Die Tore der Stadt Mogontiacum lagen schon eine ganze Wegstrecke hinter ihnen zurück. Das freie Land war dicken Baumstämmen gewichen, die ihre ausladenden Kronen über ihren Köpfen ausbreiteten und die Welt in grün tauchte. Dass der Herbst allmählich Einzug hielt, war unverkennbar. Der Farbton der Blätter war nicht mehr so saftig grün und hier und da verfärbten sich schon die ersten Zweige als Vorboten der herbstlichen Zeit.
Der weiche Boden federte unter den Schritten ihrer beider Pferde.
Decimus hatte sein Versprechen tatsächlich wahr gemacht. Am Mittag waren sie in die Stallungen des Kastells gegangen, hatten sich zwei Pferde genommen und waren durch die Stadt gen Tor geritten. Es war weniger los als sonst, da sich die meistens Menschen für einen kurzen Imbiss in ihre Häuser zurück gezogen hatten. Das Tor hatten sie ohne weitere Mühe durchquert und sich schließlich auf eine gewundenen Weg in Richtung der Wälder gehalten. Cara liebte den Wald, eine verwunschene Welt, in welcher man hinter jedem Baum und Strauch Nymphen und Faune wähnen konnte. Der Herbst war dort die schönste Zeit. Wenn das Licht bunte Schatten auf den Boden malte. Heute war es jedoch nicht sehr sonnig. Am fernen Horizont waren Wolken aufgezogen.
„Es riecht nach Regen...“, meinte Cara, nach einem tiefen Atemzug, der Ausdruck ihres Wohlbefindens war. Sie genoss es.
Ein Geburtstagsgeschenk der anderen Art
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Es hatte noch so viel zu tun gegeben im Officium. Ein ganzer Berg an Akten wartete dort auf ihn, dennoch Livianus hatte kein schlechtes Gewissen, dass er sich los gerissen hatte, um mit Cara auszureiten und das versprochene Geburtstagsgeschenk einzulösen. Vielmehr hatte er sich bereits seit seinem abgegebenen Versprechen darauf gefreut. Ein Ausritt stellte eine willkommene Abwechslung in seinem trögen Alltag dar. Wenn er aber nun ganz ehrlich zu sich selbst war, er war auch etwas aufgeregt. Und das war ganz und gar ungewöhnlich. Schon so viel hatte er gesehen und erlebt und es hatte auch die eine oder andere Frau in seinem Leben gegeben, dass es ganz und gar nicht zu Livianus, dem Feldherrn, dem Senator, dem Legaten passen wollte. >Es geht immerhin um eine potentielle Ehefrau<, versuchte er sich selbst zu beschwichtigen und wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen. „Es riecht nach Regen“, sagte sie. Die Äußerung kam aus heiterem Himmel. Er hatte keine Ahnung woher sie ihre Annahme bezog, aber sie führte unmittelbar dazu, dass er den Kopf zu den Wipfeln hob. Tatsächlich. Graue Wolken waren aufgezogen und verdunkelten das strahlende Blau des Himmels. "Dann wollen wir einmal hoffen, dass es die Götter gut mit uns meinen", Er wusste, dass sie eine Ader für religiöses besaß, ganz im Gegensatz zu ihm selbst. "Vorsorglich könnten wir den Weg zu einer Höhle hier in der Nähe einschlagen, die ich kenne…."
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Dass er überhaupt das Wort „Götter“ in den Mund nahm, war Cara neu. Er selbst hatte ja erklärt, dass er recht wenig für die Götter übrig hatte. Sie warf Decimus einen raschen Blick zu und nickte dann, ohne allzu viel von ihrem Gedanken preiszugeben.
„Höhle klingt gut...“, erwiderte sie, eine leise Ahnung davon habend, welche Höhle er meinte und fügte mit einem leisen, neckenden Lächeln hinzu: „Du hast Zeit Höhlen zu erkunden, Legat?“ -
"Ein Legat sollte über die Umgebung seines Lagers bestens Bescheid wissen." antwortete er lächelnd nur halb ernst gemeint. [/i]"Es ist zudem nicht das erste Mal, dass mich ein solches Wetter hier in der Gegend erwischt"[/i], was wohl schon eher nach der richtigen Begründung für sein Wissen um diese Höhle klang. Der Decimer nickte daher noch einmal bestätigend und steuerte sein Pferd in die vorgeschlagene Richtung.
Als hätten die beiden es verschrien, hörten sie nach wenigen Minuten lautes Donnergrollen über ihnen. Ein deutliches Vorzeichen dafür, dass es demnächst einen Wolkenbruch geben würde. Livianus sah erneut nach oben. Sie ritten direkt auf die Schlechtwetterfront zu, statt von ihr weg, doch den Rückweg bis zum Castellum konnten sie ohnehin nicht mehr schaffen, ohne dabei vollkommen durchnässt zu werden. Sowohl Cara, als auch sich selbst wollte er das ersparen. Es hieß nun also einen Zahn zuzulegen. Wer wusste schafften sie es überhaupt noch rechtzeitig zur angepeilten Höhle. Livianus setzte gerade an um zu sagen "Vielleicht sollten wir uns doch beeilen", als schon die ersten großen Tropfen auf sie herniederprasselnden.
Nachdem sie den bisherigen Weg im gemütlichen Schritttempo geritten waren und der Legat nicht die blasseste Ahnung über Caras Reitkünste hatte, überließ er es ihr, das Tempo vorzugeben und zügelte ein wenig sein Pferd, um sie voraus reiten zu lassen. "Da vorne wird der Weg enger und geht ein wenig steiler bergauf. Reite voraus Cara. Einfach dem Weg nach. Ich folge dir."
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In Caras Leben gab es vornehmlich drei Dinge, die sie auf Leben und Tod nicht ausstehen konnte: Kein Band dabei zu haben, um sich die Haare zurück zu binden, den Tee, den man ihr als Kind bei Krankheiten eingetrichtert hatte – und Gewitter. Sie hasste es, weil sie es fürchtete. Schon das erste beinnahe sanft zu nennende Grollen versetzte ihren Körper in eine angespannte Alarmbereitschaft. Nur sehr mühsam gelang es ihr die Furcht nicht allzu sehr nach außen dringen zu lassen und nicht bei jedem Donner körperlich zusammenzuzucken; denn zwar war sie auch hinsichtlich ihrer Emotionen ein sehr ehrlicher Mensch (schon allein deswegen, weil es ihr nahezu unmöglich war sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen, sodass sie es in der Regel erst gar nicht versuchte), aber sie war auch stolz. Wo war nur diese verdammte Höhle?!
Als sie schon kurz davor war einen dezenten Hinweis auf ihre Gewitterphobie zu geben, fielen auch schon die ersten schweren Tropfen vom Himmel und sprenkelten dunkel den Waldboden. Viel zu sehr mit sich selbst und damit beschäftigt Pax ruhig zu halten, der ihre Furcht deutlich spürte und sich dementsprechend unruhig unter ihr bewegte, wurde ihr erst bewusst, dass Decimus wohl mit ihr gesprochen haben musste, als er ihr Platz machte. In einen Moment ratlos anblickend, verstand sie schließlich seine Geste und manövrierte den großen Hengst an seinem Pferd vorbei – um sogleich in ein äußerst rasantes Tempo über Stock und Stein zu verfallen, was nicht unbedingt ungefährlich war. Das Pferd reagierte ohnehin schon äußerst nervös.
Rasch mauserten sich die wenigen Tropfen zu einem regelrechten Schauer, der ihrer beider Kleidung vollkommen durchdrang. Caras Haare hatten sich zum Teil aus ihrem Band gelöst, ihr Gewand klebte ihr wie eine zweite Haut am Körper, als die beiden auf eine kleine Lichtung hinausschossen und im selben Moment ein gleißend heller Blitz über den verdunkelten Himmel zuckte. Der darauf folgende Donner brachte den Boden unter ihnen regelrecht zu vibrieren. Erschrocken blieb der spanische Hengst stehen, bockte, indem er sich halb aufbäumte. Überrascht und geängstigt verlor Cara für einen Moment lang beinnahe Halt und Kontrolle sowohl über sich als auch über ihr Reittier. Sie spürte förmlich wie ihr die Herrschaft entglitt, als sich das Pferd wie in Zeitlupe in Steillage begab und etwas anderes in ihr mehr und mehr die Oberhand gewann: Die Angst, die ihren Verstand zu vernebeln suchte. Ein weiterer Blitz; etwas, das sie zurückrief – Die Zeit beschleunigte sich wieder. Mit größter Mühe, Selbstbeherrschung und unter Einsatz ihres ganzen Körpergewichts zwang sie das Tier mit allen vier Hufen zurück auf den Boden. Tief vorgebeugt und unentwegt seinen Hals streichelnd, wisperte sie dem Tänzelnden beruhigend Worte zu, bis es soweit still stand, dass sie zittrig aus dem Sattel rutschen konnte. Ihre weichen Knie gaben fast unter ihr nach, als wieder festen Grund unter die Füße bekam, das Herz wild schlagend. Der Himmel grollte abermals. „Zur Unterwelt mit dieser Höhle, lass uns hier irgendwo unterkommen!“, Jetzt war ihr alles egal, selbst ihr verdammter Stolz. In ihrem Gesicht war die Furcht eingemeißelt und sie zuckte unwillkürlich zusammen, als der nächste Blitz den Himmel in gleißendes Licht tauchte. Den Impuls Hals über Kopf einfach los zu rennen konnte sie gerade noch so unterdrücken. -
Livianus zügelte sein Pferd, als er sah, dass Cara deutlich Probleme damit hatte sich auf ihrem Hengst zu halten und dieser sich kurz aufbäumte. Doch sah er auch, dass sie wohl eine bessere Reiterin war, als er es vermutet hätte. Routiniert wirkend, brachte sie ihn wieder unter Kontrolle und beruhigte den Hengst anschließend, bis er wieder still stand. Doch als der Decimer sich wieder bereit machen wollte um weiterzureiten, sprang die junge Iulia plötzlich aus ihrem Sattel. Etwas verdutzt beobachtete er sie dabei und fragte sich, was los war. Störte sie etwa der Regen, der nun tatsächlich immer stärker wurde und unaufhörlich auf sie herniederprasselte, oder……. oder hatte sie tatsächlich Angst vor dem Gewitter? Als sie ihm schließlich ansprach und er dabei deutlich die Angst in ihrem zarten Gesicht erkennen konnte, war es ihm klar. Angst hatte er schon zu oft in den Gesichtern vieler Menschen gesehen, meist auf dem Schlachtfeld und in wesentlich schlimmeren Situationen, doch hatte er auch hierbei durchaus Verständnis für Cara. Noch aus dem Sattel seines Pferdes, blickte er sich um und erspähte einen alten und weit nach oben ragenden Baum, der durch sein dichtes Geäst und seine mächtig ausgewachsenen Wurzeln eine passende Notstelle bot, um sich dort unterzustellen und dabei halbwegs trocken zu bleiben. Er sprang also abenfalls von seinem Pferd ab und deutete in die Richtung. "Dort der Baum Cara. Lass uns dort Unterschlupf suchen." Mit diesen Worten nahm er die Zügen seines Pferdes in seine Hand und marschierte gemeinsam mit Cara in die angepeilte Richtung.
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Es widerstrebte ihr zutiefst, dem Mann ihre Furcht so offen zu legen. Andererseits hatte die Iulia keine andere Wahl. Mit ihrem Gesicht konnte sie rein gar nichts verbergen, vor niemandem. Wer ihre laienhafte Versuche nicht durchschaute, musste also zwangsläufig ein wesentlich noch schlechterer Schauspieler sein, als Cara selbst. Sie hingegen hatte das Gefühl, als bräche der Himmel über ihnen zusammen. Da war eben nun Mal kein Platz für Tapferkeit und kein Platz für Bitten. Sie hatte den Legaten nicht gebeten, vielleicht um sich das letzte Stückchen ihrer Würde zu bewahren, die sich ohnehin schon in ihr Schneckenhäuschen zurückgezogen hatte, sondern aufgefordert, eine Lösung zu finden. Das tat er und ließ sich dankenswerter Weise nicht anmerken, was er von ihrer Reaktion hielt. Zweifelsohne hatte er weitaus Schlimmeres erlebt. Na ja, der Himmel brach schließlich zusammen!
Sie nickte wortlos, mit großen Augen, während ihr die Tropfen auf den Kopf prasselten und schloss sehr nahe zu ihm auf, als sie ihm zu jenem Baum folgte, den er angedeutet hatte, den zögernden Pax an der Hand führend.Die Krone des Baumes war ausladend, die Äste so weit reichend, dass sich um den Stamm herum eine trockene Zone von gut fünf Schritt ergab. Caras Pferd war immer noch unruhig, doch sie selbst war so aufgebracht durch das ständige Grollen und Blitzen, dass es das Tier nur noch mehr beunruhigt hätte, hätte sie sich ihm in der Absicht genähert ihm Sicherheit zu vermitteln. Sie band ihn also neben das wesentlich ruhigere Pferd des Decimers und setzte sich selbst schniefend und triefend, die Knie eng an den Körper und mit den Armen umschlungen auf den Boden dicht neben Decimus zwischen die mächtigen Wurzeln und sah ganz und gar davon ab nachzufragen, ob es ihm überhaupt recht war, dass sie sich ihm so unmittelbar auf noch nicht einmal einen Fingerbreit näherte. Sie ging einfach grundsätzlich davon aus, dass er sie nicht zurückweisen und ihr seinen Schutz verwähren würde. Nicht, dass er auch nur das geringste gegen die Naturgewalten „da draußen“ ausrichten konnte, aber die Wärme seiner nassen Haut reichte zumindest, dass es ihr nicht mehr so sehr kalt war. „Ich hasse es...“, murmelte sie verdrossen, mit finsterem Blick hinaus...
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Als Cara sich schließlich dicht neben Livianus niederließ und die Knie an ihren Körper anzog, sah er zu ihr hinunter. Natürlich waren beide ausreichend für diese Temperaturen gerüstet, doch das dickste Gewand half nichts, wenn es wie aus Kübeln heruntergoss. Livianus kam dabei kaum besser davon als Cara. Als er vom Pferd abgestiegen war, hatte er jedoch seinen zusammengerollten Offiziersumhang mitgenommen, der bisher am Pferd befestigt war. Diesen rollte er nun aus, während Cara ihrem Unmut freie Luft machte. "Es wird wieder vorbeigehen" antwortete er vorerst beruhigend und legte dann den Umhang behutsam über Caras und schließlich auch über seine Schultern. "Vielleicht wärmt er dich ein wenig. Lass uns hoffen, dass dieses Unwetter schnell vorüberzieht." Schließlich legte er sogar seinen Arm um ihre Schultern und zog den Umhang ein wenig fester zusammen, damit er auch genug Schutz vor dem Wetter und der Kälte bot. Sie wirkte immer noch etwas ängstlich und der Decimer vermutete bereits, dass es mit dem Gewitter zusammenhing. Doch er wollte nachfragen, was er schließlich auch mit ruhiger Stimme tat "Hast du Angst vor dem Gewitter Cara?"
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Der Legat holte einen Umhang hervor und breitete ihn über Cara und sich selbst aus. Jetzt, da sie zumindest nicht mehr den kalten Luftzug auf der nassen Haut spürte, war es ihr nicht mehr so sehr kalt. Unwillkürlich ließ sie sich dazu verleiten, noch etwas näher an ihn heran zu rutschen – soweit das überhaupt noch möglich war – als er seinen Arm um sie legte Der Gedanke, dass das vielleicht unziemend war, war ihrem Sinn insofern fremd, dass er gegenwärtig mit ganz anderen, einschneidenden Ereignissen war. Ein greller Blitz zuckte zwischen den Wipfeln auf, woraufhin erst nur das Prasseln des Regens folgte und schließlich grollender Donner.
Cara reagierte verzögert auf seine Frage und zeigte sich noch nicht einmal überrascht, dass er ihre Gefühle offenbar nicht richtig zu deuten wusste. „Ja...“, Konnte die Iulia ihr Mundwerk zu Weilen ganz schön weit aufmachen, klang sie jetzt zwischen ihren Knien ziemlich kleinlaut, auf welche sie ihr Kinn aufstützte.
„Ich habe einmal einen Mann gesehen, den der Blitz getroffen hat. Da war ich noch ganz klein“...und ungehorsam war sie auch gewesen. Die hatte nämlich erst dazu geführt, dass sie in das Gewitter geraten war. Das grausige Bild hatte sich in ihre Erinnerung gebrannt. „Kein schöner Anblick.“ -
Livianus hatte zwar noch nie einen Mann gesehen, der vom Blitz getroffen wurde, dafür hatte er schon viele Männer gesehen, die am Schlachtfeld aufgrund von Brandpfeiltreffern oder großen Brandgeschossen aus Katapulten bei lebendigen Leib erbärmlich verbrannten. So in etwa stellte er sich auch die Auswirkungen eines Blitztreffers vor. Auch wenn alles vermutlich viel schneller ging. Nun wusste er auch, warum Cara derartig ängstlich auf dieses Wetter reagierte. Man sagte, dass man als Soldat irgendwann beim Anblick von Tod und Gewalt abstumpfte. Doch für eine junge sensible Frau wie Cara war das bestimmt ein Schock, der lange in Erinnerung blieb. Sie saß nun dich bei ihm und er drückte sie zusätzlich mit seinem Arm sanft an seinen Körper. "Die Götter hatten ihm wohl gezürnt." meinte der Decimer nachdenklich. Warum sonst sollte ein Blitz sonst ausgerechnet einen rechtschaffender Mann treffen, wo er doch so viele andere Möglichkeiten gehabt hätte.
Irgendwie war Tod nicht gerade ein passendes Thema, wie Livianus fand. Er sah sich nach Ablenkung suchend kurz um und überlegte ob es möglich war ein kleines Feuer zu machen. Doch der starke Regen hatte das Holz rund um ihre kleine Schutzunterkunft binnen kürzester Zeit vollkommen durchnässt und zum Unterzünden daher unbrauchbar gemacht. Es blieb ihnen also nichts anderes über, als sich lediglich gegenseitig und unter Hilfenahme des Offiziersmantels zu wärmen. Gezwungener Maßen musste der Legat das Gespräch also wieder aufnehmen und so sah er zu Cara hinunter, die ihr zierliches Kinn auf ihre Knie aufgestützt hatte und wie ein Häufchen Elend aussah. "Auch ich habe schon viele Menschen sterben sehen, Cara. Es sind Augenblicke die sich anfangs tief ins Gedächtnis graben. Doch glaube mir, irgendwann kommt man darüber hinweg und lernt sie zu vergessen……. Und was die Blitze betrifft. Ich glaube nicht, dass die Götter einen Grund hätte dir so zu zürnen und dich so zu bestrafen. Du brauchst also keine Angst zu haben. Dir wird bestimmt nichts geschehen." versuchte er ihr etwas Mut zu machen.
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Das Gewitter schien allmählich weiter zu ziehen. Die Pausen zwischen den einzelnen Blitzgestalten am Himmel und dem tiefen Grollen wurden immer länger. Nur der Regen prasselte ungerührt weiterhin in Bindfäden auf den Erdboden.
Cara sah kurz zu ihm auf, als er wieder das Wort ergriff. Sie blieb diesbezüglich kritisch. Aber sie konnte dem Legaten nur schwerlich einen Vorwurf machen; den Mann hatte er schließlich ja nie kennen gelernt. Außerdem versuchte er sie ja nur zu beruhigen und das rechnete die junge Iulia ihm hoch an. Tröstender als der Inhalt war jedoch der ruhige Tonfall seiner Stimme und die Wärme seines Körpers.
Seine Suche nach einer Möglichkeit dem Gespräch eine andere Richtung zu geben, entging ihr gänzlich. Stattdessen fuhr der Decimer schließlich fort. Kurz brachte er die Iulia sogar zum Schmunzeln. Er glaubte wohl, dass sie eine kleine unschuldige Nymphe war. Ob ihre kleinen Untaten genügten, um die Götter zürnen zu lassen, war eine andere Frage. Seine Bemühung reichte, dass ihre Neugierde ansprang und sich ihr Verstand anderem zuwandte als dem langsam abziehenden Gewitter. „Aber ist es nicht etwas anderes, wenn man nur sieht oder es selbst tut?“, Cara wusste, dass sie damit eventuell Dinge berührte, die dem Legaten unangenehm waren. Andererseits, so fand sie, hatte sie ja auch ihm, wenn auch ungewollt, tiefe Einblicke in die Bandbreite ihrer Gefühle gegeben. -
Livianus dachte kurz über die Worte der jungen Frau nach. Es steckte durchaus eine gewisse Wahrheit darin. Natürlich war es kein Vergleich einen Menschen sterben zu sehen oder ihn selbst ein Gladius in sein Herz zu rammen. Es gab wohl kaum einen Römer, der noch nie den Tod mitangesehen hatte. Gelegenheiten gab es dafür genug. Ob es nun die Hinrichtung oder Kreuzigung eines Straftäters war, beim Besuch eines Gladiatorenkampfes, oder einfach der natürliche Tod eines Menschen. Die Gründe dafür waren zahlreich. Vermutlich war auch der vom Blitz getroffene Mann nicht der Einzige, den Cara im Laufe ihres Lebens gesehen hatte oder noch sehen würde. Livianus Mine blieb weiter nachdenklich
"Der Tod sieht immer gleich aus Cara. Ob du einen Mann sterben siehst, oder ob er durch deine Hand stirbt. Die Leere in seinen Augen ist letztendlich nach dem Moment seines Todes die gleiche. Ein Soldat lernt gewiss schneller zu vergessen als ein einfacher Civis, schließlich ist er, vor allem in Kriegszeiten, öfter mit dem Tod konfrontiert. Aber ich versichere dir, mit ein bisschen Mühe, kannst auch du die Bilder aus deinem Gedächtnis verbannen."
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Der Klang ihres eigenen Namens irritierte Cara. Nicht, weil sie ihn das erste Mal aus Decimus Mund hörte, sondern weil sie es erstmals bewusst wahrnahm und spürte, wie die Distanz zwischen zwei Menschen mühelos dahin schmolz und an ihre Stelle ein instinktives Vertrauen trat. Die junge Iulia war so erstaunt und fasziniert von dieser Entdeckung, dass sie die Antwort des Mannes an ihrer Seite nur zur Hälfte mit bekam. Als die letzten paar Takte in ihr Bewusstsein drangen, beeilte sie sich das Gesagte zu rekonstruieren. Mit eher mäßigem Erfolg. Zumindest die letzten anderthalb Sätze blieben ihr.
Zunächst regte sich leiser Widerstand in ihr. Die Bilder verbannen? Gedanken an die Toten, etwa an ihren Vater, unterdrücken? Das erschien der jungen Iulia Unrecht zu sein. Wozu hielt man sonst den Totenkult aufrecht?! Sie erkannte ihren eigenen Fehler, als sie zu einer Antwort ansetzen wollte, die Stirn kritisch in Falten gelegt. Es ging hier darum, lieber den einst lebenden Menschen in Erinnerung hoch zu halten. Cara schloss ihre Lippen, ohne das ein Wort darüber gesprungen wäre und stützte das Kinn beruhigt auf ihre Knie. Das klang logisch, positiv und sie hatte dem nichts weiter hinzuzufügen. Überhaupt, was waren das für düstere Gedanken an ihrem Geburtstag? Oder zumindest Nach-Geburtstag. 18 Winter. Eine lange Zeit. Sie war erwachsen und dennoch fühlte sie sich wie ein junges Mädchen, das gerade erst dabei war die Welt für sich zu entdecken. Vage erinnerte sie sich an eine Liste, die sie am Tage ihres sechsten Geburtstages geschrieben hatte. Eine Liste mit all den Dingen, die sie bis zu ihrer Volljährigkeit – zwölf – hatte getan haben wollen. Jetzt war wieder ein Jahr verstrichen, aber die Liste war nicht kürzer geworden. Zumindest hatte sie es geschafft nach Roma zu ziehen.
„Gibt es eigentlich etwas, das du schon immer tun wolltest, aber noch nicht geschafft hast?“, der Gedanke verselbständigte sich in ihrem Mund.
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