Merula brütete gerade über einigen von ihm verfassten Zeilen, als ein Diener des Hauses, dessen Namen er nicht kannte und auch gar nicht wissen wollte, die Ankunft des Kosmetes der Stadt ankündigte.
Um sich von den unangenehmen Dingen des Alltags abzulenken, hatte der Stationarius seine alte Leidenschaft, das Schreiben, wiederentdeckt. Es beruhigte ihn und machte ihm das Leben in dem großen Haus etwas erträglicher.
Während er seine Schreibsachen beiseite legte, überlegte er angestrengt, mit welchen Aufgaben der Kosmetes von Alexandria innerhalb der Magistrate betraut wurde. Im Zuge seiner Aufnahme in die Liste alexandrinischer Bürger ehrenhalber hatte sich Merula über das politische System der Stadt informiert, doch viel hängen geblieben war dabei offensichtlich nicht. So stand er also alleine in dem für ihn eingerichteten kleinen Arbeitszimmer und wartete auf die Ankunft des Besuchers.
Räumlichkeiten - L.Iunius Merula
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Von einem jungen Diener geführt erreicht Cleonymus schließlich das Arbeitszimmer seines Gastgebers, der Mann ist noch recht jung, aber er scheint nicht von Trauer überwältigt auch wenn Cleonymus das durchaus verstanden hätte ...
"Salve Iunius Merula, mein Name ist Cleonymus ... wer ich bin ist dir sicherlich bereits berichtet worden! Lass mich dir als erstes mein Beileid aussprechen zum Verlust deiner Verwandten, sie war eine gute Freundin und noch eine viel bessere politische Verbündete. Alexandria schuldet ihr einiges und auch wenn es sicherlich schon oft gesagt wurde spreche ich auch im Namen der anderen Pyrtanen das Beileid der Polis aus!"
Auch wenn man es ihm vielleicht nicht ansah ging der Tod Urgulanias Cleonymus sehr nahe, immerhin hatte er mit ihr zusammen seit mehr als zwei Jahren die Geschicke der Polis gelenkt ...
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"Ich grüße dich, Cleonymus, Kosmetes der stolzen Stadt Alexandria", empfing Merula den Archonten auf seine blumige Art. Schnell räumte er einen zweiten Stuhl von allerlei Gerümpel frei und bot ihn dem Fremden an. Ebenso griff er nach einem Becher, den er wie den Seinen randvoll mit gut verdünntem Wein füllte. Von Haussklaven hielt der Iunier traditionell nicht viel. Sie standen immer nur im Weg herum und ihre Verpflegung kostete ein Vermögen. Dann doch lieber sein Geld für wirklich wichtige Dinge (in seinem Fall Bücher, Wein und Pferde) ausgeben.
"Und ich danke dir für deine Anteilnahme. Es ist ein großer Verlust für uns alle. Urgulania zählte zu den führenden Persönlichkeiten unserer angesehenen Familie." Dass es von den Iuniern kaum mehr wichtige und einflussreiche Leute gab, gehörte zu den Dingen, die Merula für sich behielt.Neugierig beobachte der Iunier den Mann vor ihm. Sicherlich war dieser nicht nur gekommen, um Merula - einem vollkommen Fremden - sein Mitgefühl zu bekunden; auch wenn Urgulanias Tod ihn tatsächlich zu berühren schien.
"Hoffen wir, dass der oder die Täter gefunden und hart bestraft werden!" fügte er schließlich hinzu, während er sich in Gedanken auf die Suche nach irgendeiner Assoziation machte, die ihm zu dem Namen Cleonymus einfiel. Enttäuscht darüber, dass dem nicht so war, redete er weiter: "Gibt es etwas, wobei ich dir helfen kann?" -
Cleonymus setzte sich und nahm den Becher dankend an, auch wenn er ihn gleich wieder abstellte den im Moment war ein wacher Geist sein einziger Trumpf, auch wenn er hier keinen Gegenspieler vermutete ...
"Nun Iunius, genau deshalb bin ich hier! Die Täter ... ich nehme an du hast die Gerüchte gehört?"
Natürlich kannte Cleonymus keine Namen noch Gesichter ... noch gab er viel auf die Gerüchte die er gehört hatte, aber manchmal waren Gerüchte die man erzählte nützlicher als die die man für sich behielt ...
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Merula nickte. "Ja. Dieser Legionslegat hat Urgulania vor einiger Zeit mit dem Kreuz gedroht und sie nun ermorden lassen. So oder so ähnlich reden wohl einige in den Straßen der Stadt." Axilla hatte ihm von der Drohung mit dem Kreuz erzählt. Damals hatte ihn das wenig interessiert, er hielt es vielmehr für eine Übertreibung seiner emotional veranlagten Cousine.
Ein wenig sehnte er sich nach der überschaubaren, einfachen Kommunalpolitik von Misenum zurück. Auch dort wurde gemauschelt und geschmiert, aber am Ende saßen dann doch wieder alle an einem Tisch. Und einen politischen Mord hatte es dort wohl schon lange nicht mehr gegeben.
"Ich gebe zu, ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll", fügte Merula wahrheitsgemäß hinzu. Er kannte hier auch niemanden, den er dazu um Rat fragen und auf dessen Worte er vertrauen konnte. -
Cleonymus nickte ruhig ...
"Nun Gerüchte sind Gerüchte und dieser Legionskommandant ist nun unser neuer Praefectus Aegyptii! Aber Tatsache ist das dem Pyrtaneion ein wichtiges Mitglied fehlt und wir in Kürze Neuwahlen haben! Ich möchte das du in Urgulanias Fußstapfen trittst ... der Name deiner Familie ist viel wert in Alexandria und wir könnten deine helfende Hand gut gebrauchen! Vor allem da die römische Bevölkerung auch gerne wieder einen Römer im Pyrtaneion sähe! Was sagst du dazu?"
Cleonymus hoffte das der Junge zumindest Interesse an der Politik hatte, denn sollte ihm das alles egal sein wäre es wohl auch nicht klug ihm ein Amt zu verschaffen ...
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Als Cleonymus zu Ende gesprochen hatte, schwieg Merula eine ganze Weile lang, den Blick mal auf den Archonten, mal in die (nicht vorhandene) Ferne seiner Bücherregale gerichtet. Seine Überraschung über den Vorschlag war ihm nicht anzumerken. Doch hinter seiner Stirn begann es zu arbeiten.
Wollte er die Gelegenheit nutzen, Urgulania sozusagen im Windschatten des Mordfalles zu folgen und als römischer Bürger in die alexandrinische Politik einzusteigen.
Ein Mann mit großen politischen Ambitionen hätte sicherlich sofort zugegriffen.Doch Lucius war kein solcher Mann.
"Dein Angebot ehrt mich; und ich weiß es zu schätzen, dass du so viel Vertrauen in den Namen meiner Familie hast... Doch ich muss ablehnen. Ich sehe mich noch immer als Fremden, der mit dem Leben und den Gegebenheiten in Alexandria zu wenig vertraut ist. Ich muss leider ablehnen."
Keine Rolle spielte bei seiner Entscheidung, dass er - der Iunier - sich einigen Griechen und Ägyptern hätte unterordnen müssen. Ebensowenig hatte er Angst davor, wie seine Cousine x-ten Grades während der Ausübung seines Amtes zu Tode zu kommen.Nein! Lucius Iunius Merula hatte schlichtweg keine Lust auf Politik.
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Cleonymus nickte, nicht zufrieden aber auch nicht so überrascht wie er es eigentlich erwartet hatte ...
"Nundenn, es ist natürlich allein deine Entscheidung wie du deine Zeit nutzen willst, aber lass dir von einem alten Ägypter einen Rat geben ... schlaf noch eine Nacht darüber und dann komm Morgen Abend ins Kapeleion Archaon! Ich stelle dich ein paar Leuten vor und erzähle dir was so auf dich zukommen würde ... und wenn du dann immernoch nicht willst dann sagst du einfach nein! ... Es gibt auch was zu Essen und was zu Trinken also lass diesen alten Mann nicht hängen, in Ordnung? Kann ja nicht schaden wenn man sich mal ein bischen unterhält!"
Cleonymus lächelte sanftmütig, wenn Merula wirklich keine Lust auf Politik hatte, dann war es wohl das beste wenn er sich auch aus ihr heraushielt, doch wenn ihm nur der Antrieb fehlte dann war Cleonymus wohl genau der Richtige um ihm den zu geben ...
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Wenn der 'alte Mann' es darauf ausgelegt hatte, Merula so zu verunsichern, dass dieser seine Entscheidung schon Sekunden, nachdem er sie getroffen hatte, wieder in Frage stellte, sollte er recht behalten. Irgendwie hatte der junge Römer plötzlich das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn er Cleonymus Angebot ausschlug. Und gegen ein informelles Abendessen gab es nun wirklich nichts einzuwenden.
"Also gut, ich werde da sein", antwortete er schließlich und nahm einen großen Schluck. Sein Leben in Alexandria schien komplizierter zu werden, als er sich das vorgestellt hatte. -
Cleonymus nickte zufrieden, außerordentlich zufrieden ...
"Schön, dann sehe ich dich Morgen Abend, sag dem Torwächter einfach deinen Namen dann wird er dich einlassen! Vale Iunius!"
Damit erhob Cleonymus sich und nickte dem Römer nochmal freundlich zu, scheinbar hatte er sein Talent andere zu inspirieren nicht verloren ... wäre auch wirklich schade gewesen ...
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"Vale, Cleonymus. Bis morgen!" verabschiedete Merula den Archonten.
Der Iunier würde diese Nacht noch lange wach bleiben und sich Gedanken zu seiner Zukunft machen. -
[Blockierte Grafik: http://img41.imageshack.us/img41/3866/celso.jpg] | Celsa
Der Patient war eingeschlafen. Celsa und der herbeigerufene Arzt namens Logbasis - eine Kapazität für Erkrankungen des Geistes, wie man ersterem versichert hatte - weilten an dessen Bett und beobachteten den sich im Rhytmus des Atems bewegenden Körper.
"Wird er wieder gesund?" Diese Frage hatte Celsa beschäftigt, seit sie Merula am Vortag von der Straße aufgeklaubt hatten.Logbasis kratzte sich eine gefühlte Ewigkeit am Kopf, scheinbar mit sich selbst um eine gute Antwort ringend. "Die Möglichkeit besteht!" brachte er schließlich vorsichtig hervor. Und als er merkte, dass dies seinem Auftraggeber als Gegenleistung für das wertvolle Geschenk, das man ihm vorab hatte zukommen lassen zu wenig war, fügte er seinen knappen Worten weitere hinzu: "Außer der Platzwunde am Hinterkopf und einiger kleinerer, oberflächlicher Schrammen ist er äußerlich gesund. Wenn er behutsam aufgebaut wird und sich vom exzessiven Weingenuss lossagt, werden sich mit einiger Wahrscheinlichkeit schnell Fortschritte einstellen."
Für Celsa Geschmack waren das entschieden zu viele Wenns und Vielleichts! Aber es blieb ihnen nunmal vorest nichts anders übrig, als dem Urteil zu vertrauen und auf Besserung zu hoffen.
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