Funus Tiberii Vitamalaci

  • Unter getragener Musik erreichte der Trauerzug, der den ganzen Weg vom Esquilin herab zurückgelegt hatte, endlich das Forum. Zuerst platzierte sich die Kapelle der Cornicen und Tubicen auf der linken Seite der Rostra, dann die Klagefrauen links und rechts. Unter weiterem Spiel trafen anschließend die übrigen Teilnehmer des Leichenzugs ein. Allen voran ein Mann in der Uniform eines Legionslegaten, der wohl den verstorbenen Tiberius Vitamalacus darstellen sollte, dann die Darsteller der übrigen Ahnen der Tiberia, teilweise eskortiert von Liktoren. Sie alle nahmen auf kurulischen Stühlen vor der Rostra Platz, auf die dann die von römischen Rittern getragene Urne des Tiberiers gestellt wurde. Die einfachen Klienten, Freigelassenen und Freunde des Legaten platzierten sich hinter den Ahnen - natürlich respektvoll Abstand lassend für die Ehrengäste.


    Dann kam die Familie, angeführt von Tiberius Durus. Sein Blick war ernst, sein Kinn unrasiert und sein schwächlicher Körper steckte in einer schwarzen Toga. Gestützt auf einen Stock und humpelnden Schrittes erstieg er die Rostra, von wo aus er die Leichenrede halten würde. Es dauerte lang genug, denn er hatte sich geweigert, Hilfe für diesen Weg anzunehmen.

  • Am Forum angekommen, stellten sie sich vor der Rostra auf, um der nun folgenden Rede zu Ehren Vitamalcus zu folgen. Danach würde der Trauerzug weiter marschieren.
    Septima warf Ursus einen kurzen Blick, so wie ein kleines Lächeln als Zeichen ‚Es geht mir gut.’ damit er sich keine Sorgen um sie machte. Immerhin hatte sie den Verstorbenen noch nicht einmal gekannt, obwohl ihr die Trauer von Arvinia schon sehr nahe ging.

  • Langsam bewegte sich der Leichenzug den Esquilin herab durch die Stadt bis zum Forum Romanum. Die Menschen machten ihnen respektvoll Platz, reckten aber auch die Hälse, um besser sehen zu können. Ursus erwiderte den Blick seiner Frau und auch das leichte Lächeln. Er hatte verstanden. Es ging ihr gut. Das beruhigte ihn, denn mit Tränen konnte er nur sehr schwer umgehen. Gerade bei seiner Frau. Denn sie neigte nicht dazu, schnell Tränen zu vergießen. Wenn sie es dann doch einmal tat, brachte ihn das völlig aus der Fassung, denn er mußte dann annehmen, daß etwas wirklich Schlimmes mit ihr los war.

  • Durus schien sich mit seinem Bein auf dem Weg zum Forum ganz schön zu quälen, und es weckte Ahalas Respekt, dass der alte Herr sich trotzdem jegliche Hilfe verbat.
    Unter normalen Umständen hätte der junge Tiberier während des Laufens seine Augen und Ohren überall gehabt, aber da ihm die düstere Stimmung des Trauerzuges langsam aber sicher auch aufs Gemüt schlug, trottete er nur schweigend und mit unbewegtem Gesicht neben Arvinia her um sich, an der Rostra angekommen, beim Rest der Familie aufzustellen.

  • Der übrige Leichenzug war bereits eingetroffen, bis Durus endlich an das Geländer trat und - diesmal nur mit einer Hand gestikulierend - seine Leichenrede begann


    "Quiriten,


    ich stehe vor Euch als ein trauernder Mann. Ich trauere um einen lieben Verwandten, einen stolzen Spross unserer Familie und einen verdienten Mann unseres Staates. Quintus Tiberius Vitamalacus war ein Kämpfer sein Leben lang - wie Horatius Cocles stellte er sich dem Feind entgegen, furchtlos und voller Pflichtgefühl gegenüber dem Staat und seiner Familie. Dabei bewahrte er sich jedoch auch stets jene tugendhafte Einfachheit eines Quinctius Cincinnatus, denn niemals geruhte er sich auf seinen Taten auszuruhen, immer weiter trieb es ihn im Namen des Staates und wenn dieser nach ihm rief, so verließ er seinen Pflug, jagte keinen großen Ämtern in Rom nach, sondern stellte sich unter die Adler.


    Schon als junger Mann meldete er sich freiwillig zur Legion - war nicht bereit, das Geschenk seiner Adoption anzunehmen und sich an den Annehmlichkeiten eines edlen Stammbaums zu erfreuen. Und die Wahl seines Vaters Tiberius Fabianus erwies sich als richtig, denn rascher als Mercurius den Himmel durchläuft, durchlief er alle Ränge bis er schließlich als Tribun den Ruf seiner Ahnen vernahm und nach Rom aufbrach. Selbstverständlich diente er als Quaestor den Consuln, wie er als Soldat seinem Feldherrn gefolgt war. Er brachte seine Erfahrung als Soldat ein, indem er würdigen Fremden in unseren Einheiten die Möglichkeit gab, das Bürgerrecht zu erhalten und ihre Söhne zu den Legionen zu schicken. Kurz darauf schon schritt er weiter auf dem Cursus Honorum und amtierte als Aedilis Curulis. Seine Ludi Romani werden manchem noch in Erinnerung sein, denn sie gehörten wohl zu den größten, die Rom jemals gesehen hat - nichts war ihm zu teuer, um dem gemeinen Volk Abwechslung von ihrem grauen Alltag zu schenken. Doch sein Pflichtgefühl beschränkte sich nicht nur auf seine Familie und den Staat: Auch den Göttern diente er mit Freuden und wurde so zum Magister der Arvales Fratres, bei denen der Divus Iulianus selbst sein Mitbruder war.


    Kaum war seine Amtszeit jedoch vollendet, riefen ihn erneut die Adler. Und obwohl seine Verdienste ihm zweifellos einen Anspruch auf das Kommando einer Legion geboten hätten, nahm er die Bitte des Kaisers an, an dessen Seite als Tribun in der Ersten Legion zu kämpfen, die nicht umsonst die Beinamen Pia Fidelis Constans trägt. Genau dies schienen jedoch die Götter selbst geplant zu haben, denn noch während des folgenden Feldzugs wurde der euch allen bekannte Decimus Livianus von den parthischen Bastarden entführt, sodass mein Vetter das Kommando der Legion übernehmen musste. Gerade in dieser Situation zahlte sich also die große Erfahrung des Tribunus Laticlavius aus. Doch selbst wenn er sie nicht besessen hätte, hatte er sich doch spätestens durch seinen Mut im Kampf gegen die Parther qualifiziert, um an der Spitze einer Legion zu stehen.


    Nach dem furchtbaren Krieg schließlich, der uns durch die Arroganz und Feindseligkeit des parthischen Volkes aufgedrängt worden war, kehrte er als Legat nach Italia zurück und führte die Legion, wie es seit frühester Jugend sein Traum gewesen war.


    Unglücklicherweise forderten jedoch nun die Parzen den Tribut für seinen Erfolg: Er erkrankte und musste das tun, was ihm das Schwerste war: Seine Truppe verlassen und sich auf sein Landgut zurückziehen in ständiger Hoffnung auf Besserung, um seine Pflicht weiter zu erfüllen. Am Schmerz jedoch, den seine Unfähigkeit seine Pflicht zu erfüllen erzeugte, litt er weiter und erlag schließlich seiner Krankheit. Seine Kameraden, die ihn stets als weisen und gerechten Führer schätzten, erwiesen ihm die letzte Ehre und verbrannten seine sterblichen Überreste, während seine Seele ins Elysium sank.


    Dennoch wollten wir ihm noch eine Trauerfeier widmen, die eines so großen Mannes würdig ist: Ich schickte meinen eigenen Sohn hinauf nach Mantua, um die Urne des Tiberius Vitamalacus zu holen und den pietätvollen Transport sicherzustellen. Und so können wir ihn nun hier zu seinen Ahnen betten, wie es sein Wunsch gewesen wäre."


    Durus war sich keinesfalls sicher, ob dies wirklich sein Wunsch gewesen wäre - wahrscheinlich wäre er am liebsten zerstückelt auf einem Schlachtfeld geblieben oder zumindest im Sacellum oder dem Friedhof eines Legionslagers bestattet worden. Doch so konnte er immerhin der Ehre der Familie dienen und ein Beispiel für kommende Tiberier sein.

  • Auch Flavius Furianus reihte sich in den Prozess der Trauernden ein. Er hatte nie sonderlich viel mit dem Verstorbenen zu tun, auch wenn er dessen Obhut einst zu ehelichen gedachte. Vitamalacus war für ihn ein Mann mit einem gewissen Schatten im Gesicht, welcher seine Persönlichkeit stets zu verbergen wusste. Er war ihm mehr fremd. Doch seine Taten und sein Eifer nicht. Mehr ob dieser Eigenschaften erzeugte der Flavier dem Mann nun auch die letzte Ehre.
    Sein Bartwuchs wurde nicht gestutzt und auch die Trauerkleidung war in einem dunklen Ton gehalten, wie es die Pietät verlangte. Natürlich schritt der Senator in den vorderen Reihen aufgrund seiner Stellung, doch sich umzublicken kam ihm erst dann in den Sinn, als die Schritte sich in einen dumpfen Einklang verwandelten, ihn geradezu bis in das Mark hatten erfrieren lassen. Ein unheimliches Geräusch des Abschieds und doch einem Soldaten mehr als gerecht. So war auch die Rede seines Freundes nicht schlechter.
    Gut erzählte er den Zuhöhern über den Mann, hob dessen Persönlichkeit zwar nicht so vor wie seine Taten, doch dies war stets ein gutes Zeichen.
    In jenem Moment dachte der Flavier selbst daran, wie er doch besungen werden wollte. Ja, genau so sollte es sein, wenig Persönlichkeit, viele Taten.
    Schließlich gehörte es sich doch für einen verdienten Mann so eine Rede zu erhalten, anstatt über seine Persönlichkeit zu lauschen, da er politisch und militärisch keinerlei Erfolge aufzuweisen hatte. Nein, er würde eine solche Rede, wie eben gehört, eindeutig präferieren.
    In seinen Gedanken ob des eigenen Ablebens blieb er alleine, recht in Gedanken versunken, stehen und blickte gen Himmel. Ein schöner Tag, um sich zu verabschieden. Und das tat er - von Tiberius Vitamalacus.

  • Eine Weile genoss Durus das Schweigen der Menge auf seine Rede hin. Offenbar waren sie alle tief ergriffen. Dann jedoch trat er hocherhobenen Hauptes zurück und humpelte die Treppe der Rostra hinab. Ein Schmerz ließ ihn jedoch wissen, dass er es kaum schaffen würde, den Weg vom Forum zur Via Latina, wo das Familiengrab der Tiberier stand, zu Fuß zurückzulegen. Also winkte er die offene Sänfte herbei in der er sich mit einem Seufzen niederließ.


    Dann zog der Zug wohlgeordnet weiter nach Süden, vorbei am Haus der Vestalinnen, dem Tempel der Venus und Roma, dem Tempel der Kaiser und schließlich um den Palatin herum zum Circus Maximus. Von dort ging es schließlich durch die Porta Capena hinaus auf die Via Latina.

  • Die Rede war tatsächlich ergreifend gewesen, zumindest wenn es nach dem Geschmack von Macer ging. Geradlinig und schnörkellos fand er sie, so wie er den Verstorbenen auch gekannt hatte. In Gedanken versuchte er sich zu erinnern, bei welchen der genannten Stationen er Vitamalacus begegnet war und in welcher Rolle mit ihm zu tun hatte. Die Berührungspunkte waren da, wennauch weniger deutlich, als Macer am Anfang vermutet hätte. An seiner Überzeugung, dass ein großer Offizier viel zu früh gestorben war, änderte dies freilich nichts.


    Als der Trauerzug weiter zum Grab vor der Stadt zog, reihte sich Macer wieder hinter Albina ein, die während der gesamten Trauerfeier bisher weitgehend geschwiegen hatte.

  • Livianus, der frühere Kommandant und Vitamalacus Vorgänger als Legat der Legio I war ebenfalls anwesend. Unauffällig hatte er sich in Begleitung eines Sklaven der ein Bündel trug am Forum unter die Trauernden und Schaulustigen gemischt und die Rede des Consulars Tiberius Durus verfolgt. Er hatte zwar keine Einladung erhalten und ließ seinen Blick kurz über die Ehrengäste schweifen, wollte es sich dennoch nicht nehmen lassen seinen verstorbenen Kameraden die letzte Ehre zu erweisen. Nach den Aufregungen der letzten Tage war es ihm auch nicht wirklich unrecht, dass er hier unter den Leuten nicht heraus stach sondern sich im Hintergrund halten konnte.


    Er konnte sich auch noch gut an diesen meist ernsten und äußerst pflichtbewussten Mann erinnern, der einen ähnlichen Lebenslauf wie er selbst hinter sich gebracht, zuerst unter Livianus als Tribunus Angusticlavius bei der Legio IX gedient hatte und nach einem Abstecher in den Cursus Honorum als Tribunus Laticlavius zur Legio I zurückkehrte. Die beiden hatte nie eine enge Freundschaft verbunden, doch sie respektierten und achteten sich und hatten gemeinsam vieles erlebt und überstanden, was immer ein gewisses Band zwischen Soldaten schweißte. Irgendwie war es auch ein merkwürdiges, fast bedrückendes Gefühl wenn Livianus daran dachte, dass Vitamalacus nach den Partherfeldzug mit der Legio I zurück nach Rom kehren konnte, während er selbst in Gefangenschaft zurück bleiben musste und nun er es war, der hier am Forum stand um seinen Kameraden auf dem letzten Weg zu begleiten. Die Wege und Entscheidungen der Götter waren wirklich oft undurchschaubar und schwer zu begreifen, doch man musste sich damit abfinden.


    Als sich der Zug schließlich wieder in Bewegung setzte, gab Livianus seinem Sklaven ein Zeichen, dass er ebenfalls an der Prozession teilnehmen wollte und folgte mit dem Sklaven im Schlepptau und mit einigem Abstand den Trauernden.

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