Mit gemessenem Schritt kam die junge Claudia ins Atrium. Sie betrachtete es aufmerksam, denn immerhin war sie eine gewisse Zeit nicht mehr hier gewesen. Das letzte Mal war sicher schon drei Jahre her und damals hatte sie keine lange Zeit daheim zugebracht. Die "lange Zeit" hatte sie, gemeinsam mit ihrer älteren Schwester, bei den Großeltern verbracht, die eine gewisse Zeit recht krank waren und die zum Einen Pflege wie auch jüngere Gesellschaft gut gebrauchen konnten. Immer Mal wieder hatte Livilla die Reise nach Rom, zu ihrem Vater, auf sich genommen, an dem sie doch schon immer sehr gehangen hatte - er war schließlich ihr Vater. Nun aber sollte sie wieder in Rom bleiben. Auch wenn ihr halbes Leben außerhalb Roms gelebt wurde, war dies nachwievor ihre eigentliche Heimat. Das etwas abgeschiedenere Leben hatte natürlich auch seine reizvollen Seiten, aber dort konnte man weder "Jemand" sein, noch war man über aktuellen Klatsch informiert. Sie eilte diesem Klatsch nie nach, aber in Rom nahm man ihn doch irgendwo mit. Seien es die Sklaven, seien es Verwandte beim gemeinsamen Essen oder sonstwelche Gespräche, bei denen man einzelne Wort- und Satzfetzen aufschnappen konnte. Das war in Clusium ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, zumindest in diesem Umfang.
Sie strich sich das dichte, schwarze Haar ein Stückchen zurück. Heute war ein warmer Tag gewesen und sie war froh endlich angekommen zu sein. Sie hasste es zu Reisen. Es war beschwerlich und langweilig und einzig ihr Ziel hatte ihr die Laune aufrecht erhalten können. Sie hatte keine intelligente Gesellschaft gehabt, nur dumme Sklaven, die eines Gesprächs nicht würdig waren. Was verstand ein Sklave schon von der Schönheit dieser Welt. Da konnte sie auch genausogut mit ihrem Schmuck sprechen. Das hatte sie, zugegebenermaßen, gedanklich sogar getan. Ihre Großeltern hatten ihr einen wirklich hübschen Armreif mitgegeben, zum Dank für ihre Gesellschaft. Natürlich hatte sie ihnen gern diese Gesellschaft gewährt, aber irgendwann war es ohne Romana einfach langweilig geworden, die es doch tatsächlich geschafft hatte, zu den Vestalinnen zu gelangen. Das war nichts für Livilla, aber dennoch war es eine große Ehre für Romana, diesem Kreise angehören zu dürfen, war die Zahl doch sehr eingegrenzt und die Auswahl streng getroffen. Livilla selbst empfand es als große Notwendigkeit den Göttern regelmäßig Opfer darzubringen und ein sittsames Leben zu führen, ihr Leben den Göttern allerdings vollends zu weihen war für sie keine Option. Sie wollte mehr erleben, empfand sie doch das Priesterdasein als Dröge. Als Vestalin würde man niemals einen Mann kennenlernen und der Familie Ehre bringen. Das war ein großes Defizit, wenngleich das durch die Ehre des Kreises der Vestalinnen ausgeglichen wurde. Aber, ehrlich gesagt, war ihre Chance auch zu diesem Kreise hinzuzugehören eher sehr gering. Und die restlichen Priesterämter waren ohnehin eher für Plebejer geschaffen und von Männern besetzt. Das kam gar nicht in Frage, da konnte sie sich ebensogut bei den Praetorianern einschreiben!
Sie warf einen Blick auf ihre Hände und dann zu einer Sklavin. Kalt und klar erklang ihr Befehl. "Was stehst du hier herum? Sieh zu, dass mein Gepäck in mein Gemach getragen wird, aber hoppla. Oder wirst du dir zu fein für sowas?" In Wirklichkeit war die Sklavin gar nicht mal faul. Aber es schadete nicht, diesen Abschaum hin und wieder darauf hinzuweisen, wer in diesem Hause befugt war, die Leute zu delegieren und sie herumzuscheuchen.
Ist jeder gern eingeladen, mitzuschreiben