Feriae Latinae | Das große Finale

  • Caius Vibius Papus


    Nach und nach traten die Repräsentanten der einzelnen Gemeinden vor und brachten ihre Gaben dar. Natürlich durfte niemand ein so prestigeträchtiges Tier wie einen Stier darbringen, nur Lämmer, Käse oder Kuchen waren erlaubt. Die Reihenfolge der opfernden Gemeinden war seit Alters her festgelegt, sodass auch Vibius Papus, der Duumvir von Tibur, genau wusste, wann er an der Reihe war.


    Mit betont ernster Miene trat er vor. Seine Stadt gehörte zu den mittelgroßen Städten des Latinerbundes (oder hatte es zumindest in jener Zeit gehört, als dieses Fest eingerichtet worden war). Aus diesem Grund durfte es lediglich Käse darbringen, während Städte wie Lavinium auch Lämmer darbringen durften.


    Und so trug der Duumvir einen Käse vor sich her, als wäre er aus purem Gold und mit Edelsteinen besetzt, während er an den Opferaltar trat und mit lauter Stimme das uralte Gebet verkündete, das er nun schon einige Male gehört hatte, da lediglich die Opfergabe entsprechend eingesetzt werden musste. Um jedoch keinen Fehler zu machen, stand auch ein Priester bereit, der den Text einsagte:


    "Iuppiter Latiaris, Schutzherr der Latiner,
    der Du seit Jahrhunderten die Staaten der Latiner einst in einem heiligen Bunde,
    der Du das Kriegsglück stets auf unsre Seite wendest und uns Ruhm und Wachstum schenkst unter Führung der Res Publica der Quiriten!


    In jedem Jahr opfern wir Dir im Namen des gesamten Bundes hier an Deiner Wohnstätte,
    die wir ehren und bewahren seit vielen Generationen, einen Käse, das Dir gefällige Opfer unserer Stadt.
    Mögest du das römische Volk der Quiriten daher schützen und bewahren, mögen seine Heere siegreich von den Schlachtfeldern ziehen und den heiligen Bund der Latiner wahren vor allen Feinden.
    Mögest du dem römischen Volk der Quiriten Weisheit schenken bei der Führung unseres Bundes, aufdass es den Frieden wahrt, wie das Haupt die Glieder befriedet,
    aufdass wir Dein Heiligtum auch fortan ehren und bewahren und Dir gute und gerechte Opfer darbringen zu Deinem Ruhme und unsrem Segen."


    Während Papus diese Worte so sprach und anschließend den Käse auf den vorbereiteten Opferaltar legte, dachte er sich, dass das Gebet schon ziemlich unterwürfig war. Dann jedoch ermahnte er sich rasch, dass Rom nunmal das Haupt der Welt war und Tibur froh sein konnte, sich in einer solchen privilegierten Partnerschaft zu befinden, sodass es sich im Ruhm der Legionen sonnen konnte (wobei ihm dabei einfiel, dass sicherlich auch der ein oder andere Legionär aus Tibur kam - strenggenommen waren ja sogar alle Tiburtaner Quiriten - also war es eigentlich gar nicht so schlimm!).


    Mit diesen Gedanken wandte er sich nach rechts und ging weiter um dem nächsten Duumvir Platz zu machen.




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  • Ehe Vibius Papus seinen Platz einnehmen durfte, musste Durus sich noch einmal erheben, denn eines der gemeinschaftsstiftenden Rituale des Latinerfests war, dass jede der Gemeinden von dem geopferten Ochsen Fleisch erhielt, sodass symbolisch jeder Latiner mit Iuppiter Latiaris gemeinsam ein Mahl hielt.


    Die fleißigen Opfermetzger hatten zu diesem Zweck bereits das Tier zerlegt - auf dem Opferaltar verbrannten bereits die ohnehin nicht sonderlich genießbaren Vitalia, die Iuppiter selbst abbekam. Der Rest hingegen war in neunundzwanzig kleinere und ein größeres Stück geteilt worden. Durus nahm diesen blutigen Batzen in die Hände und hielt sie Papus hin, der es mit einem Lächeln entgegennahm. Ursprünglich hatten anschließend auch die übrigen Städte ihre Gaben mit Rom geteilt, doch hatte man es für praktischer befunden, wenn die gesamte kleinere Opferansammlung zentral aufgebahrt wurde und anschließend direkt als eine Art "Buffet" diente.


    Und so nahm Durus das nächste Stück und gab es einem ältlichen Duumvir, der wohl aus Tusculum stammte, wo viele Senatoren im Augenblick weilten, um die Senatsferien auf dem Land in ihren Villen zu genießen.

  • Nach einer gefühlten Ewigkeit waren alle existierenden und erloschenen Gemeinden an den Consuln vorbeiprozessiert. Durus ließ sich von einem Sklaven die Hände waschen, wobei sich das Wasser sofort blutrot färbte - eine zweite Schale musste herbei.


    Dann endlich waren die Hände weitestgehend vom Blut gereinigt (außer unter den Fingernägeln, aber das war wohl schwerlich in so kurzer Zeit möglich). In der Aula des Nebengebäudes, in dem die beiden Consuln bereits die letzten Tage genächtigt hatten, war alles vorbereitet worden. Der gemeine Pöbel hingegen würde draußen verköstigt werden.


    Um dies anzukündigen, trat Durus als erster Consul vor die versammelte Menge, die inzwischen nicht mehr ganz streng nach ihren Gemeinden verteilt war. Einige Duumviri hielten ihr Fleisch sogar noch in Händen, andere wiederum hatten es abgegeben, denn Bedienstete des Tempels hatten den Auftrag, das Ochsenfleisch auf Spießen zu braten, sodass er in Kürze genießbar war. Sein Herold gebot Ruhe, dann erst konnte er sprechen:


    "Quiriten, Latiner, meine Bundesgenossen,


    Iuppiter Latiaris gefällt unser Opfer und wird unseren heiligen Bund auch für das kommende Jahr segnen. Doch nun lasst uns gemeinsam speisen und Mahl halten mit Iuppiter.


    Folgt mir in die Aula und seid Gäste Roms!"


    Die Ansprache war kurz, doch wirkungsvoll. Für den Pöbel hatten zahlreiche Händler bereits ihre Stände aufgeschlagen. Traditionell gab es hier auch noch eine weitere Besonderheit: An mehreren Stellen hatte man Schaukeln aufgebaut, die man gegen einen kleinen Obolus benutzen durfte. Selbst Durus, der mit den Traditionen des Staates vertraut war, wusste nicht, warum dieser Brauch am Latinerfest gepflegt wurde, dennoch freute er sich, dass er auch diesmal praktiziert wurde.


    So ging er zufrieden auf das Hauptgebäude zu, wo der Ehrenplatz für die Consuln und weiteren Magistrate Roms bereitet waren.

  • Als einer der weiteren anwesenden Magistrate war Macer den gesamten Zeremonien bisher weitgehend schweigend gefolgt. Etwas anderes blieb ihm auch kaum übrig, denn die Praetoren spielten keine besondere Rolle im Ablauf des Festes. Immerhin bot sich hier und da die Möglichkeit für einen kurzen Gruß, insbesondere natürlich an jene Vertreter aus Mantua, soweit sie Macer noch aus seiner Zeit als örtlicher Legionskommandeur kannten.


    Erst mit der Aufforderung zum Beginn des Mahls wurde es etwas lebhafter und Macer strömte mit den anderen Magistraten zu den vorbereiteten Plätzen. "Die Tradition der Veranstaltung ist spürbar", sagte er auf dem Weg dorthin zum Consul, der großes Durchhaltevermögen bewiesen hatte. "Wenn man heute so eine Sache erfinden müsste, würde sie wohl etwas anders ablaufen."

  • "Das ist wahr."


    meinte Durus knapp auf die Anmerkung von Macer. Ihm selbst war dieses Fest eigentlich zuwider, denn er mochte diese ganzen Möchtegern-Politiker nicht besonders, zu denen er in den letzten Tagen Freundschaft hatte heucheln müssen. Andererseits war er sich ein bisschen wie der Kaiser vorgekommen: Formell nur ein Primus inter Pares, doch in der Praxis der Gastgeber und umschwärmtes Haupt des Bundes!


    "Aber Traditionen sind nunmal dafür da, dass man sie lebt."

  • Der Consul schien in Macers Augen etwas kurz angebunden zu sein, aber er konnte das nach dem anstrengenden Tag durchaus verstehen. Für Macer war es ja noch halbwegs entspannend gewesen, weil er keine besondere Rolle hatte, aber der Consul hatte wohl doch eine ganze Menge zu tun gehabt.


    "Ja, es sind gelebte Traditionen wie diese, die an Roms langen Weg zu seiner jetzigen Größe erinnern und diese Größe nur umso strahlender erscheinen lassen", antwortete er daher auch philosophisch.

  • Der Consul betrat gemeinsam mit dem Praetor und den übrigen Magistraten endlich den Festsaal. Alles war festlich hergerichtet: Man hatte Klinen aufgestellt, zu denen die einzelnen Repräsentanten gemäß ihrer Bedeutung geleitet wurden - was bedeutete, dass die Consuln im Zentrum saßen, flankiert von den Prätoren und den Aedilen und Quaestoren.


    Der Tiberier nahm Platz und während Vitorius Marcellus sofort ein Gespräch mit dem Praetor Peregrinus begann, blieb er bei seinem bisherigen Gesprächspartner hängen.


    "Wie hast du dich übrigens eingelebt in dein Amt? Gibt es viele Klagen?"


    Auch die Duumviri und Magistrati nahmen Platz, sodass nun endlich das Essen beginnen konnte. Das Mahl, das nun folgte, unterschied sich aber von den vielen gewöhnlichen Gastmählern, die die Eliten des Reiches gustierten, denn es war ein traditionelles Opfermahl, bei dem auch jene Opfergaben gab - und nicht viel mehr. Und so wurde als Vorspeise Käse gereicht - wenn er auch in vielen unterschiedlichen Sorten vorhanden war (denn die Duumviri wussten ja, dass sie die Gaben später selbst essen mussten).


    Als Hauptspeise schließlich brachten die Diener das gebratene Fleisch des Ochsen herein, am Spieß über das Feuer gehängt und lecker gewürzt. An jeden Tisch wurde genau die traditionelle Menge gebracht - wieder entsprechend dem Ansehen der einzelnen Gemeinde. Als Beilage (und für die unbedeutenden Gemeinden, die kein Fleisch zugeteilt bekommen hatten) brachten römische Staatssklaven außerdem das traditionellste aller römischen Gerichte herein: Getreidebrei.


    Zur Nachspeise folgten schließlich die geopferten Kuchen, sodass letztendlich alle Opfergaben unter die Menge gebracht waren.

  • Der Saal füllte sich und mit dem Essen kamen die Gespräche auch wieder in Gang. Eine Auswahl an verschiedenen Speisen aus allen Teilen Italias gereicht zu bekommen, war durchaus eine interessante Art zu speisen, fand Macer und kostet ausgiebig von den verschiedenen Käsesorten.


    "Es ist kein Übermaß an Klagen und bisher wenig nennenswerte Fälle", antwortete er dann dem Consul, der die spektakulärsten Fälle zweifellos ohnehin mitbekommen hätte. "Du weißt ja selber, wie das ist. Klagen machen nur einen kleinen Teil aus. Adoptionen, Sklavenfreilassungen, die Überwachung der Vigintiviri, das kommt ja alles auch noch dazu." Macer wollte nicht über Überlastung klagen, aber langweilig wurde ihm auch nicht.

  • "Das ist wahr."


    erwiderte Durus und nahm sich gedankenverloren ein Stück von dem gebratenen Stierfleisch. Man hatte es scharf gewürzt, sodass es tatsächlich gut genug war, um auf eine Beilage zu verzichten.


    Er blickte sich im Saal um, woraufhin Vibius Papus, der Duumvir von Tibur, ihm freundlich zuwinkte. Sein Kinn troff vor Fett, denn offensichtlich hatte er den größten Teil des seiner Gemeinde zugeordneten Fleisches selbst verdrückt. Etwas angewidert von diesem dekadenten alten Mann blickte der Consul wieder zu den Magistraten, dann führte er jedoch die Konversation ungerührt fort.


    Das Mahl zog sich trotz seiner geringen Auswahl an Speisen bis spät in den Abend. Immer wieder kamen Repräsentanten der latinischen Gemeinden vorbei und versuchten, sich in das Gespräch mit den Römern einzuklinken, was jedoch selten gelang. Schließlich beschloss Durus, dass es Zeit war, sich hinzulegen - morgen wollte er in aller Frühe wieder in Rom sein!


    Also begab er sich in seinen spartanischen Schlafraum, in dem er müde in sein Bett fiel, während Vitorius Marcellus die Gäste noch ein wenig unterhielt.

  • Auch Macer nutzte relativ bald die Gelegenheit zum Absprung, denn als Praetor zählte er ohnehin nicht zu den wichtigen Gästen der Veranstaltung. Er hatte es zwar nicht eilig, am nächsten Tag so schnell wie möglich in Rom zu sein, aber mit seinen Magistratskollegen konnte er dort genauso gut sprechen wie hier und da er gerade auch nicht unbedingt darum kämpfen wollte, ein Stadtpatronat über eine italische Landstadt zu erhalten, hielten ihn die Themen an diesem Abend auch nicht unbedingt lange wach. Andere Kollegen waren diesbezüglich zweifellos besser geeignet für belanglose Plaudereien als er.

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