exedra | Priester im Gespräch

  • Minus führte die junge Dame duch das atrium in Richtung Peristyl. Er vermutete den Hausherren im Garten, doch sie fanden ihn bereits in der exedra, die sich zum Peristyl hin weitete und ein wenig Luft hinein ließ. Kohlenbecken brauchte man zu dieser Jahreszeit keine mehr. Minus blieb stehen. "Die domina Iunia Serrana, dominus!" kündigte er Corvinus an, der in einem Flechtstuhl saß und bis eben gelesen hatte. "Wills du was trinken?" wandte er sich dann atemlos und mit roten Wangen an die junge Frau.

  • Nachdem sie sich für den Rest ihres Aufenthaltes in der Villa Aurelia von Adula getrennt hatte, folgte Serrana dem jungen Sklaven und blieb schließlich abwartend neben ihm stehen. Während er seinem Herrn ihr Kommen ankündigte, warf Serrana einen neugierigen Blick auf die Schriftrolle, die der Pontifex in den Händen hielt. Ob es wohl ein religiöses Werk war, was angesichts seiner Position ja durchaus nahelag? Oder doch etwas ganz anderes?


    "Salve, Pontifex Aurelius. Ich hoffe, ich komme zur rechten Zeit." sagte sie schließlich mit dem einem Vorgesetzten gebührenden Respekt und nickte dann kurz auf die Frage des Sklaven. "Ein Becher Wasser wäre nett, vielen Dank."

  • Es waren die Unterlagen zum Kurs der Rechtswissenschaften, die ich gelesen hatte - oder vielmehr überflogen, denn mich so recht zu konzentrieren vermochte ich nicht. Umso willkommener war die junge Priesterin, die mir Minus ankündigte. Ich legte die Abschrift beiseite und richtete mich ein wenig auf. Nachdem die Iunia ihren Wunsch geäußert hatte, warf er auch mir einen fragenden Blick zu, den ich meinerseits mit einer Geste auf den halb gefüllten Weinbecher auf dem Tisch lenkte, und Minus machte sich daraufhin an die Arbeit, dem Gast sein Getränk einzugießen. Ich selbst nickte und deutete auf einen weiteren Sessel. "Sei gegrüßt, sacerdos Iunia. Bitte, setz dich." Ich gab ihr Gelegenheit, dem Angebot zu entsprechen, und lehnte mich hernach wieder zurück. Auf dem Tisch zwischen uns, neben der Schriftrolle mit den rechtlichen Abhandlungen, lag die Wachstafel, auf der sich die Notizen aus dem Gespräch mit diversen Anwärtern befanden.


    "Zunächst einmal möchte ich dir danken, dass du so kurzfristig Zeit gefunden hast, und dir noch einmal persönlich zur Hochzeit gratulieren", begann ich und lächelte sie an. "Du stehst nun schon eine geraume Weile im Dienst des cultus. Wie gefällt es dir bisher? Gibt es Dinge, die du ändern würdest oder etwas, das dir aufgefallen ist?" erkundigte ich mich bei ihr. In diesem Moment stellte Minus das Wasser vor Serrana hin und blieb dann selbst vor dem Tisch stehen, sie mit hochroten Wangen anstrahlend. Ich hob eine Braue, räusperte mich, und der Junge schien sich wieder zu erinnern, dass dies ein angemessenes Verhalten war, denn er erwachte aus seiner Starre und türmte aus dem Zimmer. Alsdann sah ich abwartend zu der Priesterin hin.



    Sim-Off:

    Name entfernt, des Spielverlaufs wegen

  • Immer noch ein wenig nervös ließ sich Serrana auf dem ihr angebotenen Sessel nieder und zupfte automatisch ein wenig an ihrer Palla herum, bevor sie den Pontifex wieder ansah.


    "Oh, vielen Dank, das ist sehr freundlich." antwortete sie mit einem Lächeln, wie immer, wenn ihre noch nicht allzu lang zurückliegende Heirat zum Gegenstand einer Unterhaltung wurde und nickte auch dem jungen Sklaven freundlich zu, als dieser ihr das erbetene Wasser brachte. Eine der nächsten Fragen erstaunte sie dann aber doch. Eines der hochrangigsten Mitglieder des Cultus Deorum fragte ausgerechnet sie nach ihrer Meinung? Selbstverständlich war es sicher nicht, dass sich ein Pontifex für die Ansichten einer einfachen Aeditua interessierte. Serrana streckte sich ein wenig und ließ ein kurzes Räuspern hören. "Bis jetzt gefällt es mir sehr gut." begann sie wahrheitsgemäß. "Die Arbeit im Tempel macht mir großen Spaß, und zudem habe ich ja auch das Glück, der großen Minerva dienen zu dürfen, das hab ich mir von klein auf gewünscht." Wieder ging ein Lächeln über ihr Gesicht, bevor sich ihre Stirn in Falten legte während sie über den zweiten Teil der Frage nachdachte. "Ich denke, ich habe noch zu wenig Erfahrung, um mir anzumaßen irgendetwas ändern zu wollen. Im Tempel auf dem Forum Nervae klappt eigentlich auch alles recht reibungslos, die Tempeldiener sind sehr zuverlässig, so dass es bei den Opferungen keine Probleme gibt. Ich würde mir allerdings wünschen, dass noch mehr Gläubige in den Tempel kommen würden." gab sie schließlich zu und warf einen etwas unschlüssigen Blick hinüber zum Pontifex. Ob er das wohl albern fand und naiv? Ja, vermutlich tat er das, aber schließlich hatte er sie ja nach ihrer Meinung gefragt, also wollte sie auch aufrichtig sein. "Weißt du, ich hatte schonmal darüber nachgedacht, was man unternehmen könnte, damit den Menschen in dieser Stadt wieder etwas bewusster wird, dass die Götter zu ihrem täglichen Leben dazugehören. Aber durch die Hochzeitsvorbereitungen und den Umzug und all das bin ich leider ein wenig davon abgekommen." Mit einiger Anstrengung widerstand Serrana der Versuchung, erneut an den Falten ihres Kleides herumzuzupfen und verschränkte die Hände stattdessen in ihrem Schoß.

  • Auf dem Gesicht der Iunia stand kurzzeitiges Erstaunen, als sie meine Frage hörte. Dabei hatte ich sie durchaus ernst gemeint und zudem aus mehreren Hintergründen gestellt. Zum Einen fühlten sich viele Priester unverstanden oder unwichtig, und das war fatal, waren doch die Tempeldiener das Salz in der Suppe des kultischen Gefüges. Zum Anderen fielen engagierten Neuzugänge bisweilen Dinge auf, die alteingesessene Gewohnheitstiere nicht mehr bemerkten oder gewohnheitsmäßig ignorierten. Und zuletzt zielte die Frage darauf ab, herauszufinden, wie zufrieden Serrana selbst war.


    Ihr Lächeln spiegelte sich auf meinem Gesicht wider im Verlauf des Gesprächs, bis ich schließlich nickte. "Das sehe ich ein wenig anders. Gerade frischgebackenen Priestern fallen Abweichungen vom Protokoll oftmals eher auf als Altgedienten" erwiderte ich daher auf ihre Bemerkung, sich nicht anmaßen zu wollen, etwas zu ändern. "Du solltest in jedem Falle den Mut haben, dich einzubringen." Auch wenn sie sich damit vermutlich nicht allzu viele Freunde machen würde unter den älteren, die sich oft an Veraltetes klammerten. "Was den Opferverkehr anbelangt... Das Problem ist ein altes. Viele opfern lieber bequem am heimischen Altar, statt sich in die Tempel zu bemühen. Ich würde es daher sehr begrüßen, wenn du deine Überlegungen wieder anstrengst, mehr Menschen in die Tempel zu locken." Selbst große Festivitäten waren nicht mehr so gut besucht wie einst. Ich dachte dabei an die Götterspeisung auf dem Palatin zurück und betrachtete Serrana forschend. "Wie sieht es mit der Praktizierung bei dir aus? Traust du dir zu, ein öffentliches Opfer zu leiten? Eines der größeren Art, meine ich. Oder hast du das bereits getan?" Falls ja, dann zumindest keines, an dem ich teilgenommen hatte, und ich war auf recht vielen Opferzeremonien anwesend. Es mochte der Iunia so vorkommen, als fühlte ich ihr ordentlich auf den Zahn. Und wenn es so war, dann hatte sie absolut das richtige Gefühl.

  • Ein wenig überrascht, dass ihre persönliche Meinung zu den Belangen des Cultus Deorum auch in dessen höchsten Ebenen auf Interesse stieß, war Serrana nach wie vor, doch die entsprechende Versicherung des Pontifex schmeichelte ihr auch nicht wenig und führte dazu, dass ihre Nervosität allmählich nachließ. Für ein paar Augenblicke zumindest, denn kaum hatte sie das erfreute "Das werde ich gerne tun, vielen Dank" herausgebracht, da kam eine Frage, bei der Serrana erneut das Adrenalin durch den Körper schoss. Ein Opfer von der größeren Art geleitet? In Serranas Auge war bislang noch jede noch so alltägliche Opferhandlung groß, da sie noch ganz am Beginn ihrer religiösen Karriere stand. Aber irgendwie schwante ihr, dass dem Pontifex unter "groß" etwas ganz anderes vorschwebte. Wie es ein wenig in ihrer Natur lag, begann ein Teil ihres Verstandes sofort nach einem geeigneten Schlupfloch zu suchen, um sich nicht auf unbekanntes Terrain hinauswagen zu müssen, doch dann verschaffte sich schließlich auch eine andere Stimme Gehör.'Stell dich nicht so an, verdammt, oder willst du etwa, dass die anderen Menschen zeitlebens in dir das verschreckte Schaf sehen, dass du doch angeblich nicht mehr sein willst?' Serrana rang ein paar Sekunden mit sich, dann räusperte sie sich. "Nun, bislang habe ich ausschließlich die im Tempel anfallenden Opfer geleitet." gab sie, den Pontifex dabei ansehend, offen zu. "Ein wirklich großes, öffentliches Opfer war bislang noch nicht dabei, aber mit der entsprechenden Vorbereitung denke ich schon, dass ich das schaffen würde." Der eher ängstliche und alles andere als risikofreudige Teil, der in Serranas Wesen so lange die Oberhand besessen hatte, stöhnte gequält auf, aber sie zwang sich, ein leichtes Lächeln auf den Lippen, ruhig sitzenzubleiben und Aurelius Corvinus weiterhin in die Augen zu sehen.

  • Ich nickte erfreut, sie schien mir voller Elan zu sein, und gerade solche jungen Leute sollte man fördern. Meine nächste Frage zollte ihr dann offenbar doch etwas Respekt ab, da die Antwort nicht ebenso schnell folgte wie die vorherige. Ich meinte sogar kurz, weiter geöffnete Augen zu sehen, doch als ich im nächsten Moment genauer hinschaute, war Iunia Serranas Miene so normal, wie sie in dieser Situation sein konnte, und ich glaubte, mich getäiuscht zu haben. Ihre Antwort fiel positiv aus und war ehrlich, das sah ich ihr an, da sie mich unverwandt musterte. Mein Blick ruhte gleichsam auf ihrem Gesicht, das mich so gar nicht an ihre Verwandte, Iunia Axilla, erinnerte, die ich während des Ädilats hatte kennenlernen dürfen. Ich schwieg und ließ absichtlich einige Augenblicke verstreichen. Sollte sie ruhig annehmen, ich wägte ihre Worte ab, bis ich letztendlich selbst etwas erwiderte. "Nun, einmal ist immer das erste Mal, nicht wahr? Ich denke, man sollte dich durchaus bei der Verteilung der Feiertagsleitung in nächster Zeit berücksichtigen." Ihren Namen brauchte ich hierzu nicht vermerken, denn er war mir gut im Kopf geblieben. Immerhin hatte ich Serranas Prüfung beigewohnt, und diese Aufgabe nahm ich ernst. Zu ernst vielleicht in den Augen mancher, und doch waren mir die Namen meiner Prüflinge gut eingeprägt und mir präsent.


    "Allerdings", fuhr ich fort und nahm einen Schluck Wein, Serrana über den Rand des Bechers hinweg musternd, "Eines fehlt dir jedoch noch, um vollends unter Beweis zu stellen, dass deine Ausbildung ein Erfolg auf der ganzen Linie war." Ich schmunzelte amüsiert, sicherlich waren die Worte ein wenig provokant, doch mit dem Grinsen versuchte ich, ihnen dies zu nehmen. Ich wartete und betrachtete Serrana fragend - vielleicht kam sie von selbst darauf, was ich meinte, anderenfalls würde ich gleich damit herausrücken.

  • Es vergingen einige Augenblicke, und Serrana begann sich gerade zu fragen, ob sie vielleicht etwas falsches geantwortet hatte, als der Pontifex schließlich doch wieder das Wort ergriff. Feiertagsleitung? Hatte sie das gerade richtig verstanden? Scheinbar schon, denn der Gesichtsausdruck des Aureliers wirkte durchaus wohlwollend auf sie. Serrana atmete leise auf. Also traute er ihr tatsächlich etwas zu, eine Vorstellung, die für Serrana ausgesprochen beflügelnd war, auch wenn die Vorstellung, vor unzähligen Menschen einen komplizierten Ritus anzuleiten ganz schön einschüchternd war. Andererseits waren in ihren Augen seit ihrer Ankunft in Rom fast alle Dinge einschüchternd gewesen, und die meisten Herausforderungen hatte sie trotzdem irgendwie gemeistert, warum also nicht diese? "Vielen Dank, das ist sehr großzügig." bedankte sie sich, und ihr Lächeln wurde ein bisschen breiter, nur um kurz darauf erneut leichter Irritation zu weichen. Worauf wollte er denn nur hinaus? Eine weitere Prüfung, mündlich oder auch schrifltlich? Wie sonst konnte man denn den Erfolg einer Ausbildung noch belegen? Serrana überlegte eine Weile, dann kam ihr plötzlich ein Gedanke, der Sinn machte, in ihren Augen aber entschieden zu gewagt war, als dass sie sich getraut hätte, ihn offen auszusprechen. Was, wenn sie sich irrte, und der Pontifex angesichts einer derartigen Vermessenheit in schallendes Gelächter ausbrach? Nein, lieber nicht...


    "Ich...ähm..bin nicht sicher, ob ich verstehe, was du meinst."

  • Kurz rutschten meine Brauen wieder hinauf, als sich die junge Dame bei mir bedankte, und ich sah mich gezwungen, meine Worte von zuvor etwas zu revidieren. "Nicht so voreilig", sagte ich und lächelte. "Ich bin nicht für die Zuteilung der Feiertage allein verantwortlich, ich kann nur Namen ins Spiel bringen. Über alles andere wird gemeinsam entschieden." Was zugleich auch der Hinweis darauf war, dass es ihr Name sein würde, den ich ins Spiel zu bringen gedachte. Daran ließen auch die voran gegangenen Worte keinen Zweifel mehr, wie ich meinte.


    Meine Frage indes schien die Iunia doch ein wenig zu überfordern. Ich lachte kurz, sie nicht aus, sondern ihr zu, und schmunzelte anschließend. "Nun, dann will ich dir auf die Sprünge helfen. Ich denke, es wird Zeit, dass du das Erlernte weitergibst. Das hat zur Folge, dass dir ein Schüler zugeteilt wird, für dessen Erfolg oder Missverfolg du mitverantwortlich sein wirst, Iunia." Erneut schmunzelte ich, nun wartend auf ihre Reaktion, die - wie ich insgeheim annahm - sicher erfreut ausfallen mochte.

  • Bei dem Wort "Schüler" richtete sich Serrana automatisch noch ein wenig mehr auf. Also doch... Im Grunde war es ja nur die logische Konsequenz aus den vorangegangenen Worten des Pontifex, doch da ihre eigene Ausbildung noch nicht allzulange vergangen war, hatte sie nicht ernsthaft mit einem derartigen Vorschlag gerechnet und auch nicht rechnen können. Fachlich machte sich Serrana keine Sorgen, sie wusste, dass sie bereits eine ganze Menge theoretisches und praktisches Wissen besaß, die sie an einen frischgebackenen Priesterschüler würde weitergeben können. Die Übernahme einer derartig großen Verantwortung wog in ihren Augen da schon schwerer, doch auch hier taten die seit einigen Tagen allgegenwärtigen dunklen Gedanken ihre Wirkung. Ja, die Vorstellung, diese Verantwortung zu schultern, war einschüchternd, aber vielleicht würde es ja nicht nur ihre erste sondern auch einzige Möglichkeit bleiben, jemals etwas von ihrem eigenen Wissen an Andere weiter zu vermitteln. Serrana war sich ziemlich sicher, dass diese Art von Arbeit ihr Spaß machen und sie darüber hinaus vermutlich auch zumindest streckenweise von ihren sonstigen Nöten ablenken würde. Und allein das für sich genommen wäre schon Grund genug gewesen, sich über diese neue Aufgabe zu freuen.


    "Es ehrt mich, dass du mir eine derartige Aufgabe bereits zutraust." gab Serrana offen zu, und ihr Gesicht erhellte sich wieder. "Wenn ich ehrlich bin, hört es sich nach einer großen Herausforderung an, aber ich werde mein Bestes tun, diesem Schüler gerecht zu werden, das verspreche ich."

  • Es dauerte eine Weile, bis die junge Dame überhaupt etwas erwiderte. Derweil hegte ich kurz einmal die Vermutung, sie eventual zu überfordern mit dieser Aufgabe. Andererseits war es durchaus an der Zeit für Iunia Serrana, ihr Wissen weiterzugeben, wie ich fand. Ich dachte hierbei an jemanden Bestimmtenund setzte schlussendlich eine zufriedene Miene auf. "Sehr schön, das freut mich", erwiderte ich. "Natürlich ist es eine Herausforderung, aber nur daran wächst man. Und ich bin mir sicher, dass in ein paar Jahren sehr souverän dein Wissen weitergeben wirst."


    Ich griff nach der Wachstafel und warf einen Blick darauf, als hätte ich mir die dort vermerkten Namen nicht merken können, obgleich das Gegenteil der Fall war. "Dein erster Schüler wird Quintus Flacius Flaccus sein, ein Verwandter Flavius Gracchus'." Ich gin davon aus, dass ihr dieser Name ein Begriff war. "Du solltest dich davon allerdings nicht nervös machen lassen."


    Sim-Off:

    Ich muss dem dazu laufenden Thema leider vorweggreifen und Flavius Flaccus nennen, da Iulia Corona sich gegenwärtig in Germanien aufhält und ihr Interesse am CD zunächst auf Eis liegt. Bitte nicht wundern. :)

  • "Ich danke dir für dein Vertrauen." sagte Serrana mit einem Lächeln, das bei dem Ausdruck " in ein paar Jahren" für den Bruchteil einer Sekunde einfror. 'Mögen die Götter geben, dass du du damit Recht hast, Pontifex.' dachte sie mit kurz aufflammender Bitterkeit, bevor sie sich wieder soweit im Griff hatte, dass sie sich auf die Bedeutung seiner weiteren Worte konzentrieren konnte. Ein Verwandter von Flavius Gracchus also... Natürlich war ihr der Name des bekannten Pontifex und Senators ein Begriff, aber der hatte sicher besseres zu tun, als bei ihrem Unterricht zu hospitieren. Und da sie mittlerweile Patrizierinnen wie Tiberia Septima, Aurelia Prisca und Claudia Romana zu ihren Freundinnen zählte, hatte Serrana in Bezug auf deren Stand als solchen auch keine Berührungsängste mehr.


    "Darf ich fragen, wie alt dieser Flavius Flaccus in etwa ist?" hakte sie nach. Nicht, dass das Alter von besonderer Bedeutung für das Lernen an sich gewesen wäre, aber schließlich war sie selbst noch sehr jung, und wer wusste schon, ob ein deutlich älterer Schüler sie auch wirklich ernst nehmen würde. Bei dieser Überlegung fiel Serrana noch ein weiteres Anliegen ein, dass sie bei dem heutigen Gespräch mit dem Pontifex Aurelius zur Sprache bringen wollte.


    "Es gibt da übrigens noch eine weitere Angelegenheit, über die ich gern mit dir sprechen würde, wenn du erlaubst." begann sie und beschloss erst einmal die Reaktion ihres Gesprächspartners abzuwarten, bevor sie mit der Tür ins Haus fiel.

  • Ich nickte nur auf ihren Dank hin. Vertrauen musste man sich verdienen, und in ihrem Falle resultierte es daraus, dass mir bisher keine negativen Berichte zu Ohren gekommen waren. "Ich schätze ihn auf Anfang zwanzig, vielleicht ein wenig jünger, vielleicht auch etwas älter. Du kannst ihn selbst fragen, wenn er bei dir erscheint. Ich werde ihm schreiben, dass er in der domus der Germanicer vorstellig werden soll, wenn dir das genehm ist. Anderenfalls kann ich ihn auch auf einen Arbeitsraum innerhalb der regia verweisen." Mir war es gleich, das musste die Iunierin entscheiden. In der regia gab es genügend freie Arbeitsräume, in denen man ungestört lernen und arbeiten konnte, und auch innerhalb der Tempel fand man solche Örtlichkeiten. Doch wäre es nichts Außergewöhnliches gewesen, wenn sie ihren Schüler zu Hause unterrichtet hätte.


    Dann stellte Iunia Serrana die Frage ob sie noch etwas anderes anbringen durfte, und ich musste kurz schmunzeln. "Selbstverständlich, nur zu", erwiderte ich. Offenbar hatte sie gehörigen Respekt, was sicher nicht falsch war, mich aber dennoch etwas belustigte - schließlich war ich kein zähnefletschender Hund, sondern auch nur ein Mensch. Ich wartete also interessiert und geduldig ab, was da wohl für eine Angelegenheit zur Sprache kommen mochte.

  • Wenn ihr zukünftiger Schüler nicht älter war als Anfang zwanzig, dann konnte man ihn mit gutem Willen beinahe noch als gleichaltrig betrachten. Serrana nickte zufrieden und wog dann eine Weile das für und wider in bezug auf die beiden möglichen Unterrichtsorte ab. Natürlich wäre es bequemer, es daheim zu versuchen, aber irgendwie schien ihr die Regia mit der besonderen Atmossphäre, die in allen Räumlichkeiten irgendwie spürbar war, doch passender zu sein.


    "Nun, ich denke, wir sollten zunächst in einem Arbeitsraum in der Regia beginnen." entschied sie sich schließlich. "Dort hätten wir alles in greifbarer Nähe, und es gibt nicht soviel Ablenkung wie in einem privaten Haushalt." Selbst in der kurzen Zeit ihrer Ehe hatte Serrana bereits festgestellt, dass man sich als "Dame des Hauses" manchmal nur mit Schwierigkeiten dem ständigen Zugriff durch die sonstigen Mitbewohner eines derart großen Hauses entziehen konnte.

    "Ich hatte vor kurzem Besuch von einem jungen Peregrinus namens Dontas."
    begann sie, nachdem Corvinus ihr deutlich signalisiert hatte, dass sie ihr Anliegen vortragen konnte. "Er kam auf Empfehlung von Iulius Centho und hat großes Interesse daran, dem Cultus Deorum beizutreten. Seine Hingabe an die Götter scheint echt zu sein, soweit ich das nach dem kurzen Gespräch mit ihm beurteilen kann. Denkst du, es gibt eine Möglichkeit für ihn?"

  • Ich nickte und machte einen Vermerk auf der Wachstafel. "Da hast du natürlich recht. Ich würde ihn trotzdem zunächst zu dir schicken, damit ihr euch kennenlernen und einen Termin für die erste Unterrichtsstunde vereinbaren könnt", erwiderte ich und lächelte die Iunierin an. Es war sicher einfacher, wenn man einander schon kennengelernt und Organisatorisches besprochen hatte, ehe man den Unterricht startete. Alternativ konnte ich auch beiden einen Termin mitteilen, zu dem sie in der regia erscheinen sollten, doch die andere Variante erschien mir geeigneter.


    Serranas Anliegen indes hörte ich mir aufmerksam an. Erneut fiel der Name des Iuliers, der einem in letzter Zeit erstaunlich oft in den Ohren klang. Im Anschluss an ihre Worte nickte ich bedächtig. "Nun, wieso nicht? Er mag vom Stand her nur ein Peregriner sein, doch das ändert nichts daran, dass er vielleicht gute Arbeit leistet. Hat er gesagt, woher er stammt?" Dontas hörte sich nicht unbedingt römisch an, und auch wenn es ganz und gar nichts Unübliches war, dass peregrini im cultus deorum dienten, so mochte ein germanischer Tempeldiener durchaus manchen Römern suspekt erscheinen und darob weniger viel zu tun haben als ein römischer oder griechischer aedituus.

  • Als ihr bewusst wurde, dass sie mit recht unverhohlener Neugier auf die Wachstafel in den Händen des Pontifex starrte, hob Serrana mit leichter Verlegenheit hastig den Blick und konzentrierte sich wieder auf das Gesicht ihres Gegenübers. Noch vor wenigen Monaten hätte sie bei einer männlichen Person diesen Ranges vermutlich bestenfalls das Kinn oder ein Ohr fixiert, aber seit ihrer Hochzeit war Serrana in dieser Hinsicht doch deutlich entspannter und selbstbewusster geworden.


    "Ja, das ist eine gute Idee. Wenn er ausserhalb des Tempeldienstes vorbeikommt, müsste ich eigentlich fast immer daheim sein." lächelte sie zurück, runzelte dann jedoch die Stirn, als sie versuchte sich an alle Details zu erinnern, die Dontas ihr über seine Person verraten hatte. "Nein, nicht direkt. Aber er hat erwähnt, dass er von etruskischen Priestern abstammt, und dass er sich sowohl den etruskischen als auch den römischen Göttern verbunden fühlt."

  • Bestätigend nickte ich, damit wäre diese Angelegenheit also geklärt. Ich würde vermutlich gleich im Anschluss an unser Gespräch ein entsprechendes Schreiben aufsetzen und überbringen lassen. Dieser Dontas also war ein Etrusker? Das war interessant, passte jedoch nicht so ganz mit dem kuriosen Namen, wie ich fand, denn die Etrusker kamen aus Norditalien und waren vor beinahe einhundertfünfzig Jahren romanisiert worden. Warum dieser Mann dann noch ein Peregriner war, durfte eine interessante Erklärung zur Folge haben, ebenso, was er mit den etruskischen Göttern meinte, die im Grunde die römischen waren. Ob dieser Gedanken bedachte ich die Iunierin vor mir mit einem nachdenklichen Blick. "Mir scheint, ein Treffen mit diesem Mann dürfte recht interessant werden", erwiderte ich also auf ihre Worte hin und schmunzelte. "Wärest du denn gewillt, gleich zwei Schüler zu unterrichten, Iunia? Es lernt sich so besser, meiner Erfahrung nach, da man sich unterstützen und auch hinterfragen kann." Im Grunde eine logische Schlussfolgerung, dass Serrana gleich zwei Neuzügänge bekam.

  • Eigentlich hatte Serrana nicht wirklich mit einer Ablehnung gerechnet, trotzdem freute sie sich über die Zustimmung des Pontifex. Natürlich war es in Dontas' Fall bislang nur bei einer oberflächlichen Bekanntschaft geblieben, aber er hatte auf sie einen aufrichtig frommen Eindruck gemacht, und das war für Serrana, die religiöse Belange aller Art sehr ernst nahm, durchaus entscheidend.
    Damit, dass sie auf diese Weise auch direkt zu einem weiteren Schüler kam, hatte sie allerdings nicht gerechnet, obwohl der Gedanke nicht wirklich abwegig war.


    "Nun, wenn er es vorzieht, als Discipulus einzutreten und in etwa den gleichen Wissenstand besitzt wie Flavius Flaccus, dann wäre das sicher sehr sinnvoll." Für sie persönlich machte ein weiterer Schüler keinen besonderen Unterschied. Serrana war es wichtig, ihr erlerntes und erarbeitetes Wissen so gut und verständlich wie möglich weiterzugeben. Die Zahl der Schüler war dabei eher unerheblich, zumindest so lange es sich in einem derart überschaubaren Rahmen hielt. "Um ehrlich zu sein, hab ich eher damit gerechnet, eine Schülerin zu bekommen, aber wenn Durmius Verus es mit Calvena und mir ausgehalten hat, werde ich wohl auch mit zwei Männern zurecht kommen." Du liebe Güte, schon wieder so ein Satz, den sie früher niemals über die Lippen gebracht hätte, obwohl er ja eigentlich vollkommen harmlos war.

  • Sie zeigte sich positiv gewillt, zwei Schüler zu unterrichten. Das würde zwar unter Umständen einiges an Fragen mehr bedeuten, doch zugleich auch eine bessere Lernsituation, wie ich glaubte. Zufrieden nickte ich. "Sehr gut. Du hast Kontakt zu diesem Dontas? Dann möchte ch dich bitten, ihm auszurichten, dass er mich aufsuchen möge. Ich möchte ihn gern kennenlernen." Und das hatte diesmal nur wenig mit dem cultus zu tun, sondern vielmehr mit meinem Interesse an der Person dieses Peregrinen.


    Bei ihrer Bemerkung musste ich kurz lachen. "Nun es bleibt wohl sein Geheimnis, ob Durmius Verus sich euretwegen in den Ruhestand begeben hat. Soweit ich weiß, ist er vor einer Weile auf sein Landgut bei Tibur gezogen", erwiderte ich schmunzelnd und mit einem Zwinkern. "Aber wo du es gerade erwähnst - du weißt nicht zufällig etwas über den Verbleib der Germanica?" hakte ich nach. Wenn ich mich recht erinnerte, waren die beiden befreundet gewesen.

  • "Er hat mir hinterlassen, wo ich ihn erreichen kann. Sobald ich wieder daheim bin, werde ich ihm eine Nachricht zukommen lassen, dass er hier vorsprechen soll." bestätigte Serrana, und obwohl die bevorstehende Aufgabe ein angenehmes Kribbeln der Aufregung und Nervosität in ihr auslöste, entspannte sie sich zusehends und machte es sich in ihrem Sessel ein wenig gemütlicher, bevor sie über die nächste Anmerkung des Pontifex lachen musste. "Immerhin war er so großzügig auf unserer Hochzeit das Opfer zu leiten, deshalb hoffe ich einfach mal, dass wir ihm nicht in allzu schlechter Erinnerung geblieben sind." Vor ihrem inneren Auge tauchten jetzt die eine oder andere Erinnerung an die noch nicht allzu lang vergangene Ausbildung auf, und Serrana seufzte und sah auf den Becher in ihrer Hand hinab. "Durmius Verus war wirklich ein wundervoller Lehrer, und wir haben viel von ihm gelernt. Schade, dass die neuen Schüler ihn nicht mehr kennenlernen werden". Bei der nächsten Frage ging ihr Blick jedoch direkt wieder nach oben. "Calvena? Oja, darüber weiß ich etwas. Ihr Mann ist kurz nach der Hochzeit von einem Tag auf den anderen vom Praefectus Urbi nach Germanien versetzt worden, und sie hat ihn natürlich begleitet. Sie mussten so überstürzt aufbrechen, dass sie sich von ihren meisten Freunden nicht mal persönlich verabschieden konnte." Dass Valerian seine Versetzung seinem verständlichen Widerstand gegen die Takt- und Distanzlosigkeit des Praefectus Urbi zu verdanken hatte, ließ sie aussen vor. Es würde den Pontifex vermutlich auch kaum interessieren, dass dieser sich an die frischgebackene Ehefrau eines Praetorianers herangemacht hatte. Während sie darauf wartete, ob Aurelius Corvinus noch weitere Fragen an sie hatte, wechselten die Bilder, und Serrana sah sich selbst in Gesellschaft ihrer beiden Schüler, in den Unterrichtsräumen, im Tempel, beim Gespräch, beim gemeinsamen Opfern.... Ohne dass sie es merkte, hatte sich ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht geschlichen, doch als die Bilder immer mehr an Schärfe gewannen, traf sie plötzlich eine Erkenntnis wie ein Schlag in den Magen. Es würde gar nicht gehen...Wie hatte sie daran nur nicht denken können? Wie sollte sie das denn jetzt noch zur Sprache bringen, ohne dass der Pontifex sie entweder für nachlässig oder oberflächlich und dumm oder gar beides hielt? Serrana biss sich auf die Lippe, suchte nach einem einigermaßen angenehmen Schlupfloch, aber es gab keins. Es blieb nur noch Offenheit. "Ich...ähm...es ist mir furchtbar peinlich, aber vielleicht....kann ich diese Aufgabe doch nicht übernehmen." brachte sie schließlich mit einer Mischung aus Verlegenheit und aufkeimender Enttäuschung heraus. "Ich hab gar nicht daran gedacht, dass.....dass ich schwanger bin."

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