Ara - Hausaltar und Lararium

  • Alles war vorbereitet worden. Die Totenmasken der Iunier, die an der Wand hingen, waren mit winzigen Kerzen dahinter erleuchtet worden. Ganz vorsichtig, damit die Flammen das Wachs auf keinen Fall aufweichen würden, gerade hell genug, um den Gesichtern eine gewisse Lebendigkeit zu verleihen. Davor am Hausaltar standen die Laren, Figurinen von fröhlichen, tanzenden Jünglingen, immer paarweise. Der ein oder andere hatte auch einen kleinen, bronzenen Hund dabei, der verspielt um die tänzelnden Füße zu toben schien. Sie trugen Füllhörner in der einen, in der anderen Hand Schalen oder kunstvoll gegossene Eimer, wo man ihnen kleine Opfergaben wie Puls und dergleichen geben konnte. Alle waren sie heute mit frischen Blüten geschmückt worden, die ihnen vorsichtig auf die bronzenen Köpfe gesetzt worden waren.
    Neben dem Altar stand heute aufgebaut die Rüstung von Atticus Iunius Cassiodor. Von ihm gab es keine Totenmaske. Nachdem er gefallen war, hatte es gedauert, bis sein Leichnam den Aufständischen wieder abgenommen werden konnte, und hätte Castricius Tegula ihm nicht diesen Freundschaftsdienst erwiesen, Axilla hätte noch nicht einmal diese Rüstung. Und so war ihr dieses Stück hier heiliger als alles andere.


    Noch immer etwas schwach auf den Beinen kam Axilla zum Lararium. Sie hatte die Haare offen, immerhin wollten sie den Ahnen zum Gedenken gleich hier Opfer bringen. Sie fühlte sich noch immer etwas schwach, aber zur Not war Leander ja da und stützte sie. “Und es ist alles da?“ fragte sie ihren Sklaven noch einmal sicherheitshalber.
    “Ja, Weihrauch ist schon am Altar, und wir haben pulsum und mulsum bereitgestellt. Und domina Serrana ist ja auch da“, beruhigte er seine Herrin und blieb neben ihr erstmal stehen, um sie zur Not noch stützen zu können, sollte ihre Kraft doch nicht ausreichen. Aber Axilla hätte wohl schon tot sein müssen, um hier und heute nicht ihren Ahnen zu gedenken.

  • Ein wenig zögerlich näherte sich Serrana dem Hausaltar mit den Totenmasken ihrer Vorfahren, unter denen sich auch die Maske ihres Vaters befand. Ihr Haar fiel ihr lang und glatt den Rücken herunter, und ihre Füße waren nackt, denn schließlich stand ein feierlicher religiöser Akt bevor,auch wenn sie sich nicht in einem Tempel befanden. Am liebsten hätte Serrana sich direkt wieder in ihrem Zimmer unter der Bettdecke verkrochen, denn seit der entsetzlichen Nacht, in der Axilla fast gestorben wäre, hatte sie nur wenig und sehr unruhig geschlafen und war immer wieder hochgeschreckt.
    Ihre Cousine stand bereits in Begleitung Leanders vor dem Altar und sah immer noch unglaublich durchscheinend und zerbrechlich aus.


    "Guten Morgen, Axilla, geht es dir einigermaßen gut?" fragte Serrana aufrichtig besorgt, jedoch ohne näher an ihre Cousine heranzutreten oder sie gar zu berühren. Bislang war sie Axilla immer völlig unbekümmert und offen gegenübergetreten, aber irgendwie schien das plötzlich nicht mehr möglich zu sein. Serrana war unendlich glücklich und erleichtert darüber war, ihre Cousine nicht verloren zu haben, trotzdem hatte sie das Gefühl, die wahre Axilla gar nicht wirklich zu kennen, denn die hatte wichtige Teile ihres Lebens ganz offensichtlich vor ihr geheim gehalten. Ein Teil von Serranas Verstand weigerte sich immer noch beharrlich anzuerkennen, dass ihre Cousine schwanger gewesen war und ihr Kind in jener Nacht verloren hatte, obwohl die Umstände gar keinen anderen Schluss zuließen. Aber solange Axilla nicht von sich aus darauf zu sprechen kam, bestand ja keinerlei Notwendigkeit sich weiter damit auseinanderzusetzen, und das war Serrana im Grunde auch ganz recht. Schließlich war die Vorstellung einer unehelichen Schwangerschaft an sich ja schon ungeheuerlich und schlimm genug...

  • “Ja, ich denke, wenn die Parentalia vorbei sind und nach der Carista kann ich auch wieder arbeiten“ bekräftigte Axilla, dass es ihr gut ging. Ihre Kraft kam recht schnell zurück, aber sie hatte schon immer eine gute Konstitution gehabt. Etwas, das sie zum Glück vom Vater geerbt hatte, war die Mutter doch schon immer sehr zierlich und zerbrechlich und auch kränklich gewesen. Und bei den vielen Schürfwunden, die sie sich in ihrer Jugend geholt hatte, war das auch ganz gut so.
    Axilla wand sich der Rüstung ihres Vaters zu und strich einmal ganz zärtlich über das Schulterstück, als wolle sie Staub wegwischen. Nur dass nicht das geringste Staubkorn darauf zu finden war. Irgendwie war ihr ganz schwermütig ums Herz. Diese Tage gingen ihr immer sehr nah, fühlte sie doch zu den Parantalia stärker als sonst ihren Verlust, und wusste sie so auch noch weniger damit umzugehen als sonst. Sie konnte sich nicht wie sonst in aufgesetzte Fröhlichkeit retten. Die Trauer war allgegenwärtig, und es war fast schon eine heilige Sache, diese auch zuzulassen und sich ihr ein Stück weit zu ergeben.
    “Serrana? Magst du vielleicht das Opfer machen?“ Es war nur ein unblutiges, kleines Opfer für die Geister der Ahnen. Später würden sie noch raus zum Grab fahren und dort beim Grab Essen und Trinken mit den Toten teilen. Das hier war nur ein kleiner Schritt, um die Geister der Verstorbenen zu ehren und zu beruhigen, und nicht zuletzt um ihrer zu gedenken.
    Eigentlich war Axilla ja die Ältere von ihnen beiden, aber sie überließ der Cousine gerne den Vortritt. Zum einen fühlte sie sich noch immer ein wenig zittrig, und je weniger sie machen musste, umso besser war es vermutlich im Endeffekt. Und außerdem war Serrana ja Priesterin, da wusste sie wahrscheinlich sowieso besser, was man sagen musste. Axillas letztes Opfer im vergangenen Jahr war wahrscheinlich nicht sehr fachmännisch gewesen, und vielleicht war es da besser, es dieses Mal jemanden machen zu lassen, der sich damit auskannte. Sie konnte ja dann ergänzen, wenn ihr noch etwas einfiel.
    Ein wenig traurig war Axilla, dass Silanus dieses Opfer nicht vollzog, aber sie gingen einander schon wieder aus dem Weg. Andererseits war das auch ganz gut, fragte er so schon nicht über Gebühr nach, warum sie denn jetzt krank sie und was sie gehabt hatte.

  • Serrana sah Axilla einen Moment lang überrascht an, da sie als derzeit jüngstes Familienmitglied nicht damit gerechnet hatte, das Opfer für die gemeinsamen Ahnen darzubringen. Allerdings war Silanus bislang noch nicht anwesend, und ihre Cousine sah aus, als könnte sie jeden Moment zusammenbrechen, daher nickte sie sie schnell und ging dann zu dem kleinen Tisch hinüber, auf dem bereits die Opfergaben und andere notwendige Dinge bereitstanden.
    Zuerst nahm sie mit beiden Händen vorsichtig die losen Veilchenblüten aus einer Schale und drappierte sie gleichmäßig zwischen den einzelnen Figuren.
    Dann platzierte sie ein paar Früchte, etwas Salz und in Wein aufgeweichtes Brot auf dem Hausaltar und trat einen Schritt zurück, wobei sie die Arme erhob und die Handflächen nach oben drehte.


    "Oh, ehrwürdige Ahnen unserer geliebten Gens. Nehmt die Gaben an, die wir euch heute darbringen, und die euch gebühren. Und schützt und leitet unsere Familie auch weiterhin, darum bitten wir euch."


    Während sie sprach, zogen Bilder der Menschen, die sie in ihrem jungen Leben bereits verloren hatte an ihrem inneren Auge vorbei, und ihre Augen füllten sich automatisch mit Tränen. Weder ihr Großvater noch ihre Mutter hatten zur Gens Iunia gehört, aber das war Serrana im Moment egal, denn auch ihnen gebührte ein feierliches Gedenken, auch wenn es am Altar einer anderen Familie stattfand. Dann hob sie kurz den Blick und betrachtete ein wenig wehmütig die Totenmaske ihres Vaters. Macro würde ihr wohl immer ein wenig fremd bleiben, aber der alte Brief hatte ihr immerhin die Möglichkeit gegeben, so etwas wie ihren Frieden mit ihm zu machen.

  • Axilla beobachtete genau, wie Serrana vorging. Sie hätte wahrscheinlich alles anders – und damit furchtbar falsch – gemacht, daher war sie froh, dass die Cousine es übernommen hatte. Einmal kurz wankte Axilla, wurde dann aber sofort von Leander aufgefangen und gestützt. Mit einem beruhigendem Blick und einem angedeuteten Lächeln stellte sie sich wieder gerade hin und löste sich von dem Griechen. Seitdem sie wusste, dass er es war, von dem Archias über Umwege von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte, hatte ihr Verhältnis einen Knacks davongetragen, und sie konnte nicht mehr ganz so locker mit ihm umgehen. Sie sah zwar, dass ihn das schmerzte, und sie selbst schmerzte es nicht minder, aber es ging einfach nicht. Nicht so schnell.


    Serrana sprach ein sehr kurzes Bittgebet an die Ahnen, und Axilla wandte sich danach auch den Masken zu. Von diesen Gesichtern kannte sie nicht eines, zumindest nicht bewusst. Natürlich erkannte sie in dem ein oder anderen die Ähnlichkeit zu ihrem Vater, aber sein Geischt war hier nicht. Ihr Blick glitt wieder zu der Rüstung, und nun hob auch sie die Arme nach außen.
    “Ehrwüdige Ahnen, wir danken euch für euren Schutz und die Weisheit, die ihr uns zuteil werden lasst. Wir gedenken eurer und vermissen euch. Wir hoffen...“ Kurz musste Axilla abbrechen, da sie wusste, dass sie einen Lebenswandel führte, den wohl keiner ihrer Ahnen gut geheißen hätte. Dennoch vollendete sie diese Formel, die ihr Vater immer benutzt hatte zu diesem Fest. “... wir hoffen, dass wir unsere Leben so führen, um eurem ehrenhaften Vorbild folgend den Ruhm der Gens zu mehren. Wir danken euch für eure stete Sorge und eure wachsamen Augen.“
    Sie war wieder ein wenig wackelig, also beendete sie an dieser Stelle das Gebet und sah schweigend zu Serrana hinüber. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, wie es ihr wohl ging. Sie betete hier zu einem Vater, den sie kaum gekannt hatte. Axilla konnte sich das gar nicht vorstellen. Für sie war ihr Vater nach wie vor der wichtigste Teil ihres Lebens. Ihn sich wegzudenken wäre, als würde man ihr einen Teil ihrer selbst aus dem Leib schneiden.


    “Er wäre sicher sehr stolz auf dich“, meinte Axilla zu ihrer Cousine, während sie sie so traurig anschaute. Zwar kannte Axilla ihren Onkel nicht, aber wenn er auch nur ein klein wenig wie sein Bruder gewesen war, dann war er das ganz sicher.

  • Wenn Serrana betete, ganz gleich zu wem, dann ging sie völlig in ihren Worten auf, und so bemerkte sie auch Axillas Schwanken nicht.
    Nachdem sie ihre Ansprache an die Ahnen abgeschlossen hatte, machte sie Platz für ihre Cousine und nickte unwillkürlich bei deren Worten. "Wir vermissen euch..."- Wie wahr dieser Satz doch war! Serrana vermisste ihre Toten sehr, wenn auch jeden auf unterschiedliche Art und Weise. Ihre Mutter war schon so viele Jahre nicht mehr bei ihr, dass sie sich kaum noch an sie erinnern konnte, doch die Sehnsucht nach der Wärme und Geborgenheit, die sie von ihr in den ersten fünf Jahren ihres Lebens so bedingungslos erfahren hatte, hielt auch heute noch unvermindert an. Mit ihrem Großvater hatte sie hingegen fast ihre komplette Kindheit und Jugend verbracht, und da er erst vor einem knappen Jahr gestorben war, gab es noch eine Unmenge von größeren und kleineren Erinnerungen an irgendwelche gemeinsamen Erlebnisse, Gespräche oder auch nur bestimmte Gesten oder Ausdrücke, die für Marcilius Lento so typisch gewesen waren. Aber so sehr er ihr auch fehlte, ihr Großvater war bei seinem Tod bereits ein betagter Mann gewesen, und so fehlte diesem Verlust die Bitterkeit, die sie im Fall ihrer Eltern empfand.
    Was ihren Vater anging, so vermisste Serrana nicht wirklich einen konkreten Menschen, denn dafür hatte sie ihn viel zu wenig gekannt, sondern wohl das, was vielleicht hätte sein können, wenn einige Dinge anders gelaufen wären.
    Und obwohl sie wusste, dass das albern und kindisch war, beneidete sie Axilla wieder kurz für all das, was diese mit ihrem Vater verbunden hatte und schreckte ein wenig aus ihren trüben Gedanken hoch, als ihre Cousine sie plötzlich ansprach.


    "Ja? Meinst du wirklich?" fragte Serrana ein wenig zweifelnd und warf einen weiteren Blick auf Macros Totenmaske. Sie hatte keine Ahnung, was ihrem Vater zu Lebzeiten besonders wichtig gewesen war oder worauf er Wert gelegt hatte, aber trotzdem hatte diese Vorstellung etwas tröstliches.
    "Danke" sagte sie dann leise und hatte bereits einen Schritt auf Axilla zugemacht um diese spontan zu umarmen, als sie ein wenig unschlüssig wieder innehielt und die Arme sinken ließ. Für kurze Zeit hatte Serrana das schöne Gefühl gehabt, alles über ihre Cousine zu wissen und sich dieser wirklich eng verbunden und vertraut gefühlt. Die Ereignisse jener schrecklichen Nacht hatten das jedoch geändert und ihre Empfindungen Axilla gegenüber waren derzeit ein Mischmasch aus Zuneigung, Unsicherheit, Zweifeln und auch einem gehörigen Maß an verletztem Stolz.

  • Axilla nickte nur bekräftigend auf Serranas Worte hin. Natürlich meinte sie das ernst, sie sagte sehr selten Dinge, die sie nicht auch meinte. Manchmal drückte sie sich zwar falsch aus, immer wieder wurde etwas von ihr missverstanden, oder sie versäumte es, es richtig zu stellen. Aber im Grunde konnte man sich bei ihr darauf verlassen, dass sie alles so meinte, wie sie es sagte.
    Natürlich bekam Axilla das Zögern und zurückweichen der Cousine mit. Axilla war zwar geschwächt, aber nicht blind. Aber sie nahm es Serrana nicht übel. Wenn sie Zeit brauchte, um über das Geschehene hinwegzukommen, würde Axilla ihr diese Zeit geben. Sie selbst war jemand, der sich in sich selbst zurückzog und die Einsamkeit suchte, wenn sie mit einem Umstand nicht zurechtkam. Wer wäre sie also, Serrana zu drängen und sich ihr aufzuzwingen? Nein, wenn Serrana zu der Einsicht gleangt war, dass Axilla noch immer derselbe Mensch wie ehedem war, würde sie wieder kommen. Bis dahin verschloss sich Axilla einfach vor dem leichten Schmerz, etwas verloren zu haben, von dem sie nicht einmal gewusst hatte, dass sie es haben könnte, ehe sie nach Rom gekommen war.
    “Leander, du hast doch die Sänfte geordert, oder?“ fragte sie ihren Sklaven, zu dem ihr Verhältnis momentan auch etwas schwierig war.
    “Ja, Herrin, und Essen ist auch bereit.“
    Axilla nickte nur etwas geschwächt und sah zu ihrer Cousine. “Gut. Dann können wir zum Grab fahren und das Essen mit den Verstorbenen teilen.“
    Es hatte keine Eile, und gewiss würden sie nicht die Einzigen an den Gräbern sein. Immerhin war das Teilen der Nahrung mit einer der Hauptaspekte bei diesem Fest. Vermutlich würde an den Gräberstraßen außerhalb von Rom dieser Tage mehr Betrieb sein als innerhalb der ewigen Stadt.

  • "Meinst du, wir haben auch nichts vergessen?" Serranas Stimme war kaum mehr als ein Wispern, als sie sich Calvena zuwandte, denn schließlich befanden sie sich gerade davor, einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum Erwachsenwerden zu vollziehen. Die beiden Mädchen hatten ausgiebig gebadet und sich die Haare waschen lassen und standen nun in einfache Hausgewänder gekleidet, mit offenem und noch leicht feuchtem Haar und je einem geflochtenem Korb unter dem Arm vor dem Hausaltar der Casa Iunia. In den Körben befanden sich die Kleider, die sie, einem alten Ritual folgend, vor dem Baden abgelegt hatten und ihr altes Spielzeug, in Serranas Fall ihre Lieblingspuppe und ihr altes Spielzeug. Was für ein Glück, dass ihre Holztiere sich zur Zeit in der Casa Germanica bei Sedulus' Tochter Sabina befanden, es wäre Serrana doch sehr schwer gefallen, ihr letztes spürbares Verbindungsglied zu ihrem Vater endgültig aufzugeben. Ein kurzer Seitenblick zeigte ihr, dass die sonstigen Opfergaben wie Wein, Kuchen und Obst bereit standen, und Serrana atmete erst einmal tief durch, um ein bisschen von der Nervosität loszuwerden, die sie schon den ganzen Tag begleitet hatte und jetzt, gegen Abend, immer stärker wurde. Morgen um die gleiche Zeit würde sie bereits eine verheiratete Frau sein. Unglaublich eigentlich...Da war es schon eine beruhigende Vorstellung, dass Calvena in dieser Nacht bei ihr sein würde, über diese gemeinsamen Erfahrungen und Erinnerungen würden sie sich vermutlich noch als alte Frauen unterhalten können.
    Nach dem Opfer würde es dann in Serranas Cubiculum gehen, wo bereits die alte Quadrata, die langjährige Leibsklavin ihrer Großmutter Laevina, auf die beiden Mädchen wartete, um ihnen beim Anziehen der Tunica recta zu helfen.

  • Irgendwie stand Calvena schon den ganzen Tag neben sich. Wirklich geschlafen hatte sie auch nicht, das was sie Morgen erwarten würde, sorgte dafür, dass sie nervös war, angespannt und freudig erregt. Auf rein gar nichts hatte sie sich konzentrieren können und am Ende hatte Elissa genervt zugelassen dass sie ihr half zu packen. Schließlich würde sie ja umziehen und dafür wollten nicht nur Kleider verstaut werden, sondern auch ihre wertvollen Instrumente und jede Menge Kleinkram. Alles was eine junge Frau so brauchte. Simplex hatte ganz schön gestöhnt, als er eine der Truhen angehoben hatte und ziemlich darüber geschimpft, dass Frauen lauter sinnlosen Tand besaßen. Amüsiert hatte sie dem kurzen Wortgefecht zwischen den beiden Sklaven gelauscht und sie dabei beobachtet. Wehmut hatte sie überkommen, aber nur kurz, denn sie musste dazwischen gehen, als Elissa mit einer Vase nach Simplex werfen wollte. Den Grund wollte ihr die Keltin nicht verraten. Stattdessen hatten sie gemeinsam gelacht. Die ganze Zeit war ihr danach albern zu kichern, was sie auch immer wieder tat und für eigenartige Blicke sorgte.
    Wie gut das wenig später Serrana gekommen war und gemeinsam hatten sie für einige Stunden die hauseigenen Thermen blockiert, nur um sich dann auf den Weg zur Casa Iunia zu machen. Unterwegs hatten sie die Köpfe zusammen gesteckt, während ihnen Elissa und Quadrata folgten, mit den Kleidern, den Schleiern, unzähligen Kästchen mit Schmuck und anderen Dingen die die beiden Mädchen brauchen konnten, als Bräute. Eines der Kästchen wirkte recht unscheinbar und Calvena hatte Serana nicht verraten wollen, was darin war, sondern ihr nur zugezwinkert.
    Einen Augenblick hatten sie im Atrium gestanden, hatten die Dekoration bewundert und die Sklaven beobachtet, wie sie ihren Pflichten nachgingen und letzte Blumengestecke herrichteten. Grinsend hatten sie einen wissenden Blick getauscht und waren dann kichernd in Richtung Lararium davon gegangen. Und hier standen sie nun, etwas unschlüssig. In den Händen jeweils einen geflochtenen Weidenkorb.
    „Ich glaub nicht“, antwortete sie ihrer Freundin und war froh, mit ihr gemeinsam zu heiraten. Als Sedulus ihr den Vorschlag gemacht hatte, war sie ganz und gar nicht begeistert gewesen, aber jetzt schon. Es dämpfte ihre Nervosität. „Wir dürften alles haben. Schließlich haben wir uns die Köpfe zerbrochen deswegen!“ meinte sie. Am Morgen hatte sie bereits in der Casa Germanica den Laren ein kleines Opfer gebracht. An einem solchen Tag konnte man den Göttern nicht genug Opfern fand sie. „Bist du auch so nervös?“ fragte sie sicherlich zum hundertsten Mal. Die Antwort würde wieder die Gleiche sein wie zuvor.

  • Ob sie auch nervös war? Die Frage war wirklich gut....Serrana schenkte Calvena ein ziemlich klägliches Lächeln und drückte unwillkürlich ihren Korb etwas enger an ihren Körper. Oja, sie war nervös, so nervös wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Unglaublich, aber selbst vor ihrer Prüfung zur Aeditua war es nicht so schlimm gewesen wie jetzt in diesem Moment.
    Sie konnte den Göttern nur dankbar dafür sein, dass sie ihr einen Weg zu Crios und seinem wundervollen Beruhigungstrank gewiesen hatten, sonst hätte sie die letzten Tage vermutlich überhaupt nicht überstanden, von den Nächten ganz zu schweigen.
    Nur noch eine einzige Nacht, also nicht mehr als ein paar Stunden, trennten sie von einem vollkommen neuen Leben, und so sehr Serrana sich eigentlich auch darauf freute, so sehr erfüllte die Ungewissheit in so vielen Bereichen sie im Moment mit Panik. Natürlich hatte sie bei dem Gedanken an die bald bevorstehende Hochzeitsnacht ein etwas flaues Gefühl im Magen, aber das war eingentlich nur winziger Teil. Schon Morgen würde sie in einem anderen Haus leben, unter einem Dach mit Menschen, die sie, von Sedulus und ihrer Großmutter einmal abgesehen, noch kaum kannte. Calvena würde dann nicht mehr dort sein sondern ebenfalls an der Seite ihres Ehemannes. Ihres Ehemannes, ihr Götter, den würde Serrana ab morgen auch haben...


    "Und ob ich das bin." antwortete sie noch ein bisschen leiser und sah fast ein wenig verzweifelt zu den Opfergaben hinüber, die Calvena und sie gemeinsam gekauft und vorbereitet hatten. Vielleicht würde das Opfer ja ein wenig helfen und sie beruhigen. Dass sie diese Frage an diesem Tag schon ein dutzend Mal gestellt und auch beantwortet hatte, fiel ihr gar nicht auf.

  • Serranas Antwort war die Selbe wie zuvor. Natürlich war sie nervös. Gegenseitig stellten sie sich die Frage alle paar Minuten, weil sie wohl irgendwie hofften, die Andere würde wissen was sie tun sollten. Stattdessen waren sie aber Beide etwas unschlüssig und total unsicher. Zumindest waren sie nicht allein. Dennoch die Anspannung wollte sich nicht lösen. Vielleicht erst dann wieder wenn sie völlig ausgeschlafen war und die Hochzeit vorbei war. Und sie dann verheiratet war. Morgen schon! Panik! Täuschte sie sich oder war die Zeit wie im Fluge vergangen. Wo waren die Tage und Wochen geblieben?
    „Sind deine Sachen auch schon gepackt?“ fragte sie um die Stille zu durchbrechen. Hatte sie diese Frage ihrer Freundin schon mal gestellt? Sie war sich nicht sicher, irgendwie war dies alles surreal. Beide starrten sie auf den kleinen Altar. Meine Güte sie war Priesterin der Iuno und dann stand sie jetzt wie eine Anfängerin da und wusste nicht was sie tun sollte. Echt albern, sie musste über sich selbst Kichern. Wie gut das jemand anderes das Opfer zur der Hochzeit durchführen würde, sie fühlte sich dazu nicht in der Lage und nach dem Gesichtsausdruck ihrer Freundin zu urteilen, diese auch nicht.

  • "Wie? Oh ja..., das hab ich." Serranas Gedanken waren unmittelbar nach ihrer ersten Antwort bereits wieder abgeschweift und so kam auch dies Frage ein wenig verzögert bei ihr an. Und ob sie gepackt hatte; eigentlich hatte sie seit Tagen neben den sonstigen Vorbereitungen fast nichts anderes mehr getan. Komisch, wieviel sich in diesen acht Monaten angesammelt hatte, dabei war sie im letzten August nur mit einer kleinen Truhe und ein paar weiteren Habseligkeiten in Rom angekommen. Diesmal würden die Sklaven schon ein wenig mehr zu transportieren haben, auch wenn Serrana immer noch nicht allzuviel besaß.
    Nur noch eine Nacht, oder besser gesagt, nur noch wenige Stunden, und dann würde dieses Haus nicht mehr ihr Zuhause sein. Ein seltsames Gefühl, obwohl das Leben hier nicht immer einfach gewesen war, oder vielleicht auch gerade deshalb. Einsam zu Beginn und turbulent gegen Ende, als sie ständig mit Axilla aneinander geraten war. Und trotzdem fühlte sie sich in diesem Moment den Menschen hinter den Totenmasken über dem Altar stärker verbunden, als sie es jemals zuvor getan hatte[SIZE=7]."Ich werde immer zu euch gehören." [/SIZE]flüsterte sie leise, obwohl sie noch vor gar nicht allzu langer Zeit etwas ganz anderens gedacht hatte. Sicherlich hatte sie viele Fehler gemacht und würde vermutlich auch in Zukunft noch eine Menge weitere begehen. Aber das hatten einige ihrer Vorfahren vermutlich auch getan und trotzdem hingen ihre Masken jetzt hier und man gedachte ihrer mit Respekt. Sie würde vielleicht kein besonders glanzvolles Glied in der Familiengeschichte sein, aber trotzdem war sie da, daran würde auch der Umzug in das Haus einer anderen Gens nichts ändern.
    Serrana ließ den Blick noch einmal über die geschmückten Laren und die Masken gleiten, wobei sie etwas länger bei der ihres Vaters hängen blieb und wandte sich dann nach einem kurzen Räuspern wieder Calvena zu.
    "Was meinst du? Sollen wir anfangen?" Auf das zustimmende Nicken ihrer Freundin hin warf Serrana etwas Weihrauch in das bereit stehende kleine Kohlebecken und die beiden Mädchen begannen mit dem Opferritual, wobei sie sich bei den Gebeten und sonstigen Handlungen immer wieder abwechselten. Nachdem die letzte Opfergabe dargebracht und das letzte Gebet gesprochen worden war, fühlte Serrana sich schon deutlich besser. Immer noch aufgeregt natürlich, aber auch ein bisschen mehr im Frieden mit sich selbst und ihrer Zukunft.

  • War es Anspannung oder Nervosität oder Vorfreude die immer wieder ihre Gedanken abschweifen ließ. Wirklich bestimmen konnte sie es nicht. Vermutlich waren es alle drei Gefühle und nicht nur sie war davon erfasst worden, sondern Serrana auch. Wirklich ein zusammenhängendes Gespräch führten sie nicht, es waren eher Fragen, die man sich selbst stellte in der Hoffnung das eine andere Antwort kommen würde, als die die man bereits kannte. Einfach nur um sich ein wenig abzulenken.Natürlich hatte Serrana gepackt, hätte ihr eigentlich klar sein müssen, in dieser Hinsicht waren sie sich recht ähnlich, auch wenn Calvena so etwas wie ein kreatives Chaos um sich herum bevorzugte. Elissa hatte immer ihre Mühe ihr hinter her zu räumen. Sie versuchte sich ja in dieser Hinsicht zu ändern, doch wirklich gelungen war es ihr bisher nicht. Während sie so vor dem Altar standen, schwiegen sie wieder. Ehe sich dann die Iunia raffte und sie gemeinsam den Laren und Vesta ein Opfer brachten. Ein ähnliches hatte sie bereits in der Casa Germanica vollzogen, allein für sich um die flatternden Nerven zu beruhigen. Für einen kurzen Moment senkte sich tatsächlich Ruhe über sie, als sie die vertrauten Gesten durchführte und die vertrauten Worte sprach. Sie entspannte sich für den Moment und fing den Blick von Serrana auf. Erst zuckte nur ihr Mundwinkel, dann musste sie lachen, einfach weil es befreiend war und die Aufregung so sich etwas lösen konnte.
    „Ich hätte nie gedacht, das wir einmal am selben Tag heiraten“, kicherte sie und hackte sich dann recht gut gelaunt bei Serrana an. „Du bist zwar wie eine Schwester für mich, aber ehrlich, irgendwie geht das schon zu weit“, zwinkert sie ihr zu. „Obwohl, ich sollte Sedulus böse sein, der hatte schließlich diese Schnapsidee. „Hat er was an dem Abend getrunken oder ist das einfach nur typisch Mann?“, witzelte sie weiter. „Komm lass uns in dein Zimmer gehen, Quadrata ist sicher schon ungeduldig!“

  • Als Calvena in Gelächter ausbrach, sah Serrana sie einen Moment lang überrascht an, dann fiel sie auch mit ein.Der lähmende Bann, der schon die ganze Zeit auf ihr gelegen hatte, lockerte sich wieder ein wenig und sie atmete wie befreit ein paar mal ein und aus.
    "Ja, du hast recht, ein wenig ungewöhnlich ist das schon. Keine Ahnung, wie Sedulus darauf gekommen ist, aber er hat ja häufiger ungewöhnliche Ideen." mit einem Schmunzeln und drückte kurz Calvenas Hand, nachdem sich diese bei ihr eingehakt hatte. "Aber sieh es mal so: an unsere Hochzeit wird man sich sicher noch lange erinnern, und wir beide werden immer etwas haben, das uns miteinander verbindet, ganz egal, wie unser Leben in Zukunft verlaufen wird."


    Serrana warf noch einen letzten Blick zurück auf den Hausaltar, dann gingen die beiden Mädchen zurück in ihr Cubiculum.

  • Die Spannung war gelöst und einer fröhlichen Aufregung gewichen. Beide konnten sie wieder lachen und sich auf den morgigen tag freuen. Es waren schließlich noch wenige Stunden bis sich ihr Leben verändern würde und sie mehr oder weniger offiziell zu den erwachsenen Frauen zählten. Wirklich glauben konnte sie es noch nicht. „Warte ab, was dich nach der Hochzeit erwartet!“ scherzte sie und folgte ihr dann in ihr Zimmer, wo bereits Quadrata und Elissa warteten. „Ich hoffe doch dass unsere Hochzeit noch lange in Erinnerung bleiben wird. Wäre doch schade, wo wir uns so viel Mühe gegeben haben!“

  • Nachdem Lea nun mit Hintergrundgeschichte und annehmbarer Kleidung ausgestattet war und auch Silanus mit der Sprache herausgerückt und soweit zufrieden war, führte Axilla die neue Sklavin also zum Hausaltar. Dort zog sie ihre bequemen Hausschuhe aus und bedeutete Lea, das gleiche zu tun. Für ein ordentliches Gebet musste man die Geister schließlich fühlen können. Außerdem ging Axilla gern barfuß, nach wie vor. Das hatte so etwas urtümliches und ungehöriges an sich, was sie mochte. Und da die Laren auch urtümlich und ungehörig waren, glaubte sie, dass es ihnen gefallen würde.


    An einer Lampe entzündete Axilla also ein Stück Kohle und blies leicht darauf, bis es glimmte. Die Kohle kam in eine dafür gedachte Schale, und Axilla streute zwei kleine Körnchen Weihrauch darauf, die in einer Schatulle direkt am Hausaltar aufbewahrt wurden. Weiße, wohlduftende Fäden stiegen auf, und Axilla intonierte also das Gebet.
    “Ich rufe Ianus. Ich rufe Pan. Ich rufe Iuno. Ich rufe Isis. Ich rufe Vesta. Ich rufe die Lares und die Penates. Ich, Iunia Axilla, rufe die guten Geister meiner Vorfahren. Ich, Iunia Axilla, rufe die dies familiae herbei. Heute nehmen wir ein weiteres Mitglied in unser Heim und unsere Familia auf. Hier steht Lea, eine Sklavin. Nehmt sie unter euren Schutz. Beschützt ihren Tritt, beschützt ihre Wege, beschützt ihren Geist. Lasst jeden bösen Zauber und jeden Fluch an ihr abperlen, solange sie der Familie treu ist. Lasst es ihr wohl ergehen alle ihre Tage, damit wir euch in diesem Hause weiterhin verehren können, wie es euch zusteht.“
    Bei jeder neuen Schutzformel wedelte Axilla mit der Hand etwas von dem Weihrauchduft über Lea, um so den Zauber der Geister auf ihr zu festigen. Abschließend beendete sie das Gebet mit einer Drehung nach rechts.


    “So, das war's. Damit solltest du dem Schutz dieses Hauses unterstellt sein.“

  • Sie kannte Götter, sie kannte Gebete, aber ein Hausaltar? Nein das kannte sie nicht. Aber so im Groben hatte sie wohl verstanden, dass Axilla sie unter den Schutz der Geister des Hauses stellen wollte. So zog sie also als es ihr angedeutet wurde auch die Schlappen, die man ihr gegeben hatte von den Füßen. Als Axilla mit ihrem Gebet anfing, tat Lea das was sie gelernt hatte, sie beugte ein Knie zu Boden und senkte den Kopf. Sie kniete in der Art der Kriegerinnen vor dem Altar, so wie sie es immer trat, wenn sie vor ihre Göttin trat, anders kannte sie es nicht.
    Sie selbst bette stumm zu den Geistern des Hauses.
    Nachdem sie nun mit Weihrauch befächelt war und Axilla verkündete, dass sie nun unter dem Schutz der Geister stünde erhob sie sich. „Danke.“ Sagte sie leise zu der Iunia.

  • Tuca wurde hier quasi geparkt. Also sie bekam die Anweisung kurz zu warten währen Lea sich auf die Suche machte. Tatsächlich ging es schneller als erwartet. Sie fand die Domina recht schnell und bat sie auch die neue Sklavin unter den Schutz der Laren zu stellen.
    So kam sie nun also mit der Domina im Schlepptau vor dem Hausaltar an.

  • Lea mochte mehrere Sprachen beherrschen, kämpfen und vermutlich auch reiten können und auch sonst so einiges, was man von ihrem Alter und ihrem Geschlecht nicht erwartete. Aber Umgangsformen... Umgangsformen! Axilla war doch kein Laufbursche, den man herzitierte, wenn man etwas brauchte! Sie war die verflixte Herrin des Hauses und hier in diesen vier Wänden mächtig wie Iuno persönlich!


    Trotzdem kam sie angestapft und erblickte da eine neue Sklavin. Nubierin, dem Anschein nach. “Mag mich noch jemand aufklären?“ formulierte Axilla ihre eigentliche Forderung dennoch zuerst als Frage. Seit ihr Cousin hier eingezogen war, herrschte in diesem Haus eine schlimmere Unordnung als bei den Kimbern auf Beutezug!

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