officium MAC | Eines Mannes Wort...

  • … war ebenso binden wie jeder Eid. Und Sextus hatte seines nun einmal gegeben. Nicht uneigennützig, natürlich nicht. Alles auf dieser Welt hatte seinen Preis, sein Wort inbegriffen. Und er würde sich die potentielle Macht, die er durch Einlösung eben jenes Wortes erhielt, sicher nicht entgehen lassen.
    So also war er am nächsten Tag hier erschienen, fein aber nicht übertrieben hergemacht. Immerhin befand man sich im Haus und nicht im Plenarsaal der Curia. Die Toga war für draußen bestimmt zum herzeigen, nicht für einen kleinen Plausch unter Verwandten. Und nach einem solchen sollte das Ganze ja aussehen, nichts Wildes eben. Nur die Nachbesprechung des gestrigen Theaterabends, von dem Corvinus ja wusste, dass er und Prisca hingegangen waren. Wie man das eben als anständiger Begleiter so macht beim Tutor der Begleitung.


    Sextus hatte den Sklaven von Corvinus gefragt, Prygius oder wie der hieß. Wer merkte sich schon die Namen von sprechendem Inventar? Und sein Vetter war gerade in seinem Büro anwesend, allein und mit genug Zeit für diesen Plausch ausgestattet. Sextus wollte schließlich nicht mit einem 'Keine Zeit, komm später wieder' abgebügelt werden, um dann am Ende mitansehen zu müssen, wie der Flavier alles verdarb, indem er selbst tätig wurde, ehe Corvinus dafür vorbereitet war. Nein, Sextus war Taktiker, kein Spieler. Und er ließ sich seine Pläne nicht von Ungenauigkeiten durchkreuzen. Nicht mehr, als unbedingt unabänderlich war.


    Die Tür war nur angelehnt und nicht geschlossen, und so horchte er einen kurzen Moment, ob Corvinus auch wirklich zugegen war. Einen Herzschlag später öffnete er die angelehnte Tür leicht und klopfte in den Türrahmen, um auf sich aufmerksam zu machen.
    “Ich störe doch nicht, Marcus?“, meinte er in seiner bekannt charmanten Art und deutete mit einem Nicken kurz in Richtung des Schreibtisches. Nachdem dieser ihn schon vor einer Weile mit Praenomen benannte, versuchte sich Sextus nun im Gegenzug an seinem.

  • Pyrrus hatte mir ausgerichtet, dass Lupus mich sprechen wollte. Mir war dabei seine düstere Miene aufgefallen, und als ich ihn darob geneckt hatte, hatte er lediglich etwas von Peregrinen und Sklaven und einem Unterschied gemurmelt, sich aber nicht weiter darüber ausgelassen. Pyrrus hatte den Raum verlassen, kurz bevor es erneut klopfte. Ich sah auf und entdeckte Lupus, der im Rahmen stand. "Nein, komm ruhig herein", bat ich ihn und unterstützte die Worte mit einer Geste der Rechten, in der ich eine Feder hielt. Vor mir lag ein Blatt Papyrus, das bereits zur Hälfte gefüllt war. Ich widmete mich wieder dem Text darauf und vollendete den zuvor begonnenen Satz. Der gespitzte Kiel schabte über das Material und hinterließ schwarze Tinte. Ich stellte die Feder hernach zurück in die bauchige Halterung und schob den Bogen beiseite - er konnte während des Gesprächs trocknen, ohne dass ich Sand verwenden musste. "Wie war das Stück?" erkundigte ich mich alsdann, denn Lupus hatte Prisca vor kurzem ins Theater geleitet und seitdem hatten wir nicht wieder gesprochen.

  • Der Aufforderung folgte Sextus natürlich gerne und betrat den Raum. Und ihm wurde sogar abgenommen, auf den Grund seines Hierseins erst beiläufig anzuspielen, als Corvinus auch gleich schon erfreulicherweise den vermeintlichen Smalltalk mit dem vorhersehbaren Thema des gestrigen Abends eröffnete. Sextus unterdrückte jeglichen emotionalen Impuls und blieb sachlich charmant wie stets.
    “Es war recht erheiternd. Immerhin war es auch eine Komödie, auch wenn ich das Ende verpasst habe. Prisca wollte schon früher gehen. Versteh einer die Frauen.“ Leicht zuckte Sextus mit den Schultern und ließ die ganze Geste von einem angedeuteten Lächeln unterstreichen. “Viel interessanter war ohnehin, wen wir getroffen haben. Vor dem Theater trafen wir auf Flavia Nigrina – du weißt ja, die Frau, von der mein Vater wünscht, das sich sie heirate. Und ihren Bruder.“ Eine winzige Pause, gerade lang genug, um eine Reaktion bei Corvinus auszumachen, aber nicht lang genug, als dass er hier schon einfallen könnte. Natürlich musste Corvinus wissen, wen er meinte, hatten sie doch in der Bibliothek vor nicht allzu langer Zeit darüber ausführlich geredet, eben wegen der geplanten Verlobung. “Die Höflichkeit gebot eine Unterhaltung, also habe ich sie in unsere Loge eingeladen. Verzeih mir diese kleine Dreistigkeit, ich weiß, du hältst den Flavier nicht für den nobelsten Vertreter seiner Gens.“ Ganz leicht plätscherte seine Stimme dahin, als nähe er es gar nicht so ernst mit der ganzen Situation, aber doch ernst genug. Nicht, dass die Sache am Ende an zur Schau getragener Leichtigkeit scheiterte. Jede Geste, jedes Heben der Brauen, jede Handbewegung war die eines gekonnten Schauspielers, der genau wusste, welche Reaktion er bei seinem Publikum erzielen wollte. Wäre dieser Berufsstand nicht infam, vielleicht hätte er wirklich nachdenken sollen, Unterricht zu geben. “Doch andererseits war das daraus resultierende Gespräch äußerst aufschlussreich und interessant. Während die Damen sich das Stück ansahen, hatten wir eine kleine Unterredung.“ Nahe genug an der Wahrheit, um als solche durchzugehen. Das Geheimrezept einer guten Intrige, die lange Bestand haben sollte und ihre Wirkung voll entfalten sollte. Außerdem musste man sich so weniger Details merken, denn die Wahrheit war einem ja so oder so geläufig. “Und wegen dieser überfalle ich dich auch gerade. Es gibt da einiges, wozu ich deinen Rat zu schätzen wüsste.“ Und das zweite Geheimrezept einer guten Intrige: Man musste den anderen glauben machen, das sei alles seine Idee.
    An dieser Stelle machte Sextus nun lange genug Pause, dass Corvinus auch einmal reagieren konnte, so er es denn wollte und nicht vorzog, stumm einfach mal zuzuhören, was Sextus zu sagen hatte.

  • Es war genau dieser Moment, als ein Tumult zu hören war, der draußen entstand und mich irritiert zur Tür blicken ließ, als könne ich durch sie hindurch das Spektakel sehen, was natürlich nicht der Fall war. Im nächsten Moment bereits fiel einer der jüngeren Sklaven regelrecht durch die Tür ins Arbeitszimmer hinein. Sie schwang auf und schlug umseitig ein stattliches Stück Putz heraus, sehr zu meinem Missfallen natürlich. Ich fuhr auf und wollte augenblicklich erfahren, was das sollte, als ein weiterer Sklave zur Tür herein sprang und auf den anderen einprügeln wollte. Ich war erbost, tauschte einen Blick mit Lupus und verließ dann an den beiden Schlagenden vorbei mein Arbeitszimmer, um Brix zu suchen und zur Rede zu stellen. Das begonnene Gespräch jedenfalls lag erst einmal auf Eis, und da später ein wichtiger Termin anstand, war es auch nicht möglich, es am selben Tage noch fortzuführen. Lupus, so war ich mir sicher, würde dafür Verständnis haben. Es konnte keiner ahnen, dass sich die Ereignisse in den kommenden Tagen derart überschlagen würden, dass es zu keinem Gespräch mehr kommen würde.

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