Emporion - Friede, Freude, Pfeiferauchen?!

  • "Leute, jetzt macht euch mal alle gaaaaaanz locker!", war der sehr eigentümliche Einstieg in den wahrscheinlich publikumswirksamsten Augenblick im Leben des Dudus. Er stand auf einer klapprigen, behelfsmäßig zusammengezimmerten Bühne, die kaum einen Schritt in Breite und Tiefe maß, und versuchte so die Aufmerksamkeit der auf dem Markt weilenden Unterschicht der alexandrinischen Gesellschaft zu erlangen. Was seltsamerweise augenblicklich funktionierte, denn die Leute kannten den Dudus. Er war ein Taugenichts. Ein Gammler. Ein Faulenzer. Ein Konsumierer von Dingen, die sein Bewusstsein erst erweiterten um es dann in Origami-Figuren zu falten. Witzige Figuren. Mit Flügeln und so.


    Und jetzt stand eben jener Dudus auf dem Markt, und animierte die Menschen ihm zuzuhören: "Leute, ich hab euch was zu sagen. Was ganz wichtiges. Wirklich. Also, so richtig wichtig!"


    "Erzähl ihnen endlich, was du zu erzählen hast, Mann.", murmelte Raoulus, der neben der klapprigen Bühne in einem sehr alten Bastsessel hockte, und gemütlich eine Pfeife rauchte.


    "Jetzt mach dich mal locker, kein Stress, Mann.", raunte der Dudus zurück, bevor er sich wieder der Menge zuwandte, die sich aus purer Neugier in immer größeren Mengen um ihn herum versammelte, "Also, Leute. Wie ihr sicherlich wisst, haben die Rö...", der Dudus stockte, und blickte sich unsicher um, konnte doch jeden Augenblick eine römische Patrouille um eine der vielen Ecken kommen, "..haben SIE die Urgulania umgebracht! Die Iunia Urgulania, um genau zu sein. Sie war eine seeeeeeehr fetzige und seeeeeehr kühle Person, wenn ihr wisst, was ich meine!"


    Erstes Raunen im Publikum tat sich auf, als die Leute erst nicht, dann doch verstanden worum es hier eigentlich ging. Fragen wurden murmelnd ausgesprochen, die Antworten noch leiser, während man darauf wartete, dass der Dudus fortfuhr: "Und jemanden umzubringen ist nicht nett.", zustimmendes Gemurmel, "Besonders wenn er fetzig und nett ist.", zustimmenderes Gemurmel, "Und ihr wisst alle, dass SIE es sowieso nicht gern haben, wenn man fetzig und kühl ist, versteht ihr, Leute?"


    "Ja, Mann!", rief einer aus der Menge, "Aber was sollen wir dagegen tun? Sie haben Waffen! Sie sind viele! Wir sind arm! Wir sind schwach! Und die einzigen, die etwas gegen diese Leute tun, wollen ihnen anscheinend an die Wäsche!"


    Lautes Gelächter machte sich breit, weil JEDER über jene spottete, die eine äusserst politische Liebeserklärung an römische Körperteile auf die Außenmauer der Regia geschmiert hatten. Der Dudus warf einen vorwurfsvollen Blick nach unten auf seinen Freund Rauolus, der so tat als hätte er nicht mitbekommen worum es ging, und weiter munter seine Pfeife rauchte.

    "Leicht, Mann, jetzt verkrampf dich gleich nicht so...", beschwichtigte der Dudus den Kritiker, "..wir müssen ihnen nur klarmachen, dass der Weg, den sie gehen vollkommen unlocker ist, versteht ihr das, Leute? Sie machen mir ihrer Art das Leben der Leute viel zu stressig.. das kann so nicht weitergehen, Leute!"


    "JAWOHL!!!!", brüllte der Mann nunmehr lauter, "JETZT HABEN SIE DEN MÖRDER DER IUNIA AUCH NOCH ZUM PRAEFECTUS GEMACHT, NACHDEM SIE DIESEN WEICHLING VON GERMANICUS ABGESETZT HABEN!"


    Die Resonanz auf diesen Zwischenruf war viel eindeutiger, als die auf die eigentliche Rede des Dudus, der hilflos mit den Händen winkte, um die Lage wieder unter seine nicht existente Kontrolle zu bringen: "Mann, jetzt entspann dich mal! Wieso bist du so... aggro? Atme einmal tief durch und denk an bunte Blumen, das entspannt, glaub mir... oder trink einen Albus Scythus, aber brüll hier nicht die armen Leute an! Also... wo war ich? Achja, wir müssen etwas tun, um..."


    "GENAU!!!! ETWAS TUN!!! DIESER TERENTIUS MUSS WEG!!! WENN NICHT DIESE VERDAMMTEN RÖMER WEGMÜSSEN!!", brüllte der Mann, der in der Menge immer mehr zustimmende Zurufe provozierte. Der Dudus sah sich hilflos einer Situation gegenüber, die ihm immer mehr aus den Fingern glitt.


    "Ey Mann, was soll das?", beschwerte er sich, zunehmend in seiner spirituellen Leichtigkeit gestört, "Du verbreitest hier echt negative Schwingungen! Alles was ich will, ist reden..."


    "DIE IUNIA WURDE NICHT TOTGEREDET!! SIE WURDE ERMORDET! VON EINEM MACHTGIERIGEN SCHMIERIGEN HUND VON EINEM RÖMER!!! DU HAST VOLLKOMMEN RECHT, DUDUS!! TUN WIR ETWAS!! DAS WAR DER TROPFEN, DER DAS FASS ZUM ÜBERLAUFEN BRACHTE!!", mittlerweile war die Menge entfesselt, zustimmende Rufe brandeten durch die Menge, manche begannen gar, den Namen des Dudus zu skandieren, der mittlerweile vollkommen überfordert von der Situation war.


    "Leute, Leute...", versuchte er es ein letztes, vergebenes Mal, "...jetzt bleibt doch mal locker. Gewalt hat noch keinem genutzt... Gewalt tut nur weh... Gewalt ist defintiv negativ, Leute."


    "VOLLKOMMEN RICHTIG, DUDUS!!! GEWALT IST DIE EINZIGE SPRACHE, DIE DIESES DRECKIGE UNTERDRÜCKERISCHE RÖMERPACK AUCH WIRKLICH VERSTEHT!! TOD DEN RÖMERN!! DU BIST UNSER MANN, DUDUS!!! DU BIST UNSER MANN!!!", brüllte der Mann in die Menge, vollkommen von dem überzeugt was er da von sich gab. Die Menge nahm den Faden gierig auf, die Rufe nach ihrem Anführer, dem Dudus, wurden immer lauter, und irgendwann konnte der vom grassierenden Missverständnis überwältigte nichtmehr tun als hilflos in die Menge zu schauen. Auch ein hilfesuchender Blick zu seinem Freund Rauolus brachte ihn nicht weiter: selbst dieser blickte mit fester Überzeugung und glasigem Blick zu ihm herauf, vollkommen vergessend, dass der Dudus eigentlich etwas vollkommen anderes erreichen wollte: die friedliche Aussprache mit den römischen Machthabern, damit sie alle wieder ihre Ruhe hatten.


    "LEGIONÄRE!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!", brüllte jemand in die Menge, und mit einem kollektiven Schrei zerstreute sich die Masse, und plötzlich standen Raoulus und der Dudus fast alleine auf dem Markt. In dem dichten Nebel, in dem Raoulus sich befand, kollidierte eine Idee mit einer anderen, und so packte er den Dudus plötzlich und riss ihn mit sich in eine der vielen Nebenstraßen, sicher die Flucht ergreifend.


    "Großartig, Dudus, Mann, du hast die Menge berührt! Du hast sie erreicht, Mann! Das war das größte, was uns passieren könnte! Du bist ihr Anführer, Mann! Du bist der Dudus, Mann!!! Du bist es!!!"


    "Aber ich wollte...", ächzte der atemlose Dudus, immernoch nicht die umfassenden Dimensionen des Geschehens begreifend, "..ich wollte doch..."


    "Du wolltest etwas ändern, Mann!", schrie sein Freund schon fast vor Begeisterung heraus, "Und das wirst du Mann! Du wirst die Welt verändern!"

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