Der Procurator im Heuhaufen

  • War es möglich, in Rom zu verschwinden? Sich unsichtbar zu machen? Für Verbrecher bestimmt. Für normaler Bürger wahrscheinlich auch. Aber für einen kaiserlichen Procurator? Macers Privatsekretär war davon überzeugt, dass das nicht ging. Also würde er den Procurator schon finden, auch wenn er nicht an seinem Arbeitsplatz war und im Palast keiner sagen konnte oder wollte, wohin er gegangen war. Alleine das war für den wohlorganisierten Privatsekretär schon ein halber Skandal. So ein Procurator war schließlich ein gefragter Mann. Zumindest dann, wenn jemand wie Senator Macer seinen Privatsekretär losschickte, um sich zu erkundigen, was mit der Ernennung von Aurelius Avianus zum Senator war.


    Aber wenn er schon nicht wusste, wo der Procurator war, so wusste er zumindest, wo andere Leute waren, die es wissen konnten. Auf dem Forum zum Beispiel. Dort trieben sich immer Senatoren rum, und wo Senatoren waren, waren ihre Sekretäre und Laufburschen nicht weit. Und wenn auch nur einer von diesen den Procurator heute schon irgendwo gesehen haben sollte, dann musste das herauszubekommen sein. Also lautete die einfache Frage unter Kollegen: "Heute zufällig schon den Procurator a memoriae gesehen?" Bezahlt wurde mit anderen Informationen über andere Personen, die von anderen Sekretären aus anderen Gründen gesucht wurden.

  • Monate später sah die Situation ähnlich aus. Dieses Mal schien der Praefectus Praetorio wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Die Wachen an der Porta Praetoria wussten nicht mehr zu sagen, als dass der Präfekt Prudentius Balbus schon länger nicht im Lager gewesen war. Wo er sich aufhalten konnte, wussten sie nicht. Eine Rücksprache beim Praefectus Urbi brachte Senator Menecrates diesbezüglich auch keine Aufklärung. Unklar blieb, ob Salinator selbst nichts wusste oder ob er keine Auskünfte geben wollte.


    Wäre Menecrates nicht so ein penibler Offizier und nicht im Interesse eines seiner Klienten unterwegs gewesen, hätte er womöglich nach einem Kopfschütteln die Sache auf sich beruhen lassen. So aber ließ es ihm keine Ruhe. Auf Salinators Wort, sich um alles zu kümmern, wollte er sich nicht verlassen. Also betrat er an einem der Folgetage in Begleitung seines Privatsekretärs das Forum und betrieb Nachforschungen.



    "Manuel, der heutige Auftrag verlangt Geschick und Diskretion. Ich bin auf der Suche nach Informationen über den Praefectus Praetorio. Sein Name lautet Prudentius Balbus. Er ist verschwunden, zumindest glaube ich das. Ein Verbrechen kann nicht ausgeschlossen werden. Vielleicht ist er aber auch ein Opfer politscher Intrigen oder aber er betreibt Arbeitsverweigerung. Du sollst jetzt nichts weiter tun, als dich unter die Menge mischen und jeweils fragen, wann man zuletzt den Praefectus Prudentius Balbus gesehen hat. Findest du eine gute Quelle, holst du mich."

  • Zielstrebig schritt Menecrates vor mir her. Ich hatte den Auftrag ihn zum Forum begleiten.
    Nun ging das Gehetze los, ich hatte es ja befürchtet.
    Unterwegs bemerkte ich trotz der Eile, dass mein neuer Herr in Gedanken und mit einer Sache sehr beschäftig war.
    Je näher wir dem Forum kamen, umso dichter wurde das Gedränge. Da mein Herr vor mir schritt, profitierte ich wohl von seiner Stellung, denn ihm, tat sich auf wundersame Weise, immer ein Weg auf.
    Am Forum angekommen bot sich mir ein Schauspiel, was ich so noch nie gesehen hatte.
    Römer aus allen Bevölkerungsschichten standen in Gruppen oder Paarweise zusammen. Es schien ein einziges großes Palaver zu sein.
    Sklaven aus vielen Nationen standen herum oder eilten um her. Alle schienen ungemein beschäftigt.


    Kaum zu Atem gekommen bekam ich von ihm meine Aufgabe gestellt.
    Na wenn das nichts, für meines Vaters Sohn ist, musste ich ihn Gedanken lächeln. Da nehme ich doch gerne noch was Gerenne auf mich.


    Mit den Worten: „Ja Dominus, ich werde mein bestes Versuchen“, machte ich mich sogleich auf den Weg.
    Nun hatte ich Augen und Ohren zu wenig.
    Gesprächsfetzen, Gelächter, Namen und Bemerkungen mancher Art filterte ich heraus.
    An wen sollte ich mich wenden? An Persönlichkeiten? Nein besser nicht, die würden nie einem Sklaven Antworten, egal was sie wussten.
    Sklaven waren dafür weit besser geeignet.
    Vom Elternhaus, einen wie ich fand, guten Umgang mit Sklaven gewohnt, würde ich schon den richtigen Ton bei ihnen treffen.
    Oder sollte ich doch? Vielleicht dort den Wagenlenker der roten Factio?
    Nein der war mit ganz anderen Sachen beschäftigt.
    Ich halte mich besser an die Sklaven.


    So schlenderte ich einige Stunden, meist unbemerkt, zwischen diesem Menschengewirr herum. Redete hier, lächelte dort und fragte gar manchen.
    Die Sache entwickelte sich doch schwieriger als ich dachte. Vieles konnte ich erfahren, aber nur wenig was mir zu nutzen schien.
    Ein Verdacht hatte ich letzt endlich doch aber würde der meinem Dominus genügen. Was wenn er nicht zu frieden mit mir war? Bekäme ich dann eine Strafe? Ich war noch neu hier in Rom, dennoch ahnte ich, das diese hier heftig sein konnte. Ich hatte aber doch mein Bestes gegeben und den Satz:
    "Heute zufällig schon den Procurator a memoriae gesehen?" würde ich noch im Schlaf sprechen.


    So traf ich mit recht gemischten Gefühlen, bei meinem Herren, wieder ein.


    „Dominus Menecrates ich versichere dir, ich gab mir die aller größte Mühe“, fing ich recht zögerlich an. „Ob es brauchbar ist was ich mir zusammen reimen musste kann ich nicht sagen, denn gesehen hat ihn wohl keiner den ich fragte und es waren nicht gerade wenige. Nur gab man mir immer wieder Hinweise, wer etwas wissen könnte. Man nannte mir den Namen seiner Gemahlin, Aelia Vespa.
    Des Weiteren sagte man mir immer wieder ich solle zum
    OFFICII DECIMVIRI LITIBVS IVDICANDIS gehen und mit Titus Duccius Vala sprechen."
    Nun wartete ich auf eine Regung, im Gesicht meines Herrn.

  • Von der Eifrigkeit seines Privatsekretärs positiv überrascht, blieb Menecrates zurück und verbrachte die nächste Zeit damit, die Forumbesucher zu betrachten. Als die erste Stunde ihrer Vollendung nahte, kamen Ihm die ersten Zweifel. Die lange Wartezeit gab ihm zu denken, denn seine Vorstellungen sahen ganz anders aus. Schon glaubte er, Manuel habe vielleicht die Gelegenheit zur Flucht ergriffen und Menecrates müsse den Verlust bei den Vigiles melden, da beruhigte er sich selbst. Das Forum beherbergte so viele Besucher, dass eine sorgfältige Suche nach Informationen unmöglich schnell gehen konnte. Er legte die Hände hinter dem Rücken zusammen und begann, auf und ab zu gehen. Wurde er von Händlern angesprochen, die ihre Waren loswerden wollten, ignorierte er sie oder er winkte ab, um daraufhin in gleicher Weise weiterzuschlendern.
    Als die zweite Stunde Wartezeit sich ihrem Ende näherte, zweifelte er erneut. Er fasste den Entschluss, nun seinerseits über das Forum zu streifen. Nach Kurzem glaubte er jedoch, es sei besser, wenn er den Heimweg antrat, aber eine kleine Hoffnung hielt ihn zurück. Menecrates glaubte an das Gute im Menschen und er wusste, Sklave bei den Claudiern zu sein, bedeutete Glück im Unglück zu haben. Das Aufgreifen nach einem Fluchtversuch hingegen leitete erhebliche Repressalien ein.


    Menecrates ging zum Ausgangspunkt des Forumbesuchs zurück und wartete geduldig. Und endlich traf Manuel ein. Er versicherte, sich die größte Mühe gegeben zu haben und Menecrates kaufte ihm das ab. Vermutlich deswegen dauerte die Spurensuche derart lange. Er nickte, als er hörte, keiner hätte den Präfekt gesehen, so etwas in der Art hatte er befürchtet. Bei den Hinweisen horchte er dann auf.


    "Das ist gut", sagte er schließlich. "Natürlich! Warum bin ich denn nicht selbst darauf gekommen? Aelia Vespa sagst du?" Menecrates gehört sicherlich zu den letzten in Rom, die sich Namen von Ehefrauen merkten oder generell über Familienverhältnisse besonders Bescheid wussten.


    Dann grübelte er über den zweiten Hinweis nach. Duccius Vala bekleidete aktuell das Amt eines Vigintivir. "Hat man dir erklärt, warum wir in die Basilica Ulpia zu Duccius gehen sollten? Besteht etwa der Verdacht, dass der Präfekt verstorben ist und deswegen dort die Erbschaft bearbeitet wird?"

  • „Nein Dominus, das nicht. Einige meinten bei hm liefen mehr Fäden zusammen als man ahne. Außerdem schlossen einige darauf, dass er sein Amt als Sprungbrett benutze und fleißig Informationen über viele Familien zu sammeln: Ein Informant meinte er würde niemals sein Wissen preisgeben.“

  • 'Interessant', dachte Menecrates. Man sollte sich viel öfters auf dem Forum aufhalten. Wobei ihm klar war, dass er selbst dafür wenig Nerv aufbringen konnte, weil er ja Gerüchte und Klatsch und Tratsch verabscheute. Wenn man allerdings die rechten Antennen besaß, lohnte ein solcher Gang. Sein Privatsekretär schien ihn diesbezüglich vortrefflich unterstützen zu können.


    "Ich bin zufrieden mit deiner Leistung. Mit etwas Geschick könntest du dich bei mir unentbehrlich machen, was allerlei Vorteile für dich mit sich bringen könnte." Natürlich auch für Menecrates, klar. "Ich möchte noch heute, am besten sofort, die Basilica Ulpia aufsuchen. Erst danach werden wir die Familie des Präfekten anlaufen. Zwischenzeitlich allerdings sollten wir irgendetwas essen. Aber vielleicht sind wir ja bereits an der ersten Stelle richtig und man hilft uns dort weiter."


    Während Menecrates redete, als hätte er nicht einen Sklaven, sondern einen Verbündeten neben sich, schritt er bereits in Richtung des angestrebten Ziels.

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