Es war die nordwestliche Ecke des Hortus, wo von einem Holunderbusch leicht verborgen eine filigrane marmorne Bank stand. Die Armlehnen bestanden aus gebeugten meschlichen Körpern mit lachenden Fratzen und hier und da waren Efeuranken in den Stein gehauen. An diesem Ort schien vor allem morgens die Sonne, wohingegen am Nachmittag ein angenehmer Schatten herrschte.
Und es war ein morgen wie so viele andere, an dem sich Albina mit ihrer Korrespondenz hierher verkrümelt hatte. Allerhand Schreiben erreichten sie als Frau eines einflussreichen Mannes und Dame der Gesellschaft, auch wenn sie sich in letzter Zeit ein wenig zurückgezogen hatte. Der Tod ihres geliebten Vetters hatte sie sehr mitgenommen und niemand wollte traurige junge Frauen auf Feiern sehen, weswegen sie sich nur allzu oft hatte entschuldigen lassen.
Doch langsam wurde es Zeit sich aus seiner Lethargie wieder zu erheben. Immerhin brauchte ihr Mann sie und sie wollte garnicht wissen, was für merkwürdige und skandalöse Gerüchte bereits über ihre ständige Abwesenheit kursierten. In Rom wurden den Menschen nur allzu schnell Dinge angedichtet. Und auch der Brief, den sie gerade in der Hand hielt, zeugte von eben diesem Thema.
Liebe Albina,
wie lange ist es her, dass wir uns gesehen haben? Ich vermag nicht zu sagen, ob es die Zeit uns verwehrte, oder wir uns fremd geworden sind..
Ich erhoffe sehr, dass die Zeit die Schuld auf ihre Schultern nimmt. Auch wenn du verheiratet bist bist und bleibst du meine Cousine und meinem Herzen würde es gutes tun, wenn wir wieder ein wenig Zeit mit einander verbringen würden.
Nun ist der Anlass, weswegen ich dir schreibe, nicht gerade der passenste für dies, doch die ersten Zeilen waren unabdingbar für mich.
Ich möchte dich zum Abendessen in die Villa Tiberia einladen, es gibt etwas wichtiges zu besprechen. Schweren Herzens behüte ich das Erbe deines und meines geliebten Quintus. Diese Bürde kann und will ich nicht alleine tragen, es steht mir nicht zu. Wir sollten das Erbe unter uns dreien - Manius, mir und dir - aufteilen.
Der Schmerz sitzt immer noch tief, aber es würde mir besser gehen, wenn sein Erbe gut behütet ist.
In freudiger Erwartung dich endlich wieder zu sehen,
deine Cousine Arvinia
Schlechten Gewissens gestand sich Albina ein, dass es eben nicht an der Zeit gemangelt hatte. Viel zu sehr hatte sie die Menschen, die ihr viel bedeuteten vernachlässigt. Das musste und würde ein Ende haben. Sie würde zu diesem Essen gehen, das war sicher. Und auch sonst wurde es Zeit, den ein oder anderen Brief zu schreiben und Besuch zu machen.