cubiculum FC | Fragen über Fragen

  • Leicht fiel es Ursus nicht, seine Schwiegertante einfach so aufzusuchen. Es erschien ihm so unangemessen, fast schon aufdringlich. Sie war ihm in letzter Zeit unnahbar und verschlossen vorgekommen, daß er eigentlich das Gefühl hatte, sie würde lieber in Ruhe gelassen. Doch es ging ja nicht um ihn, sondern um den Frieden im Haus. Das schien ihm Grund genug zu sein, sie aufzusuchen, obwohl sie sicherlich über seinen Besuch alles andere als erfreut sein würde.


    Da stand er nun vor dem Raum, in dem Celerina sich nach Auskunft der Sklaven gerade aufhielt. Hoffentlich hatten sie Recht. Seufzend hob Ursus seine Hand und klopfte an die Tür.


    Dabei fiel ihm auf, wie wenig er über sie wußte. Unendlich lange schien es ihm her zu sein, als sie sich einst vor den Thermen getroffen hatten und dann gemeinsam etwas essen gegangen waren. Ob sie sich überhaupt noch daran erinnerte? Damals war sie ganz anders gewesen als heute. So fröhlich und unbeschwert. Es war, als sei eine ganz andere Frau in dieses Haus eingezogen.

  • Charis lag noch die Schelte ihrer Herrin in den Ohren, die sie bezogen hatte, weil sie nicht zur rechten Zeit am rechten Ort war, wie sie sagte. Die Makedonierin war nicht da gewesen, als es am Morgen bereits zum ersten Mal geklopft hatte und die domina höchstpersönlich zur Tür hatte scheiten müssen, um sie zu öffnen. Nun, da Celerina sich von den 'Strapazen' des Tages erholte und etwas schlief, gab sich Charis besonders viel Mühe, so wenig Radau zu machen wie möglich. Als nun wieder jemand vor der Tür stand und Einlaß begehrte, sprang sie auf, um zur Tür zu eilen. Vorsichtig öffnete die Tür einen Spalt, um nachzusehen, wer Celerina aufsuchen wollte. Sie hatte einen Sklaven erwartet, doch nicht Aurelius Ursus, der angeheiratete Neffe ihrer Herrin. Sie räusperte sich, bevor sie im Flüsterton zu sprechen begann. "Salve Herr, was kann ich für dich tun?" Charis´ Worte waren freundlich, doch merkte man ihr an, daß ein wenig Furcht mitschwang. Celerinas Befehle waren eindeutig gewesen und sie konnte sich schon lebhaft vorstellen, was passierte, wenn sie diese nicht beachtete.

  • Es war schon fast unheimlich, wie schnell die Tür geöffnet wurde. Allerdings nur einen kleinen Spalt. Schon das fand Ursus ziemlich eigenartig, aber gut, jedem das Seine. Die junge Sklavin wirkte nervös. Fast schon ängstlich. Als fürchtete sie, bei etwas Verbotenem erwischt zu werden. Was war in der letzten Zeit nur in diesem Haus los? Alles schien irgendwie aus dem Ruder zu laufen.


    "Salve Charis. Ich möchte mit Celerina sprechen. Ist sie da?" Er sprach freundlich und lächelte die Sklavin an. Sollte sie ihn auf irgendeine Weise fürchten, konnte er ihr diese Angst vielleicht nehmen. Er hatte ja keine Ahnung, was vielleicht unter den Sklaven über ihn getratscht wurde. Eine reine Vorsicht, falls er der Grund für den Anflug von Furcht in ihrer Stimme war.

  • Die Befürchtungen der makedonischen Sklavin bestätigten sich. Weshalb hätte der Aurelier auch sonst klopfen sollen? Natürlich wollte er zu ihrer Herrin und natürlich wollte er sie sprechen. Doch Celerina zu verleugnen, das brachte sie nicht fertig. Sie war nicht gut im lügen und der Aurelier hätte dies sofort gemerkt. Also war es besser, bei der Wahrheit zu bleiben und zu hoffen, Ursus würde sich damit zufrieden geben.
    "Es tut mir leid, Herr. Die Herrin ruht. Ich darf niemanden einlassen." Charis sprach nun noch leiser, um zu vermeiden, daß Celerina erwachte und sie dann letztlich ihren Zorn zu spüren bekam. Vorsichtshalber sah sie sich schnell in Celerinas Richtung um. Noch war alles still. Wie gut! Sie schlief noch immer. Die Erleichterung darüber sah man Charis an, sie lächelte sogar flüchtig und wollte die Tür schon wieder schließen.

  • Dieser Kontrollblick nach innen, das erleichterte Lächeln. Und dann diese Bewegung, als wollte sie die Tür schon schließen. Ursus hob unwillkürlich die Hand, um das Schließen der Tür zu verhindern. Natürlich war solch eine Situation ein Dilemma für jeden Sklaven. Das war ihm bewußt. Doch ganz so leicht wollte er sich doch nicht abwimmeln lassen. Zumal es ihm ungewöhnlich erschien, daß Celerina um diese Zeit ruhte. "Sie schläft? Ist sie denn krank? Soll ich vielleicht einen Medicus holen lassen?", fragte er durchaus besorgt. Irgendetwas ging hier vor, das gründlich an ihm vorbei gng. Und das wurmte ihn mehr, als er zuzugeben bereit war. "Ich möchte sie sprechen. Also komme ich einfach in ein, zwei Stunden wieder. Sollte sie früher erwachen, rufst Du mich." Das war keine Bitte, das war eine Anweisung. Und sein Tonfall ließ da auch keinerlei Zweifel aufkommen.

  • Charis erschrak, als der Aurelier plötzlich seine Hand an die Tür legte, um sie daran zu hindern, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Ein gequälter Blick sandte sie an Ursus aus, doch der hatte kein Mitleid mit ihr. Wieder stellte er sie zur Rede und wieder mußte sie mit sich kämpfen, denn Celerina hatte sie dazu angehalten, kein Wort über all das zu verlieren.
    "Nein, Herr, Sie ist nicht krank. Sie ist einfach nur müde." In ihrer Stimme schwang etwas bittendes mit, er möge nicht näher nachfragen, denn je mehr sie sagte umso tiefer geriet sie in den Sumpf, der sie unbarmherzig hinunter ziehen würde.
    Ursus Bitte, oder vielmehr war es ein Befehl, bejahte sie nickend, als sie plötzlich im Hintergrund ein Geräusch vernahm, was zweifellos von einem zu Boden gefallenem Glas stammte.
    "Charis!!! Wo bist du? Charis, was geht hier vor?" Celerinas Stimme klang noch verschlafen, doch ihre Worte waren voller Jähzorn. Der Lichtschein der geöffneten Tür mußten sie geweckt haben.
    Als wäre etwas in Charis gefahren, blickte sie wieder voller Furcht in Celerinas Richtung, dann wieder zu dem Aurelier. "Bitte Herr!" Ihr Bitten war voller Verzweiflung. Sie wußte, was ihr nun blühte, wenn er nun hier eindrang.

  • Einfach nur müde? Wovon denn? Ursus wunderte sich immer mehr, was in diesem Haus eigentlich los war. Er hörte das Geräusch, als ein Glas zu Boden fiel und seine Stirn legte sich in tiefe Runzeln. Er hörte Celerinas verschlafene Stimme. Sie war nun also wach. Ein kleines bißchen schuldig fühlte er sich schon, sie geweckt zu haben. Doch die Sklavin hatte ja gerade versichert, daß Celerina nicht krank war. Die Bitte in den Augen der Sklavin war fast schon Verzweiflung. Auch dem konnte Ursus sich nicht verschließen. Charis war ihm nie negativ aufgefallen, er wünschte ihr keinen Ärger. "Sag ihr, daß ich hier bin und mit ihr sprechen möchte. Ich warte, bis sie bereit ist, mich zu empfangen." Er würde niemals einfach in das Gemach einer Frau eindringen. Schon gar nicht in das der Ehefrau seines Onkels. Nicht, wenn sie sich nicht in akuter Lebensgefahr befand. Wobei... Helena fiel ihm ein. Und Minervina. Dieses dunkle Zimmer aus dem unbestreitbar sehr schlechte Luft drang, erinnerte ihn sehr an die Depressionen der beiden. Nun war es echte Sorge und Angst, die nach seinem Herzen griff. War denn dieses Haus eine Todesfalle für junge Frauen? "Sie tut sich nichts an, oder?", fragte er noch sehr leise, bevor die Sklavin die Tür schließen konnte.

  • Der Aurelier ließ einfach nicht locker. Auch nicht auf ihr bitten. Charis mußte einmal mehr einsehen, wie machtlos sie doch war und nickte resigniert. "Ich werde sie davon in Kenntnis setzten, Herr. Bitte warte hier!" Die Makedonierin zog vorsichtig die Tür zu und näherte sich mit einer Öllampe ihrer Herrin. Schemenhaft tauchte das verschlafene Gesicht Celerinas vor ihr auf. Fragend sah sie schließlich zu ihrer Sklavin auf. "Und?", fragte sie ungeduldig. "Wer war das, hm? Wer hat mich aus meinem Schlaf gerissen?" Celerinas Stimme klang empört und bedrohlich. Charis kannte das nur zu gut. Unabsichtlich hatte sie gegen den Befehl ihrer Herrin gehandelt, was ihr mit Sicherheit noch teuer zu stehen bekam.
    "Aurelius Ursus wartet vor der Tür, Herrin. Er sagt, er möchte dich sprechen." Charis´ Stimme klang eingeschüchtert, obwohl sie versucht hatte, sachlich zu bleiben. Ihre Herrin ließ dies vorerst unkommentiert stehen, doch dann schlug sie los. "Hatte ich nicht ausdrücklich gesagt, ich möchte niemanden sehen? Hier geht es zu, wie in einem Taubenschlag. Heute Morgen warst du nicht da. Nun bist du da und befolgst trotzdem nicht meinen Anweisungen! Ich frage mich, warum ich mich eigentlich mit dir noch länger herumschlage. Du bist so überflüssig!" Celerinas Hand fuhr aus und versetzte der Sklavin eine Ohrfeige.
    Der Schlag verursachte Charis einen brennenden Schmerz. Ihre schossen Tränen in die Augen, doch sie klagte nicht. "Es tut mir so leid, Herrin! Ich sagte ihm, er soll wieder gehen, aber...", begann sie sich zu verteidigen, aber Celerina gab ihr keine Gelegenheit, sich auszusprechen "Still! Schweig endlich, du dummes Ding! Los, auf was wartest du noch? Öffne die Vorhänge, lüfte das Zimmer und dann hilfst du mir beim einkleiden!" In Celerina brodelte es. Charis kannte sie ganz genau. Wenn sie nun noch etwas tat, was ihr Missfallen erregte, dann war sie verloren!


    ~ etwa eine halbe Stunde später ~


    Charis hatte auf Hochdruck gearbeitet. In kürzester Zeit hatte sie ihre Herrin wesentlich ansehnlicher gemacht, als sie die letzten Tage gewesen war. Außerdem hatte sie provisorisch das cubiculum aufgeräumt, so daß man sich ungehindert auf die Stühle der Sitzgruppe setzen konnte, ohne daß man Gefahr lief, sich auf eine Schriftrolle, auf Kleider oder gar auf Essensreste setzte.
    Die Makedonierin war mächtig ins Schwitzen geraten, als sie zur Tür eilte, um den wartenden Aurelius einzulassen. Ihre Wange, auf die sie Celerina geschlagen hatte, war noch gerötet.
    "Bitte tritt ein, Herr! Die Herrin möchte dich nun empfangen", sagte sie, nachdem sie die Tür geöffnet hatte.

  • Na, also, ging doch. Die Sklavin ging wieder hinein, um Celerina zu informieren. Doch es war nicht so, daß die Tür sich bald darauf öffnete. Ursus wartete geduldig, doch es dauerte immer länger und länger. Hatte die Sklavin ihn etwa dreist angelogen? Er hörte einige Geräusche aus Zimmer, irgendetwas tat sich da. Doch was, ahnte er nicht einmal. Es dauerte weiter. Schon war Ursus versucht, abermals anzuklopfen, so langsam fühlte er sich verschaukelt. Eine halbe Stunde war gewiß schon vergangen, als er sich, inzwischen zornig, entschloß, zu gehen und später wiederzukommen. Doch unerwartet öffnete sich gerade in diesem Moment die Tür. Ursus setzte schon zu einer harschen Bemerkung an, sah dann aber die gerötete Wange der Sklavin. Mit gerunzelter Stirn und zusammengezogenen Augenbrauen betrat er das Zimmer, in dem es trotz Lüftens immer noch etwas muffig roch. "Salve, Celerina", grüßte er seine Schwiegertante nun doch nicht ganz so warmherzig, wie er es vorgehabt hatte.




    Edit: Verwandtschaftsverhältnis korrigiert

  • Es bedurfte nicht vieler Worte, die Charis von sich geben mußte, um den Wartenden endlich einzulassen. Ihr war es sichtlich peinlich gewesen, nicht nur wegen der langen Wartezeit. Auch wegen der geröteten Wange, die ein unmissverständliches Zeichen für Celerinas Wutausbruch gewesen war. Bedrückt sah sie zu Boden, als der Aurelier an ihr vorbeischritt. Dann stellte sie sich in eine Ecke, um dort solange zu bleiben, bis man sie wieder brauchte. Inzwischen würde sie dem nun beginnenden Gespräch lauschen. Normalerweise hörte sie meistens gar nicht richtig hin, was die Herrschaften miteinander zu besprechen hatten. Diesmal aber interessierte es sie brennend. Mindestens genauso brennend, wie sich noch immer ihre Wange anfühlte. Charis´ Verachtung für Celerina stieg mit jedem Mal, da sie sie schlecht behandelte oder sie sogar schlug. Die Flavia hatte einen großen, fatalen Fehler begangen. Ihr den Mann wegzunehmen, den sie geliebt hatte, das hätte sie nicht tun dürfen!

  • Ich hatte sie keines Blickes mehr gewürdigt, nachdem ich ihr unmissverständlich klargemacht hatte, was ich davon hielt, wenn sie meinen Anweisungen nicht folgte. Elendes Sklavenpack! Ein kleiner Klaps auf die Wange, das half Sklaven manchmal, wieder klarer zu denken. Und so war es auch mit Charis. Schweigsam verrichtete sie nun ihren Dienst, machte all das, was ich ihr aufgezählt hatte und dies in einem bemerkenswerten Tempo. Nun ja, die Frisur hätte man etwas sorgsamer stecken können, doch ich hoffte, Ursus würde nicht ewig bleiben. Ich fragte mich, was er hier verloren hatte! War der Draht zu seiner Herzallerliebsten doch nicht so gut, wie gedacht? Erzählten sie sich nicht alles. Oder gab es gar einen ganz anderen Anlaß, weswegen er mich aus meinem Schlaf reißen mußte?
    Das Licht des nun eindringenden Lichtes hatte mich anfangs geblendet. Doch es offenbarte nun erbarmungslos, in welchem Unrat ich mich die letzten Tage aufgehalten hatte. Mich ekelte es. Wie willkommen war da die frische Luft, die herein durfte. Herrlich! Das war Leben!
    "Salve Ursus! Schön dich zu sehen!", grüßte ich den nun eintretenden Aurelier. Ich gab mir die größte Mühe, freundlich zu klingen, auch wenn ich nicht sonderlich erpicht war, auf diesen Besuch.
    "Was führt dich zu mir? Setz dich doch!" Ich deutete auf die nun freigeräumten Stühle, auf denen Septima und ich bereits am Morgen gesessen hatte.

  • "Danke, gerne." Ursus setzte sich auf den angebotenen Platz. Bevor er anfing zu sprechen, wartete er, bis Celerina sich ebenfalls gesetzt hatte. Charis beachtete er nicht weiter. Die Sklavin gehörte Celerina, er hatte im Grunde nichts mit ihr zu tun. "Mich führt Deine Bestrafungsaktion zu Dir. Der Parther, den Du hast auspeitschen lassen. Er ist Dein Sklave, wie Du ihn bestrafst, ist selbstverständlich Deine Sache. Aber diese Strafe hat beim restlichen Personal für sehr viel Unruhe gesort." Er machte eine kleine Pause, um Celerina zu betrachten. Es ging ihr nicht gut, darüber konnte auch nicht die frisch gemachte Frisur hinwegtäuschen. Hoffentlich hatte sie kein Rauschmittel genommen, denn dann würde sie nicht viel von dem mitbekommen, was er ihr sagte. "Wir betrachten unsere Sklaven gewissermaßen als Familienmitglieder. Solch harte Strafen werden hier nur bei sehr schweren Vergehen erteilt. Das ist seit sehr vielen Jahren nicht mehr vorgekommen. Unsere Sklaven vertrauen uns, so wie wir ihnen vertrauen. Wenn eine Strafe erteilt wird, so sollte auch gesagt werden, warum sie erteilt wird. Du hast Deinen Sklaven für den ganzen Haushalt gut sichtbar bestrafen lassen. Doch niemand weiß, warum er bestraft wurde. Das macht ihnen Angst, Celerina. Denn für unser Personal muß das wie Willkür wirken. Ich bitte Dich, mach bekannt, wofür Du ihn bestraft hast."

  • Kaum hatte ich Platz genommen, da begann er auch schon, mit ungewohnter Schärfe, mich zu traktieren. Mit allem hatte ich gerechnet, nur nicht damit! Septima war also nur die Vorhut gewesen, die die Lage sondieren sollte. Er hingegen mischte sich nun in Dinge ein, die ihn nichts angingen! Selbst wenn Phraates´ Bestrafung auf meinen Befehl hin zurückgegangen wäre, hätte ich mich wohl kaum vor ihm deswegen rechtfertigen müssen.
    Mein Lächeln war längst entschwunden. Mein Ärger, den ich zu Recht empfand, äußerte sich damit, daß mein Gesicht ausdruckslos, verschlossen blieb.
    Der kurzen Pause, die er einlegte, folgte eine Belehrung, über die aurelische Sichtweise der Behandlung von Sklaven. Täuschte ich mich, oder er packte er seine Sklaven in Watte ein? Ich selbst war ja schon Zeuge davon geworden, wenn man Sklaven alles durchgehen ließ. Diese unverschämte Germanin war das beste Beispiel dafür gewesen.


    Endlich war er fertig! Oder legte er nur eine weitere rhetorische Pause ein, um danach noch stundenlang über die sanfte Art der Sklavenhaltung zu referieren? Ich hingegen nutzte die Gelegenheit, um zur Abwechslung auch etwas zu diesem Gespräch beitragen zu können. Rechtfertigen wollte ich mich keineswegs, denn ich hatte mir nichts zu Schulden kommen lassen. Und selbst wenn, wäre er der Letzte gewesen, vor dem ich mich zu verantworten hatte.
    "Bist du jetzt fertig?", fragte ich ihn in nicht minderer Schärfe. "Bevor ich dir nun meine Ansichten über eine angemessenen Behandlung von Sklaven unterbreite, möchte ich nur eines klarstellen, ich habe die Bestrafung des Parthers nicht angeordnet, obwohl er es eigentlich verdient hatte." Er hatte es zwar nicht aus den Gründen verdient, weswegen er bestraft worden war, doch war er dafür verantwortlich gewesen, daß es meiner Katze wochenlang nicht gut ging und daß fast alle Orchideen im Garten schlichtweg ruiniert waren.
    "Ganz in der Tradition meiner Familie, bin ich der Meinung, Sklaven brauchen eine starke Hand, die ihnen den Weg weist und sie notfalls auch straft. Eines kann ich dir verraten, mein Lieber, die flavischen Sklaven erlauben sich keinerlei Unverschämtheiten, so wie es hier teilweise an der Tagesordnung steht, denn sie wissen, was ihnen droht. Und daß es ihnen auch gelegentlich vor Augen geführt wird, ist gut so! Nur ein Sklave, der weiß, wer sein Herr ist uns seine Grenzen kennt, ist ein guter Sklave! Aber in einem kann ich dir nur beipflichten, man sollte sie nicht im Unklaren lassen, weshalb einer von ihnen bestraft wird. Dadurch verpufft der Lerneffekt." Ich versuchte, gezügelt zu bleiben, auch wenn es mir schwer fiel.
    "Im Übrigen rate ich dir, deinen Onkel aufzusuchen. Er hat die Bestrafung veranlaßt. So, und nun entschuldige mich bitte. Ich habe zu tun!" Ich war nicht Willens, noch länger dieses Gespräch fortzuführen. Einfach nur wieder meine Ruhe haben, das wollte ich!

  • Ursus konnte nicht verborgen bleiben, daß Celerina seine Einmischung keinesfalls billigte. Doch wenn sie unter einem Dach lebten, dann mußte der eine auf den anderen ein wenig Rücksicht nehmen, so war das nun einmal. "Wie ich schon sagte: Wie Du sie behandelst, ist Deine Sache, da will ich mich überhaupt nicht einmischen. Doch wenn sie offen, vor den anderen, bestraft werden, dann bestrafst Du die anderen, die Dir nicht gehören, gleich mit. Das darf nicht geschehen, ohne die Missetat bekannt zu geben. Mir war unbekannt, daß mein Onkel diese Strafe angeordnet hat. So wie es offenbar dem verunsicherten Personal unbekannt war. Es tut mir also leid, daß ich Dich damit behelligt habe und werde mich an Marcus wenden deswegen."


    Corvinus hatte das angeordnet? Ohne zu sagen, was der Parther getan hatte? Niemals zuvor hatte der Onkel so etwas getan. Bisher hatte Ursus geglaubt, daß auch Corvinus die Sklaven als Teil der Familie betrachtete und ihnen wenigstens ein gewisses Maß an Verständnis entgegenbrachte. Anscheinend hatte er sich geirrt. Oder hatte der Onkel sich einfach verändert? Was war nur in diesem Haus los? Was war mit Corvinus los? Und mit Celerina? Was immer es war, es war nichts Gutes und schadete der gesamten Familie.


    "Ja, ich sehe, daß Du zu tun hast." Er blickte sie an und verkniff sich noch so gerade die Bemerkung, daß sie sich mal richtig waschen und herrichten könnte. Nein, das stand ihm nicht zu, das wußte er nur zu gut. Also erhob er sich. "Ich wünsche Dir noch einen schönen restlichen Tag, Celerina." Damit wandte er sich zur Tür, um das Zimmer zu verlassen.

  • Mit versteinerter Miene sah ich ihm noch nach, wie er zur Tür schritt, nachdem er sich erhoben hatte. Seine Bemerkungen hatte ich unkommentiert gelassen. Offenbar hatte er eine ganz andere Vorstellung von familia, als der Rest der zivilisierten römischen Welt. Am Ende konspirierte er noch mit dieser Sekte, den Christianiern. Eine schreckliche Vorstellung! Nein, das durfte einfach nicht sein!
    Es verging eine ganze Weile, in der ich unbeweglich, fast versteinert auf meinem Stuhl gesessen hatte, bis ich meinen Blick zu Charis richtete, die ebenso bewegungslos in der Ecke stand.
    "Geh zu Tiberia Septima und sage ihr, ich sei untröstlich, ihre Einladung zur cena ablehnen zu müssen. Ich fühle mich nicht wohl. Ihr Gatte weiß warum.", sagte ich mit monotoner Stimme.
    "Bevor du gehst, schließe wieder die Vorhänge und zünde eine Lampe an!"Wortlos kam die Sklavin meinen Anordnungen nach, dann ging sie und ließ sich erst wieder am späten Abend blicken.

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