Entsprechend den Forderungen des Gesetzes und der Tradition hatte Durus bereits während seines Consulats Notizen gesammelt, um dem römischen Volk Rechenschaft abzulegen über seine Amtszeit. Und so war es nicht schwergefallen, gemeinsam mit Lukios die Rede zu erarbeiten, die er nun zu halten hatte.
Für diesen Anlass hatte er sich wieder einmal besonders herausgeputzt (fast so edel, wie er es für seine Kandidatur getan hatte): An seiner Tunica leuchtete der frisch nachgefärbte Purpurstreifen, seine Toga war leicht gebleicht (nicht so stark wie bei einem Kandidaten, aber doch strahlend) und kunstvoll in Falten gelegt, als er die Treppe an der Rückseite der Rostra erklomm und schließlich über den Schiffsschnäbeln Aufstellung nahm:
"Quiriten,
gemäß der Tradition unserer Väter stehe ich heute vor euch, um Rechenschaft abzugeben über meine Amtszeit als Consul dieser großartigen Stadt. Ehe ich jedoch damit beginne, möchte ich danken für Euer Vertrauen, das Ihr mir als erstem innerhalb meines Geschlechts zuteil werden lassen habt. Für mich als Spross einer patrizischen Familie, deren Ziele stets die der Res Publica gewesen waren, erfüllt es mich mit Stolz, Rom nun auch auf diesem höchsten und angesehensten aller Ämter gedient zu haben.
Doch ehe Ihr urteilt, wie ich diese Aufgabe erfüllte, hört einen kurzen Bericht meiner Taten:"
Der Redner machte eine kurze Kunstpause, während der er sich fragte, ob das, was er sagte, stimmte: Hatte er das angesehenste Amt bekleidet? Fast schien es ihm so, denn der Kaiser verlor Tag um Tag an Ansehen und die Initiative war deutlich zurückgekehrt in die Hand des Senates.
"Ich hatte Euch mehr Gerechtigkeit versprochen, eine Renovatio unseres Rechtssystems - und tatsächlich konnte ich fast alle meine Pläne vollenden: Zu Euren Gunsten habe ich den Praetoren die Möglichkeit eingeräumt, Prozesse abzugeben an fähige Richter, sodass jeder, der über einen Römer richtet, auch die notwendige Zeit besitzt ein gerechtes Urteil zu finden.
Doch nicht nur das - auch die Instanzen selbst wurden vereinfacht und flache Strukturen geschaffen, die der Gerechtigkeit gerecht werden und zugleich keine unnötige Bürokratie aufbauen: Ich habe die Gerichte umgewandelt zu Iudicium Publicum und Privatum, habe das Kaisergericht zur außerordentlichen Instanz gemacht um auch hier den Kaiser als obersten Richter zu entlasten. Schließlich habe ich den Senat als die angesehensten Bürger unseres Staates zu Richtern herangezogen, die in den gravierendsten Fällen, die unser Rechtssystem kennt, Urteile fällen sollen, indem sie fortan etwa über Hochverräter richten können.
Auch die aufwändigen und langwierigen Berufungsverfahren gehören der Vergangenheit an - fortan sollen die in unserer Tradition verankerten Kräfte: der Kaiser und die Volkstribune wieder über die Rechtmäßigkeit eines Verfahrens wachen und nicht Bürokraten im Stab der Praetoren.
In diesen Bereich strahlt auch eine Aufwertung der Magistrate unserer Stadt, denn wozu benötigt man ein Gerichtsverfahren, wenn ein von Senat und Volk erwählter Beamter ein Unrecht sieht und auf frischer Tat ertappt? Seit diesem Jahr kann jeder Magistrat eine Geldstrafe verhängen und Widerständler inhaftieren, sodass mehr Friede und Ordnung in unserer Stadt herrschen wird.
Einen Anfang habe ich endlich auch bei der Umwandlung unseres Strafenkatalogs weg von der teuren Haftstrafe, die Eure Steuergelder verschlingt, hin zu wirklich abschreckenden Strafen gemacht: Fortan wird ein Räuber sich sicher zweimal überlegen, ob er einen ehrbaren Händler oder einen arbeitsamen Bauern überfällt, denn als Strafe wird ihm nun stets der Tod drohen - ebenso wie dem gemeinen Mörder! Auch in allen anderen Fällen von Haftstrafen wurde nun durchgesetzt, dass der Delinquent zur Arbeit in den Städten herangezogen wird.
Wie ihr seht, habe ich also meine Pläne umgesetzt und noch darüber hinaus auf die Anforderungen unserer Tage reagiert. Nun wird es auch an dem hochgeachteten Museion von Alexandreia möglich sein, Cursi Continui mit einer Qualifikation für den Cursus Honorum zu erwerben, ebenso wurde eine Kommission eingesetzt, die die Effizienz unserer Provinzverwaltungen prüft und zweifelsohne bald zu Ergebnissen kommen wird.
Mit all diesen Dingen habe ich also versucht, unseren Staat zu stärken, gerechter und effizienter zu machen, was mir dank der Gunst der Götter und der Hilfe des Senates gelungen ist. Nun steht es auch Euch frei, darüber zu urteilen und Eurerseits über meine Taten zu richten."
Er blickte hinab auf die Menge, die seine Klienten für diesen Tag zusammengetrommelt hatten. Viele brachen in spontanen Jubel aus (angeheizt durch die Klienten der Tiberier), doch manche blickten auch misstrauisch hinauf - ob es Prätorianer waren? Immerhin hatte Durus (ganz bewusst) den Kaiser aus seiner Rede ausgespart, ebenso den Eklat um die diesjährigen Wahlen.