Märchenstunde mit Ragin

  • Da er momentan nicht als Magistratus arbeiten konnte, hatte Ragin damit angefangen sich anderweitig die Zeit zu vertreiben. Eine ganze Weile hatte er die Angestellten in seinen Betrieben genervt und jedes Buch mindestens zweimal geprüft. Dann war aber auch das vorbei und er merkte schon dass er sich wieder ein wenig zurücknehmen sollte, wenn er nicht einen Tonkrug über dem Kopf geschlagen, einen Nadel in die Hand gestochen oder in einen Käfig mit einem wilden Tier gesteckt werden wollte.


    Also hatte er sich beim Forum an einen Brunnen gesetzt. Dort waren dann ein paar Kinder zu ihm gekommen und er hatte angefangen Geschichten zu erzählen, wie sie ihm einst seine Mutter erzählt hatte. Und daraus war langsam eine Tradition geworden und die Anzahl der Kinder hatte auch stetig zugenommen, so dass er sich mittlerweile einer relativ großen Hörerschaft erfreuen konnte. Da die Kinder eigentlich alle einem der Stämme angehörten, erzählte er die Geschichten auch in der Sprache seiner Ahnen. So fiel es ihm leichter, weil er sie nicht erst übersetzen musste und so auch keine Bedeutung verloren ging. Das hatte ihm ein ums andere Mal irritierte Blicke von römischen Mitbürgern eingebracht, aber das hatte ihn nicht weiter gestört, da seine Familie für die sowieso die Ausgeburt des germanischen Treibens war.


    Heute erzählte er die Geschichte vom Goldenen Haar der Sif.



    "...und weil Sif so stolz auf ihr schönes goldenes Haar war, beschloss Loki ihr eine Lehre zu erteilen. Er schlich sich zu ihr während sie schlief und schnitt ihr ihre Haare ganz ab! Also hatte Sif nur noch eine Glatze. So wie der Mann da hinten."


    Die Kinder drehten sich alle ruckartig um, was dem Händler mit der Glatze, der gerade Holz transportierte, einen argwöhnischen Blick entlockte, worauf sich die kleinen kichernd wieder umdrehten.


    "Aber warum hat er das denn gemacht der Loki? Wen Sif doch so schöne Haare hatte?" , wurde aus der Runde gefragt.


    "Nun, Loki mag es nicht wenn man eitel ist. Außerdem muss man sagen dass er einen sehr bösen Humor hat." Was ihn auch an einen anderen Loki erinnerte. "Also seid besser brav und bescheiden, damit er er euch nicht auch einen bösen Strich spielt! antwortete er böse grinsend und erzählte dann weiter. Er liebte es die Kurzen zu erstaunen und zu erschrecken.


    "...als Sif dann später aufwachte war sie natürlich sehr erschrocken und schämte sich weil sie sich auf einmal hässlich wähnte. Als dann später Donar, ihr Mann nach Hause kam, war auch dieser zuerst sehr erschrocken. Doch das legte sich, denn er fand seine Frau auch ohne Haare sehr schön, weshalb er den Vorfall lieber auf sich beruhen lassen wollte. Und wie er seine Frau so ansah wollte er ihr beiliegen. Doch Sif war davon gar nicht begeistert, denn sie meinte ihr Mann dürfe solange nicht mehr das Bett mit ihr teilen, bis die Haare nachgewachsen seien. Das machte Donar natürlich wütend, denn er wollte das Bett natürlich mit seiner Frau teilen und nicht so lange alleine schlafen, denn es würde sicher Monate dauern bis die harre nachgewachsen wären. Und da er sich schon vorstellen konnte wer das gewesen war, machte er sich auf den Weg zu Loki."


    Ragin nahm einen großen Schluck Wasser und kippte sich auch etwas in die hohle Hand, damit Amala auch etwas schlabbern konnte. Kurz danach bereute er schon eine Pause gemacht zu haben, denn die Kinder schienen die Zeit genutzt zu haben um über seine Worte nachzudenken.


    "Warum war Donar denn so böse dass er nicht mehr im Bett bei seiner Frau schlafen durfte? Ich fände es toll wenn ich ein eigenes Bett hätte!" rief eines der besonders vorlauten Kinder.


    Schnell nahm Ragin noch einen Schluck um sich eine passende Antwort zu überlegen.



    "Also das ist deswegen weil es Winter war und Donar immer schnell kalte Füße bekommt! Und könnt ihr euch vorstellen wie schlimm das ist, wenn man mehrere Monate lang kalte Füße hat?"
    Kurz kniff er die Augen zusammen und zog den Hals ein, und wartete ob ihn ein Blitz treffen würde, aber der Donnergott hatte ihn entweder nicht gehört oder fand die kleine Schwindelei, die sich Ragin ausgedacht hatte, nicht so schlimm.


    Die Kleinen nickten alle verstehend, offenbar schien diese Erklärung ihnen einzuleuchten. Also fuhr Ragin fort mit erzählen:


    "Donar hatte Loki schnell gefunden, schnappte ihn am Kragen und schüttelte und drohte ihm seinen Hammer auf den Kopf zu schmettern, wenn Loki es nicht schaffte Sifs Haar wieder herzustellen. Da bekam selbst Loki Angst, denn der Donnerer ist wirklich beängstigend wenn er wütend wird. Ihr kennt das ja wenn man Angst bekommt, wenn es draußen bei einem Unwetter blitzt und donnert!"


    Mit großen Augen nickten die Kinder, denn das konnten sie alle nachvollziehen.


    " Also versprach Loki dem Donnergott, dass er das Haar seiner Frau wieder zurückbringen würde. So beschloss er zu Iwaldis Söhnen Sindri und Brokk zu gehen, die ja auch schon den Mjöllnir, Gungnir und allerlei andere mächtige Zauberdinge gefertigt hatten. Die Zwergenbrüder lagen ja in ständigem Wettstreit miteinander wer denn der beste Handwerker von ihnen beiden war. Also besann sich Loki wieder einmal einer seiner Listen. Er passte Sindri in einem Moment ab, indem dieser alleine war und versprach diesem ihm zu helfen bei einem Wettstreit mit dessen Bruder zu gewinnen, wenn dieser ihm dafür langes Haar aus reinem Gold anfertigen würde. Da der Zwerg unbedingt gewinnen wollte, stimmte er zu. ihr kennt das ja auch, dass man seine Brüder immer übertreffen will."


    Kurz dachte Ragin an Ratbald und fühlte einen kleinen Stich in seinem Herzen.


    "Am nächsten Tag besuchte der Trickser die beiden Brüder dann offiziell und schlug ihnen vor Schiedrichter bei einem Wettstreit zwischen den beiden zu sein. Jeder von ihnen solle ein Stück herstellen und er würde dann ehrlich sagen welches das Bessere war. Als Belohnung wolle er dann nur das Zauberstück des Gewinners haben, was ja nur ein kleiner Preis sei, wenn man bedenkt dass sie dann endlich wüssten wer der bessere unter ihnen sei. Sindri stimmte natürlich zu und auch Brokk war von der Idee sofort angetan. Also fingen die beiden an zu schmieden.


    Loki aber hatte schon einen Plan, wie er Brokk dazu bringen konnte das schlechtere Schmiedestück abzuliefern. Er verwandelte sich in eine Bremse und wollte den Zwerg beim Schmieden stören, damit dieser einen Fehler beging. Doch der willensstarke Zwerg ließ sich nicht ablenken, selbst als Loki ihm ins Ohr und in die Nase kroch. Also stach er ihn und ein Blutstropfen fiel vom hals des zwerges auf das Schwert dass er gerade geschmiedete. Und genau an dem Punkt bekam das Schwert dann eine Schwachstelle, die Brokk den Sieg kostete. Und so bekam Loki die Haare aus reinem Gold, die Sindri geschmiedet hatte. Dieser dagegen freute sich darüber endlich behaupten zu dürfen, dass er der bessere Schmied von den beiden war."


    Lautes Gemurmel erhob sich, denn die kleingewachsenen Zuhörer empörten sich über die Ungerechtigkeit. Ragin musste grinsen. er selbst hatte sich damals auch aufgeregt als seine Mutter ihm diese Geschichte erzählt hatte. Und nun sagte er den Kindern dasselbe was sie ihm einst gesagt hatte.


    "Wisst ihr, Loki ist nicht böse. Er hat nur einen bösen Humor und gibt solchen Eingebungen gerne nach. Ihr wisst ja dass er ein halber Riese ist. Und solche Ideen wie er haben wir Menschen auch, doch es liegt an uns ob wir sie dann ausführen oder nicht. Und letztlich bekommt man alles zurück, denn nur wegen seiner Gehässigkeit und Bosheit musste er ja schließlich zu den Zwergen gehen. Also fangt besser gar nicht damit an sowas auch zu machen, sonst könnt ihr vielleicht nicht mehr damit aufhören! Und BRokk geschah es auch ganz recht, weil er nämlich einfach zu eitel war."


    Einige der Kinder schauten enttäuscht, hatten sie doch in Gedanken schon ihre Geschwister mit kahlem Kopf vor sich gesehen. aber der gedanke dann immer weiter machen zu müssen, gefiel ihnen dann offenbar doch nicht.


    "Also brachte Loki Sif die Haare. Und als diese sie aufsetzte, wuchsen sie an und die Göttin hatte wieder schöne lange Haare.Sogar noch schönere als vorher. Das erfreute sie so sehr, dass Donar wieder in das eheliche Bett durfte um...seine Füße zu wärmen. Und so entkam Loki seiner Strafe wieder einmal!"


    Natürlich hatten die Kinder noch einige Fragen, und Ragin beantwortete alle so gut er es vermochte. Natürlich war er kein Gode und somit fielen manche Antworten ein wenig halbgar aus, doch seinen kurzbeinigen Zuhörern schien das vollauf zu reichen. Dann sollte er natürlich gleich noch eine Geschichte erzählen, doch das Ansinnen lehnte er ab:

    "Noch eine Geschichte? Nein, da müsst ihr euch bis nächste Woche gedulden. mein Hintern und mein Bein sind schon ganz eingeschlafen. Wenn ich noch eine erzähle schläft vielleicht noch der Rest von mir ein und ich kann mich gar nicht mehr bewegen! Außerdem muss ich nach Hause, sonst bekomme ich noch Ärger weil ich zu spät zum Essen komme! Aber nächste Woche erzähle ich euch wieder eine spannende Geschichte."


    Spätestens der Grund mit dem Essen leuchtete allen ein, und so machte sich Ragin auf den Weg um keinen Ärger mit Marga zu bekommen, weil er eine Mahlzeit ausließ.

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