Obwohl es noch verhältnismäßig früh war, brannte die Sonne bereits vom Himmel und versprach einen heißen Tag. So heiß, wie es die vergangenen bereits gewesen waren, sowohl draußen als auch drinnen, jedenfalls in den Häusern rund um die Märkte. Von den Straßen drang Lärm herein, Geschrei, Geklapper, dazu unzählige Gerüche, die selbst ohne diverse fast Übelkeit erregende Variationen in ihrer bunten Mischung nicht leicht zu ertragen gewesen wären. Shayan schloss die Augen und konnte nicht umhin, sich zu wünschen, dass der Händler ihn heute verkaufen möge. Er war anderes gewohnt als das hier, sowohl im Positiven wie im Negativen. Rief er sich sein Zuhause in Erinnerung, dann dachte er an kühle Steinwände, an Diener, die seine Wünsche erfüllten, an kleine Gewässer und andere Annehmlichkeiten, die gerade im heißen Sommer für Erfrischung sorgten. Dachte er an den Krieg, war das hier eine deutliche Verbesserung dagegen. Der Händler, an den er geraten war, legte immerhin wert darauf, dass seine ‚Ware’ in einem passablen Zustand war, wenn er sie präsentierte. Shayan widerstrebte es, so zu denken, zumal es ihn selbst unmittelbar betraf, aber es machte keinen Sinn, Tatsachen zu leugnen. Und obwohl er zum ersten Mal tatsächlich verkauft wurde, waren seine Lebensumstände doch nicht mehr neu für ihn. Er hatte Zeit genug gehabt, sich daran zu gewöhnen.
So oder so waren die Umstände jedoch fern davon angenehm zu sein. Der Händler sorgte dafür, dass es ihm und den anderen Sklaven gut genug ging, um einen entsprechenden Eindruck zu machen, aber er rührte keinen Finger, um etwas zu tun, was darüber hinaus gehen könnte. Shayan streckte sich ein wenig, dehnte seine Muskeln. Er sehnte sich nach Bewegung. Und nicht nur nach Bewegung, sondern nach Training. Das immerhin war in dem gut etwas mehr als einem Jahr seit seiner Gefangennahme etwas gewesen, woran es ihm nie gemangelt hatte bisher. Der Soldat, der ihn für sich beansprucht hatte, hatte ihn unter anderem als Übungspartner genutzt, nachdem er begriffen hatte dass er ihm so weit vertrauen konnte, und das war auch Shayan zugute gekommen. Das Leben bei diesem Römer war kein allzu schlechtes gewesen für ihn, auch wenn er in manchen Bereichen deutlich unterfordert gewesen war. In allen, die seinen Geist gefordert hätten, um genau zu sein. Im Grenzgebiet zu Parthien stationiert, hätte der Römer nicht einmal dann irgendeiner geistigen Leidenschaft frönen können, hätte er so etwas besessen. Nein, sein erster Besitzer war recht einfach gestrickt gewesen, was seine Vorlieben anging. Ein Soldat, für den es nichts Schöneres hätte geben können, als sein Leben im Dienst für seinen Kaiser und das römische Reich zu lassen. Shayan war sich nicht ganz sicher, ob es letztlich eine Ironie der Parzen gewesen war oder nicht die doch die Gnade seiner römischen Götter, die ihm diesen Wunsch gewährt hatten. Ein Leben gelebt im Dienst des Kaisers, ein Leben gelassen im Dienst des Kaisers. Nur nicht derselbe Kaiser.
Und schließlich war es so weit. Die Gehilfen des Händlers kamen ein weiteres Mal, und dieses Mal nahmen sie ihn mit nach vorne und draußen. Shayan war erleichtert, dass es endlich so weit war. Und gleichzeitig konnte er nicht verhindern, dass sich etwas in ihm zu entfalten begann, was von Nervosität nicht weit entfernt war.
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