Der Troff, aus dem die Stäume sind

  • "Bist du sicher, dass dieses Zeug sauber ist, mann?", lugte der Dudus kritisch in ein Lederbeutelchen, aus dem ein leicht herber Geruch strömte. Fachmännisch präzise steckte er zwei Finger in das Beutelchen, griff sich ein wenig der trocken-faserigen Substanz und holte es in das schumrige Licht der Laterne, die in einer der tausend düsteren Gassen der Armenstadt über den Köpfen der beiden Männer hing.
    Die Substanz hatte die Farbe von einem schimmligen Lila, der matte Ton längst abgestorbener Pflanzen wurde durch viele winzige Kristalle aufgepeppt, die selbst im schwachen Licht des Moments eine Strahlkraft zeigten die den Dudus zufrieden Lächeln ließen. Doch irgendwas war anders... da waren eben nicht nur die Kristalle, die das Licht der Laterne brachen, sondern auch mehrere winzig kleine pechschwarze Kugeln, die dem Dudus beinahe überhaupt nicht aufgefallen waren.
    "Mann, was sind das für kleine schwarze Dinger?", hob er wieder den Blick und starrte sein Gegenüber fragend an. Der zahnlose Kerl mit dem von der Sonne zerfurchten Gesicht fiel in ein verschmitztes Lächeln, und er gluckste ein wenig kindisch herum bevor er antwortete: "Alter... das ist das neueste auf dem Markt. Irgendein konzentriertes Zeug aus dem Osten, BRANDNEU, Mann. Du bekommst es zum selben Preis wie das normale Zeug, einfach, weil du es bist, Mann. Du gibst den Leuten Hoffnung!"


    Der Dudus blickte den Kerl argwöhnisch an, ging ihm diese ganze "Der Dudus gibt den Leuten Hoffnung!"-Sache doch gehörig auf den Sack. Und das nur weil dieser elende Hintereingangsfanatiker Raoulus sich nicht am Riemen reissen konnte. Er hätte den Kerl einfach an der Mauer des Palast auflaufen lassen sollen, dann hätte der Dudus jetzt nicht solchen Ärger, und Raoulus hätte wahrlich genug römische Hinterteile an denen er sich im Carcer gütlich tun konnte.
    Hatte der Dudus aber nicht. Und so schien die Welt der Armen aus ihm etwas zu machen, was ihm überhaupt nicht in den Kram passte. Eigentlich wollte er nur sein Ding machen... Kraut rauchen... nen guten Trunk genießen... und keine Welten retten, oder so.
    Allerdings war der Dudus nicht blöde, und so nahm er den Messias-Rabatt nur allzu gerne in Anspruch, verabschiedete sich von dem Fachhändler seines Vertrauens und ging seiner Wege.


    Eigentlich ging führten ihn seine Wege um genau drei Kreuzungen, dann feierte die Neugier einen fabulösen Sieg über die Vorsicht, und ließ den Dudus sich in eine Ecke hocken, wo er ein kleines bischen bisschen des komischen Krauts in seine stets griffbereite Pfeife stopfte. Es dauerte dann eine gefühlte Ewigkeit, bis er sich soweit an eine Straßenlaterne herangepirscht hat, dass er an das Feuer kam, und als er seinen Weg fortsetzte.
    Als der Dudus den ersten Zug tat, konnte er noch nicht ahnen was er sich da gerade selbst verabreichte. Die schwarzen Kügelchen waren nichts anderes als Hochburgen der fabulösen und nie wirklich nachgewiesenen subkutanen Rauschfactio, die ihr Werk, einmal durch die Glut in gasförmiges Dasein katapultiert, unermüdlich begann und so schnell nicht beenden würde.
    Während der Dudus sich also genüsslich grinsend durch die dunklen Gassen der Armenstadt voranschlurfte, mit der Qualität des Stoffs in diesem einen Moment schon vollkommen zufrieden, arbeitete sich die subkutane Factio durch seine Blutbahn in alle möglichen und unmöglichen Körperteile vor, um direkte Auswirkungen auf seine Grob- und Feinmotorik zu haben.


    Der erste unkontrollierte Schritt zur Seite, der mit einem Hüftschwung von statten ging den man dem Dudus nicht wirklich zugetraut hätte( dafür aber einem Elvus, einer legendären Gestalt, die wohl nur alle zweitausend Jahre auf Erden erschien und der Frauenwelt das Schreien neu beibrachte), den übersah der Inhaber des Körperkonstrukts noch wohlgefällig. Immerhin war er gerade high. Da war es vollkommen normal, dass gewisse Körperteile Sachen machten, die mit dem Rest des Konsortiums nicht abgesprochen waren.
    Die subkutane Rauschfactio, die mit diesem schwingenden Schritt zur Seite die ersten Tests begonnen und den Dude mittlerweile in einen locker-rhythmischen Schritt hatte fallen lassen, arbeitete sich derweil unerlässig auf den Kopf zu. Als sie den Mund erreichte, okkupierte sie direkt die Zunge, und wenig später hörte man den Dudus ein leises Liedchen trällern:


    "Der Dudus hat den Blusus. Yeah... der Dudus hat den Blusus. YEAH!!! Der Dudus hat den Blusus...", zugegeben: ein sehr, sehr einfaches Liedchen. Allerdings muss man an dieser Stelle bedenken, dass die subkutane Rauschfactio eben noch nicht das Gehirn besetzt hatte.
    Eine Hürde, die die Factio mit Leichtigkeit nahm. Von den handelsüblichen Drogen in seiner Verteidigungskraft schon arg in Mitleidenschaft gezogen, hatten die Halluzinogene in etwa die Wirkung eines hunnischen Elite-Elefanten-Sturmregiments (das es natürlich nicht gab, aber hey: der Kerl ist stoned, der merkt das eh nicht, was der Erzähler hier verzapft) das gerade einen massiven Vernichtungsblitzkrieg an einer batavischen Wohnkutsche probte. Sehr lange Rede, kurzer Sinn: der Dude befand sich vollständig in Händen einer Droge, die ganze Völkerscharen wie Lemminge in die See getrieben hat. Einige wenige Überlebende waren danach für ihr Leben gezeichnet, und glaubten in kurzen, aber schmerzhaften Retroräuschen eine Passage über das ewige Eis der skythischen Wüste erkannt zu haben, auf Grundlage deren man komische knollenartige Früchte ins römische Reich importieren könne, um sämtliche Nahrungsmittelknappheiten ein für allemal zu beseitigen.


    Nun, wo waren wir? Achja, der Rausch, der Rausch.
    Der Dudus, von diesem Ansturm für einen kurzen Moment seiner vollständigen Körperkontrolle beraubt, fiel als erstes einmal vornüber in den Staub. Als sein Gesicht gerade mit dem Unrat der Straße auf Tuchfühlung gehen wollte, machte sein Körper etwas, das er eigentlich garnicht tun konnte: er wandte sich im Fall um, und setzte den Fall nach oben wieder fort, bis er wieder auf beiden Beinen stand.
    Soweit zum ersten Anzeichen physikalisch vollkommen unmöglicher Konsequenzen vom Genuss bewusstseinsverändernder Drogen.
    Eine weitere Konsequenz war, dass sich die Wahrnehmung des Dudus vollkommen änderte: er sah plötzlich scharf. Also, so RICHTIG scharf. Quasi HDudus+.
    Zudem veränderte sich seine Realität in so gehörigem Maße, dass wir nunmehr von zwei Realitäten sprechen müssen, die in einem komplexen Konstrukt von Abhängigkeiten miteinander korrelieren.


    Zitat

    I. Die Welt der subkutanen Rauschfactio:


    Die Straße erstrahlte plötzlich in den sonderbarsten Farben. Nicht, dass plötzlich die Sonne aufgegangen wäre, verschiedenste, nicht näher identifizierbare Lichtquellen (er weigerte sich schlichtweg zu akzeptieren, dass die Lichtquellen in der Luft schwebende sekundäre Geschlechtsteile eines bestimmten Teils der menschlichen Pupulation waren, soviel Logik war dann doch noch in seinem Hirn), aber die Straße war einfach bunt. Und die Häuser! Sie schmolzen! Die Wände waren wie aus Wachs, von den sekundären Geschlechtsteilen in den schillernsten Farben erleuchtet, schienen sie zu schmelzen. Aber der Strom der sich verformenden Häuserwände floss nicht nach unten, auf ihn zu, nein, er floß nach oben! Am Dach angekommen schienen sich Tropfen ihren Weg in den graurosagelbockerfarbenen Himmel zu bahnen. Und doch vergingen die Häuser nicht (was der Dudus sich nicht erklären konnte, weil seine Logik vollauf damit beschäftigt war sich der Wahrnehmung der fliegenden Brüste zu erwehren).


    Zitat

    I. Die Welt der sehr unbekifften Rhakotis:


    Der Dudus stand inmitten einer einsamen verlassenen Gasse der Rhakotis, mit Bruchbuden auf seiner linken und rechten, und besabberte sich hingebungsvoll selbst.


    Zitat

    II. Die Welt der subkutanen Rauschfactio:


    Als der Dudus sich an der fantastischen Umgebung sattgesehen hatte, machte er einen Schritt nach vorne, und bemerkte, dass er sich unendlich leicht fühlte. Er wedelte mit den Armen, machte einen Satz nach vorne und hob für mehrere Meter ab, schwebte wie der Samen einer Pusteblume über die quietschbunte Straße und lachte dabei glücklich wie ein einfältiges Kind.


    Zitat

    II. Die Welt der sehr unbekifften Rhakotis:


    Der Dudus torkelte nach vorne, hielt inne, wedelte mit den Armen und machte einen Satz mitten in den Dreck der Straße hinein, zielsicher mit der Denkerstirn voraus. Ein Gurgeln entwich seiner Kehle, als er sich dümmlich lächelnd in dem Dreck der Straße suhlte.


    Zitat

    III. Die Welt der subkutanen Rauschfactio:


    Als er wieder auf dem Boden der verdrehten Tatsachen ankam, trat der Dudus auf irgendetwas. Ein bezauberndes Glockengeläut erklang, als hätte ein Musicus irgendetwas wunderschönes angestimmt. Als der Dudus den Fuß wieder hob, verklang das Glockengeläut wieder.
    Den Blick nach unten richtend, bemerkte er, dass er auf einen bunten Pilz getreten war. Spielerisch trat er noch einmal darauf, und wieder erklang etwas, doch dieses Mal war es kein Glockengeläut, es waren die Klänge fein gestimmter Saiten. Und der Dudus begriff. Wieder trat er auf den Pilz, wieder erklangen wundervolle Töne. Und er tat es wieder, nur um den hellen Tönen lauschen zu können, die seine Ohren verzauberten. Je schneller und öfter er auf den Pilz trat, umso schöner und kontinuierlicher waren die Töne, die er ihm entlockte.
    Schon bald führte der Dudus einen wahrhaftigen Tanz auf dem Pilz auf, drehte sich um sich selbst, schwang gekonnte Pirouetten und steppte wie ein keltischer Berserker, immer taktvoll begleitet von dem musizierenden Pilz.


    Zitat

    III. Die Welt der sehr unbekifften Rhakotis:


    Als er wieder auf die Beine kam, trat der Dudus auf eine Kakerlake. Das Knirschen des Insekts ließ ihn innehalten. Sein Blick senkte sich, und ein Sabberfaden löste sich aus seinem Mund, bevor dieser sich zu einem scheelen Lächeln verzog. Er trat noch einmal darauf, wieder knirschte es. Und noch einmal. Das Knirschen folgte wie ein treuer Straßenköter. Bald stampfte der Dudus mit einer Energie auf der Kakerlake herum, als wäre es sein innigstes Anliegen, sie bis zum Erdkern zu treiben.
    Irgendwann führte er einen virtuosen Tanz auf ihr auf, stetig begleitet vom herzhaften Knirschen des immernoch trotzigen Chitinpanzers des Insekts (der Erzähler beteuert an dieser Stelle, absolut keine Ahnung zu haben wie der Dudus in seinem Delirium zu dieser Leistung imstande sein kann. Noch vermag er zu erklären, wie oft so eine verdammte Kakerlake eigentlich knacken kann).


    Zitat

    IV. Die Welt der subkutanen Rauschfactio:


    Als er sich an der Melodie sattgehört hatte, und ihm ob des kunstvollen Tanzens auf dem Pilz die Puste ausging, machte der Dudus sich weiter mit schwungvollen Schritten die Straße hinab. Als er um eine Ecke biegen wollte, hinter der er wiederrum tausend Wunder vermutete, prallte er mit etwas zusammen und landete mit lautem Lachen auf dem Hosenboden. Er schüttelte den Kopf um die langen Haare aus dem Gesicht zu bekommen, und als er aufblickte, packte ihn das nackte Grauen: zwei riesige rote Bürsten standen vor ihm. Sie blickten ihn drohend an, bereit, ihn bis in die Unterwelt zu schrubben, und brüllten ihn auf einmal kampfeslustig an. Doch der Dudus konnte sich in dieser Welt auf seine Superkräfte verlassen, blitzschnell war er wieder auf den Füßen, und rannte um sein Leben.


    Zitat

    IV. Die Welt der sehr unbekifften Rhakotis:


    Der Dudus torkelte weiter, und als er einer Häuserecke ausweichen wollte, in dem er sich so nah wie möglich an sie heranpirschte um sich dann fast die Nase an ihr zu brechen prallte er mit zwei Legionären zusammen (die selbstverständlich keine Bürsten waren. Und auch keine auf dem Kopf trugen. Ich bitte darum, dies der Imaginationskraft des Dudus zugute zu halten!)
    Die Wache starrte, ebenso perplex wie der Dudus, diesen an, und als sie erkannten, dass sie einen vollkommen verwahrlosten und sich ansabbernden Kerl vor sich hatten, brachen sie in lautes Gelächter aus. Dieser Momente reichte dem Dudus, sich sehr unbeholfen auf die Beine zu machen und davon zu torkeln.




    Einige Stunden später wachte der Dudus in seiner Hütte auf, und die Kopfschmerzen seines Lebens sorgten dafür, dass er ganze zehn Minuten nicht mitbekam, dass Raoulus in seiner Hütte stand und mit lauter Stimme und fucheltenden Armen einen Vortrag hielt.


    "Was hast du gerade gesagt, Mann?", ächzte der Dudus mit schwacher Stimme, die Leichen der subkutanen Rauschfactio immernoch schwer auf seinem Gemüt lastend.


    "Du hast sie vertrieben, Mann!! Die Legionäre! Ganz allein! Du bist ein Held, Mann! Ein verdammter Held!!!", schrie Raoulus seinen Freund mit barer Begeisterung an, der ihn nur ungläubig anglotzte, und augenblicklich für vollkommen übergeschnappt erklärte.


    "Legionäre! Vertrieben! Hah! Dass ich nicht lache! Was kommt als nächstes? Wahrscheinlich bin ich geflogen!"

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