiel mit den bunten Schneckenhäusern vertieft waren. „Du bist eine alberne Gans!“ sagte Helena schnippisch. Aber es stimmte schon, gegen ein wenig Vergnügen hatte sie nichts einzuwenden. „Sag mal Bia, von dem Fest zu den Fontinalien spricht ja halb Rom. Ist es wahr das sich der Praefectus urbi mit einer Dame verdrückt hat?“ wisperte sie. Auch wenn die übrigen Gäste nichts davon mitbekommen hatten, den Sklaven des Hauses entging nichts und da sich viele Mietsklaven im Hause herum getrieben hatten, war dies auch kein Geheimnis mehr, also zumindest innerhalb des Personals. Bia kicherte und nickte. „Das hat er!“ sie schauderte. „Aber mit dem würde ich nicht freiwillig ins Bett steigen... ich finde ihn unheimlich!“ gab sie zu. Zustimmend nickten die anderen Frauen. Unter den Sklaven gab es jede Menge Gerüchte über die Vorlieben des Praefectus.


    Alba und Sabina malten derweil Kästchen auf den Boden. In der Zwischenzeit heckten die beiden Jungen mal wieder einiges an Unheil aus. Sie hatten einen Straßenkater gefangen und banden dem Tier bunte Bänder an den Schwanz. „Lasst das!“ meinte Sabina und zupfte an Primus' Tunika. „Ihr tut ihm weh!“ fügte Alba hinzu. „Ach kommt schon, seit keine Gänse!“ meinte Lyso nur und ließ dann den Kater laufen. Fauchend rannte das Tier davon und die Jungen lachten übermütig. Missmutig verzogen die Mädchen ihre Gesichter. „Das war nicht nett!“ meinte Sabina, doch die Jungen fühlten sich nicht gescholten. Das war noch einer ihrer harmloseren Streiche.

  • Die Katze mit den Bändern sprang über die Mauer und lief an einer auf dem Rasen träumenden Marei vorbei. Leider war das Tier zu schnell, als dass sie es einfangen und von den Bändern befreien können. Neugierig blickte sie in die Richtung, auis dem das Tier gekommen war und näherte sich der Mauer.. dahinter hörte sie Kinderstimmen. Au fein! Sie hatte Lust zu spielen! Vorsichtig kletterte sie die Rankengitter hinauf und setzte sich mit den Beinen voran auf die Mauer. Beine baumelnd sah sie den malenden Jungen zu und entdeckte das Mädchen mit der Puppe. "Oh mann.. du hast eine schöne Puppe!" sprach sie geradeheraus das andere Mädchen an. Sie konnte von der Mauer runterklettern wenn sie wollte aber dazu war sie noch nicht bereit. "Ich bin Marei und wer seid ihr? Darf ich beim Kästchen hüpfen mitmachen?!?" Ein flehender Blick lag in Mareis Augen, welcher auch deutlich ihre Lust zum Spielen mit den fremden Kindern zeigte.

  • Nachdem Lyso und Primus mit dem Kater ihren Schabernack getrieben hatten, nahmen sie die Kreide auf und erweiterten die Kästchen auf der Straße. Alba und Sabina schauten ihnen einfach nur zu. Als dann eine fremde Stimme erklang hoben alle vier Kinder gleichzeitig den Kopf und musterten dann das neue Gesicht neugierig. Furchtsam drückte Sabina ihre Puppe etwas fester an die Brust. Ihre Mama hatte sie ihr geschenkt und sie war ihr größter Schatz. Langsam nickte sie. „Meine Mama hat sie mir geschenkt!“ erzählte sie und Bia nähte ihrer Puppe immer wieder neue Kleider. Das Kindermädchen musterte ebenso das fremde Kind kurz und befand es als Spielgefährten ungefährlich, von daher überließ sie es ihrem Schützling sich dem Marei anzufreunden oder auch nicht.
    „Nicht noch ein Mädchen!“ meine Primus, grinste aber breit um seinen Worten lügen zu strafen. „Spiel ruhig mit!“ forderte Lyso sie auf und winkte sie herunter. Alba und Sabina waren etwas schüchterner und zurückhaltender. „Also ich bin Lyso, der Pummel hier“, er stupste seinen Freund an, „das ist Primus und die beiden Mädchen sind Sabina und Alba!“ nacheinander deutete er auf sich und dann auf die Anderen.
    „Salve!“ sagte Sabina und taute etwas auf, sie schenkte Marei ein scheues Lächeln. Alba tat sich etwas schwerer neue Freundschaften zu schließen, überwand sich dann aber ebenso. „Spiel ruhig mit!“ meinte sie leise.
    „Wessen Tochter bist du? Wir haben dich hier noch nie gesehen!“ fragte Primus. „Bist du gerade hergezogen?“ fügte er hinzu. Eigentlich kannten sie alle Kinder aus der Straße. Marei musste also von daher gerade erst hergezogen sein mit ihrer Familie. Das sie ein Sklavenkind sein könnte darauf kam er nicht, denn fast alle Kinder trugen beim spielen nicht gerade die teuersten Kleider, sondern die zweckdienlichsten, damit sie auch mal dreckig werden konnten. „Wo ist dein Kindermädchen?“ fragte Sabina und sah sich suchend um. Sie war es gewohnt, dass alle Kinder beaufsichtigt wurden. Sie kannte es gar nicht anders.

  • Gleich vier Gesichter blickten sie an. Marei lächelte tapfer zurück, soviel Aufmerksamkeit! Von fremden Kindern! "Meine Mama hat mir nie eine Puppe geschenkt! Ein mit Stroh gefülltes Tuch mit zwei Knöpfen drauf, die die Augen sein sollten, war meine Puppe... oder vielmehr ein Geist. Richtig, ich bin ein Mädchen!" plapperte Marei drauflos und nickte jedem Kind bei seiner Vorstellung zu. "Hej!" Endlich traute sie sich von der Mauer runterzuklettern und stand asbald von der Gruppe neuer Spielgefährten. "Ich bin Marei und wohne in dem haus hinter der Mauer. Nein, ich bin nicht neu hergezogen, Wenn ich die Sonne sehen will, darf ich in den Garten gehen aber ansonsten nicht rausgehen." Sie sah Sabina mit schiefgelegtem Kopf an. "Kindermädchen? Nein, sowas brauche ich nicht. Ich kann gut auf mich aufpassen! Wozu brauchst du ein Kindermädchen? Ich kann mich alleine anziehen und waschen! Nur das Schuhe binden muss ich üben." Sie zog etliche Steine aus der Tasche ihres rotgelben Kleides und nickte zu den aufgemalten Kästchen rüber. "Wer fängt an? Jungen zuerst?"

  • Sabina sah das fremde Mädchen mit großen Augen an und drückte ihre Puppe noch etwas fester gegen ihre Brust. Da die vier Kinder mehr oder weniger in Reichtum aufgewachsen waren, konnten sie nicht nachvollziehen, wie es war, wenn man eben nicht alles bekam, was man haben wollte. Aber Sabina hing nicht aus diesem Grund an der Puppe, sondern weil ihre Mutter sie ihr geschenkt hatte und weil ihr Mama ja nicht mehr lebte.
    Lyso betrachtete nachdenklich die Mauer und überlegte fieberhaft wem es gehörte. Es war eigentlich eine große Villa. „Ist das nicht die Villa der Aurelia?“ fragte der Junge die anderen Kinder. Primus nickte eifrig. „So ist es!“ antwortete er. „Bekommst du denn keinen Ärger, wenn du den Garten verlässt?“ fragte Alba.
    Große Augen sahen Marei an, als sie sagte, sie brauchte kein Kindermädchen. „Du hast kein Kindermädchen?“ fragte Sabina erstaunt und warf Bia einen scheuen Blick zu. „Niemand der auf dich aufpasst?“ fügte Alba hinzu. „Anziehen und waschen kann ich mich allein!“ Zustimmend nickten drei weitere Köpfe. „Aber Papa macht sich immer Sorgen, wenn wir draußen spielen“, erklärte sie.
    „Ich fange an!“ sagte Alba und hob ein kleines grünes Schneckenhaus auf. „Wir gehen nach dem Alpabeet!“ sagte Primus. „Das heißt Alphabet!“ verbesserte Lyso.


    Bia musterte das fremde Kind aufmerksam und ahnte bereits, dass es sich um ein Sklavenmädchen handelte.

  • " Richtig, das ist die Villa Aurelia. Ärger? Wozu? Weil ich die Villa verlassen habe? Hmmm.. mhm... ich glaube nicht, dass ich ein Kindermädchen habe. Charis hat sehr viel zu tun. Aber wisst ihr.. da ist ein Mann, seine Haut ist ganz dunkel. das ist ein Nubier und der passt auf mich auf! Und er bringt mir das Schuhe binden mit Sprüchen bei!" beantwortete sie die Fragen eifrig und prahlte ein bisschen mit Cimon. Wobei sie aber nebenbei die Ohren spitzte, um rechtzeitig zur Stelle zu sein, wenn sie gerufen wurde. Marei hoffte, dass ihr Name ganz spät fallen würde.. am besten dann, wenn die Kinder heimgehen mussten.


    "Wieso macht sich dein Papa denn Sorgen? Ich finde, es ist ganz normal in der Nähe zu spielen. Was machen die alten Frauen da drüben?" Sie sah die Kinder nachdenklich an, dachte über das fremde Wort nach, welches sie gerade gehört hatte. "Alabett? Was ist das?" fragte sie und warf einen schwarz weiss gestreiften Stein in das erste Kästchen als sie an der Reihe war. Jedesmal wenn sie hüpfte, hüpfte auch der Saum ihres Kleidchen mit hoch. ihre Wangen röteten sich in diesem Spiel und man konnte ihr ansehen, wieviel Freude sie am Spiel mit den Kindern hatte.

  • Vier Kinder sahen das fremde Mädchen völlig verdutzt an. Sie waren verblüfft darüber, dass sie nicht wusste, warum ihre Eltern sich Sorgen machten, wenn sie draußen spielten. Sie waren so sehr daran gewöhnt, dass ihre Väter einflussreiche und vermögende Männer waren, dass sie sich kaum vorstellen konnten, dass jemand dieses Privileg nicht hatte. „Nun, mein Papa ist Senator“, erkläre Sabina, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt. Für sie war damit alles erklärt und auch völlig normal. Die Regel, dass sie niemals allein aus dem Haus gehen sollte, erfüllte sie immer und widersprach auch nicht. Noch konnte sie nicht alle Gründe ihres Vaters verstehen, aber sie fügte sich.
    „Wir haben auch einen nubischen Sklaven zu Haus!“ erklärte Pirmus und sah dabei zu, wie Alba über die Kästchen hüpfte. Der pumlige Junge verzog ein wenig das Gesicht. „Aber der ist echt widerspenstig, ständig macht er ärger.... meiner Vater muss ihn ständig bestrafen!“ kurz zuckte er mit den Schultern und tat dann jeden Gedanken an den Skalven ab. Als nächstes kam Lyso an die Reihe, er hüpfte ebenfalls in die Kästchen und hob unterwegs sein Steinchen wieder auf. „Die Schuhe kann ich mir schon lange allein zubinden!“ erklärte Alba und nahm Sabina ihre Puppe ab, den nach Marei und Primus wäre das andere Mädchen dran.


    Schlumeisterlich sah Primus dann Marei an. „Gehst du etwa nicht zur Schule? Lernst du nicht lesen, schreiben und rechnen?“ fragte er völlig verdutzt. „Das Alphabet, er betonte das letzte Wort etwas stärker, „lernt jedes Kind. Das sind die Buchstaben mit denen wir schreiben und lesen!“ fügte er hinzu.


    Kurz sah Sabina zu Bia herrüber. "Bia und die Anderen unterhalten sich!" meinte sie schlicht.

  • "Pfft.. ein Senator! Hinter mir wohnen ganz viele Senatoren in der Villa! Die kriegen beinahe immer eigentlich von anderen Senatoren Besuch und reden über wichtige Dinge. Wenn du mir deinen Papa beschreibst, Sabina, vielleicht entdecke ich ihn gar wenn er kommt."


    Marei musterte den Jungen namens Primus, der über den anderen Nubier sprach. "Ganz ehrlich? Unser Nubier ist ein gaannz lieber Mann! Der macht beinahe alles und hat bis jetzt noch nie Ärger bekommen. Und er stammt aus Mantua und aus einem fernen Land zugleich, wo die Sonne seine Haut ganz dunkel gemacht hat!! Sogar Cimons Mama soll genauso dunkel sein wie er!" erzählte Marei aus dem Nähkästchen was sie bis jetzt erfahren hatte.


    "Alba? Wer hat dir denn das Schuhe zu binden beigebracht? Sklave, Sklavin oder deine Mama?" Sie schüttelte den Kopf. "Ich gehe in keine Schule. Nein, ich kann nicht schreiben und lesen! Ich soll mir merken, was ich sagen soll und die Antworten im Kopf behalten. Oder eben von Haus zu Haus laufen und Botschaften abgeben oder hierher mitbringen. Das ist alles. Ohmann.. den ganzen Tag lesen und schreiben lernen.. neeee! Da laufe ich lieber raus und gehe arbeiten oder spielen."


    Das brünette Mädchen mit den grünen Augen und der Jungenfrisur warf einen skeptischen Blick zu den Erwachsenen. Marei sah, dass sie erneut dran war und hüpfte auf das zweite Kästchen. "Bestimmt überlegen die sich gerade, ob sie euch von mir wegrufen sollen. Ich bin nämlich eine eingekaufte Sklavin. Wetten, ihr würdet mich sonst gar nicht mal wahrnehmen?!?" Nun war sie neugierig auf die Reaktionen der Spielfreunde.

  • Sabina sah Marei wortlos an, dass sich das Mädchen so abfällig über den Beruf ihres Vaters äußerte, gefiel ihr gar nicht. Sie hatte nicht wirklich erwartet, dass Marei vor Ehrfurcht erstarren würde, aber ihr Tonfall war doch ziemlich respektlos und vor allem vorlaut. Dabei hatte sie doch nur auf die Frage des anderen Kindes geantwortet. Pikiert presste sie ihre Lippen auf einander. „Mein Onkel ist auch Senator“, sagte sie etwas trotzig nur um klar zu machen, dass ihre Familie hoch angesehen war. Irgendwie verspürte sie nun nicht die Lust Marei ihren Vater zu beschreiben, stattdessen nahm sie ihr Schneckenhaus wieder auf, warf es in eines der Kästchen und hüpfte drauf los.


    „Du glaubst doch nicht etwa ich würde Lügen?“ meinte Primus, als Marei nachfragte ob der Nubier bei ihm im Hause wirklich ärger machte. Leicht schüttelte er den Kopf, dieses Mädchen war wirklich merkwürdig. „Nubier stammen aus Afrika“, belehrte er dann Marei. „Das Land besteht zum Teil aus Wüste und dort ist es viel wärmer als hier. In Afrika leben auch Löwen und Elefanten.“ Er war stolz darauf, dass er so viel schon wusste. Sein Lehrer hatte es ihm beigebracht. „Und Mantua ist eine Stadt nördlich von Rom“, fügte er hinzu.
    Alba deutete auf das älteste Kindermädchen, welche bei Bia stand. Sie hieß Mara und hatte schon ihre älteren Brüder unterrichtet. „Helena hat mir das Schuhe binden beigebracht“, sagte sie schüchtern und warf Sabina einen kurzen Blick zu. Ihre Freundin schien nicht mehr mit dem fremden Mädchen reden wollen.
    Alle vier Kinder sahen Marei verwundert an, als sie erklärte, dass sie nicht zur Schule ginge. Das konnten sie sich gar nicht vorstellen, denn eigentlich musste jedes Kind lesen und schreiben lernen, zumindest ihre Spielgefährten, die sie kannten. „Schule ist wichtig“, sagte Lyso und zitierte damit seinen strengen Vater. „Damit ich später einmal seine Geschäfte übernehmen kann. Und dann werde ich die ganze Welt sehen.“
    „Du Dummerchen, wir lernen doch nicht den ganzen Tag“, lachte Primus. „Wir dürfen auch spielen und raus gehen“, verwundert schüttelte er nun seinen Kopf. Dieses Mädchen hatte ja gar keine Vorstellungen von ihrem Leben. „Und ich darf bereits mit einem Gladius üben“, prahlte Lyso stolz. „Ich will eines Tages zur Armee gehen. Wie mein Onkel!“ teilte er bereitwillig mit. Er tat so, als würde er mit einem Schwert herum fuchteln. „Ich werde gegen die barbarischen Germanen kämpfen!“ Der Junge verstummte augenblicklich, als Marei erklärte sie sei ein Sklavenkind. Das war an sich nicht schlimm, denn an besonders regnerischen Tagen spielte auch er mit den Kindern der Haussklaven. Das waren dann ebenso wilde Spiele. Aber dennoch war es etwas merkwürdig für sie.


    Bia musterte das fremde Mädchen wieder einmal kurz und zuckte dann mit Schultern. Solange es sich benahm und keine Gefahr für ihren Schützling bedeutete, würde sie sich nicht einmischen, ebenso wie die anderen drei Frauen.
    „Solange du dich benimmst, hast du nicht vor uns zu befürchten!“ grinste Helena breit und widmete sich dann wieder dem Klatsch und Tratsch Roms. „Ein Sklave der Aurelia… na wenn das Mädchen dort im Haushalt nicht für Wirbel sorgt, dann Fress ich nen Besen!“ kicherte Mara süffisant. Das Mädchen würde früher oder später schon noch lernen wo ihr Platz im Leben war. Das lernten am Ende alle. „Sie hat Glück nicht bei den Flaviern gelandet zu sein. Die sind ja für ihren Jähzorn bekannt!“ Leicht schauderte Bia, als sie gehört hatte, dass die Flavia erst kürzlich einen Sklaven gekreuzigt hatte. Das hatte alle Sklaven bedrückt. „Er soll selbst Schuld gewesen sein. Er war geflohen UND hat auch noch seine Herrin entführt!“ erklärte Mara wispernd.

  • "Also gut.. du hast auch zwei Senatoren zu Hause, das ist doch gut, finde ich." gab Marei zur Antwort und schaute Sabina beim Hüpfen zu.
    Sie sah Lyso mit zusammengezogenen Augenbrauen an. "Ich lüge nicht.. er hat es mir so erzählt! Das andere Wort Arika hat er mir nicht erzählt. Was ist Wüte? Was sind Elfanten und Öwen?" Marei sprach die Worte so aus wie sie sie zum ersten Mal gehört hatte. Nein, sie war nicht schwerhörig, aber es waren seltsam auszusprechende Wörter. "Mantua ist nicht weit weg von Rom? Achso.... woher soll ich das wissen?" gab sie ehrlich zu.


    Als sie hörte wieviel die Schule den Kindern beibrachte, fühlte Marei, wie eifersüchtig und neidisch sie wurde. "In der Schule spielen udn rausgehen? Geht das echt? Die Geschäfte deines Vaters übernehmen und die Welt bereisen? Nimmst du mich mit?" fragte sie mit einem kecken Augenzwinkern. Vielleicht sollte sie Lyso heiraten?!? Ein netter Gedanke! Der Junge schien außerdem Zugang zu Waffen zu haben. "Boff.. und wie ist es mit einem Gladius? Bestimmt besiegst du alle deine Gegner auf einen Streich." flötete Marei mit lieblicher Stimme und rückte ein bisschen näher zu Lyso. Gerne würde sie zu dieser Schule mitkommen "Wann müsst ihr denn aufstehen für die Schule? Und wo ist die denn? Seid ihr in der Schule zusammen?" Noch ein paar Fragen stellen musste sein.. dieses Thema 'Schule' war interessant. Das Hüpfspiel vergaß Marei nicht. "Bin ich dran, Primus? Alba, warst du schon?"

  • Sabina warf Marei einen kurzen durch dringlichen Blick zu und zuckte dann fast gleichgültig mit den Schultern. Sie wusste nicht so recht was sie von dem fremden Mädchen halten sollte.


    Lyso starrte hingegen Marei ungläubig an. Das Mädchen wusste ja fast gar nichts. „Afrika!“ verbesserte sie erst einmal. „Das ist ein Land. Eine Wüste besteht aus Sand, dort regnet es nur ganz selten, deswegen gibt es dort auch nur wenige Pflanzen. Warst du schon einmal im Kolosseum? Da kannst du Löwen und Elefanten sehen. Das sind Tiere. Löwen sind große Katzen mit einer Mähne“, er hob eine Stock auf und zeichnete ein solches Tier in den Sand. Daneben malte er dann auch gleich einen Elefanten. „Das hier ist ein Elefant. Sie sind so groß wie ein Haus und grau und haben einen Rüssel!“ belehrte er sie. Er war stolz darauf, so viel zu wissen.
    „Ich war noch nicht im Kolosseum!“ sagte Alba. „Aber mein Papa hat mich mal zu den Tiergehegen mit genommen und mir Löwen und Elefanten gezeigt!“ berichtete sie begeistert.
    Als Marei dann fragte ob Lyso sie einmal mitnehmen konnte, wenn er verreiste, zuckte er nur mit den Schultern. „Ich kann dir nichts versprechen“, erklärte Primus ihr. „Du bist eine Sklavin und dein Herr hat zu entscheiden wohin du gehst!“ erklärte er ihr dann. Er wusste schon ganz genau wo sein Platz in der Welt war und auch wo Marei stand. Er fühlte sich geschmeichelt als sie so beeindruckt war, weil er mit einem Holzgladius kämpfen konnte.
    „Mein Vater war Soldat“, mischte sich Sabina nun wieder ein. „Er hat gegen Barbaren gekämpft!“ fügte sie hinzu.
    „Wir haben Hauslehrer!“ erklärte Lyso. „Hin und wieder sitzen wir auch gemeinsam zusammen, aber jeder lernt etwas anderes. Mädchen lernen vor allem wie sie sich zu benehmen haben und wir Jungs lernen etwas über Politik!“ „Ich weiß auch schon was über die Politik!“ meinte Alba leicht schmollend und nahm dann ihr Steinchen auf. „Ich bin dran!“ erklärte sie kurzerhand und hüpfte dann wieder über die Straße.

  • Aufmerksam zuhörend hörte sie Lyso zu und bewunderte ihn geradezu für sein umfangreiches Wissen über Afrika und die dort lebenden Tiere. "Neeneenee.. im Kolosseum war ich noch nicht." gab Marei mit kleinlaut und ehrlich klingender Stimme zu. Sie betrachtete die in Sand gezeichneten Tiere ganz genau und bewunderte vor allem den Löwen. So eine große Katze! Die war ja noch größer als Celerinas Saba!! "So groß wie ein Haus? Wow..." staunte sie.


    "Tiergehege? Oh.. da bin ich auch nicht gewesen. Lyso, ich werde domina Celerina ganz sicher fragen, ob ich ausnahmsweise mit dir gehen darf. Du bist Sohn eines Sentors.." Ach, Marei träumte von der Zukunft.. wenn sie Lyso erst einmal geheiratet hatte.. dann.. Hachja! "Senator und Soldat zugleich? Dein Vater ist ein tapferer Mann! Hat er getötet?" Das ging doch gar nicht, fand Marei, aber in Sabinas Welt ging es doch. "Wow.. wie ist dieses 'sich benehmen'? Und Politik lernen?" Über diese vielen Informationen konnte man beinahe das Hüpfspiel vergessen.

  • Lyso machte es Spaß den Lehrer für Marei zu spielen. Sichtlich zufrieden mit sich betrachtete er die in den Sand gezeichneten Tiere, auch wenn es doch einiger Fantasie bedurfte um sich einen Elefanten oder einen Löwen vorzustellen. Man musste diese exotischen Tiere schon einmal gesehen haben um einen Eindruck zu gewinnen. „Die Tiergehege sind im Colloseum“, wusste Sabina zu berichten, da es ihr nicht wirklich gefiel, wie das Sklavenmädchen ihren Freund anhimmelte. Zumal er darüber ganz das Spiel vergaß. Da konnte sie auch gleich nach Hause gehen. „Mein Vater ist Beamter“, erklärte er Marei. „Aber bald wird er Senator!“ fügte er hinzu und zuckte dann leicht mit den Schultern. „Ich weiß nicht wann wir das nächste mal zu den Tiergehegen gehen. Eigentlich will mich mein Vater nach Griechenland schicken. Da kommen die besten Lehrer her. Aber ich will zur Armee!“ Sein Gesicht verfinsterte sich bei dem Gedanken, welche Zukunftspläne sein Vater mit ihm hatte. Aber noch würde er eh ein paar Jahre warten müssen, ehe er Alt genug war.


    Als sich Marei beeindruckt von ihrem Vater zeigte, strahlte das Mädchen. „Mein Vater war Soldat in Germanien!“ prahlte sie. „Aber dann wurde er verletzt und er kam nach Rom und nun ist er Senator!“ erklärte sie in kindlicher Schlichtheit. Das waren Tatsachen und sie hinterfragte es nicht. Noch nicht.


    „Benehmen heißt: Das man weiß was sich gehört. Das man freundlich zu jedem Gast ist und weiß wie man einen Senator anspricht!“ nun war es an Alba Marei zu erklären. „Politik ist nicht leicht zu erklären!“ mischte sich dann Primus besserwissererisch ein. „Politik hat etwas damit zu tun wie der Staat gelenkt wird. Das Gesetzte gemacht werden!“

  • "Na.. ins Collosseum werde ich nie und nimmer hinein kommen." meinte Marei traurig. "Oh.. du wirst nicht hier bleiben, weil dein Vater was Neues erreicht hat? Komisch... das ist fast wie bei uns Sklaven, wenn wir den Herren überdrüssig werden, werden wir verkauft." Sie wollte sowas eigentlich nicht sagen, aber ihr fiel dieser Vergleich nun mal ein. "Hmhm.. Armee, bestimmt wirst du ein guter Soldat."


    Sie wandte sich Sabina zu. "Boah.. da hast du aber Glück gehabt! Ich meine, seine Verletzung ist geheilt und er ist wieder gesund geworden. Dann ist er ein Held, dein Papa. Andere Papas, die gekämpft haben, hatten vielleicht nicht soviel Glück und deren Kinder stehen ohne Papa da." Marei nickte Alba zu, sie hatte sie verstanden. "Das Benehmen gibts auch unter uns, dass Sklaven wissen, wie man zu anderen Sklaven sein darf." Auch Primus steuerte eine Erklärung bei.


    Allmählich schwirrte Marei der Kopf. Sie hatte ziemlich viel erfahren und gehört. Alles zusammen, war reichlich Stoff zum Nachdenken. "Aha... fragt sich nur wie die Politik dann bei uns Menschen ankommt." Sie blickte zur Mauer, sio langsam musste sie sich wieder auf dem aurelischen Gelände blicken lassen. "Ich muss wieder zurück zum Herbstblätter zusamnmenfegen und wünsche euch ganz viel Spass beim Spielen! Vielleicht sehen wir uns anderswo wieder.. das wäre schön. Ihr seid nett!" Marei liess ihren Stein auf dem Spielfeld liegen und kletterte zurück, von wo sie gekommen war. "Vale!" Auf der Mauer winkte sie den Kindern zum Abschied und kletterte die Ranken runter.

  • Etwas betreten tauschten die vier Kinder Blicke aus, als Marei meinte, dass sie als Sklavin dem Willen ihrer Herren unterworfen war. Meist waren sie sorglos und dachten über solche Dinge nicht nach, aber da sie irgendwie Marei mochten, wussten sie nicht, was sie darauf sagen sollte. Doch auch ändern konnten sie nicht, schließlich waren sie noch Kinder und Sklaven gehörten für sie irgendwie zum Leben dazu. Von daher waren sie ganz froh, als Marei das Thema von allein wechselte. „Ich werde dann Tribun“, sagte Lyso im Brustton der Überzeugung. Es waren kindliche Träume, denn noch wusste der Junge nicht, was Krieg bedeutete.


    „Natürlich ist mein Papa ein Held“, sagte sie und verdrängte dann einfach die weiteren Worte des Sklavenmädchens. Wobei es sie doch ein wenig traf, denn sie hatte ja keine Mama mehr. Alba widmete sich wieder den bunten Schneckenhäusern.


    „Du musst schon gehen?“ fragte Primus ein wenig enttäuscht. „Wenn du magst, können wir ein anders Mal wieder mit einander spielen“, schlug er vor und vier Köpfe nickten eifrig. „Vale, Marei!“ riefen Sabina ihr zu und winkte. Dann war das Mädchen auch schon verschwunden. Noch eine Zeitlang spielten die vier Kinder auf Straße, ehe sie dann auch nach Haus mussten.

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