Kandidatur zum Cursus Honorum [04/10] - Lucius Flavius Furianus

  • Die Liste der Kandidaten für die diesjährige Wahl zum Cursus Honorum war lang und trotzdem machte der Consul bei jedem eine gewichtige Mine, als er ihn aufrief, um sich vor dem Senat zu erklären:


    "Es tritt vor: Senator Lucius Flavius Furianus, welcher zum Consulat kandidiert."

  • Sogleich erhob sich der Flavier bedächtig und trat in die Mitte der Halle, wie es üblich war. Der Augenblick schien erhaben, nicht aufgrund der Rede, welche er heute penibel hatte einstudiert, sondern vielmehr ob des Augenblickes, der Intention dieser Rede. Jener war nämlich kein geringerer, als das höchste Amt im Staat anzustreben - neben dem Kaiser und seinem Nachfolger natürlich.
    Lange sehnte er sich nach dieser Stunde, auch wenn diese vor Ungewissheit nicht spannender sein mochte, auch wenn er wusste, dass hier Männer saßen, die ihn am liebsten nicht nur verbal in der Luft zerreissen würden.
    Und dennoch, wer nicht wagt, der lebt nicht, hatte sein Großvater stets gesagt. Ein großes Wagnis war es, würde die Schmach doch unheilvoller sein als alles bisher Dagewesene - auch innerhalb der eigenen Familie, doch das würde er selbst nicht anders handhaben. Er wusste um das Risiko, doch er wusste auch, dass er davon seit dem Begraben der Jugendsünden träumte.
    Der Flavier räusperte sich und setzte zu seiner Rede an, indem er sich kurz umblickte und laut zu sprechen begann.


    "Patres Conscripti,


    Wir alle sind Brüder im Geiste, denn nichts vermag uns mehr zu einen, nichts vermag den tiefen Graben persönlicher Coleur schneller zu überwinden als das, was uns eint: die Liebe zu Rom.


    Mit dieser Überzeugung stehe ich nun vor euch, ich, Senator Lucius Flavius Furianus, Sohn des Secundus Flavius Felix. Ich stehe hier vor euch als demütiger Candidatus, um in primärer Hinsicht für mich zu werben, doch hinter diesem scheinbar persönlichen Dünkel steht wiederum die Antriebskraft, die uns ebenfalls eint: die Aufopferung für unser geliebtes Rom.


    Fürwahr, ihr sollt mich messen, ihr sollt urteilen und das Wohl Roms sollte hierbei an erster Stelle stehen. Urteilt also über jeden von uns, die wir hier im Laufe des Tages stehen wollen, urteilt über unsere Ambitionen und Ziele. Die meinigen werde ich euch jetzt darlegen.


    Es sind keine hehren Ziele, ich werde kaum versprechen Berge zu versetzen, denn ich kann es nicht. Ich werde ebenfalls keine weitreichenden Änderungen propagieren, denn ich selbst gehöre jenen an, die der Meinung sind, dass stetige Veränderungen nicht immer zum Wohle Roms sind und ein Reich nicht jedes Jahr durch eine neue Legislaturperiode, durch neue Consuln, umgeworfen und neu gestaltet werden muss. Meine Ziele sind bodenständig und in dieser Eigenschaft, wie ich meine, sehr ehrenvoll.
    Die meisten wissen, dass ich die letzten zwei Jahre, um genauer gesagt, seit meinem Proconsulat in Hispania, kein öffentliches Amt mehr inne hatte. Gewiss mag dies stimmen, doch die Tatsache, dass ich kein Amt bekleidete, führt nicht automatisch zu dem Entschluss, dass ich zum Wohle Roms nichts beigetragen hätte. Mitnichten, Patres Conscripti.
    Obgleich ich die meiste Zeit dieser zwei langen Jahre an einer Krankheit laborierte, habe ich mich doch stets der Politik, und in letzter Zeit insbesondere der Jurisprudenz, gewidmet. Hierbei studierte ich unsere Gesetzestexte und habe Verbesserungsvorschläge angefertigt, habe versucht unser römisches Recht, welches zwar erhaben, doch nicht als vollendet bezeichnet werden kann, transparenter und für uns Römer vollständiger zu machen. Was ich hierbei im Detail vorhabe wird den Namen einer großen Gesetzesreform nicht verdienen, das weiß ich, doch die Änderungen, welche ich in meinem Consulat einbringen möchte, werden nicht unbedeutend sein.


    Dies ist auch mein Credo, das, wofür ich einstehe. Es wird keine gravierenden Veränderungen geben, keine Momente des Umbruchs und der allgemeinen Spannung - dem seid euch bewusst, wenn ihr für mich stimmt.
    Ich verspreche euch nichts geringeres als das, was ich auch einhalten kann und will, nämlich die Stabilität in diesem Reiche. Stabilität, ein für manche Patres gewöhnliches Wort, zwingt einigen gar ein müdes Lächeln ab, doch ich selbst weiß, dass Stabilität und Kontinuität in unseren Zeiten, bei einer so topographisch weiten Ausdehnung des Reiches, Worte sind, die man sich herbeisehnt. Das möchte ich versprechen, Stabilität und Kontinuität, dafür möchte ich mich mit all meiner Kraft einsetzen und verbürgen.


    Die Änderung, welche es in dieser Legislaturperiode geben wird, kann ich nicht entscheiden, denn sie müssen durch euch ratifiziert werden und es kann gut sein, dass meine Vorschläge keine Mehrheit in diesen Hallen finden werden. Die Änderung jedoch, das kann ich jetzt schon sagen, betreffen sowohl den Codex Universalis, den Codex Iuridicalis und ebenfalls den Codex Militaris, bei welchem angemerkt werden soll, dass meine Konzentration primär ihm wird gelten. Mehr möchte ich hierzu nicht sagen, denn dies soll später kommen.


    Dies sind meine Versprechen, Patres, für deren Erfüllung ich keine Mühen werde scheuen, für die ich hier einstehe und welche meine Kandidatur sollen symbolisieren.
    Das Consulat, so ist es Sitte und Gesetz, wird jedoch nicht nur von einem Candidatus ausgefüllt, sondern von zweien. Jener Mann, welchen ich mir an meiner Seite wünsche, jener ist kein geringerer als Senator Caius Herennius Pulvillus, einstiger Proconsul von Achaia und geschätztes Mitglied unserer Reihen. Ein guter Freund und Mitstreiter, der wird mich unterstützen können, so wie ich ihn.


    Hiermit würde ich enden, doch ich bin mir sicher, dass ihr, was euer gutes Recht ist, Fragen an meine Person habt. Für diese bin ich bereit.", und damit endete der Senator. Ein Becher wurde ihm gereicht, denn durch das Reden kratzte es im Halse, ohnehin war die Luft in der iulischen Halle nicht die Beste. So würde seine Kandidatur beginnen und er war zufrieden mit sich selbst, zufrieden sowohl mit dem Vortragen als auch mit der Konzeption der Rede selbst. Was nun kommen mochte, und dessen war er sich sicher, würde der schwierigste Teil des Tages werden. Und es sollte ein langer Tag sein.

  • Macer wurde während der Rede den Eindruck nicht los, dass der Kandidat alles und nichts versprach. Und da man beim Consulat keine Kompromisse machen sollte, meldete er sich auch genau deshalb gleich zu Wort.


    "Flavius Furianus, deine Rede hört sich sehr danach an, dass du den Status quo erhalten möchtest. Das muss nichts schlechtes sein, wie du selber ausführst. Andererseits führst du an, dass du Änderungen planst, die alle unsere Codices betreffen werden. Das ist nun gerade das Gegenteil von Kontinuität. Was mich allerdings besonders hat aufhorchen lassen ist, dass du dein Augenmerk vor allem auf den Codex Militaris legen möchtest. Das wundert mich doch sehr, denn schließlich hast du bisher nicht mit umfangreichen militärischen Kommandos oder Vorlesungen an der Academia Militaris auf dein umfangreiches militärisches Wissen aus der Praxis oder Theorie auf dich aufmerksam gemacht. Was würde mich daher schon etwas genauer interessieren, was wir da zu erwarten haben."

  • Kurz nachdem Macer seine Frage gestellt hatte, wurde die Menge an der Senatstür beiseitegeschoben. Der Grund folgte rasch: Der Consular Tiberius Durus erschien in der Tür - wenn auch gestützt auf einen Stock. Überhaupt wirkte er ein wenig gebeugt, als er die Reihen der Senatoren entlanghumpelte und schließlich auf der Bank der Consulare Platz nahm. Dort blieb er sitzen und blickte zustimmend zu Furianus hinauf.


    Tatsächlich war er mehr als überrascht gewesen, als er bei seiner Ankunft erfahren hatte, dass sein alter Freund nun ebenfalls nach dem höchsten Amt griff. Noch vor zwei Jahren, als er selbst dieses Amt bekleidet hatte, war Furianus in keinster Weise bereit gewesen, diese Last auf sich zu nehmen - seiner Krankheit wegen. Aber offenbar war es ihm inzwischen besser ergangen als Durus selbst, denn während dem Tiberier sein Bein sehr zu schaffen machte, wirkte der Flavier wesentlich vitaler als bei ihrem letzten Zusammentreffen. All das waren jedoch natürlich umso angenehmere Überraschungen, weshalb Durus sofort seinen Nebenmännern zustimmende Worte über den Kandidaten einflüsterte.

  • Die Frage des purgitischen Senators war, wie zu erwarten, eine berechtigte. Es war jedoch, das war dem Flavier mehr als bewusst, nur eine Frage der Zeit, bis solche gestellt wurden, welche auch gänzlich unnötig sein könnten. Damit meinte er jene Fragen, die man genau so gut durch Steine hätte ersetzen können, jene, die nur dazu erschaffen wurden, um ihn zu verwunden. Außerdem erwartete er sowieso jene Steinwerfer aus den Reihen der Germanici - es war nur eine Frage der Zeit.


    Bevor er jedoch zu einer Antwort ansetzen konnte, betrat sein politischer wie auch privater Freund die ehrwürdige Halle. Furianus verstummte ob des Anblickes, war ihm doch nicht bewusst, dass sich Durus in solch einer Lage der physischen Schwäche befand. Sein Bein schien ihm Mühen zu bereiten und der Flavier verlor für einen Moment die Contenance, was sich in einem leicht geöffneten Mund abzeichnete. Dieser Moment war jedoch von kurzer Dauer, der Mund schloss sich und er nahm sich ernsthaft vor dem Freund einen baldigen Besuch abzustatten, um ihm mit Rat und Hilfe zur Seite zu stehen. Er selbst laborierte ganze Jahre, da konnte man von einer gewissen Erfahrung diesbezüglich durchaus sprechen.


    "Gewiss sprach ich nicht von umfangreichen Veränderung, sondern von Vorschlägen meinerseits, die das römische Recht transparenter und verständlicher machen sollten - keineswegs sprach ich von Umbrüchen und neuen Ansätzen.", begann er ein wenig zu erklären. Vielleicht würde sich Macer dadurch angegriffen fühlen, doch der Flavier betrieb hier nichts mehr als nur die Verteidigung seiner Rede und der Absichten, die sie präsentierte.
    "Dass dies das Augenmekr auf den Codex Militaris verwundert, Senator Purgitius, kann ich sehr gut verstehen. Vollkommen recht hast du, ich zeichnete mich weder durch Kommandos noch durch ein Dozieren in der Academia aus. Ich bin ein Freund der Bescheidenheit und so könnte ich hierauf nur antworten, dass ich meine Zeit genutzt habe, um mich auf vielen Gebieten zu verbesseren und nötiges Wissen zu erzielen. Dies war mitunter die Militärkunst.", dass er selbst schon seit vielen Jahren das zweite Militärexamen besaß, konnten ja nicht viele wissen, doch die Erwähnung des solchen hielt er für überflüssig.
    "Zudem sind die Änderung nicht militärischer, sondern juristischer Natur, Senator Purgitius. Ich möchte, wie schon erwähnt, nicht das Kriegswesen revolutionieren, ich möchte lediglich den Codex Militaris umgestalten, erweitern und ergänzen. Er wird umfangreicher, fürwahr, doch dies schafft zudem eine transparentere Grundlage nicht nur für die Juristen, sondern vielmehr für den gemeinen Soldaten, es bestärkt ihn sowohl in seinen Rechten wie auch in seinen Pflichten dem Kaiser und uns Römern gegenüber."

  • "Ich war als Quaestor zusammen mit Senator Flavius Furianus in Hispania tätig. Ich vertrat ihn, während seiner Krankheit als Statthalter, aber ich kann mich trotzdem nur für ihn aussprechen. Er ist ein achtbarer und integerer Mann. So schätzte ihn die Bevölkerung Hispanias so sehr als Statthalter, dass sie ihm zu Ehren eine Statue errichteten. Und das will bei Hispaniern schon etwas heißen.
    In meinen Augen gibt es dieses Jahr nur zwei Kandidaten, die einem Consulat wirklich würdig sind. Die Senatoren Flavius Furianus und Herenius Pulvillus! Die anderen Kandidaten können mit ihnen Verdiensten und Leistungen einfach nicht mithalten."


    erklärte Modestus nun, nachdem Furianus gesprochen hatte, denn die beiden Männer waren ihm um einiges lieber als ihre Konkurrenten. Diesen konnte er nämlich nichts abgewinnen. Von diesen konnte er keinem auch nur eine Kleinigkeit abgewinnen. Außerdem galt es es sich für die Unterstützung des Flaviers zu revanchieren.

  • Auch hier war ich der Meinung des Annaeus Modestus, was sich in zustimmendem Nicken äußerte. Zwar empfand ich die Auszeichnungswelle nach wie vor als fragwürdig, die damals für negative Schlagzeilen über Hispania gesorgt hatte, doch im Großen und Ganzen bevorzugte ich ganz klar Flavius Furianus. Lediglich bei seinem Kollegen war ich mir nicht sicher, weswegen ich mit nachdenklich gerunzelter Stirn die weitere Befragung verfolgte.

  • "Deine Antwort auf meine Frage ist kaum einen Deut präziser als deine ursprünglich Erklärung, nicht wahr?" fragte Macer offen zurück, denn immerhin sprachen sie gerade über das Militär und in seiner Zeit bei der Legion hatte sich Macer angewöhnt, mit Soldaten und Offizieren direkt und unkompliziert zu sprechen. "Ich fürchte also, wir werden uns überraschen lassen müssen von dem, was du dem Codex Militaris aus juristischen Gründen hinzufügen möchtest, sofern du das Consulat erringen wirst."


    Ob Macer mit seiner Stimme dazu beitragen würde oder nicht, ließ er bewusst offen, und nahm wieder Platz.

  • Flavius Furianus wusste nicht, weshalb er nun auf Nachfragen seine gesamten Pläne, und das recht präzise, den Codex betreffend offenbaren musste. Weshalb auch, wenn die Veränderungen sowieso zu gegebener Zeit besprochen werden sollten?
    "Mehr möchte ich, ich hoffe du kannst es in diesem Sinne nachvollziehen, nicht preis geben, als hier schon gesagt wurde.", zumal er nicht daran erpicht war nun eine Diskussion über etwaige partielle Unstimmigkeiten in seinen Vorschlägen, den Codex betreffend, debattieren zu wollen. Diese Diskussion sollte erst dann geführt werden, wenn er dies auch verlautbaren ließ in einem eigens hierfür reservierten Agendapunkt.
    Fragend schaute er sich somit um, ob noch weitere Fragen zu seiner Kandidatur gestellt werden wollten.
    Auf die Bekundung des Annaers hin konnte er zustimmend nicken, mehr auch nicht, schließlich musste man nun nicht in Lobeshymnen verfallen.

  • Ursus war hin- und hergerissen. Die Flavier waren langjährige Freunde der Aurelier, zudem hatte Septima sich sehr positiv über Flavius Furianus geäußert. Ursus hatte es damals als sehr merkwürdig und auch fragwürdig empfunden, wie freigiebig Furianus in Hispania mit den Auszeichnungen um sich geworfen hatte, während hier in Rom praktisch keine vergeben wurden. Was ganz sicher nicht an mangelnder Leistung der jeweiligen Amtsinhaber gelegen hatte. Nun, das war lange her, vieles hatte sich geändert. Allerdings war es schon etwas enttäuschend, daß Furianus nicht so recht damit herausrückte, was genau er am Codex Militaris zu ändern gedachte.

  • Wundersamerweise schweig die Fraktion derer, von welchen er den ersten Hieb hatte erwarten können. Überrascht, ja, so könnte man es nennen, stand der Flavier in der Mitte aller Augenpaare und konnte nicht umhin ein wenig Ausschau zu halten nach den Dingen, welche kommen mochten.
    Eigentlich war es zu still, so dass er gespannt, wie eine Katze vor dem Sprunge, seine Sehnen anzog und seinen Körper in aufrechte Haltung brachte. Kaum bewusst, dass sich die Befragung dem Ende neigte, wartete er geradezu auf die Missklänge germanischer Stimmen.
    Und als dann das Ende angekündigt wurde, fiel ihm nicht nur eine Last vom Herzen, sondern ebenso die Verwunderung in das Gesicht. Sehr eigenartig befand er es und nickte dann doch, um darauf hin das Wort an die Versammlung abermals zu richten.
    "So denn, patres conscripti, keine weiteren Fragen an meine Person aufkommen, möchte ich mich für die Gelgenheit der Präsentation meiner Person bedanken."


    Und mit diesen Worten begab er sich in die Reihe der ehemaligen Praetoren, wo er schon seit vielen Jahren einen Sitz inne hatte. Viele Jahre waren es, durchaus, denen er harrte. Viele Jahre bündelten in diesem einen Tag, in der Verkündung eines Sieges oder einer Niederlage. Das Demoklesschwert, welches er selbst sich auferlegt hatte, schwebte nunmehr über seinem Haupt.

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