Aviana ahnte ja nicht einmal, was ihrem Vater alles durch den Kopf ging. Sie ahnte nichts davon, dass er sich deutlich mehr den Kopf über ihr Wohlergehen zerbrach, als sie selbst. Kurz beschlich sie doch eine Melancholie, als er davon sprach, dass auch er ihre Mutter sehr vermisste. Was wäre gewesen, wenn die Ehe zwischen Ihnen einst möglich gewesen wäre und sie zwischen beiden hätte groß werden können? Möglicherweise hätte sie sogar einen Bruder gehabt, einen kleinen, der kicherte und gluckste wenn sie ihn ärgerte. Und mit diesen doch wehmütigen Gedanken, endete auch die Melancholie schon wieder, denn der Gedanke an einen kleinen, glücklichen Wurm erheiterte ihr Gemüt, wie es bei vielen Frauen der Fall war. Auch wenn dieser kleine Wurm gar nicht existierte. Diese Frage würde sie auch gerne ihrem Vater noch einmal stellen, aber der Zeitpunkt war einfach noch nicht gekommen. Denn auch er hatte nun eine Frage an sie. Eine Frage, die sie für einen gewissen Zeitraum mit Schweigen quittierte, denn sie wusste sie selber gar nicht so spontan zu beantworten. Ja, was konkret stellte sie sich für ihre Zukunft eigentlich vor? Mit Pläne schmieden hatte sie eigentlich nie viel Zeit zugebracht. Zögernd erhob sie die Stimme:
„Ich weiß es gar nicht recht, was ich möchte. Im Grunde genommen, gibt mir die Gesellschaft kaum mehr als eine Richtung, nicht wahr? Einen Mann heiraten, idealerweise mit sinnvoller, politischer Bindung, gesunde Kinder, Erben Roms zur Welt bringen und so einfach das Leben dahinfristen, bis ich Mutter folgen werde, wenn ich einmal alt bin. Das ist jedenfalls der Weg, den wohl so ziemlich jeder für jemanden wie mich vorgesehen hat. Man.. hm… denkt im Grunde über gar keine anderen Wege nach, da man als Frau nur diesen einen Weg kennt.“ Erklärte sie ausgiebig. Ihr fiel auf, dass ihre Worte ziemlich wehmütig klangen, als würde sie sich etwas anderes erhoffen. Sie wusste allerdings nicht einmal, ob sie das tat. Sie hatte nie über sich und einen Mann nachgedacht. Sie war glücklich mit ihrem Leben, wie es jetzt war, aber irgendwann würde das zuende gehen und wenn sie dann keine Vorsorgen getroffen hatte, würde es auch nicht unbedingt gut um sie bestellt sein. Sie sah Geminus nachdenklich an. Um die Stimmung wieder ein wenig aufzuhellen, meinte sie dann allerdings mit lachender Stimme:
„Ach, idealerweise werde ich einfach Kaiserin und fröhne einem ruhigen Dasein und reise viel durch die Lande. Ab und an winke ich dann lächelnd dem Volk von Rom zu und schenke dem Reich einen guten Herrscher.“ Bei dem Gedanken beschlich ehrliche Heiterkeit ihre Gedanken und sie gluckste bei dieser absurden Vorstellung.
„Ich weiß es wirklich nicht Vater. Was siehst du denn für mich?“
Villa Helvetia - nahe Misenum
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"Das klingt emotionslos. Aber wohl zutreffend. Dieser Karrierecursus ... ist der weibliche Normalweg, das stimmt. Es sei denn man widmet sich den Göttern."
Wobei Gemuns das ehrlich gesagt, als eine Verschwendung ansah. Frauen, die diesen Weg gingen, wurden entweder von der familie abgeschoben und konnten auch unter größter Anstrengung nicht verheiratet werden. Und diese stets grantigen Weiber traten dann für Roms Volk mit den Göttern in Kontakt .... kein Wunden, dass diese betrübt waren und zürnten ...
Titus musste leicht schmunzeln.
"Kaiserin? Oh, das stellt man sich leichter vor, als es ist, glaube ich ..."
Er hatte noch keine Kaiserin gekannt, die ihr Dasein als Gattin des Pupurträgers nicht zu einem wandelnden Geist hatte werden lassen.
Gegenüber seiner Tochter, blieb er dabei aber lieber scherzhaft."... seit wann hast Du denn diese Ambitionen? Der Kaiser ist glücklich verheiratet oder planst Du eine eigene Dynastie?"
Nun lächelte er breiter.
"In der der Helvetia gab es schon so manche ergeizige Planung, aber damit würdest Du sogar Falco überholen."
Es war lange her, dass er ihn erwähnt hatte.
„Was ich für Dich sehe? Ich würde Dich niemals in eine Richtung drängen! Bereits einmal in Deinem Leben, habe ich durch eine Entscheidung alles verändert. Das tue ich nicht nocheinmal. Daher frage ich nach Deinen Wünschen."
Er seufzte und sah zum Horizont.
"Und ich fürchte, dass Deine Wünsche, egal wie sie aussehen mögen .... hier nicht zu erfüllen sein werden ..."
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Ihr Leben den Göttern widmen? Sie hatte kaum daran gedacht, weil sie hierzu nie groß angetrieben wurde. Sie betete oft, gedachte häufig den Göttern, fragte das eine oder andere Mal nach ihrem Segen. Aber in ihre Dienste treten hatte sie noch nicht einmal in Erwägung gezogen. Nicht etwa, weil sie es nicht wollte, sondern weil ihr der Gedanke einfach nicht kam. Priester waren für sie immer fremd gewesen. Sie dachte einen Moment nach. Dann ging sie auf seine Worte ein.
„Na, die Kaiserin ist auch eine Art Priesterin oder sehe ich das falsch? Leitet sie nicht den Bona Dea-Kult an? Ich weiß nicht viel darüber, aber ich meine etwas derartiges einmal gehört zu haben. Da könnten sich also unser beider Interessen vereinen“ lachte sie wohlgemut. „Aber keine Sorge, ich habe nicht vor der derzeitigen Herrschaft den Kampf anzusagen, ich habe bislang jedenfalls noch keine Beschwerden zu äußern und das Dasein als deine Tochter ist erfüllend genug!“ Das Lachen wurde nun zu einem warmen und ernsthaften Lächeln. Dann aber fing er an von der Familie zu sprechen und das passierte selten. Sie lauschte aufmerksam. Es kam nicht viel, aber ein Name, der noch nicht aufgetaucht war. Aviana, mit ihren sensiblen Fühlern, wurde gleich hellhörig. Helvetius Falco, ehrgeizig. Sie notierte diesen Namen für sich in ihrem Hinterkopf um ihn zu einem geeigneteren Zeitpunkt anzusprechen.
Als Geminus so liebevoll von ihrer Zukunft sprach, lächelte sie, allerdings mit Kummer im Blick. Sie lehnte ihren Kopf an seine Brust und sprach, mit der Hand über seinen Rücken streichend: „Vater, bislang bin ich hier wunschlos glücklich. Meine Wünsche lagen bislang immer in einem glücklichen Familiendasein und du bist meine Familie, Vater. Hör auf so schlecht von dir zu sprechen.“ Ihre Stimme war sehr leise aber voller Sorge. Sie mochte es nicht, wenn er so sprach. Es kam genau das aus seinen Worten zu ihr herüber, was sie an ihrem eigenen Wunsch nach mehr Gesellschaft so verabscheute. Es machte ihr Sorgen, dass er sich selbst als langweilig bezeichnete, wenn auch nur indirekt. Sie fürchtete, dass er sie möglicherweise sogar wegschicken würde, weil er ihr nicht glaubte, dass sie ihrem alten Vater gern Gesellschaft leistete.
„Vater.. Warum eigentlich hast du uns damals fortgeschickt? Ich sehe doch noch immer, dass du Mutter wirklich geliebt hast. Warum war es so gefährlich zu uns zu stehen? Warum hast du deine damalige Frau nicht abweisen können? Ich bin nicht böse, ich hatte auch so ein gutes Leben, aber ich frage mich oft, was gewesen wäre, wenn ich bei dir hätte aufwachsen können.“ Fragte sie leise, noch immer eng an ihn geschmiegt. Aus irgendeinem Grund fiel es ihr zu schwer, ihm bei dieser Frage ins Gesicht zu sehen. Sie fürchtete ein wenig, Schmerz in seinem Gesicht zu sehen, weil er sich dies manches Mal wohl selbst vorgeworfen hat. Dabei war ihre Frage nicht einmal als Vorwurf zu sehen. -
Sim-Off: So, auch hier wie sim-off besprochen der Cut und ein gemeinsamer Aufbruch nach Rom
Es hatte noch so manches philosophisches Gespräch im Hause Helvetia gegeben. Aber Zeit blieb seit dem Beschluss, dass sie gemeinsam nach Rom fahren würden, nicht mehr allzuviel. Und diese Zeit war sehr rasch bei den Vorbereitungsarbeiten von Aviana verstrichen. Die meisten Möbel ließen sie zurück, denn die Villa in Roma war noch ausreichend ausgestattet. Allerdings kam dennoch viel Gepäck mit den Kleidern, diversen Kissen, Schreibunterlagen und was noch alles in einem römischen Hauhalt so anfiel, zusammen. Der Grund für einen doch recht überstürzten Aufbruch? Es waren viele Gespräche gewesen, die Aviana zu dem Entschluss geführt hatten, sich bezüglich ihrer Zukunft noch viele Gedanken zu machen.
Und da war plötzlich dieser eine Gedanke gewesen. Er war einfach in ihrem Kopf. Sie hatte sich nicht Stück für Stück in diese Richtung bewegt, der Gedanke war in seiner vollen Größe in ihren Kopf gerückt, ohne dass sie es bis zu diesem Tage je auch nur in Erwägung gezogen hatte: Sie wollte Vestalin werden. Nein, vielmehr musste sie es werden. In ihr schrie förmlich etwas danach und auch die rationale Aviana empfand dies als korrekt. Sie hatte ohnehin kein großes Interesse an Ehe und Politik an sich, aber der Dienst an den Göttern, der musste erfüllend sein. Aber das war, wie bereits gesagt, gar nicht der Grund. Die Gedanken die man sich normalerweise vor so einer Entscheidung machte und zu denen diese Überlegungen gehörten, kamen erst nach diesem Wissen in Herz und Kopf. Aviana war erst recht fest von diesem Weg überzeugt, nachdem sie mit ihrem Vater die Überlegungen durchgegangen ist. Auch für die Familie konnte dies nur ein guter Weg sein. So würde sie in keinem Fall ihre Ideale verletzten, noch müsste sie sich unrömisch verhalten.
Gut gelaunt half sie den Sklaven dabei, das Gepäck in die Kutsche zu verladen, die sie gemeinsam mit ihrem Vater nach Rom bringen würde. Sie konnte es kaum erwarten, Rom endlich einmal zu sehen. Und diese Freude wurde nur dadurch angekurbelt, dass sie dort eine Erfüllung erwartete. Sie wusste irgendwie, dass es mehr war, als nur eine prompte Sache. Es fühlte sich vielmehr wie Schicksal an. Und darum war sie zudem überzeugt, dass sie bei den Vestalinnen eine Heimat finden würde. Sie war jung, sie war hübsch, sie war jungfräulich und hatte überhaupt kein Problem damit, diesen Zustand zu ändern. Bislang gab es nur einen Mann in ihrem Leben, und das war ihr Vater. Nun würde der Kaiser dazukommen, aber das war ja auch noch etwas völlig anderes als eine sexuelle Bindung. Nein, die brauchte sie nicht, es verlangte sie noch nie so richtig, sich zu verlieben.
Und mit diesen fröhlichen Gedanken begann ihr Aufbruch, an der Seite ihres Vaters, in ein neues Leben.
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